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Afrika - Asien - Rundbrief Zeitschrift des Arbeitskreises Afrikanisch-Asiatischer Akademikerinnen und Akademiker Jahrgang 24 • Heft 2 • 2009 Brennpunkte • Zukunft Wasser – Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für rückkehrende Fachkräfte • Landwirtschaft und nachhaltige Ernährungssicherung – Arbeitsmöglichkeiten für rückkehrende Fachkräfte
Abbildungen Vorderseite: © Kurt F. Domnik / PIXELIO Abbildungen Rückseite (v. l. n. r. jeweils v. o. n . u.:) 1. Centre Songhai, Porto Novo, Benin. Flickr: Mark Surman 2. Local Afghans build an irrigation canal under the supervision of Construction Management Organization to help agricul- ture farmers in Deh-E Bagh, Kandahar province. Flickr: lafrancevi 3. A blog entry about visiting this Tubas farm and the larger Jordan valley: Tubas farm. Flickr: michaelramallah (Lizenz: Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung; Weitergabe unter gleichen Bedingungen) 4. Potato farming in Afghanistan 5. Alles fließt. © Peter Kirchhoff / PIXELIO 6. The fields around here are all hand worked, and the irrigation systems have a distinctly fractal pattern. Even more interesting, the patterns are cultural, and different groups use different patterning. This is most apparent when flying low over the country. Flickr: Todd Huffman (Lizenz: Namensnennung. keine kommerzielle Nutzung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen) 7. A blog entry about visiting this Tubas farm and the larger Jordan valley: Tubas farm. Flickr: michaelramallah (Lizenz: Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung; Weitergabe unter gleichen Bedingungen) 8. Maize field near Haramaya town, Ethiopia. Flickr: Petr Kosina 9. Water for every one, Sudan. Flick: Water For Sudan 10. Kenia. Flick: angela7dreams 11. Guinea, Returning home. Flickr: martapiqs (Lizenz: Namensnennung. keine kommerzielle Nutzung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen) 12. That anyone in Afghanistan ever goes hungry is a travesty -- the earth here is perfectly suited for agriculture. The cau- liflower grown near me is bigger than any I‘ve ever seen before. Other favourites are rice, sugar cane, and a bit further north, wheat and almonds. Flickr: Todd Huffman 13. Life saving - drinking water, Africa. Flickr: jon gos 14. This land is so amazingly taken care of. Look how neat and trim everything is, the great use of irrigation, the stone walls, Afghanistan. Flickr: munir (Lizenz: Namensnennung. keine kommerzielle Nutzung, Weitergabe unter gleichen Bedin- gungen) 15. Ufer am Kabul in Sorobi, Afghanistan. Foto: Sven Dirks, Wien 16. Irrigation trench Arusha, Tansania. Flickr: Malangali (Lizenz: Namensnennung. keine kommerzielle Nutzung, Weiterga- be unter gleichen Bedingungen) 17. Farmers Dig Irrigation Canals, Afghanistan. Keywords: Afghanistan Irrigation Canals Farming Farmers Men Working Digging. Foto: Ben Barber 18. View from the castle walls Karak, Jordanien. Flickr: Magh 19. Wassertropfen. © Peter Kretschmar / PIXELIO 20. Drip Irrigation T-tape, Africa. Flickr: davetrainer 21. Here‘s an example of rich soil which is irrigated by hand trenches. The valley soil is rich due to periodic flooding, but lots of it is just out of range of natural irrigation. Through terracing and mud+rock irrigation systems the Afghans get a lot of crops out of this valley. Flickr: Todd Huffman
INHALT Editorial 2 Brennpunkt I Zukunft Wasser – Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für Rückkehrerinnen und Rückkehrer Said Shafic Gawhari, Dipl.-Ing., Afghanistan 3 Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Entsorgung am Beispiel Afghanistan Udo Hartmann, Dipl.-Geol. 7 Trinkwasser – Schutz und Erschließung Dr. Abdul Hanan Roostai 11 Experteneinsätze für die Trinkwasserversorgung und den Grundwasserschutz in den Ballungsgebieten Asiens – am Beispiel von Kabul / Afghanistan Rückkehr-Erfahrung – Zwei Länderbeispiele Said Shafic Gawhari, Dipl.-Ing., Afghanistan 17 Rückkehr und Reintegration – am Beispiel Afghanistan Dr. Rishi Kumar Behl, Indien 19 Was können Rückkehrer/-innen in ihren Ländern tun? B r e n n p u n k t II Landwirtschaft und nachhaltige Ernährungssicherung – Arbeitsmöglichkeiten für rückkehrende Fachkräfte Dr. Omar Badran 21 Sonnenfolgende Photovoltaikanlagen und Wasserpumpen für Projekte nachhaltiger Landwirtschaft – am Beispiel Jordanien Dr. Abdul Hanan Roostai 25 Erschließung der Boden- und Wasserressourcen zur nachhaltigen Entwicklung in der Landwirtschaft und Sicherung der Lebensmittelversorgung in Asien – am Beispiel Afghanistan Besuch beim Dransfelder Saatenhandel in Mackenrode 33 Vorstellung des Betriebes und seiner Geschichte durch den Betriebsleiter Reinhard Hübner I m p r e s s u m (Umschlag Rückseite)
Editorial Die Themen dieses Heftes des Afrika-Asi- Die Fragestellungen wurden alle unter dem en-Rundbriefs stellen einen Zusammen- Aspekt behandelt, welche Möglichkeiten hang zwischen „Wasserversorgung“ und diese beiden „Brennpunkte“ als Berufs- „landwirtschaftlicher, nachhaltiger Ernäh- einstieg für Rückkehrer/-innen bieten. Die rungssicherung“ her: WUS/CIM-Seminare eröffnen so manche ungeahnte Perspektive für eine Arbeit im • ohne Wasser keine Landwirtschaft; Herkunftsland nach einer Hochschul- oder Fachausbildung in Deutschland. • ohne sauberes Trinkwasser kein Leben für Mensch und Tier; Unser Afrika-Asien-Rundbrief soll so- wohl zur Verbreitung der Kenntnis über • ohne ortsnahe Wasserversorgung, lange vielfältige Berufsfelder vor der Rückkehr Gehwege für die betroffenen Frauen, ins Herkunftsland informieren, als auch Kinder, Bediensteten, Zeit- und kör- zur Anregung zu Initiativen der bereits perliche Energieverschwendung; Aus- Zurückgekehrten beitragen. beutung; Hinderung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung und Bildung. Die Redaktion In Gegensatz zu diesem Katalog von Pro- blemfeldern, der als Hintergrund aufge- Milliarden für Lebensmittel zeigt werden soll, entwickeln die Autoren Das voraussichtliche Wachstum der für ihre jeweiligen Bereiche positive, zu- Weltbevölkerung auf 9,1 Milliarden kunftsträchtige Möglichkeiten, mit dem Menschen bis 2050 führt nach Anga- kostbaren Gut „Wasser“ umzugehen und ben der Vereinten Nationen (UN) zu die Wassernutzung in der Landwirtschaft einem massiven Investitionsbedarf in zur Ernährungssicherung einzusetzen. der Landwirtschaft. Weltweit müsse die Produktion von Lebensmitteln in den Letzteres Thema wird durch das anschau- kommenden 41 Jahren um 70 Prozent liche Beispiel eines Saatgutabfüllbetriebs gesteigert und in den Entwicklungs- ergänzt; dieses Unternehmen erhebt kei- ländern nahezu verdoppelt werden. nen Anspruch auf die Herstellung des Zur Versorgung der Menschen seien Saatguts, sondern auf marktgerichtete Ab- bis 2050 weltweit 56,2 Milliarden Euro füllung, Vermarktung großer und kleiner pro Jahr notwendig. Mengen – eine Perspektive, die besonders Quelle: Göttinger Tageblatt v. 09.10.2009:2, für Klein- und Hausgärten in Entwick- Berlin (rtr). lungsländern von Interesse sein dürfte. 