Neo Rauch im Kunstunterricht
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Neo Rauch im Kunstunterricht Sehr geehrte Lehrer, das Museum Frieder Burda ist besonders stolz darauf, die groß angelegte Sommerausstellung 2011 dem deutschen Künstler Neo Rauch widmen zu dürfen. Viele von Neo Rauchs Werken zeichnen sich durch eine leuchtende Farbigkeit aus und portraitieren Figuren und Menschen in sich überschneidenden Raum- und Zeitebenen. Sein Stil vereint dabei auf synkretistische Weise Anklänge aus dem sozialistischen Realismus, der Pop-Art, des Surrealismus und der Comic-Ästhetik, um nur die wichtigsten Einflüsse zu nennen. Für den Kunstunterricht an Schulen bieten sich somit eine Vielzahl unterschiedlicher Bezüge an, die in praktischen Lernangeboten erprobt werden können. Dabei wird das Oeuvre Neo Rauchs vor allem zum Anlass genommen, eigene kreative Ideen zu entwickeln. Wir hoffen Ihnen mit den unten stehenden Unterrichtsvorschlägen ein interessantes Instrumentarium an die Hand zu geben, das Sie sowie Ihre SchülerInnen gleichermaßen begeistern wird und wünschen Ihnen viel Spaß bei der Umsetzung der hier vorgestellten Ideen. Vorführer, 1997, Öl auf Leinwand, 200x150 cm, Privatsammlung 1/9
Lernvorschlag 1 – praktisch: Inszenierte Fotografie Interview, 2006, Öl auf Leinwand, 210 x 300 cm, Museum Frieder Burda Ausgehend von dem Werk „Interview“ stellen die SchülerInnen die dargestellte Szene nach und werden im Anschluss fotografiert, um den Prozess zu dokumentieren. Als Einführung ins Thema könnte ein Gespräch geführt werden, welche Situation auf dem Originalbild dargestellt ist und in welcher Beziehung die Protagonisten des Bildes zueinander stehen etc. 2/9
Lernvorschlag 2 – praktisch: Collage, Traumbild Aufstand, 2004, Öl auf Papier, 199 x 275 cm, Privatsammlung Das Bild „Aufstand“ wird zum Anlass genommen, um in Form einer Collage, die auch andere bildliche Elemente wie zum Beispiel Fotografien aus Zeitschriften enthalten kann, einen eigenen Traum malerisch darzustellen. Dabei werden konkrete Bildausschnitte wie die liegende Person in der Originalvorlage um eigene Bildlösungen ergänzt. In diesem Zusammenhang kann auch in einem theoretischen Exkurs auf die Bedeutung des Traums in der Kunst im Allgemeinen und im Surrealismus im Besonderen eingegangen werden. 3/9
Lernvorschlag 3 – praktisch: Comic und Superhelden Händler I, 1999, Öl auf Papier, 116x72 cm Alter, 2001, Öl auf Leinwand, 250x210 cm Sturmnacht, 2000, Öl auf Leinwand, Sammlung Deutsche Bank Sammlung Rudolf und Ute Scharpff 200 x 300 cm, Sammlung Goetz Gemälde wie „Händler I“, „Alter“ oder Sturmnacht“ können verwendet werden, um die Comic-Ästhetik, die vielen Arbeiten Neo Rauchs zugrunde liegt, zu analysieren. In diesem Zusammenhang können die leeren Luftblasen der hier zitierten Arbeiten benutzt werden, um sie sprachlich-kreativ von den SchülerInnen ausfüllen zu lassen. Dieser Lernvorschlag ist dabei vor allem für jüngere Kinder geeignet und kann hervorragend in einer kurzen Lerneinheit umgesetzt werden. Ziel dabei ist, die SchülerInnen sich mit den in den Bildern dargestellten Situationen auseinandersetzen zu lassen, sich in in die Bildsituationen hineinzudenken und die jeweilige Atmosphären sprachlich auszudrücken. Dieser Arbeitsauftrag kann zudem dadurch in einen komplexeren Prozess abgewandelt werden, indem das Werk „Die Fuge“ benutzt wird, in der superheldengleich einige der Protagonisten durch die Luft schweben. Die SchülerInnen sind in diesem Zusammenhang dazu angehalten, ihren eigenen Superheld zu entwickeln und ihn in einen selbst entworfenen Bildzusammenhang zu stellen. Die Fuge, 2007, Öl auf Leinwand, 300x420 cm Hamburger Kunsthalle 4/9
