MINIBALL Ein neuartiges Gamma-Spektrometer mit ortsauflösenden Germaniumdetektoren
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
MINIBALL Ein neuartiges Gamma-Spektrometer mit ortsauflösenden Germaniumdetektoren I n a u g u r a l – D i s s e r t a t i on zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Dirk Werner Weißhaar aus Köln Köln 2003
Berichterstatter: Prof. Dr. P. von Brentano Prof. Dr. J. Jolie Tag der mündlichen Prüfung: 28. Juni 2002
Zusammenfassung Das hochauflösende -Spektrometer MINIBALL wurde speziell für die Untersuchung exotischer Kerne an den Beschleunigern mit radioaktiven Strahl entwickelt und gebaut. Wegen der zu erwartenden schwachen Strahlintensitäten ist MINIBALL auf eine hohe - Nachweiseffizienz optimiert. Die hohe effektive Granularität des MINIBALLs ermöglicht bei den Experimenten mit hohem v/c der -emittierenden Rückstoßkerne, die Doppler- Verbreiterung der -Linien zu korrigieren. Somit können diese Experimente mit einer Energieauflösung durchgeführt werden, die nahe bei der intrinsischen Auflösung der Ger- maniumdetektoren liegt. MINIBALL besteht aus 40 sechsfach segmentierten, gekapselten Germaniumdetektoren, die in Einheiten zu je drei oder vier Detektoren in einem gemeinsamen Kryostaten zusam- mengefaßt sind. Die Komponenten des MINIBALLs -der sechsfach segmentierte Germa- niumdetektor, der Kryostat, der schnelle Analogvorverstärker, die digitale Spektrosko- pieelektronik und das flexible Gestell- und deren Eigenschaften werden in dieser Arbeit vorgestellt. Die hohe Granularität des MINIBALLs wird durch die Segmentierung der Detektoren und die Impulsformanalyse der Detektorsignale erreicht. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Algorithmen zur Impulsformanalyse entwickelt und getestet. Durch das Abtasten eines MINIBALL-Detektors mit einer kollimierten Cs-Quelle wurde experimentell nachge- wiesen, daß die Granularität des sechsfach segmentierten Detektors durch die Impulsfor- manalyse um mehr als eine Größenordnung auf eine effektive Granularität von 100 ge- steigert wird. Dieses Resultat wurde mit einem MINIBALL-Tripel-CLUSTER in einem Strahlexperiment mit einem v/c=5.6% der -emittierenden Rückstoßkerne bestätigt, bei dem die effektive Granularität zur Korrektur der Doppler-Verbreiterung eingesetzt wur- de. Dabei zeigte sich auch, daß die Qualität der Impulsformanalyse nur durch die Closed End-Bauform und die fehlende Quersegmentierung der Detektoren limitiert wird. Aus den experimentellen Daten wurden die Eigenschaften des MINIBALL-Spektrometers be- stimmt. Das MINIBALL-Spektrometer wurde erstmals am Kölner Tandembeschleuniger aufge- baut, getestet und in Messungen eingesetzt. Die experimentelle Spezifikation und die Er- fahrungen beim Betrieb des neuen Spektrometers werden vorgestellt.
Abstract The high resolution -spectrometer MINIBALL was especially developed and built for the investigation of exotic nuclei at radioactive beam facilities. On account of the low beam intensities expected, MINIBALL is optimized for high -efficiency. The high ef- fective granularity of MINIBALL enables the Doppler-correction of the -lines in exper- iments where the recoiling nuclei have high v/c. Thus these experiments can be carried out with an energy resolution close to the intrinsic resolution of Germanium detectors. MINIBALL consists of 40 six-fold segmented, encapsulated Germanium detectors which are clustered in common cryostats with three and four detectors each, respectively. The components of MINIBALL -the six-fold segmented Germanium detector, the cryostat, the fast analog preamplifier, the digital spectroscopy electronics and the flexible mechanical frame- and their properties are described in this thesis. The high granularity of MINIBALL is achieved by a segmentation of the detectors and the pulse-shape analysis of the detector signals. Within the scope of this thesis algorithms for the pulse-shape analysis were developed and tested. The scanning of a MINIBALL detector with a collimated Cs-source proved experimentally that the granularity of the six-fold segmented detector could be enhanced by more than one order of magnitude to an effective granularity of 100 applying the pulse-shape analysis. This result was veri- fied with a MINIBALL-triple-CLUSTER in an in-beam experiment with a v/c=5.6% of the -emitting recoiling nuclei, where the effective granularity was utilized to correct the Doppler-broadening. Furthermore the experiment showed, that the quality of the pulse- shape analysis is restricted by the closed-end design and the missing transverse segmen- tation of the detectors only. The specifications of MINIBALL are compiled on the basis of the experimental data. For the first time the MINIBALL was built up, tested and used in experiments at the Cologne tandem-accelerator. The experimental specification and the experience of the operation of this new spectrometer are presented.
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung i Abstract iii 1 Einleitung 1 2 Entwicklungen zum MINIBALL 5 2.1 Das Konzept des Spektrometers MINIBALL . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2 Der sechsfach segmentierte, gekapselte MINIBALL-Detektor . . . . . . . 8 2.3 Der MINIBALL-Kryostat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.4 Die Vorverstärker-Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.5 Das Spektroskopiemodul DGF-4C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.6 Das flexible MINIBALL-Gestell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3 Die Ortsempfindlichkeit des MINIBALL-Detektors 23 3.1 Der Nachweisprozeß von -Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.1.1 Das Prinzip der Hauptwechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.1.2 Konvertierung der Primärelektronen in Elektronen-Loch-Paare im Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.1.3 Prozeß der Ladungssammlung und Entstehung des Detektorsignals 26 3.2 Der Steepest-Slope-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.3 Messungen an einem MINIBALL-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.3.1 Bestimmung des Azimuthwinkels aus der Analyse der Segment- signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.4 Zweidimensionale Ortssensitivität des MINIBALL-Detektors . . . . . . . 38 4 Doppler-Korrektur in einem Strahlexperiment 41 4.1 Der Experimentsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4.2 Analyse der Meßdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2.1 Die optimale Unterteilung der Segmente . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2.2 Die Einteilung des Detektors in Segmentstreifen . . . . . . . . . 45 4.3 Ergebnisse der In Beam-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.3.1 Die Doppler-korrigierten Auflösungen . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.3.2 Anteil der Reaktionskinematik an der Doppler-Verbreiterung . . . 50 4.3.3 Die fehlende Tiefeninformation über die -Wechselwirkung . . . 52
4.4 Die Doppler-korrigierten Auflösungen einzelner Detektoren . . . . . . . 54 4.4.1 Nachweis von Lebensdauereffekten in der Doppler-Verschiebung 57 4.5 Die Spezifikation des MINIBALLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5 Der Betrieb des MINIBALL-Spektrometers in Köln 63 5.1 Der Aufbau des MINIBALLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5.2 Das Kölner Datenaufnahmesystem für - -Koinzidenzen . . . . . . . . . 64 5.3 Die Experimente in Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5.4 Ergebnisse aus den Messungen am MINIBALL . . . . . . . . . . . . . . 66 5.4.1 Die Qualität der Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5.4.2 Die gemessene Effizienz des MINIBALLs . . . . . . . . . . . . . 67 5.5 Der Umzug nach CERN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6 Diskussion und Ausblick 73 Literaturverzeichnis 79 Danksagung 83 Lebenslauf 85 Erklärung 87