2 EDITORIAL Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Brennpunkt I Zukunft Wasser – Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für Rückkehrerinnen und Rückkehrer Said Shafic Gawhari, Dipl.-Ing., Auslandsreferent aus Afghanistan Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Entsorgung am Beispiel Afghanistan Herr Gawahri studierte Ingenieurswissenschaften und machte seinen Abschluss in Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der Universität Paderborn. Seit eineinhalb Jahren hat er eine Beraterfunktion im Bereich Investitionen bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH in Afghanistan. Zu Beginn seines Vortrags geht Herr Gawhari Konferenzen tätig sein und Recherchen in be- auf die Möglichkeit ein, sich im Herkunftsland stimmten Bereichen durchführen könne. selbständig zu machen. Dies sei zum Beispiel durch die Arbeit bei der GTZ oder einem Con- Daneben könnte man die Organisation von sulting-Unternehmen möglich, wodurch man im Hochzeiten und Ausstellungen übernehmen. Nachhinein als Dienstleistungsunternehmer für Es sei wichtig, sich bereits während des Studi- Said Shafic Gawhari, Auslandsreferent Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 3
Said Shafic Gawhari, Dipl.-Ing., Auslandsreferent aus Afghanistan ums Gedanken darüber zu machen, ob man sich Element Wasser tief verankert. In Afghanistan später einmal selbständig machen möchte oder sagt man, dass die Verschwendung und die Ver- nicht. Die Herausforderung für die Menschen schmutzung von Wasser eine Sünde sei. Das bestehe darin, mit dem Wasser die Zukunft zu Wasser gehöre der Menschheit. Die Menschen gestalten. stellen fest, dass die Balance in der Natur nicht mehr gegeben ist, was mit der Entwicklung der Drei Bereiche möchte Herr Gawhari näher erläu- Gesellschaft zu einer Konsumgesellschaft in tern: engem Zusammenhang zu sehen ist. Darauf ist die Natur nicht eingerichtet. Für die Schaffung • Wasser als flüchtiges Gut, einer nachhaltigen Entwicklung ist ein sinnvol- • Wasserressourcenmanagement, ler Umgang mit dem Wasser zentral. • Berufschancen im Wassersektor. Folgende Prinzipien sind zu berücksichtigen: • es muss sich um ein nachhaltiges Konzept Das afghanische Ministerium für Wasser und handeln, Energie hat ein Papier verabschiedet, in dem das • die Umwelt muss als Anspruchsberechtiger Wasser eine große Rolle spielt. gesehen werden, • eine gleiche Wasserverteilung muss gewähr- Wasser kann man nicht festhalten. Es gibt 5 ver- leistet werden. schiedene Wasserspeicherplätze auf der Erde: • Ozeane, Das Wasser ist ein öffentliches Gut und sollte • Süßwasser, Flüsse und Seen, niemandem individuell gehören. Die Regierung muss integriert werden, um das Problem zu lö- • Atmosphäre, sen. Keine Firma kann Inhaber des Wassers sein, • Grundwasser, egal um welches und wie viel es sich handelt. • Polkappen-Eis. Eine Problematik, die Herr Gawhari in einer ge- Wasser ist ständig in Bewegung. Doch die Was- rechten Wasserverteilung sieht, ist die Tatsache, sermenge auf der Erde bleibt konstant. Darüber dass das Wasser keine Grenzen kennt. Grenzen sollte man sich Gedanken machen. Das jährliche werden immer von Menschen gemacht. So hat Bevölkerungswachstum beträgt in vielen Län- auch Afghanistan das Problem, dass viel Wasser dern 4 - 6%. ungenutzt das Land verlässt. Es sei wichtig, die- sen Punkt bei zukünftigen Konzeptentwicklun- Was das Wasserressourcenmanagement anbe- gen zu berücksichtigen. Er ist der Meinung, dass langt, so ist es durchaus kritisch zu betrachten, nicht die Wirtschaft das ausführende Organ sein weil der Bedarf an Wasser, mit ihm jedoch auch sollte, da momentan in Afghanistan viel privati- die Verschmutzung, stetig steigt. Die Wasser- siert werde. Stattdessen sollte die Wasserver- und menge aber bleibt konstant. -entsorgung an Regierungsunternehmen gegeben werden. Die Regierung habe dann die Aufsicht, Herr Gawhari vertritt die Auffassung, dass die doch die Arbeit laufe wie in einer privaten Firma Kämpfe ums Wasser bereits heute auf höchs- ab. Das schaffe Arbeitsplätze. ter politischer Ebene geführt werden. S. E. bräuchte man eine gerechte Verteilung sowie Organisationsfunktionen: eine Konfliktlösung. Die Herausforderung be- • Planung, steht für ihn darin, ein ganzheitliches Wasser- • Durchführung; ressourcenmanagement zu etablieren. • Operationalfunktionen: Wasserverbrauch, Nutzung, Monitoring Doch wie lässt sich mit dem Gut Wasser umge- hen? Vor sieben Monaten fand in Indien eine Konferenz In allen Traditionen, sei es Christentum, Islam zum Thema “regionale Wirtschaftsentwicklung” oder Judentum, und in allen Kulturen, ist das statt. Herr Gawhari spricht das Problem an, dass 4 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Entsorgung – am Beispiel Afghanistan sich Wasserkraftwerke nicht selbst finanzieren T: Biologen sind ebenfalls wichtig. können. Sie sind auf die Hilfe der Weltbank und anderer Banken angewiesen. Da sich Afghanis- T: Gibt es einen Unterschied zwischen Grund- tan mit seinen Nachbarländern absprechen muss, wasser und fossilem Wasser? was die Nutzung des Wassers anbelangt, so sind Fachleute gefragt, die dieses Problem lösen kön- W.-G.: Sie sprechen von dem libyschen Projekt nen. Ein vernetztes Denken sei notwendig. in 3000 m Tiefe. Das ist fossiles Wasser. Zum Abschluss seines Vortrags weist Herr R: Afghanistan hat eines der ältesten Bewässe- Gawhari darauf hin, dass man auch durch ge- rungssysteme. Auf dem Land geht viel Wasser ringfügige Investitionen viel erreichen könne. verloren. Mit Tropfbewässerung könnte man besser bewässern. Nirgends gibt es so wenige Expertisen wie im Wasserbereich. Hier fehlen Diskussion die Fachleute. Viele Länder verkaufen kleine Wasserpumpen nach Afghanistan. Große Was- Teilnehmer (T): Ist es verboten, wenn man einen serpumpen werden auch gebraucht, doch keiner Fluss ganz umleitet ? Das müsste erlaubt sein. kann mit ihnen umgehen. Das nötige Know-how Es ist unser menschliches Recht, unsere Lebens- wird auch gebraucht, wie man mit großen Pipe- strategie. lines umgeht. Bei großen Investitionen kommen sofort die Ausländer. Eine Expertise, die man Referent (R): Nein, dürfen wir nicht. Ich war hat, kann man auch im Wasserbereich einsetzen. auch überrascht, wie unterschiedlich die Wasser- Die Chance, im Wassersektor eine Arbeit zu fin- verteilung in einzelnen Ländern sein kann. den, ist groß. Ich empfehle Euch, spezialisiert Euch in diesem Bereich. T: Die Wassersituation hängt mit den kogniti- ven Veränderungen des Menschen zusammen. W.