Abbildungsverzeichnis 1.1 Querschnitt durch das EUROBALL-Spektrometer . . . . . . . . . . . . . 2 2.1 Foto des EUROBALL-CLUSTER-Würfels . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Abmessungen des MINIBALL-Kristalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.3 Skizze des MINIBALL-Detektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.4 Foto des MINIBALL-Tripel-Kryostaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.5 Foto des MINIBALL-Vorverstärkers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.6 Beispiel für Detektorsignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.7 Blockdiagramm des DGF-4C Moduls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.8 Funktion des Pile-Up Inspectors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.9 Foto des DGF-4C Moduls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.10 Zeitspektren mit dem DGF-4C Modul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.11 Das MINIBALL-Gestell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.12 Aufbau aus 6 MINIBALL-CLUSTER-Detektoren . . . . . . . . . . . . . 22 3.1 Ladungssammlung in einem planaren Detektor . . . . . . . . . . . . . . 27 3.2 Prinzip des Steepest-Slope-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.3 Analyse der Detektorsignale zur Bestimmung des radialen Abstandes ei- ner Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.4 Radialverteilung in einem zwölffach segmentierten Detektor . . . . . . . 32 3.5 Schematische Granularität aus Radialinformation und Segmentierung des MINIBALL-Detektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.6 Effizienz der Segmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.7 Detektorsignale für Gesamtabsorptionsereignisse in einem Segment . . . 34 3.8 Spiegelladungssignale für mehrere Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.9 Verteilung der Asymmetrie der Spiegelladungsamplituden . . . . . . . . 36 3.10 Detektorsignale für Streuereignisse in mehrere Segmente . . . . . . . . . 37 3.11 Die zweidimensionale Darstellung der effektiven Granularität . . . . . . . 40 4.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2 Einteilung des Detektors in Pixel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.3 Doppler-verschobene -Linien in verschiedenen Pixeln des Detektors . . 44 4.4 Doppler-verschobene -Linien für verschiedene Trefferverteilungen im Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.5 Auftragung der Schwerpunkte der 2167keV-Linie gegen die 755keV-Linie 47 4.6 Termschema von Cl und Ar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.7 Spektren der korrigierten 2167keV-Übergangsenergie . . . . . . . . . . . 49 4.8 Spektren der korrigierten 755keV- und 1642keV-Übergangsenergien . . . 50 4.9 Skizze zum Effekt der fehlenden Tiefeninformation . . . . . . . . . . . . 52 4.10 Auftragung der Energieauflösung für verschiedene Beobachtungswinkel 53 4.11 Doppler-korrigierte Spektren eines einzelnen MINIBALL-Detektors . . . 55 4.12 Spektrum der 2167keV-Linie von einem Detektor . . . . . . . . . . . . . 56 4.13 Spektren aus Cr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.14 Spektren vom Lebensdauereffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5.1 Schnittspektrum aus -Zerfallsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5.2 Schnittspektrum aus Ba-In-Beam-Messung . . . . . . . . . . . . . . . 68 5.3 Fotografie des MINIBALL-Würfelaufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.4 Der MINIBALL in CERN 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 6.1 Der zwölffach segmentierte Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Tabellenverzeichnis 2.1 Ausfallstatistik der Detektoren im EUROBALL . . . . . . . . . . . . . . 8 4.1 Auflösungen des Monitordetektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.2 Spezifikationen des MINIBALLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Kapitel 1 Einleitung Die hochauflösende -Spektroskopie bietet innerhalb der Kernstrukturphysik ein effizien- tes Instrumentarium zur Messung der Anregungsstrukturen von Atomkernen. Innovatio- nen in den experimentellen Techniken und Entwicklungen neuer Technologien in dieser Disziplin führen zu einem immer detaillierteren Bild von der Struktur der Kernmaterie und tragen wesentlich zur Modellbildung über deren Aufbau bei. Zahlreiche Beispiele hierfür lassen sich in der fast vierzigjährigen Geschichte des Germaniumdetektors finden, wie der durch die Einführung der Koinzidenztechnik gelungene Nachweis des Backben- ding 1970 durch Johnson et al. [Joh71] oder die Etablierung der Quasi-Teilchen-Struktur von Yb bis zum Spin 30 durch Riedinger et al. [Rie80]. Die Entwicklung von kompakten Escape-Suppression Shields (ESS) aus Wismutgerma- nat (BGO) in den achtziger Jahren erlaubte bei Beschleunigerexperimenten eine drasti- sche Verbesserung des Peak-zu-Untergrund-Verhältnisses um fast einen Faktor 4 in den Energiespektren der Germaniumdetektoren [Nol85, Lie84]. In dieser Technik wird der Germaniumdetektor mit dem hocheffizienten Szintillatormaterial umgeben, um Streuer- eignisse aus dem Germaniumdetektor in den Szintillator mit einer Antikoinzidenzschal- tung zu unterdrücken. Mit der Konstruktion von Multi-Detektoren-Arrays aus bis zu 20 Germaniumde- tektoren mit ESS Mitte der achtziger Jahre (z. B. TESSA3 (UK), OSIRIS (GER), NORDBALL (DK)) standen für die Kernspektroskopie Spektrometer mit einer totalen -Nachweiseffizienz im Bereich von 1% zur Verfügung und führten unter anderem zu der Entdeckung der Superdeformation [Twi86]. Der Bau immer effizienterer 4 -Arrays fand in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre mit der Inbetriebnahme der Spektrometer EUROBALL (EU) und GAMMASPHERE (USA) einen Höhepunkt. Diese Instrumen- te erreichen eine absolute Effizienz von bis zu 10% und sind optimiert für die Messung von Hochspinzuständen bei Fusionsverdampfungsreaktionen mit Schwerionen. Bei die- sem Typ von Experimenten werden Kernzustände mit sehr hohem Drehimpuls bevölkert, die über -Kaskaden mit einer Multiplizität von M 30 zerfallen. Da um die 30 - Quanten gleichzeitig vom Target aus emittiert werden, ist der Einsatz von Germaniumde- tektoren mit ESS erforderlich. Mit diesen werden Streuungen zwischen den Detektoren verhindert und eine hohe Einzeltrefferwahrscheinlichkeit der individuellen Detektorein- heiten gewährleistet.
2 KAPITEL 1. EINLEITUNG Während GAMMASPHERE aus 110 Standard-Germaniumdetektoren mit ESS aufge- baut ist, wurde für EUROBALL der Typ des zusammengesetzten Germaniumdetektors entwickelt [Tho95]. Die Idee dabei ist, größere Ge-Einheiten mit einem ESS zu umge- ben, um das Verhältnis der Raumwinkelabdeckung mit Germanium zu der mit BGO zu erhöhen. In Abbildung 1.1 ist ein Querschnitt durch die obere Hemisphäre des EURO- BALLs gezeigt. Unter Rückwärtswinkel stehen 15 CLUSTER-Detektoren (7 gekapsel- te Ge-Kristalle in einem Kryostaten), gefolgt von 26 CLOVER-Detektoren unter 90 (4 Ge-Kristalle in einem Kryostaten) und 30 Standarddetektoren unter Vorwärtswinkel. Der Erfolg der zusammengesetzten Detektoren zeigt sich darin, daß die CLUSTER-Sektion allein schon 50% der Gesamteffizienz des EUROBALLs ausmacht, obwohl sie nur einen Raumwinkel von 1 abdeckt. Abbildung 1.1: Querschnitt der oberen Hemisphäre des EUROBALL- Spektrometers. Die wissenschaftliche Ausbeute mit diesen zur Zeit leistungsfähigsten Spektrometern ist beachtlich. Viele superdeformierte Banden konnten an die normaldeformierten Kernzu- ständen angebunden werden [Sve99], und die Untersuchung an Hg zeigte beispiels- weise eine Evidenz für eine Oktupol-Vibration, die auf superdeformierten Kernzuständen aufbaut [Kor01]. In Cu konnte der Protonzerfall des niedrigsten angeregten Kernzu- stands im zweiten Minimum in das Ni nachgewiesen werden [Rud01]. Ein ausführlicher Überblick über aktuelle Resultate findet sich in dem Artikel von S. Lunardi [Lun01]. Von der neuen Generation der Beschleuniger für radioaktiven Strahl ist Ende der neunziger Jahre ein neuer Impuls für die Weiterentwicklung der Germaniumdetektor- Technologie ausgegangen. Mehr als 1000 exotische Nuklide können durch schwerionen- induzierte Fragmentation (GSI, RIKEN, MSU) oder die ISOL-Technik (REX-ISOLDE, SPIRAL, MAFF)[Hab01] erzeugt werden. Weitere Beschleunigereinrichtungen sind in Europa (EURISOL) und den USA (RIA) in der Planungsphase. Die Messungen an exo- tischen Kernen fernab der Stabilität mit einem geeigneten Spektrometer bieten ein sehr reichhaltiges physikalisches Programm. An neutronenreichen Kernen können Neutronen- Halos oder die Neutronen-Haut (Neutron Skin) studiert werden, sowie das Verhalten der kollektiven Moden und das Aufweichen der Schalenstruktur (Shell Melting). An selbst- konjugierten Kernen mit N=Z bis hoch zu Sn kann der Effekt der T=0 Proton-Neutron- Wechselwirkung detailliert untersucht werden. Von wichtiger astrophysikalischer Rele- vanz für das Verständnis der Nukleosynthese in explosiven stellaren Szenarien ist die Untersuchung der Neutron- und Protoneinfangreaktionen (r- und rp-Prozeß) und die Iden- tifikation der Verzögerungspunkte (Waiting Points) in diesen Reaktionsketten. Für die erfolgreiche -Spektroskopie der exotischen Kerne begann in Europa und
3 den USA die Entwicklung der neuen Spektrometersysteme AGATA [Lie01] und GRE- TA [Del98]. Deren Empfindlichkeit liegt um Größenordnungen höher als bei den heute leistungsfähigsten Spektrometern EUROBALL und GAMMASPHERE. Die Grundidee dieser sehr ehrgeizigen Vorhaben basiert auf der Technik des -Ray Trackings. Eine Scha- le aus 100 bis 150 Germaniumdetektoren umgibt dabei das Target und ermöglicht eine vollständige Raumwinkelabdeckung mit Germanium. Die Detektoren selber sind ortssen- sitiv, d. h., daß neben der Energieinformation auch die Wechselwirkungsorte der einzelnen -Interaktionen im Detektor mit einer Genauigkeit im Millimeter-Bereich gemessen wer- den. Basierend auf der Kinematik des Compton-Effekts und der Klein-Nishina-Formel re- konstruieren Tracking-Algorithmen [Sch99, Mar99] die Spur der vom Target emittierten -Quanten. Auch bei hoher -Multiplizität werden durch die Analyse nicht vollständig absorbierte Ereignisse erkannt und verworfen. Auf diesem Weg wird die Aufgabe ei- nes ESS übernommen. Für ein Ge-Tracking-Spektrometer erwartet man eine hohe Effizi- enz wegen der 4 -Abdeckung mit Germanium, gute Eigenschaften bei der Korrektur von Doppler-Effekten wegen der genauen Lokalisierung der ersten Wechselwirkung und ein sehr gutes Peak-zu-Untergrund-Verhältnis durch den Einsatz der Tracking-Algorithmen. Durch Monte-Carlo-Simulationen wurde abgeschätzt, daß die Empfindlichkeit eines sol- chen Instruments zwei Größenordnungen über der des EUROBALLs liegt. Die zu leistenden Forschungsarbeiten und Entwicklungen in diesen ehrgeizigen Pro- jekten sind enorm. Es müssen Tracking-Detektoren entwickelt werden, die die Ortsbe- stimmung der einzelnen -Interaktionen im Detektor zulassen. Dazu müssen hochseg- mentierte Germaniumkristalle hergestellt und eine Kryostatentechnik entwickelt werden, die den zuverlässigen Betrieb der Zähler gewährleistet und auf engstem Raum die Vor- verstärkerelektronik der einzelnen Segmentkanäle zusammenfaßt. Die Ortsauflösung in einer Güte von Millimetern wird durch die Analyse des Ladungssammlungprozesses im Detektor erreicht. Für diese Analyse werden eine schnelle Vorverstärkerelektronik benö- tigt, die das Ladungssammelsignal im Detektor unverfälscht wiedergibt und eine weiter- verarbeitende Elektronik, die mit geeigneten Algorithmen aus den Detektorsignalen die Wechselwirkungsorte der -Interaktionen bestimmt. Dazu werden nicht nur die Signale der getroffenen Segmente herangezogen, sondern auch die Signale der auf die Nachbar- segmente influenzierten Spiegelladungen. Messungen mit dem ersten 36-fach segmentierten Prototypdetektor des GRETA-Projekts haben das vielversprechende Ergebnis erbracht, daß die Ortssensitivität unterhalb eines Millimeters liegt [Vet00]. Die experimentelle Bestätigung der Machbarkeit des -Ray Trackings, also die Auflösung der einzelnen Wechselwirkungsorte mehrerer Interaktio- nen und die Identifikation nicht vollständig absorbierter -Quanten, steht noch aus. Der erste Schritt in dieser neuen Technologie im Kontext zum -Ray Tracking wird mit der Entwicklung der Spektrometer MINIBALL und EXOGAM vollzogen. In bei- den Spektrometern werden erstmalig segmentierte, ortsauflösende Germaniumdetektoren eingesetzt. MINIBALL ist konzipiert für die Messungen mit radioaktiven Strahl an der REX-ISOLDE (CERN) [Hab97] und MAFF (MÜNCHEN), EXOGAM für SPIRAL in GANIL. Das physikalische Programm an diesen Einrichtungen konzentriert sich auf Re- aktionen mit niedriger -Multiplizität wie Coulomb-Anregungen und inversen Transfer-
4 KAPITEL 1. EINLEITUNG reaktionen bei Strahlenergien oberhalb von 2MeV pro Nukleon. Die von den schnell flie- genden Reaktionsprodukten emittierten -Quanten sind stark Doppler-verschoben. Um die Doppler-Verbreiterung der -Linien im Spektrum aufgrund der Öffnungswinkel der Detektoren gering zu halten, weisen die Spektrometer durch den Einsatz ortssensitiver Zähler eine sehr hohe Granularität auf. Wegen der schwachen Intensität der exotischen Strahlen sind beide Spektrometer auf eine hohe Effizienz optimiert. Die in den Projekten verwendeten Detektorentypen sind jeweils longitudinal segmentiert und erlauben die zweidimensionale Ortsbestimmung der für die Doppler-Korrektur maß- geblichen ersten Wechselwirkung im Detektor. Die Detektoren weisen keine Querseg- mentierung auf, so daß keine Tiefeninformation über den Ort der -Interaktion gewonnen werden kann. Obwohl MINIBALL und EXOGAM daher selber nicht als -Ray Tracking- Spektrometer einsetzbar sind, so bilden sie doch einen wichtigen Schritt in Richtung des -Ray Trackings, da zum ersten Mal segmentierte Germaniumdetektoren und die Impuls- formanalyse der Detektorsignale zur Bestimmung des Wechselwirkungsorts innerhalb des Zählers eingesetzt werden. Die vorliegende Arbeit stellt die in Köln geleisteten Entwicklungen für das MINIBALL-Projekt vor. Diese umfassen die Entwicklung des segmentierten MINIBALL-CLUSTER-Detektors, die Entwicklung eines miniaturisierten, schnel- len Analogvorverstärkers, die Realisierung einer digitalen Spektroskopieelektronik und die Konzipierung einer flexiblen Mechanik für den MINIBALL. Die erstmalige experimentelle Bestimmung der zweidimensionalen Ortsauflösung eines segmentierten Germaniumdetektors durch die Impulsformanalyse der Detektorsignale stellt einen Schwerpunkt dieser Dissertation dar. Dazu wurden die Detektorsignale eines sechsfach segmentierten, gekapselten MINIBALL-Detektors auf ortssensitive Eigenschaften hin analysiert und Algorithmen zur Impulsformanalyse entwickelt, die die ortssensitiven Informationen extrahieren. Mit einer kollimierten Quelle wurde die zweidimensionale Ortsauflösung des MINIBALL-Detektors gemessen. Die Resultate zur Ortssensitivität wurden in einem In Beam-Experiment mit einem MINIBALL- CLUSTER-Detektor überprüft. In der verwendeten Transferreaktion in inverser Kinema- tik unterlagen die -Quanten einer starken Doppler-Verschiebung. Die ortsauflösenden Eigenschaften des Detektors wurden zur Minimierung der Doppler-Verbreiterung der -Linien eingesetzt. Zugleich wurde mit dem Experiment das MINIBALL-Konzept getestet, die hochauflösende Spektroskopie exotischer Kerne mit einem kompakten Aufbau aus ortssensitiven Germaniumdetektoren zu ermöglichen. Aus den Ergebnissen wurden ferner die Leistungsmerkmale des MINIBALL-Spektrometers abgeschätzt. Anschließend werden die Erfahrungen aus dem ersten Betrieb des MINIBALLs mit 6 MINIBALL-CLUSTER-Detektoren in Köln vorgestellt.