-G.: Gibt es einen Beruf “Wassertechnik”? Muss das Bewusstsein der Menschen verändert Müsste vielleicht entwickelt werden! werden? R: Die afghanische Regierung muss sich mit R: Ethnologen könnten vielleicht das Verhalten der pakistanischen Seite zusammensetzen. Das der Menschen durch einen langen Prozess der hat sie auch vereinbart. Es gibt eine Richtlinie, Bewusstmachung kultureller Traditionen wie- in der festgeschrieben ist, wie das Management der verändern. In manchen Ländern ist die Ver- von Flüssen vorgenommen werden soll. Die UN schmutzung das größte Problem, in einem ande- hat dies vorgeschrieben. Erst muss die Wasser- ren Land ist es die Wasserknappheit, so wie sie verteilungsfrage zwischen den Ländern geklärt von der Bevölkerung wahrgenommen wird. werden. Pakistan hat gute Fachleute. Kompro- misse sind notwendig. Die Türkei kann das Was- T: Ich denke, ein Bewusstsein zu entwickeln, ser als politisches Druckmittel einsetzen. Wenn ist wichtig. Das muss bereits in jungen Jahren man jedoch auf internationale Hilfe angewiesen anfangen. Die Zusammenarbeit von Ingenieurs- ist, ist das nicht möglich. wissenschaftlern und Erziehungswissenschaft- lern spielt eine wichtige Rolle. T: Wie ist das mit dem Helmand-Fluss gere- gelt? R: Außerdem ist IT-Know-how gefragt. R: Der Iran kündigte Ansprüche auf den Hel- Wolde-Giorgis (W.-G.): Krankheiten, die mit mand-Fluss an. Das muss gelöst werden. Es Wasser zu tun haben, rücken zunehmend in den müssen Abkommen geschlossen werden, da es Blickpunkt. sonst keine Gelder gibt. R: Fachleute aus dem Bereich der Wirtschaft W.-G.: Es könnte Wasser abgepumpt werden. und der Agrarökonomie werden in Zukunft be- Doch 80% des Wassers sammelt sich während der nötigt. Regenzeit. Das ist zu viel, um es abzupumpen. Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 5
Said Shafic Gawhari, Dipl.-Ing., Auslandsreferent aus Afghanistan R: Von der UN ist festgelegt, wie viele Kubik- serverbrauch der Grundwasserspiegel. Die Fol- meter Wasser Afghanistan verlassen dürfen. ge war, dass die Pistazienwälder zunehmend ka- puttgingen. T: Ist die Resolution bindend oder bloß eine Empfehlung ? Management beinhaltet: Umgang mit komple- xen Systemen, vernetztes Denken, nachhaltige R: Resolutionen der UN sollten bindend sein. Wirtschaftsentwicklung. Der GTZ sind diese Oft sind diese leider nicht sinnvoll. Afghanistan Aspekte sehr wichtig. Wenn ein Projekt zu Ende kann auf die Unterstützung von Experten set- geht, ist es wichtig zu wissen, wie es weitergeht, zen. Afghanistan ist ein Binnenland. Allerdings auch ohne internationale Unterstützung. besteht ein Problem bei den Transitwegen nach Pakistan. Afghanische Produkte, wie die Melo- W.-G.: Interdisziplinäres Denken ist gefragt. ne, kommen über den Norden Afghanistans nach Die Probleme, die bei der Durchführung eines Indien. Da die Produkte Pakistan nicht passieren Projektes auftauchen können, müssen erkannt dürfen, müssen die Händler ein Stück des Weges werden. Ebenso die aus einem Problem resultie- zu Fuß zurücklegen, um nach Indien zu gelan- renden Folgen. Das Seminar dient dazu, Ihnen gen. Der Import von Textilien nach Pakistan ist Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir in unseren nur möglich, wenn die Transitwege nach Pakis- Heimatländern das Wasserproblem anpacken tan geöffnet werden. Das ist für die europäischen können. Rückkehrer können als Dienstleister Länder eine Bedingung, um mit Pakistan zu ver- auftreten. Doch fehlt Rückkehrern der Unterneh- handeln. mergeist. Früher gingen wir zurück und es gab Arbeitsplätze. Heute ist das nicht mehr so. T: Wie kann das Wassermanagement die Was- serknappheit lösen ? R: Das Ziel meines Vortrages war, dass darüber nachgedacht wird, dass der Bedarf an Wasser R: Alle Beteiligten werden einbezogen - die immer weiter steigt, die Wassermenge jedoch Regierung und die Bevölkerung. Wasser muss konstant bleibt. Ich wollte ihnen einige Ideen als wertvolles Gut betrachtet werden. Es müs- geben, wie wir dieses Problem lösen können. sen Kriterien zum Verbrauch des Wassers fest- gelegt werden, um die Verschmutzung zu ver- T: Es muss über eine gerechte Verteilung ge- hindern. sprochen werden. Wenn das Wasser durch Af- ghanistan fließt, haben wir auch das Recht, es W.-G.: Jemand, der Projektmanagement gelernt zu nutzen. hat, ist kein guter Wasserfachmann. Können Sie kurz darlegen, was Management bedeutet ? R: Wenn das Wasser nach Pakistan fließt, dürfen wir nicht sagen, dass das nicht so sein darf. Mit R: Im Iran sind Pistaziengärten entstanden. Im Wasser ist der Lebensunterhalt verbunden. Diese Laufe der Zeit sank durch den zu hohen Was- Tatsache führt zwangsläufig zu Konflikten. Seminar: Zukunft Wasser – Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für Rückkehrerinnen und Rückkehrer (25. - 27. Mai 2007) Seminarleitung: Ramin Wais Veranstalter: Arbeitskreis Afrikanisch-Asiatischer Akademikerinnen und Akademiker (AAAAA) in der Afrikanisch-Asiatischen Studienförderung e.V., Göttingen Veranstaltungsort: AASF e.V., Mahatma Gandhi-Haus, Theodor-Heuss-Str. 11, Göttingen Protokoll: Karin Hold 6 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Udo Hartmann, Dipl.-Geologe Trinkwasser – Schutz und Erschließung Herr Hartmann ist Diplom-Geologe und Geschäftsführer der Renner Con- sult & Partner GmbH in Amberg. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich Ingenieurgeologie. Er kümmert sich um die Erschließung und Verteilung von Wasser. Sein Studium absolvierte er an der Technischen Universität in München. Danach war er einige Jahre in einem Ingenieur- büro tätig, bevor er sich als Ingenieur selbständig machte. Heute hat er sich auf den Brunnenbau spezialisiert. Der Einstieg gestaltete sich für ihn relativ einfach, da nur wenige in diesem Bereich arbeiten. In den meisten Ländern existieren bereits Was- Kontamination geschützt werden. In Deutsch- serversorgungssysteme. Doch in vielen Ent- land gilt: wicklungsländern ist die hydrologische Situation noch nicht mit der in Deutschland vergleichbar. • Die sogenannte Schutzzone I schützt die Vorrangig geht es um den Schutz von Ressour- Brunnen (Fassungsanlagen). Eine ander- cen und um nachhaltigen Trinkwasserschutz. weitige Nutzung sowie das Betreten durch Unbefugte ist verboten. Herr Hartmann äußert die Vermutung, dass tech- nische Probleme den nötigen Schutz in vielen • Die Schutzzone II geht etwas weiter als die Fällen verhindern. Allerdings ist eine Über- Schutzzone I. Hier muss darüber entschieden wachung nur möglich, wenn ein nachhaltiger werden, welche Bauwerke im Bereich des Grundwasserschutz vorhanden ist. Das Grund- Brunnens zugelassen werden und welche nicht. wasser hat ein bestimmtes Gefälle und damit Eine landwirtschaftliche Nutzung, vor allem eine bestimmte Fließrichtung. Düngung, ist nur eingeschränkt möglich. Der Bereich rund um den Brunnen ist am emp- • In der Schutzzone III muss eine Oberflä- findlichsten und muss deshalb besonders vor chen-Kontamination (z. B. Schuttablage- v. l. n. r.: U. Hartmann, Deutschland, Referent; Dr. A. Wais, Afghanistan, Dr. K. Wolde-Giorgis, Äthiopien Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 7