Kapitel 2 Entwicklungen zum MINIBALL 2.1 Das Konzept des Spektrometers MINIBALL In Europa begannen Mitte der neunziger Jahre das deutsch-belgische Projekt MINIBALL [Ebe97] und das französisch-englische Projekt EXOGAM zum Bau von -Spektrometern speziell für die Spektroskopie exotischer Kerne. Diese Kerne werden an den Beschleuni- gereinrichtungen mit radioaktivem Strahl wie der REX-ISOLDE in CERN oder SPIRAL in GANIL erzeugt. Die Strahlintensitäten der erzeugten exotischen Strahlsorten sind in der Regel sehr gering. Während bei stabilem Strahl die Intensität typischerweise 10 Teilchen/sec beträgt, nimmt diese bei jedem Schritt weg vom Stabilitätstal um etwa einen Faktor 20 ab. Um die Experimente auch bei den sehr geringen Intensitäten durchführen zu können, müssen die Spektrometer auf höchste Effizienz optimiert sein. Das physikalische Programm mit den exotischen Strahlen konzentriert sich auf Reakti- onstypen wie Coulomb-Anregungen und Protonen-, Neutronentransferreaktionen. Diese finden in inverser Kinematik statt, so daß ein Großteil der Strahlenergie bei der Reak- tion in reine Schwerpunktenergie umgewandelt wird. Die emittierten -Quanten unter- liegen also einer erheblichen Doppler-Verschiebung. Um die Doppler-Verbreiterung der -Linien aufgrund der Detektoröffnungswinkel klein zu halten, ist die hohe Granularität eine wesentliche Anforderung an die Spektrometer. Der Bau eines hocheffizienten -Spektrometers, ausgelegt auf die Untersuchung von Reaktionen mit niedrigen -Multiplizitäten (M 10), ist prinzipiell einfach zu reali- sieren, indem das Target mit wenigen Ge-Detektoreinheiten in geringer Target-Detektor- Distanz umgeben wird. Ein solcher Aufbau aus 6 EUROBALL-CLUSTER-Detektoren mit je sieben unsegmentierten Germaniumzählern wurde mit großem Erfolg 1995 bei den Meßkampagnen am Max-Planck-Institut in Heidelberg und der GSI in Darmstadt [Hu98] betrieben, bevor die Detektoren als deutscher Beitrag zum Aufbau des EUROBALLs wei- tergegeben wurden. Die EUROBALL-CLUSTER-Detektoren wurden in Form eines Wür- fels in einer Entfernung von 9.5cm um das Target gruppiert. Der CLUSTER-Würfel hatte eine Nachweiseffizienz von 19% bei 1.3MeV, also doppelt so hoch wie die des EURO- BALLs. Die Abbildung 2.1 zeigt diesen kompakten Aufbau an der GSI. Allerdings bietet der Würfelaufbau aus 6 EUROBALL-CLUSTER-Detektoren eine viel zu geringe Granularität für die Spektroskopie am exotischen Strahl. Die einzelnen Detek-
6 KAPITEL 2. ENTWICKLUNGEN ZUM MINIBALL torelemente decken in der kurzen Target-Detektor-Distanz viel zu große Raumwinkel ab. Dadurch werden die Energieauflösungen der -Linien wegen des Effekts der Doppler- Verbreiterung um Größenordnungen schlechter sein als das intrinsische Auflösungsver- mögen der Germaniumzähler. Die Zähler in größerem Abstand zum Target zu positionie- ren und die dabei enstehenden Lücken in der 4 -Abdeckung mit weiteren Germaniumde- tektoren zu füllen, scheidet wegen der hohen Anschaffungskosten der Germaniumzähler aus. Außerdem würde der beträchtliche Mehreinsatz an Germanium zwar die Granulari- tät steigern, aber die Nachweiseffizienz des Spektrometers nur unwesentlich erhöhen, da derselbe Raumwinkel abgedeckt wird. Abbildung 2.1: Die Fotografie zeigt den Würfelaufbau aus 6 EUROBALL- CLUSTER-Detektoren an der GSI in Darmstadt. Die Nachweiseffizienz die- ses Spektrometers lag bei 19%. Hinter den CLUSTER-Detektoren sind die Back Catcher aus BGO zur Unterdrückung von vorwärtsgestreuten -Quanten montiert. Der vordere CLUSTER-Detektor wurde für diese Aufnahme ausgebaut. Die Herausforderung beim Bau der Spektrometer speziell für die Spektroskopie exoti- scher Kerne liegt daher in der Entwicklung ortssensitiver Germaniumdetektoren, um die benötigte Granularität zur Minimierung der Doppler-Verbreiterung zu erreichen. Dazu werden Detektoren eingesetzt, bei denen der Germaniumkristall durch eine Segmentie- rung in mehrere Bereiche unterteilt wird. Die neue Technik der Impulsformanalyse der Detektorsignale, durch die der Wechselwirkungsort des -Quants innerhalb eines Seg- ments aufgelöst wird, führt darüber hinaus zu einer weiteren, drastischen Steigerung der Granularität. Die Umsetzung dieses Konzepts bedarf also der Weiterentwicklung aller Komponenten der Spektroskopiekette, nämlich der Entwicklung segmentierter Germanium-Detektoren, einer Kryostatentechnik, die den Betrieb einer Vielzahl von hochauflösenden Spektrosko- piekanälen auf engstem Raum gewährleistet, einer miniaturisierten Vorverstärkerelektro- nik, die die Detektorsignale für die Impulsformanalyse unverfälscht wiedergibt, und einer Spektroskopieelektronik, die die Signale zur Gewinnung einer ortssensitiven Information verarbeiten kann. Im Rahmen der Detektorentwicklung knüpfen die beiden Projekte MINIBALL und EXOGAM an die erfolgreichen Entwicklungen aus dem EUROBALL-Projekt an. Im
2.1. DAS KONZEPT DES SPEKTROMETERS MINIBALL 7 EXOGAM-Spektrometer werden vierfach-segmentierte CLOVER-Detektoren eingesetzt, während der MINIBALL-Detektor eine Weiterentwicklung des EUROBALL-CLUSTER- Detektors mit seiner Technologie der gekapselten Germaniumdetektoren [Ebe96] ist. Das erste Konzept von MINIBALL war in der Tat der Aufbau eines Würfels aus 6 MINIBALL-CLUSTER-Detektoren mit je sieben sechsfach segmentierten, gekap- selten Detektoren nach dem oben erwähnten Vorbild des kompakten Aufbaus aus 6 EUROBALL-CLUSTER-Detektoren (Abbildung 2.1). Diese Idee hat man wieder fallen lassen, da ein solcher Aufbau aus CLUSTER-Detektoren mit je sieben Detektoren für die vielfältigen Anwendungen zu unflexibel ist. Werden beispielsweise Zusatzdetektoren zum Nachweis von emittierten Teilchen benötigt, so muß der Aufbau mit möglichst we- nig Verlust an -Effizienz optimiert werden können. Für Lebensdauermessungen ist es von Vorteil, die Detektoren unter den favorisierten Vorwärts- und Rückwärtswinkeln zu gruppieren, und bei Experimenten mit sehr hohem v/c sollte wegen des Lorentz-Boost- Effekts die Germaniumeffizienz unter Vorwärtswinkeln stehen. Im MINIBALL-Projekt ist man daher dazu übergegangen, die Detektoren in kleinere Ein- heiten zu drei und vier Kapseln anstatt sieben in einem gemeinsamen Kryostaten zusam- menzufassen. Natürlich führt dieser Schritt zu einem Raumwinkelverlust, da die auf meh- rere kleine Kryostaten verteilten Kapseln nicht mehr so eng zusammenliegen wie in einem gemeinsamen Kryostaten. Der Gewinn ist aber, daß die kleineren Einheiten einfacher in verschiedenen Konfigurationen um das Target gruppiert werden können. Weiterhin wird im MINIBALL erstmalig eine flexible Mechanik als Gestell eingesetzt, die die schnelle Positionierung der einzelnen MINIBALL-CLUSTER-Detektoren für die verschiedenen Konfigurationen zuläßt. In der Phase I von MINIBALL stehen 18 gekapselte, sechsfach segmentierte Detektoren in 6 MINIBALL-Tripel-CLUSTERn zur Verfügung, die dann in der Phase II zu 40 Detek- toren, verteilt auf 8 Tripel- und 4 Quadrupel-CLUSTER, erweitert werden. In der Phase II verfügt der MINIBALL somit allein durch die Segmentierung über eine Granularität von 240 im Vergleich zu 239 von EUROBALL Dieses Konzept des MINIBALLs darf man jedoch nicht in Konkurrenz zum EURO- BALL sehen, vielmehr ist MINIBALL ein komplementäres Instrument zu diesem Spek- trometer. Da MINIBALL für Messungen mit niedrigen -Multiplizitäten eingesetzt wird, kann auf Escape Suppression Shields verzichtet werden. Dieses ermöglicht die voll- ständige 4 -Abdeckung mit Germanium für eine maximale Nachweiseffizienz. Daher ist MINIBALL für das physikalische Programm an den Beschleunigern für radioakti- ven Strahl dem EUROBALL überlegen. Der EUROBALL hingegen ist für das Studium von Hochspinzuständen gebaut worden, also optimiert für die Spektroskopie bei hohen -Multiplizitäten. Mit dem MINIBALL wäre dieses physikalische Programm zum Schei- tern verurteilt, da die vielen Streuungen der bis zu 30 koinzidenten -Quanten zwischen den Detektoren die Unterscheidung zwischen gestreuten Ereignissen und komplett absor- bierten Ereignissen unmöglich machen.
8 KAPITEL 2. ENTWICKLUNGEN ZUM MINIBALL 2.2 Der sechsfach segmentierte, gekapselte MINIBALL-Detektor Das Konzept des gekapselten, hochreinen Germaniumdetektors [Ebe96] hat sich im EUROBALL-Projekt als sehr erfolgreich erwiesen. Das Vakuum, das den Schutz der hochempfindlichen, intrinsischen Oberfläche eines Germaniumkristalls vor Verschmut- zungen gewährleistet, wird von dem Kryostatenvakuum, das für die thermische Isolation des auf Stickstofftemperatur gekühlten Detektors benötigt wird, getrennt. In der Kapsel sind ausschließlich Bauteile aus anorganischen Verbindungen eingesetzt und ein optimier- ter Getter erhält ein Vakuum von 10 mbar über einen Temperaturbereich von -192 C (LN ) bis 125 C zum Ausheizen von Strahlungsschäden aufrecht. Sämtliche Bauteile mit organischen Bestandteilen wie Verkabelung, Elektronik oder Mechaniken liegen im vom Kristall abgetrennten Kryostatenvakuum. Das ist ein großer Vorteil gegenüber ungekap- selten Systemen gerade dann, wenn der Kristall zur Regeneration von neutroneninduzier- ten Kristallschäden auf 100 geheizt werden muß. Während die gekapselten Detektoren einfach ausgebaut und in einem Ofen ausgeheizt werden, muß der Kristall eines ungekap- selten Systems mitsamt dem ganzen Kryostaten ausgeheizt werden. Aufgrund der Aus- gasung aller Komponenten im Kryostaten sind dabei die Kristalloberflächen während der gesamten Ausheizprozedur vor Verschmutzungen gefährdet. Tabelle 2.1: Die Tabelle gibt die Ausfallrate der verschiedenen Detektortypen im EUROBALL an. Die Raten sind aufgeschlüsselt nach Leckströmen über den Kristalloberflächen und nach defekten FETs des kalten Vorverstärkers im Kryostatenvakuum. Die Raten sind normiert auf die Anzahl der Detektoren desselben Typs und den Zeitraum, über den die Statistik für jeden Detektorentyp betrachtet wurde. Einzel- gekapselte Detektoren CLOVER Detektoren Leckstrom 0.19 0.21 0.04 FET 0.05 0.12 0.13 In Tabelle 2.1 ist die Ausfallstatistik von Detektoren im EUROBALL angegeben. Sie ist aufgeschlüsselt nach der Ausfallrate von den FETs der kalten Vorverstärker und defek- ten Kristallen, was sich in der Regel durch Leckströme aufgrund verschmutzter intrinsi- scher Kristalloberflächen manifestiert. Die Einzeldetektoren sind Standardsysteme, deren Signal DC-gekoppelt ist. Hierbei werden die Signale an dem inneren Kontakt abgenom- men und die Hochspannung wird an der äußeren Kontaktierung angelegt. Die CLOVER- und EUROBALL-CLUSTER-Detektoren sind AC-gekoppelte Systeme. Dort liegt die Hochspannung am inneren Kontakt an. Von dem inneren Kontakt wird ebenfalls das Sig- nal über einen Koppelkondensator abgenommen. Der FET eines AC-gekoppelten Sys- tems ist wegen seiner direkten Verbindung über den Koppelkondensator zur Hochspan- nung fehleranfällig, da Spannungsüberschläge am Kondensator den FET sofort zerstören. Das zeigt sich klar in der ähnlich hohen Ausfallrate der FETs der beiden AC-gekoppelten Systeme im Vergleich zu den DC-gekoppelten Einzeldetektoren. Es ist technisch nicht machbar, bei zusammengesetzten Detektoren, wie dem CLOVER und dem CLUSTER, die Hochspannung an dem Außenkontakt anzulegen, so daß das Signal am inneren Kon- takt mit einer DC-Kopplung ausgelesen werden kann. Eine alternative DC-Auskopplung
2.2. DER SECHSFACH SEGMENTIERTE, GEKAPSELTE MINIBALL-DETEKTOR 9 des Signals am Außenkontakt würde wegen der zusätzlichen Kapazität zur Außenwand zu einer wesentlich schlechteren Energieauflösung führen. Bei dem Vergleich der Ausfallraten wegen erhöhter Leckströme zeigt sich die viel höhere Zuverlässigkeit der gekapselten Kristalle. Ein weiterer wichtiger Vorteil der Kapselung ist die Möglichkeit, einen defekten FET direkt im Labor austauschen zu können. Unge- kapselte Systeme hingegen müssen dem Hersteller zur Reparatur zugeschickt werden, da der Zugang zu der kalten Elektronik dem Benutzer nicht möglich ist. Dazu müßte das Va- kuum des Kryostaten, das zugleich den Kristall vor Verschmutzungen schützt, gebrochen werden. Wegen der positiven Erfahrungen mit der Kapselung beim Betrieb des EUROBALLs wurde diese Technologie für die Realisierung des sechsfach segmentierten MINIBALL- Detektors eingesetzt und zusammen mit dem Detektorenhersteller EURISYS weiterent- wickelt. Die hexagonal-konischen Kristallabmessungen des MINIBALL-Detektors ent- sprechen denen des EUROBALL-Detektors, so daß für die Kapselung dieselbe Mechanik wie Kapselbecher und Deckel verwendet werden konnte. Die Geometrie des Kristalls ist in Abbildung 2.2 dargestellt. Die Core-Bohrung des Lithium-diffundierten Mittelkon- takts hat einen Durchmesser von 10mm und endet 15mm vor der hexagonalen Detektor- front. Die relative Effizienz des Kristalls liegt bei 60% für den Nachweis von 1.3MeV- -Strahlung. Der Anstellwinkel von 4.125 entspricht einem Fokus in 43cm Entfernung, also der Target-Detektor-Distanz im EUROBALL. Er ist somit nicht optimal für die kurz- en Target-Abstände in der kompakten Geometrie des MINIBALLs. Ein größerer Anstell- winkel für einen Fokus bei etwa 11cm ist aber nicht wirtschaftlich, da die hexagonal- konischen Kristalle aus zylinderförmig gezogenen Germanium-Einkristallen hergestellt werden und ein zu großer Teil des sehr teuren Materials weggeschliffen werden müßte. 70 78 Abbildung 2.2: Die Skizze zeigt die Abmessungen des hexagonal, konischen Germaniumkristalls des MINIBALL- Detektors. Alle Maße sind in mm 59 68 angegeben. Die gestrichelten Linien deuten den Verlauf der Segmentierung 04 an. 34.