Udo Hartmann, Dipl.-Geologe rung, Düngung, Massentierhaltung) vermie- • Sulfidbildung, den werden. • Verschleimung, • Sondertypen. Nur auf diesem Weg ist eine Kontrolle über den Zustand des Bodens möglich. Außerdem Durch Inkrustationen wird die Brunnenleistung gewährleisten die Schutzzonen eine rechtliche beeinträchtigt, woraufhin sich die Wasserquali- Handhabe, wenn es zu einer Kontamination tät verschlechtert und mit der Zeit der Brunnen des Bodens kommt. Durch Ressourcenschutz zerstört wird. Wie stark die Inkrustation ist, kann der Wasserverbrauch minimiert werden. hängt davon ab, auf welchem Boden der Brun- Die Menschen müssen sensibilisiert werden, nen angelegt wurde. Die erste Regenerierung damit nicht so viel Wasser versickert. Wird das benötigt mehr Zeit als die folgenden. Die alte Wasser richtig aufbereitet, verbessern sich die Pumpe wird ausgetauscht. Sie gibt Aufschluss hygienischen Umstände. Bei der Verteilung des darüber, welche Verschmutzungen im Brunnen Wassers ist darauf zu achten, dass keine Leck- stattgefunden haben. stellen entstehen, wodurch große Verluste zu Stande kommen können. Auch Brunnen müs- sen regeneriert werden. Vor der Regenerierung: Herr Hartmann geht davon aus, dass die Rück- • Leistungstest, kehrenden bei Veränderungen eher Gehör finden • Beurteilung der ausgebauten Armaturen, werden, als dass auf politischer Ebene etwas • TV-Befahrung, passiert. • Zuflussverhalten (Flow-Meter), • Ausbauzustand / mechanische Stabilität, • Dichtheit der Übergänge, Die gängigsten Regenerierverfahren • Filterkieszustand (Absenkungen). • Hydraulisches Verfahren, • mechanisches Verfahren, Nach der Regenerierung: • Impulsverfahren. Von der TV-Befahrung bis zum Filterkieszustand Welches Verfahren eingesetzt wird, hängt von erfolgt die Überprüfung in denselben Schritten den Ursachen der Kontamination ab. wie vor der Regenerierung. Allerdings findet der Leistungstest in diesem Fall im Anschluss statt. Der Druck und die Temperatur im Brunnen ver- Zusätzlich werden die Arbeiten noch dokumen- ändern sich, Kristalle fallen aus. Die Folge sind tiert. Inkrustationen. Folgende Inkrustationsarten können auftreten: Das hydraulische Verfahren kann nur angewandt werden, wenn der Brunnen mechanisch stabil ist. • Eisen- und Manganhydroxidbildung, Sind zu starke Verkrustungen vorhanden, kommt • Versinterung (Karbonatbildung), das Ultraschallverfahren nicht in Frage. Mit Hil- • Aluminiumhydroxid (Tonminerale), fe eines Regenerators kann vor Ort festgestellt 8 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Trinkwasser – Schutz und Erschließung werden, welches Verfahren angewandt werden R: Ohne Strom kann man in keine Wasserleitung sollte. Die hygienischen Bedingungen des Brun- einspeisen. Entweder muss man eine Leitung nens spielen eine wichtige Rolle. Um zu einer legen oder mit alternativer Energie, wie Beurteilung über den Zustand des Brunnens zu Solarenergie, arbeiten. Sie bräuchten einen gelangen, muss man sich die Oberfläche genau artesischen Brunnen. Im freien Gefälle könnte das anschauen. Mit Hilfe des entsprechenden Ver- Wasser dort hinfließen und austreten. Bei einem fahrens kann die Verkeimung verringert werden. Schacht kommen Sie um die Energieversorgung Schließlich müssen Erkundungsmaßnahmen zur nicht herum. Sie bräuchten ein Fließgewässer, exakten Planung und Organisation stattfinden. um mit Hilfe einer Winter-Pumpe Wasser aus der Tiefe zu pumpen. Von der GTZ wird oft eine Neuerschließung empfohlen, statt die alten Brunnen zu reinigen. T: Gelangt saurer Regen ins Grundwasser? Herr Hartmann dagegen meint, dass die Brunnen leistungsfähig gemacht und das Grundwasser R: Nein, er vermischt sich mit Mineralien. Des- geschützt werden müsse. halb ist er nicht relevant. T: Wonach entscheide ich, wo ich einen Brun- Diskussion nen baue? Teilnehmer (T): Wie tief ist so ein Brunnen? R: Es gibt Verordnungen. Eine Erschließung ist dort gut, wo sich kein kontaminiertes Wasser be- Referent (R): 300 - 400 Meter tief. findet. T: Wie viele Brunnen gibt es in Deutschland? Eine Versalzung im vulkanischen Bereich kann durch Umkehrosmose in Wasser umgewandelt R: Das ist nicht festgehalten. In Bayern gibt es werden. In Deutschland ist es untersagt, das mehr als 1000 Wasserschutzgebiete. Dort hat zweite Grundwasserstockwerk zu nutzen. Bei fast jeder bäuerliche Haushalt einen Brunnen. einer Mischung von Salz und Wasser fallen Mi- neralien aus, weshalb eine Aufbereitungsanlage T: Woher weiß man, dass an einer bestimmten nötig wird. Stelle Wasser vorhanden ist? Wolde-Giorgis (W.-G.): In Göttingen gibt es R: Das hängt von der geologischen Lage ab. So eine Salzgewinnungsanlage, eine Pfannensaline, kann man die Wahrscheinlichkeit abschätzen. vielleicht die ertragreichste Deutschlands. Man muss eine Bohrung machen und geoelektri- sche Messungen durchführen. T: Können Sie zur Umkehrosmose etwas sa- gen? T: Was verstehe ich unter einem Schutzgebiet und wie wird es ausgewiesen? R: Aus Meerwasser kann ich Trinkwasser ma- chen. Doch dazu benötige ich Energie. R: Das hängt von der rechtlichen Seite ab. Was darf ich in welcher Zone und was nicht. T: Ist das Wasser aus einem Brunnen keimfrei? T: Was sind die Ursachen für die Beschädigung R: Wenn es tiefer liegt, ist es trinkbar. Aufgrund des Brunnens? von Mineralisation ist es möglich, dass es auf- bereitet werden muss. Je näher sich das Wasser R: Alter, Erosionsschäden, Druckungleichge- an der Oberfläche befindet, um so größer ist die wicht. Wahrscheinlichkeit, dass es kontaminiert ist. Das muss von Fall zu Fall untersucht werden. T: Wir wollen einen Brunnen bauen, haben aber keinen Strom. Was können wir tun? T: Gesundheitlich gibt es keine Bedenken? Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 9
Udo Hartmann, Dipl.-Geologe W.-G.: Nein. Es gibt ein Pulver, mit dem man T: Wie lange hält das beste Material? das Wasser keimfrei bekommt. R: Von den neuen Materialien kennt man noch R: Chlorpulver verwendet man, um die Verkei- keine Zahlen. Die Wasserqualität, die Verlegung mung, die während des Transports entstanden ist, und der Standort spielen dabei eine Rolle. Aber zu beseitigen. Sonst eigentlich nicht. Das Pulver ca. 50 Jahre sind realistisch. ist keine normale Form der Aufbereitung. T: Warum gibt es keine Alternativen zum Trink- W.-G.: Man hat den Leuten in der Werbung sug- wasser, zum Beispiel aus dem Indischen Oze- geriert, dass das Trinkwasser nicht gut sei. In an? Äthiopien sterben viele Menschen an Cholera. Das Wasser muss erst gereinigt werden. R: Bei einer kleinen Insel finde ich kein Was- ser, das salzfrei ist. Man muss die Quellaustritte R: Das Pulver hat mit Nachhaltigkeit nichts zu nutzen. Allerdings befindet sich dieses Wasser tun. Es sollte nur bei großen Problemen verwen- an der Oberfläche und ist somit eher kontami- det werden. niert. Nicht überall auf der Erde gibt es Grund- wasser. T: Woher weiß ich, wie das Wasser fließt? W.-G.: Es gibt Leute, die behaupten, mit einer R: Auf Grund von Strukturen kann ich sagen, Wünschelrute Wasser finden zu können. woher das Wasser kommt und wohin es fließt. Es fließt immer von hoch zu tief. R: Das ist nicht bewiesen. Wie es technisch funktioniert, weiß ich nicht. Doch ich kenne ei- T: Welche Materialien für die Leitungen sind nen Spatenfachmann, der noch nie eine Leitung besser? getroffen hat. Durch Scharlatane sind solche Methoden in Verruf geraten. R: Das ist unterschiedlich, hängt vom Boden ab. T: Ist es gut, Regenwasser zu trinken? T: Manchmal ist die Wasserqualität auch W.-G.: Nicht direkt nach dem Niederschlag. Ein schlecht. paar Tage später. R: Dann kann man die Leitungen nur wechseln. R: Sie können die Keimfreiheit nicht feststel- Man kann eine DIN-Norm bestimmen. len. T: Wie kann ich erkennen, ob ein Leck in der W.-G.: Das ist alles relativ. Wenn ich sehe, was Leitung ist? die Leute aus der Erde holen und trinken, dann ist das Regenwasser ein Segen. Ich schlage vor, R: Normalerweise durch einen Zähler, wenn der das Wasser erst abzukochen und dann zu trinken. Verbrauch zu hoch ist. Man kann auch ein Ende Das Wasser aus der Leitung ist verseucht, da kei- der Leitung abklemmen und Druck draufgeben. ne saubere Kanalisation vorhanden ist. Seminar: Zukunft Wasser – Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für Rückkehrerinnen und Rückkehrer (25. - 27. Mai 2007) Seminarleitung: Ramin Wais Veranstalter: Arbeitskreis Afrikanisch-Asiatischer Akademikerinnen und Akademiker (AAAAA) in der Afrikanisch-Asiatischen Studienförderung e.V., Göttingen Veranstaltungsort: AASF e.V., Mahatma Gandhi-Haus, Theodor-Heuss-Str. 11, Göttingen Protokoll: Karin Hold Foto 1. Seite dieses Beitrags: „Life saving – drinking water, Africa“ Quelle: http://www.flickr.com/photos/julien_harneis/589718393 CC-Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0 10 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Dr. Abdul Hanan Roostai Experteneinsätze für die Trinkwasserversorgung und den Grundwasserschutz in den Ballungsgebieten Asiens – am Beispiel von Kabul / Afghanistan Dr. Abdul Hanan Roostai, 1951 in Kabul geboren, studierte Geologie mit dem Abschluss eines Diploms an der Universität Kabul. Es folgten Projektarbeit im staatlichen Geologischen Dienst Afghanistans von 1975 bis 1979, Geologiestudium an der Universität Hannover, Institut für Geologie und Paläontologie, von 1982 bis 1987. Anschließend war er Wissenschaftlicher Angestellter der Bundesanstalt für Geowis- senschaften und Rohstoffe sowie des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung in Hannover von 1987 bis 1992. 1992 erhielt er einen Lehrauftrag am Lehrstuhl für Angewandte Geologie und Mi- neralogie der Universität Erlangen-Nürnberg neben der Lehre und Forschung. Dissertation 1997 am vorgenannten Lehrstuhl. 1998-2000 war er tätig bei der GEO-data GmbH, Hannover. Seit Mitte 2000 ist Dr. Roostai tätig bei der Firma Mull & Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Hannover, mit Tätigkeits- schwerpunkt Sanierung der Uranerzbergwerke und des Braunkohletagebaus in Sachsen und Thüringen. Die Weltbevölkerung wächst rapide und in Land ungünstiger ist als in den Städten. Auch die den Entwicklungsländern werden immer mehr rückkehrenden Flüchtlinge aus den Nachbarstaa- Landstriche für landwirtschaftliche Zwecke in ten halten sich in den großen Städten wie Kabul Anspruch genommen. Dadurch steigt der Was- auf. Die Bevölkerung wächst und damit steigt serbedarf an. Zusätzlich herrscht in Folge der auch der Bedarf an Wasser. Außerdem wächst, Klimaveränderung in zahlreichen Ländern Dür- wenn auch langsam, die Industrie, die Wasser re. Deshalb wird das Wasser knapper und der braucht. Machtkampf um Wasser nimmt ständig zu. Ex- perten prognostizieren, dass, wenn es noch ein- Das Problem ist nicht allein auf Kabul be- mal zu einem Weltkrieg kommen sollte, dieser schränkt, auch andere Städte sind davon betrof- um Wasser geführt werden wird. Die Wasser- fen. Die Klimaveränderung und die anhaltende knappheit betrifft die Ballungsgebiete Asiens am langwierige Dürre vervielfacht das Problem zu- stärksten. sätzlich. Aus den genannten Gründen hängt die Zukunft der Bevölkerung, insbesondere die von Als ausländischer Studierender hat man die den Kindern in Afghanistan, von der Sicherstel- Möglichkeit, in Deutschland etwas zu lernen, lung der Wasserversorgung ab. Viele von ihnen um als Rückkehrer die Situation im Heimatland können keine Schule besuchen, da sie von ihrer zu verbessern. Doch warum ist das Wasserpro- blem in Kabul so groß gewor- den? Während des Krieges sind viele Menschen nach Kabul und auch in andere Großstädte ge- gangen, da die v. l. n. r.: Dr. A. H. Roostai, Afghanistan, Referent; Lage auf dem R. Wais, Deutschland, Seminarleiter; Prof. Dr. R. K. Behl, Indien Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 11