10 KAPITEL 2. ENTWICKLUNGEN ZUM MINIBALL Die Segmentierung des Germaniumkristalls wird erzeugt, indem während der Bor- Implantierung des äußeren Kontakts mit Hilfe einer Maskentechnik Trennlinien zwischen den Segmenten mit einer Breite von 100 m nicht kontaktiert werden. Dadurch blei- ben die Kontakte der einzelnen Segmente elektrisch voneinander isoliert und können getrennt ausgelesen werden. Es läßt sich damit feststellen, welcher Kontakt die durch eine -Wechselwirkung erzeugten Ladungen gesammelt hat und somit auch das Seg- ment, in welchem die Wechselwirkung stattfand. Der Verlauf der Segmentierung, die den MINIBALL-Detektor in sechs kuchenstückgleichen Subvolumina unterteilt, ist in Abbil- dung 2.3 angegeben. Kapsel− Deckel HV AC−gekoppelter Core Segment Signale segmentierter Abbildung 2.3: Links ist schematisch Ge−Kristall die Kapsel mit dem segmentierten Kri- stall dargestellt. Rechts ist der Verlauf der Trennlinien zwischen den Segmenten an- gedeutet und der Verlauf der Signalfüh- rungen skizziert. Kapsel− becher 6 DC−gekoppelte Segmente Der Kristall wird in den Kapselbecher eingesetzt und der Kapseldeckel mit einer Elektro- nenschweißtechnik auf den Becher aufgebracht. Der Kapseldeckel und der Becher sind aus Aluminium hergestellt. Die Wandstärke des Kapselbechers beträgt 0.7mm und der Germaniumkristall hat im Becher einen Abstand von 0.7mm zur Kapselwand. Drei Aspekte der Kapselungstechnologie bedurften einer Weiterentwicklung: 1. Der segmentierte Detektor mußte von dem Kapselbecher elektrisch isoliert werden, um die Segmente auslesen zu können. Dazu wird eine Halterung aus einer nichtlei- tenden Aluminiumoxid-Keramik mit einer Auflage aus Blei oder Indium verwendet. Das Blei oder Indium sorgen für die gleichmäßige Verteilung des Anpreßdrucks von 50kp, mit dem der Kristall von einer Feder im Kapseldeckel gegen den Kapselboden gedrückt und somit fixiert wird. 2. In den Kapseldeckel wurden UHV-feste Stromdurchführungen für die sechs Seg- mentsignale eingearbeitet, die über einen Temperaturbereich von -192 bis 120 va- kuumdicht bleiben. 3. Eine elektrische Verbindung von der Kontaktierung der Segmente im engen Spalt
2.3. DER MINIBALL-KRYOSTAT 11 zwischen Kristall und Kapsel zu den Durchführungen wurde für die Abnahme der Segmentsignale realisiert. Links in Abbildung 2.3 ist ist eine Explosionszeichnung von Kapselbecher, Kristall und Kapseldeckel mit den Durchführungen abgebildet. Der innere Core-Kontakt des Kristalls wird mittels einer AC-Kopplung ausgelesen und die Segmente über DC-gekoppelte Vorverstärker. Alle sieben Vorverstärker arbeiten mit gekühlten FETs. Die FETs, der Koppelkondensator und die Bauelemente für die Wider- standrückkopplung sind auf einer Platine aufgebracht, die direkt auf den Kapseldeckel geschraubt wird. Die gemessenen Energieauflösungen eines segmentierten MINIBALL- Detektors betragen bei 1.3MeV für den inneren Kontakt um die 2.2keV, was typisch für Zähler solcher Größe ist. Für die Segmente ergeben sich Auflösungen von 2.4keV. Die um 200-300eV schlechtere Auflösung der Segmente begründet sich in der zusätzlichen Kapazität zwischen Kristall und der Kapselwand. Bei den ersten gekapselten MINIBALL-Detektoren war die Ausfallquote wegen feh- lender Hochspannungsfestigkeit recht hoch. Die Ursache waren Undichtigkeiten an den Durchführungen für die Segmentsignale auf dem Kapseldeckel, so daß sich das Vakuum in der Kapsel verschlechterte. Diese Schwierigkeiten konnten überwunden werden und die bis jetzt ausgelieferten 28 MINIBALL-Detektoren (25 an das MINIBALL-Projekt, 3 weitere an das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg), die den Abnahmetest anstandslos bestanden haben, funktionieren seitdem ohne Ausfall. Für die ältesten Detek- toren sind das bereits vier Jahre, über eine Vielzahl von Einkühl- und Aufwärmzyklen hinweg, wobei sich wieder die Zuverlässigkeit der Kapselungstechnologie zeigt. 2.3 Der MINIBALL-Kryostat In unserer Arbeitsgruppe wurde basierend auf den Erfahrungen mit dem ebenfalls in Köln entwickelten EUROBALL-CLUSTER-Kryostaten[Tho95] ein neuer, kompakter Kryo- stat für den MINIBALL konstruiert und hergestellt. Der MINIBALL-Kryostat (Abbil- dung 2.4) kann durch seine modulare Bauweise bis zu vier gekapselte, sechsfach seg- mentierte MINIBALL-Detektoren aufnehmen. Für die verschiedenen Detektorkonfigura- tionen werden lediglich die Endkappe und der Kühlrahmen am Kryostaten ausgetauscht. Die restlichen Baugruppen wie die Verkabelung, Vakuumdurchführungen, Kryostatenme- chanik und Elektronik verbleiben ohne Modifikationen. Die Kühlleistung wird mittels eines kurzen, massiven Kühlfingers aus Elektrolytkupfer, der durch einen Kupferzopf flexibel mit dem Stickstoffdewar verbunden ist, zu dem De- tektorenblock geführt. Diese flexible Verbindung ist zur Vermeidung der Mikrophonie notwendig. Der Kupferzopf wird in einer Schweißtechnik gefertigt, die einen optimalen thermischen Kontakt der einzelnen Kupferadern gewährleistet, ohne daß die Flexibilität des gesamten Zopfes verlorengeht und stellt eine wesentliche Verbesserung zu der bisher verwendeten Herstellungsmethode durch eine Quetschtechnik dar. Die Germaniumkri- stalle werden im Kryostaten auf ihre Betriebstemperatur von unterhalb 100K gekühlt und die Wärmeleistung der bis zu 28 kalten FETs (50mW pro FET) wird kompensiert. Der Stickstoffdewar faßt 2.7l LN und die Standzeit beträgt bei eingeschalteter Elektronik 12