Dr. Abdul Hanan Roostai lerdings kommt es seit einigen Jahren zu anhal- tenden Dürren, wodurch die stehenden Gewäs- ser zunehmend austrocknen. In den letzten zwei Jahren erhöhte sich der Niederschlag und so kam es zu zahlreichen Überschwemmungen mit ka- tastrophalen Folgen, weil nur wenige Stau- und Rückhaltedämme existieren, die den anschwel- lenden Flüssen Halt geben können. Der Bau sol- cher Dämme kann sowohl Überschwemmungen verhindern, als auch Strom produzieren. Als Bei- Abb. 1: Kinder laufen 3 Stunden am Tag, spiel dient der Kabul-Fluss, der in seinem Unter- um Wasser zu holen. lauf eine hydroelektrische Kraft von ca. 750.000 kW/h besitzt. Familie zum Wasserholen gebraucht werden (Abb. 1). In den Hoch- und Mittelgebirgslandschaften (Abb. 2 und 3) von Afghanistan fällt genügend Andererseits ist in Afghanistan grundsätzlich Regen und Schnee, so dass für den ganzen Som- viel Wasser vorhanden. Das jährliche Nieder- mer ausreichend Wasser vorhanden ist. Verein- schlagsvolumen beträgt ca. 180 Mrd. m3, wobei zelt sind vor dem Krieg einige Staudämme ge- die Hälfte verdunstet und ca. 95 Mrd. m3 Wasser baut worden. Sie können aber teilweise noch neu gebildet werden [1]. Davon fließen ca. 84 m3 nicht genutzt werden, da sie entweder in Folge Wasser oberflächlich und ca. 11 Mrd. m3 spei- des Krieges zerstört oder verschlammt wurden sen das Grundwasser [1]. Aber etwa 77% des sind. Das Wasser in den Gebirgsketten und Tä- vorhandenen Wassers fließen in Depressionen wie in die Seenketten in Südwest Afghanistan, oder in die Endseen des Amu-Darya, 11% in den Indischen Ozean und 12% verdunsten [2]. Das genutzte Volumen liegt bei 10-15 Mrd. m3. Ge- waltige Wasservolumen verlassen Afghanistan ohne genutzt zu werden. Der jährliche Export von Wasser beträgt über 60 Mrd. m3. Insgesamt haben nur 23% der afghanischen Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser. Davon leben 43% in Städten und 18% auf dem Land. Bis zum Jahr 2020 sollen 50% der Bevölkerung mit sau- berem Trinkwasser versorgt werden. Wasser ist ein Menschenrecht und muss deshalb jedem zu- Abb. 2: Wasserreservoir im Hochgebirge, Osthindukusch gänglich sein. Außer Fließgewässern existieren in Afghanistan zahlreiche stehende Gewässer, die auch zur Wasserversorgung genutzt werden könnten. Al- [1] Rout, B. (2008) Water Management, Livestock And The Opium Economy. How The Water Flows: A Ty- pology of Irrigation Systems in Afghanistan. Afghanis- tan Research and Evaluation Unit Issue Paper Series. 80 pp. (http://search.icq.com/search/results.php?q=A Typology of Irrigation Systems in Afghanistan&tb_ id=&ch_id=icq-fx-plug). [2] Wohlfart, R. & Wittekindt, H. (1980): Geologie von Afghanistan – Beiträge zur Regionalen Geologie der Abb. 3: Wasserreservoir im Mittelgebirge, Erde. Gebrüder Borntraeger, Berlin, 500 S. Zentralafghanistan 12 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Experteneinsätze für die Trinkwasserversorgung und den Grundwasserschutz in den Ballungsgebieten Asiens – am Beispiel von Kabul/Afghanistan lern vom Hindukusch hat eine gute Trinkqua- Taliban, existiert in Kabul noch kein funktionie- lität. Die Städte Kabul, Dschalalabad, Gardez, rendes Müllabfuhrsystem. Ein Großteil des Mülls Ghasni, Khost und Samangan liegen in den von wird in den Kabul-Fluss, der mit dem Grundwas- Gebirgsketten umgebenden Becken (intramonta- ser in Kontakt steht, geworfen oder wild abgela- ne Becken). In solchen Gebieten ist es auf Grund gert. Deshalb trägt Müll ebenfalls zur Kontami- dieser Strukturen möglich, das Niederschlags- nation des Oberflächen- und Grundwassers bei. wasser zu speichern, um die Wasserversorgung An vielen Stellen im Alltag sind die Menschen sicher zu stellen. noch nicht dafür sensibilisiert, das Wasser vor der Kontamination zu schützen. Durch den Motoren- Außerdem haben die intramontanen Becken den ölwechsel und den Ölhandel auf der Straße, wel- Vorteil, den Niederschlag auch in den tieferen cher vielfach in Kabul zu beobachten ist, gelangt Aquiferen (Wasserleitern) als Grundwasser zu dieses bei Niederschlag in das Oberflächen- und speichern. Ferner bieten solche Becken gute Grundwasser. Häufig verkaufen Bauern Gemüse Bewässerungsmöglichkeiten, eine bessere Bo- am Straßenrand und waschen dieses in kontami- denbildung und erzielen damit günstigere Be- niertem Wasser, was dann wiederum zu Krank- dingungen für Landwirtschaft und Viehzucht. heiten führen kann. Allerdings verhindert in einigen Bereichen, wie in einigen Gebieten von Kabul, der Lößböden teilweise das Absickern des Niederschlagswas- Wie kann das Problem gelöst werden? sers, was zu Überschwemmungen führen kann. In einigen anderen Gebieten kommt es durch Die Einwohnerzahl nimmt in den Großstädten Verdunstung zu einer Versalzung der oberfläch- Afghanistans, insbesondere in Kabul, rapide lichen Aquifere. zu, zumal weitere Flüchtlinge aus Pakistan und Iran nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Mit den vorhandenen Ressourcen wird nicht Industrialisierung schreitet voran und die Land- nachhaltig umgegangen und das knapp verfüg- wirtschaft entwickelt sich weiter. Damit steigt bare Wasser wird vergeudet oder verschmutzt. der Bedarf an Wasser exponential und die exis- Auch in anderen Entwicklungsländern ist dies tierenden Vorräte gehen zur Neige. Außerdem zu beobachten. In Kabul müssen 3,5 Mio. Men- herrscht eine Dürre im Land, die durch die Kli- schen mit dem Wasser von vier Einzugsgebieten maveränderung hervorgerufen worden ist. Die auskommen, die ständigen Gefahren ausgesetzt Entwicklungsländer sind von diesem Problem sind. Die Moorgebiete im Norden von Kabul, die am stärksten betroffen. Die Industrieländer ha- einst einmalige Naturlandschaften bildeten, sind ben andere Möglichkeiten, um etwas dagegen den Bauplanungen zum Opfer gefallen. Auch zu tun. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm im die stehenden Gewässer im Osten von Kabul Juni 2007 haben die Staaten über eine Lösung (Kohl-e-Haschmat Khan), die eine einzigartige des Klimawandels diskutiert. kleine Seelandschaft mit diversen Seevögeln und Pflanzen bildeten, wurden trocken gelegt, um auf Der zunehmende Wassermangel und das schlech- deren Fläche Wohngebiete zu errichten. Damit te Wassermanagement werden zu großen Pro- wurde die Lebensgrundlage der Fauna und Flora blemen in Afghanistan führen. Abhilfe könnte zerstört. Dieses stehende Wasser war nicht nur geschaffen werden, indem das Wasser aus dem ein Erholungsgebiet, sondern hatte auch Auswir- Kokschafluss aus dem oberen Panjschertal kungen auf das Miniklima in Kabul. (Abb. 4) nach Kabul umgeleitet, sowie das Was- ser aus dem oberen Bereich des Helmand-Flus- Ferner sind auf Grund fehlender Schutzmaßnah- ses, der sich nahe dem Quellgebiet des Kabul- men und einem fehlenden Abwassersystem Teile Flusses befindet (Abb. 5), abgezweigt und in den des Grundwassers im unteren Teil des Kabul-Flus- Kabul-Fluss umgeleitet bzw. in Kabul in einem ses in der Umgebung der Stadt Kabul versalzen, Becken gespeichert wird (Abb. 4 und 5). Das wodurch das Grundwasser stark kontaminiert ist. Wasser, das Afghanistan bisher nutzlos verlässt, Außerdem sind durch militärische Kampfmittel muss ebenfalls nutzbar werden. Zur Erschlie- toxische Stoffe ins Grundwasser gelangt. Bis zum ßung von Oberflächengewässern und Speisung heutigen Zeitpunkt, fünf Jahre nach dem Sturz der von Grundwässern müssen Staudämme, Aus- Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 13
Dr. Abdul Hanan Roostai erfolgen. Mit der modernen Technik können jedoch all diese Nachteile behoben werden. Ursachen, die zum Verlust von Trinkwasser füh- ren, sind u. a. die unsachgemäße und übermäßi- ge Nutzung des Grundwassers durch Tiefbrun- nen. Sie führen dazu, dass Kareze trockengelegt werden. Ferner gehen durch Leckagen bzw. ille- gale Nutzung ca. 60% des Trinkwassers in Ka- bul verloren. Folgende Wasserprojekte müssen angestoßen werden: • Verbesserung bestehender Bewässerungsan- lagen, Abb. 4: Oberlauf von Panjscher- und Kokschafluss • Ermittlung potentiell geeigneter Standorte im Osthindukusch für Wasserspeicher und - Kraftanlagen, • Bau von kleinen Dämmen mit Wasserspei- chern und Kraftanlagen, • Dezentrale Wasserspeicherung in kleinen Becken, • Grundwassererschließung, • Personalausbildung im Wassermanagement. Zusammenfassung Wasser gibt es reichlich, auch in Afghanistan. Po- tentiale für Speicherung und Energiegewinnung sind vorhanden. Oberflächen- und Grundwas- serressourcen können rasch erschlossen werden. Kabul kann mit Trinkwasser sowie mit Wasser Abb. 5: Oberlauf von Kabul- und Helmandfluss für die Bewässerung versorgt werden. Weiterhin im Zentralhindukusch ist die Verbesserung des Wassermanagements wichtig, da sauberes Trinkwasser Krankheiten gleichsbecken, Rückhaltebecken sowie Bewäs- vorbeugt. serungssysteme angelegt werden. Damit erreicht man, dass das Wasser gespeichert, Energie ge- Herr Roostai ist der Auffassung, dass die Rück- wonnen und beides optimiert genutzt werden kehrer die Probleme leicht in den Griff bekom- kann. Gleichzeitig hat man einen Hochwasser- men können, wenn sie das Wissen, das sie sich schutz geschaffen und auch die Abhängigkeit in Deutschland angeeignet haben, in ihren Hei- von den Niederschlägen wird geringer. matländern anwenden. Wichtig sei es, die noch fehlenden Fachleute auszubilden und diese dann Die traditionelle Grundwassergewinnung, die gemeinsam in ein Konzept zu integrieren, mit auch in Zukunft genutzt werden kann, sind die dem sie einen Beitrag in ihrem eigenen Land Kareze. Die Technik der Kareze stammt aus leisten können. Außerdem müssen die inkom- Syrien und ist in Afghanistan weit verbreitet. petenten, fachfremden Kriegsherren und andere Der Vorteil der Kareze liegt darin, dass sie keine aus den Ministerien entfernt und durch Fachwis- Energie benötigen, nachhaltig funktioniert und senschaftler ersetzt werden. Viele solcher Minis- dass die Wasserführung stabil ist. Nachteilig sind ter sind Soldatenoffiziere, die kein Fachwissen der Landverlust und die hohen Kosten für die besitzen. Der noch andauernde Krieg erschwert Anlage und Pflege der Kareze. Außerdem kann die Situation zusätzlich. Leidtragende sind die die Nutzung nur unterhalb von Austrittsstellen Bevölkerung, insbesondere die Kinder. 14 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Experteneinsätze für die Trinkwasserversorgung und den Grundwasserschutz in den Ballungsgebieten Asiens – am Beispiel von Kabul/Afghanistan Diskussion gend braucht, beeinträchtigt werden. Also muss die Wassernutzung nach internationalem Recht Wolde-Giorgis (W.-G.): Wie funktionieren Ka- geregelt werden. reze? T: Können die Nachbarn die Wasserkosten an Referent (R): Anhand von Bildern wurde die Afghanistan bezahlen? Aus muslimischer Sicht Funktionsweise der Kareze erläutert. Man kann ist das Wasser ein Geschenk Gottes. nur soviel Wasser entnehmen, wie vorhanden ist. Das System hat über 1000 Jahre funktioniert. Im R: Das Wasser ist ein wirtschaftliches Gut, auch Sommer hat man kühles Wasser, im Winter war- wenn es von Gott kommt, und kann gekauft oder mes Wasser. Ich schlage eine Modernisierung verkauft werden. Natürlich kann Afghanistan des Karezesystems vor. dieses Recht nutzen und das Wasser, das aus dem Helmand-Fluss fließt, an Nachbarn, z. B. an Teilnehmer (T): Wie werden die Kareze unter- den Iran, verkaufen. Der Abfluss des Helmand- halten und wie sind die gesellschaftlichen Struk- Flusses ist unterschiedlich. Im Sommer führt turen in einem solchen Gebiet? der Helmand-Fluss manchmal bis zu 20.000 m3 Wasser pro Sekunde. Der Helmand-Fluss über- R: Die Kareze wurden von der Bevölkerung schwemmt seit tausenden von Jahren große Are- gebaut und unterhalten, nicht von der Regie- ale in seinem Flussgebiet und produziert insbe- rung. Die gesellschaftlichen Strukturen spielen sondere in seinem Deltagebiet gute Böden für eine wichtige Rolle. In den Gebieten, wo Kareze die landwirtschaftliche Nutzung. Die Provinzen funktionieren, sind die Menschen alle wirtschaft- Nimroz, Helmand und Kandahar in Südafghanis- lich ungefähr gleichgestellt. In solchen Gebieten tan bieten günstige Flächen für landwirtschaftli- gibt es innerhalb der Bevölkerung kaum Feu- che Zwecke. dalherren. Einmal im Jahr werden die Kareze gemeinsam saubergemacht. Die Partizipation Im Gebiet des südwestlichen Afghanistans exis- an solchen Arbeiten ist sehr groß. Eine negative tierte bis vor 800 Jahren das Reich von Sistan, Entwicklung besteht darin, dass in einigen Tei- das seine wirtschaftliche Entwicklung der Reichs- len des Landes, auch in mit Karezen bewässerten gründung zu verdanken hat. In diesem Gebiet, Gebieten, Schlafmohn angebaut wird. In diesen in dem der Helmand in die Endseen mündet, Orten findet kaum noch traditionelle Landwirt- existiert eine gute Deltaablagerung, die mit Hil- schaft statt. fe hoch entwickelter Bewässerungssysteme zur wirtschaftlichen Blüte führte. Doch die Mon- W.-G.: Kann man beim Karezebau keine Längs- golen haben alles zerstört. Wenn dort heute ein bohrung durchführen? Staudamm mit Zu- und Ablaufkanälen gebaut würde, müsste darauf geachtet werden, dass kei- R: Doch. Aber dafür benötigen wir große Ma- ne Monumente aus dem ehemaligen Reich zer- schinen und Finanzen. Ein Ausbau ist besser. stört werden. Sie müssen durch ein Gesetz unter Schutz gestellt werden. In Deutschland gibt es W.-G.: Gibt es politische Probleme mit den entsprechende Gesetze. In Afghanistan fehlen Nachbarn Afghanistans hinsichtlich der Wasser- solche Regelungen. Das Gleiche gilt für den nutzung? Wasserbereich. R: So wie Afghanistan das Recht hat, das Was- Im Wasserkonflikt zwischen Afghanistan und ser zu nutzen, so haben auch Pakistan und der Iran wollte der Iran allein entscheiden, wie viel Iran nach gültigen Internationalen Regelungen Wasser auf sein Staatsgebiet fließt. Afghanistan das Recht, es zu tun. Ließe Afghanistan das war damit nicht einverstanden. Die UNO half Wasser beispielsweise nicht nach Iran fließen, letztlich bei der Entscheidung. Der Streit be- gingen dort wichtige Umweltbereiche kaputt. handelte die Frage, ob die Landwirtschaft in Af- Die wirtschaftliche Existenz der Menschen dort ghanistan erweitert werden solle oder nicht. Die würde zerstört und die guten Beziehungen mit UNO entschied sich für die Erweiterung und er- den Nachbarn Afghanistans, die das Land drin- rechnete ein bestimmtes Volumen an Wasser, das Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: BRENNPUNKT I 15