12 KAPITEL 2. ENTWICKLUNGEN ZUM MINIBALL Stunden. Die Vorverstärker der bis zu 28 Spektroskopiekanäle sind, aufgesteckt auf Motherboards, im massiven Vorverstärkerblock unterhalb des Dewars untergebracht. Sie werden durch das Anbringen von Blenden aus Edelstahl gegen elektronische Einstreuungen von außen effizient abgeschirmt. Die Vorverstärker sind über eine definierte Masseführung mit der Masse der Detektoren und der des Kühlfingers verbunden. Die Zuleitungen zu den kal- ten Vorverstärkerkomponenten werden entlang des Kühlfingers geführt, fixiert in einer Kabelführung, die den Kühlfinger ummantelt. Um die Anzahl der Kabel zu reduzieren, werden die Source-Anschlüsse der kalten FETs nicht individuell zu den entsprechenden Vorverstärkern geführt, sondern direkt auf den kalten Vorverstärkerplatinen mit der Mas- se verbunden. Diese Vorgehensweise führt wegen der effizienten Konzeption der Masse- führung nicht zu einer verminderten Energieauflösung der Detektoren. Dieses stellt einen wesentlichen Unterschied zum EUROBALL-CLUSTER-Kryostaten dar, bei dem die Ver- bindung der Source-Anschlüsse der FETs mit der Detektormasse zu einer Auflösungsver- schlechterung von über 10% führt. Abbildung 2.4: Das Foto zeigt den MINIBALL-Tripel-Kryostaten. Die Ge- häuseteile am Vorverstärkerblock sind ab- genommen, so daß die kompakte Anord- nung der Vorverstärker einsehbar ist. Die bis zu 28 Vorverstärkersignale werden mit BNC-Kabeln nach oben entlang des De- wars geführt und kommen an einer am Ende des Dewars montierten Verteiler- platte zusammen. Die Kryostatenendkap- pe ist austauschbar für unterschiedliche Anordnungen von drei oder vier sechs- fach segmentierten Detektoren. Bei der Inbetriebnahme des Prototypen ergaben sich keine Probleme wie Oszillationen oder Driften der Elektronik, wie sie typisch für unzureichend stabile elektrische Massen sind. Wohl aber stellte das Übersprechen von verschiedenen Spektroskopiekanälen auf- grund mangelnder Abschirmung voneinander eine Schwierigkeit dar. Insbesondere das Übersprechen von Segmentkanälen auf den Core ist sehr einfach und empfindlich nach- zuweisen. Abhängig von dem Segment, in dem ein Ereignis detektiert wird, werden am Core-Kontakt unterschiedliche -Energien gemessen. Das führt zu unterschiedlichen Po- sitionen der -Linien im Energiespektrum der Core-Elektrode, abhängig von der Stärke des Übersprechens von dem getroffenen Segment auf den Core-Kanal. Bei einer Messung mit einer hochenergetischen Eichquelle (z. B. Co: 1.17MeV und 1.33MeV) entstehen statt einer Energielinie mehrere um einige 100eV verschobene Linien. Durch die Bestim-
2.3. DER MINIBALL-KRYOSTAT 13 mung der Schwerpunkte der 1.3MeV- -Linie in den jeweils zu einem Segment koinzi- denten Core-Spektren ist ein Übersprechen von den Segmenten auf den Core unterhalb des Promille-Bereichs nachweisbar. Ein vergleichbar sensitives Verfahren für den Nachweis von Übersprechen auf einen Seg- mentkanal gibt es nicht, da nur im Fall einer Streuung eines -Quants in verschiedene Segmente mehrere Kanäle koinzident ein Signal führen. In diesem Fall sind aber die in den Segmenten deponierten Energien kontinuierlich, so daß man das oben beschriebene Verfahren nicht anwenden kann. Auch die Möglichkeit das Signal eines Segmentkanals zu betrachten, wenn die gesamte -Energie in einem anderen deponiert wurde, scheidet aus. Zwar sollte man in diesem Fall annehmen, daß der betrachtete Kanal kein Signal führen dürfte und etwaige Signale auf ein Übersprechen hindeuten, aber diese Annahme ist falsch. Wie im nächsten Kapitel 3 erläutert wird, kann bei einem solchen Ereignis ein ’unbeteiligter’ Kanal durchaus ein Signal sehen. Dieser Effekt wird sogar zur Lokalisierung der -Wechselwirkung inner- halb des getroffenen Segments herangezogen. Bei der Suche nach der Ursache des Übersprechens der Segmente auf den Core stell- te sich nur der Koppelkondensator als sehr empfindlich gegenüber der Einstreuung von Signalen heraus, der dann geeignet abgeschirmt wurde. Da diese Komponente bei den Segmentkanälen nicht vorkommt, kann man davon ausgehen, daß ein Übersprechen auf Segmentkanäle aufgrund mangelnder Abschirmungen ähnlich gering ist wie auf den Core unter optimierten Bedingungen. Der Kryostat mußte mehrmals geöffnet werden, um die kritischen Bereiche zu lokali- sieren und deren Abschirmungen zu optimieren. Es sei betont, daß dieses Vorgehen nur wegen der Kapselungstechnologie der Germaniumdetektoren möglich ist, da die Beseiti- gung von Übersprechen nur durch eine Trial and Error-Strategie ”Testen, Änderung am geöffneten System, wieder Testen” durchführbar ist. Dabei bedeutet die Arbeit an dem geöffneten System, daß jedesmal das Kryostatenvakuum gebrochen werden muß. Alter- native Methoden, wie beispielsweise das Anlegen eines Signals von einem Impulsgeber an einem geöffneten Kryostatensystem vor dem Einbau der Detektoren, scheiden aus. Das ist ein viel zu großer Eingriff in das Detektorsystem, als daß mit diesem Verfahren ein Übersprechen der signalführenden Leitungen mit der geforderten Sensitivität nach- gewiesen werden kann. Dieser Nachweis kann nur im funktionierenden System erbracht werden, d. h. bei gekühlten Detektoren unter Hochspannung. Fällt er bei einem unge- kapselten System negativ aus, so hat man keine Möglichkeit der Korrektur innerhalb des Kryostaten, wo erfahrungsgemäß die Ursache gefunden wird. Für zukünftige Kryostatenkonstruktionen, insbesondere für die hochsegmentierten De- tektoren der -Ray Tracking Arrays mit über 100 Spektroskopiekanälen in einem Kryo- staten, ist es nach den Erfahrungen bei dem Bau des MINIBALL-CLUSTER-Detektors unabdingbar, gekapselte Detektoreinheiten zu verwenden, um ein zuverlässiges System realisieren zu können.
14 KAPITEL 2. ENTWICKLUNGEN ZUM MINIBALL 2.4 Die Vorverstärker-Elektronik Für die Konstruktion des kompakten MINIBALL-CLUSTER-Kryostaten wurde ein platz- sparender Vorverstärker benötigt, damit bis zu 28 hochauflösende Spektroskopiekanäle in dem begrenzten Raum des Kryostaten untergebracht werden können. Weiterhin muß der Vorverstärker eine hohe Bandbreite haben und die Signale unverfälscht wiedergeben, da- mit die Impulsformanalyse der Detektorsignale erfolgreich durchgeführt werden kann. Weder kommerziell noch als Entwicklung innerhalb anderer Projekte war ein Vorverstär- ker mit solchen Eigenschaften verfügbar. Deshalb wurde basierend auf einer Vorverstär- kerlösung des Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg [Pal97] im Institut für Kernphysik Köln ein miniaturisierter, schneller Vorverstärker mit Widerstandrückkopp- lung und einer Abfallzeit von 50 s entwickelt, der ausschließlich aus SMD-Komponenten aufgebaut ist. Die Dimensionen dieses Vorverstärkers betragen nur 40mm 25mm und sein Rauschbeitrag von 0.6keV+17eV/pF entspricht dem der kommerziellen Vorverstär- ker für die -Spektroskopie, obwohl diese eine geringere Bandbreite aufweisen. Wie in Abbildung 2.5 zu sehen ist, verfügt er über drei Potentiometer zum Einstellen des Po- le Zero, der Offset-Spannung des Ausgangssignals und des Drain-Stroms des FETs. Der Vorverstärker kann für gekühlte und für warme FETs benutzt werden. Bei der letzte- ren Betriebsart werden der FET und die Komponenten der Rückkopplung direkt auf der Vorverstärkerplatine an den vorgesehenen Lötkontakten (Abbildung 2.5 unten links) an- gebracht. Ein Eingang zum kapazitiven Einkoppeln eines Testsignals ist ebenfalls vorbe- reitet. Die Detektorelektrode wird mittels einer Steckverbindung mit dem Vorverstärker verbunden. Für den Betrieb mit einem gekühlten FET werden die Anschlüsse Drain und Source des FETs und die Rückkopplung von den entsprechenden Steckverbindungen an den Vakuumdurchführungen abgegriffen. Über eine Steckerleiste wird dem Vorverstärker die Versorgungsspannung von +/-12V und die Masse zugeführt und das Vorverstärkersig- nal ausgegeben. Da ausschließlich Steckverbindungen verwendet werden, läßt sich ein defekter Vorverstärker in einem Detektorsystem sehr einfach und schnell austauschen. Abbildung 2.5: Der im MINIBALL- Projekt entwickelte Vorverstärker hat ei- ne Dimension von nur 25mm 40mm, so daß auf engsten Raum viele Spek- troskopiekanäle zusammengefaßt werden können. Er arbeitet bei einer Betriebs- spannung von +/-12V und hat ein Gain von 175mV/MeV. Die Anstiegszeit be- trägt 15ns+0.3ns/pF und der Rauschbei- trag 0.6keV+17eV/pF. Mit dem linken Potentiometer wird der Drain-Strom des FETs eingestellt, mit dem mittleren das Pole-Zero und mit dem rechten der DC- Offset der Baseline Neben diesen mechanischen Vorteilen und der guten Energieauflösung verfügt der Vor- verstärker über die schnelle Signalanstiegszeit von 15ns+0.3ns/pF, ohne daß die Signale Artefakte wie Über- oder Unterschwinger aufweisen. Diese Eigenschaften erlauben eine bandbreitenlimitierte, aber ansonsten unverfälschte Wiedergabe der Ladungssammelsig-
2.5. DAS SPEKTROSKOPIEMODUL DGF-4C 15 nale im Detektor, wie sie für die Impulsformanalyse benötigt wird. In Abbildung 2.6 sind die Signale für ein Ereignis in einem sechsfach segmentierten MINIBALL-Detektor ge- zeigt, wobei das -Quant als Streuung zwischen zwei Segmenten nachgewiesen wurde. Die Signale von dem Core und den beteiligten Segmenten zeigen keine Strukturen wie Über- oder Unterschwinger und demonstrieren die Qualität des neuen Vorverstärkers. Charge [ADC chn] 2600 Core 2400 2200 Segment Abbildung 2.6: Dieses Beispiel zeigt die 2000 Detektorsignale von dem Core und zwei Segmenten, die mit dem neuen Vorver- 1800 stärker gemessen wurden. In den Signa- len sind keine Artefakte wie Über- und 1600 Unterschwinger zu sehen. Das Ereignis Segment ist als Streuung zwischen den zwei Seg- 1400 menten absorbiert worden und die Sum- me der beiden Amplituden entspricht der 1200 des Core-Signals. 1000 800 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 time[ns] 2.5 Das Spektroskopiemodul DGF-4C Bei dem MINIBALL-Spektrometer wird erstmalig in der hochauflösenden - Spektroskopie eine digitale Spektroskopieelektronik eingesetzt. Bei dieser Lösung wer- den die Vorverstärkersignale direkt digitalisiert und die Energie- und Zeitinformationen mittels digitaler Filteroperationen bestimmt. Zugleich stehen die digitalisierten Detektor- signale für die Impulsformanalyse zur Verfügung. Nach diesem Prinzip arbeitet das im MINIBALL verwendete CAMAC Modul DGF-4C von der Firma X-Ray Instrumentation Associates, das in Zusammenarbeit mit dem Insti- tut für Kernphysik Köln aus einer Digitallösung für die X-Ray-Spektroskopie weiterent- wickelt wurde. Das DGF-4C Modul beinhaltet vier Spektroskopiekanäle und eine Trig- gerlogik, mit der mehrere Module zu einem Analysatorsystem zusammengefaßt werden können. Die Funktionsweise des DGF-4C Moduls ist in dem Blockdiagramm in Abbildung 2.7 skizziert. Das Vorverstärkersignal wird in einer analogen Eingangsstufe in dem Aus- steuerbereich des Sampling-ADC von 0 bis 1V ausgesteuert. Das Signal passiert einen Nyquist-Filter, der Frequenzen oberhalb der halben Samplingfrequenz abschneidet. Sol- che Frequenzen würden nach dem Nyquist-Theorem sonst in einen falschen Frequenzbe- reich abgebildet (Aliasing[Opp]). Anschließend wird das Signal mit einer Abtastfrequenz
16 KAPITEL 2. ENTWICKLUNGEN ZUM MINIBALL von 40MHz in einem 12-Bit ADC digitalisiert. In dem dahinter geschaltetem Field Pro- gramable Gate Array (FPGA) werden an den digitalisierten Daten digitale Filteroperatio- nen zur Bestimmung der Energie- und Zeitinformation in Echtzeit durchgeführt. locale bus 1 von 4 Kanälen DGF−4C FIFO Host computer 1024 Nyquist ADC Fast Firewire Filter 12bit 40MHz CAMAC I 16 MWrd/s 2.5 MWrd/s Filter FPGA Data analoger Eingangs− CAMAC IEEE 1394 Schaltkreis Fast Slow DMA Good Gain DAC DSP Offset DAC RAM 4*32K Logikleitungen: −Fast MULT IN/OUT −BUSY/SYNCH für synchronen 24bit −GFLT (Master Trg) Betrieb mehrerer DGF Module −GSLT (Validation) Abbildung 2.7: Das Blockdiagramm zeigt die Funktionsweise des digitalen CAMAC-Spektroskopiemoduls DGF-4C. Es ist nur einer von vier Spektroskopiekanälen dargestellt. Das Detektorsignal wird digitalisiert und in digitalen Filtern in Echtzeit weiterverarbeitet. Die Ergebnisse werden über den lokalen Bus an den DSP weitergeleitet, der das Ereignis in einem Puffer zwischenspeichert. Der Puffer wird wahlweise über die CAMAC- oder die serielle Firewire-Schnittstelle an den Host-Computer gesendet. Für die Energiebestimmung wird auf das Signal ein digitaler Trapezfilter mit einer ein- stellbaren Shaping-Zeit im s-Bereich angewendet. Ein schneller Trapezfilter im Bereich von 100ns dient als Pile-Up Inspector für die Ereignisse. Als Pile-Up bezeichnet man zwei aufeinanderfolgende Ereignisse, deren zeitlicher Abstand kleiner ist als die An- stiegszeit des Trapezfilters zur Energiebestimmung. In diesem Fall ergeben sich verfälsch- te Filterwerte für die Energiebestimmung, da der Filter über die Signalamplituden der bei- den Ereignisse mittelt. Solche Ereignisse sollten verworfen werden. In dem DGF-4C Mo- dul werden Pile-Up-Ereignisse anhand des zeitlichen Abstands zweier aufeinanderfolgen- der schneller Trapezfiltersignale erkannt. Wenn deren Abstand kleiner als die Anstiegs- zeit des Energiefilters ist, werden sie als Pile Up markiert. Darüber hinaus können auch sehr kurz aufeinanderfolgende Pile-Up-Ereignisse identifiziert werden, die sich durch den schnellen Trapezfilter nicht mehr als einzelne Signale auflösen lassen. In diesem Fall ist die Breite des schnellen Trapezfiltersignals viel größer als bei einem einzelnen Ereignis. Daher kann der Pile-Up mit einem Breitentest festgestellt werden (Abbildung 2.8). Ein Algorithmus für die Korrektur des ballistischen Defizits der Vorverstärkersignale un- tersucht das Anstiegszeitverhalten des Detektorsignals. Das ballistische Defizit hat seine Ursache in dem 50 s-Abfall der Vorverstärkersignale. Wegen der endlichen Anstiegszeit des Detektorsignals von ca. 300ns bewirkt der 50 s-Abfall, daß die volle Ladungsam- plitude nie erreicht wird. Der Algorithmus korrigiert den Effekt für die Bestimmung der Energie aus der Amplitude [Lau01]. Für die Zeitbestimmung des Ereignisses ist eine digitale Version des Constant-Fraction-
Sie können auch lesen