Dr. Abdul Hanan Roostai in den Iran fließen soll. Die beiden Länder haben W.-G.: Wann ist der Zeitpunkt gekommen, dass sich schließlich in den 70er Jahren geeinigt. die Menschen sagen: “Wir brauchen ein Kanali- sationssystem?“ T: Brauchen wir die Zustimmung von den Nachbarländern, wenn wir das Wasser eines be- R: Auf zivile Bedürfnisse wird kaum reagiert. stimmten Flusses nutzen wollen? Es wird viel mehr zerstört als gebaut, gerade im Wasserbereich. Die Amerikaner und die NATO R: Ja. Es gibt ein internationales Abkommen, kämpfen gegen die Taliban, doch keiner ver- das alles in Hinsicht auf das Wasser regelt. sucht, das Problem wirklich zu lösen. Die Ober- flächen- und Grundwässer im unteren Teil der T: Gibt es eine Behörde zur Planung von Was- Stadt Kabul sind wegen des Fehlens von Ka- serprojekten, z. B. Wasserschutz? Findet eine Zu- nalisationssystemen kontaminiert und werden sammenarbeit mit anderen Institutionen statt? trotzdem genutzt. Dies führt zu Krankheiten und Epidemien. Ich kenne Witze von Städtebauern, R: Die Staatlichkeit ist in Afghanistan noch die meinen, alle alten Häuser sollten abgerissen nicht geregelt. In Europa gibt es neben natio- werden, bevor eine Kanalisation aufgebaut wer- nalen Wassergesetzen auch eine europaweite de. Das halte ich für sehr fraglich. Aber eine Ka- Wasserrahmenrichtlinie, in der eine sachgemä- nalisation ist das A und O hinsichtlich von Wie- ße Wassernutzung und der Schutz des Wassers deraufbaumaßnahmen. festgelegt sind. In Afghanistan gibt es keine Ge- setze im Umweltschutzbereich. In Kabul gibt es T: Gibt es ein Programm, um die Wasserquali- eine Umweltbehörde, für die ein Prinz verant- tät zu prüfen? wortlich ist, der sich in diesem Bereich jedoch nicht auskennt. Afghanistan ist auf dem Weg in R: Ja, das gibt es, aber eingeschränkt. Es wer- die Staatlichkeit, und wir brauchen auch Geset- den Wasseranalysen durchgeführt, um die Was- ze hinsichtlich des Wasserrechtes. Doch wir sind serinhaltstoffe festzustellen. Ein Programm zur noch weit davon entfernt. Die Zusammenarbeit Bekämpfung der Bakterien und Sanierung des innerhalb der Wasserbehörden ist meist kontra- Grundwassers gibt es noch nicht. Trotzdem ist produktiv, wie die Erfahrungen der letzten Jahre die Erfassung schon viel Wert. zeigen. Prof. Behl: Das ist auch eine Frage des Geldes. T: Haben Sie schon einmal über eine Kläranla- ge für Abwasser nachgedacht? R: Ja, nach Afghanistan ist viel Geld geflossen und z. T. versickert. An die Hauptprobleme des R: In Afghanistan gibt es kein Kanalisations- Volkes wurde wenig gedacht. Es gibt eine mo- system, auch noch nicht in Kabul. Dort leben derne Technologie, mit deren Hilfe man Abwas- ca. 3,5 Mio. Menschen und die Kontamination ser zu Trinkwasser machen kann. Doch warum des Oberflächen- und Grundwassers nimmt stän- sollen wir schwierige Wege gehen, wenn Afgha- dig zu. Es muss ein Kanalisationssystem gebaut nistan, wie vorher dargestellt, soviel Wasser hat? werden, damit keine schädliche Verschmutzung Das entsprechende technische Know-how muss ins Wasser gelangt. dorthin gebracht werden. Seminar: Zukunft Wasser – Berufliche Chancen in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für Rückkehrerinnen und Rückkehrer (25. - 27. Mai 2007) Seminarleitung: Ramin Wais Veranstalter: Arbeitskreis Afrikanisch-Asiatischer Akademikerinnen und Akademiker (AAAAA) in der Afrikanisch-Asiatischen Studienförderung e.V., Göttingen Veranstaltungsort: AASF e.V., Mahatma Gandhi-Haus, Theodor-Heuss-Str. 11, Göttingen Protokoll: Karin Hold Fotos und Abbildungen dieses Beitrags: Dr. A. H. Roostai; Foto 2. Seite dieses Beitrags o. l.: Quelle: http://www.flickr.com/photos/robysalto- ri/474484995/; CC-Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0 16 Seminarbericht: BRENNPUNKT I Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009
Said Shafic Gawhari, Dipl.-Ing., Auslandsreferent aus Afghanistan Rückkehr und Reintegration – am Beispiel Afghanistan Herr Gawhari berichtet, dass er sich noch gut da- chern, was darauf hindeutet, dass er im Grun- ran erinnert, wie er vor einigen Jahren selber in de gar nicht wusste, was er eigentlich studieren solch einem Seminar der AASF gesessen habe wollte. Schließlich entschied er sich für das In- und er daher wüsste, wie der Verein arbeitet. Vor genieursstudium und machte seinen Abschluss 45 Jahren wurde er im Hindukuschgebirge in Ka- in Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Die bul geboren. Er besuchte eine französische Schu- ganze Zeit über blieb er immer in Kontakt mit le und machte einen Oberrealschulabschluss. seinen Angehörigen und Freunden in Afghanis- Einer seiner Freunde hat die deutsche Schule tan. Das war auch der Grund, weshalb er sich für besucht. Beides waren Eliteschulen in Afgha- eine Rückkehr entschied. nistan. Die besten Absolventen eines Jahrgangs haben die Möglichkeit erhalten, in Deutschland Anfang der 1990er Jahre ging er nach Afghani- oder Frankreich zu studieren. stan zurück. Zu dieser Zeit hatten Ingenieure keine guten Aussichten, eine Stelle zu bekom- Nachdem Herr Gawhari sein Studium beendet men. hatte, begannen die Auseinandersetzungen in Af- ghanistan. Die russische Armee marschierte ein, Schließlich wurde er von der GTZ (Gesellschaft und das gesamte Land befand sich in Unruhe. für Technische Zusammenarbeit) für sechs Mo- Er beschreibt, dass für ihn der Lebensraum im- nate als Kurzzeitberater für Zement in Afgha- mer enger wurde und dass er über Pakistan nach nistan eingesetzt. Zu einem späteren Zeitpunkt Deutschland gekommen sei. Er sagt, dass er Af- war er noch einmal für neun Monate dort und hat ghanistan nicht mit der Absicht verlassen habe, Studien über die Industrie und die Nahrungsmit- Geld zu verdienen oder zu studieren. Ihm ging es telproduktion gemacht. Zu dieser Zeit war ein einzig und allein darum, den politischen Proble- militärisches Engagement von deutscher Seite men zu entkommen. nicht möglich. In Paderborn fand er schließlich ein neues zu Hause. Es bestand für ihn die Möglich- keit, nach Frankreich oder in die USA zu ge- hen. Da er aber auch in Deutschland studie- ren konnte, entschied er sich, zu bleiben. Er berichtet davon, wie er dann das erste Mal vor einem Professor stand, der ihn fragte, was er studieren wol- le. Er antwortete ganz naiv: “Ingenieurswis- senschaften oder Me- dizin.” Es bestand kein Zusammenhang Herr S. Sh. Gawhari, Afghanistan, Auslandsreferent (li.) zwischen diesen Fä- Dr. K. Wolde-Giorgis, Äthiopien (re.) Afrika-Asien-Rundbrief 2 / 2009 Seminarbericht: RÜCKKEHR-ERFAHRUNG 17
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