Lernvorschlag 4 – praktisch: Entwicklung von Sprachkompetenz Die SchülerInnen erarbeiten zu einem selbst gewählten Werk von Neo Rauch eine Geschichte, ein Gedicht oder ein Hörspiel. Dazu bieten sich aufgrund der Komplexität nahezu alle Werke Neo Rauchs gleichermaßen an. Es sollte in diesem Fall das Abbildungsverzeichnis des Ausstellungskatalogs konsultiert werden. Lernvorschlag 5 – praktisch: Landschaft Bauer, 2002, Öl auf Leinwand, 140x200 cm The Mark Glatman Accumulation and Maintenance Trust Es soll eine apokalyptische (Stadt-)Landschaft gemalt werden. Als Inspiration kann das Bild „Bauer“ fungieren. In einem Bildinterpretationsteil kann diskutiert werden, durch welche bildnerischen Mittel es dem Künstler gelingt, eine unheimliche Atmosphäre zu evozieren. Um das Bild in den Lebenskontext der SchülerInnen besser einzubetten, besteht die Möglichkeit, ein bekanntes Gebäude aus ihrem Umfeld – beispielsweise eine Sehenswürdigkeit der Stadt – als fotokopierte Fotografie zu verwenden, die ins Bild eingeklebt wird und um die herum schließlich die apokalyptische Landschaft entstehen soll. 5/9
Lernvorschlag 6 – theoretisch: Einführung in die Kunstgeschichte Die Bezüge zu anderen Kunststilen in Neo Rauchs Bilderkosmos ist enorm. Der Künstler verarbeitet dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen. In theoretischen Exkursen und Werkbetrachtungen sollen die Schüler andere, wichtige Kunststile des 20. Jahrhunderts kennen lernen, die der Künstler verarbeitet hat, wie zum Beispiel: sozialistischer Realismus, Pop-Art und Surrealismus. Dieser Lernvorschlag ist besonders für SchülerInnen der Oberstufe gut geeignet. © 2011 für alle abgebildeten Werke von Neo Rauch: VG Bild-Kunst, Bonn, sowie courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig Redaktion: Brigitte von Stebut und Sebastian Steinert Anhang: Glossar, Biografie, Bibliografie Museum Frieder Burda, Baden-Baden, 2011 6/9
Glossar Surrealismus: Im Jahre 1924 publizierte der französische Dichter und Denker André Breton sein „Manifeste du Surréalisme“, mit dem er zum Begründer dieser Kunstrichtung wurde. Zunächst auf Frankreich und die Literatur beschränkt, wurde die Bewegung schnell international und beeinflusste auch andere künstlerische Bereiche nachhaltig (vor allem Malerei, Skulptur, Fotografie und Film). Wichtigen Einfluss auf die surrealistische Kunst besaß die Psychoanalyse Sigmund Freuds: Der Traum und das menschliche Unbewusste wurde in den Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens gestellt. Einige Arbeiten nehmen Freudsche Fallstudien tatsächlich zum Anlass, in anderen wiederum verarbeiten die Künstler ihre eigenen Träume und Ängste. Im Zuge der surrealistischen Kunst sind auch sexuelle Phantasien kein Tabuthema mehr. Eine wichtige, methodisch-technische Grundlage vieler Arbeiten war der sogenannte „Automatismus“ – ein Verfahren, bei dem der Künstler sein Unbewusstes in ein ‚automatisches’ Aktionsgeschehen umsetzt und derart zu einer neuen magisch-poetischen Realität gelangt, in der nicht zusammengehörige Dinge in unerwartete Gegenüberstellungen neu kombiniert werden. Wie die Künstler durch eine genuine Bildsprache die Kunst revolutionierten, brachten sie auch durch die Entwicklung neuer Kunsttechniken wie der Frottage oder der Grattage vor allem die Malerei voran. Wichtige Künstler des Surrealismus, die sich hervorragend in einen Bezug zu Neo Rauch setzen lassen, wären unter anderem: Salvador Dalí, Max Ernst oder René Magritte. Pop-Art: Der Name Pop-Art ist auf die Collage „Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing?” (1956) des britischen Künstlers Richard Hamilton zurückzuführen, in der das Wort „Pop“ auf einem Lutscher erstmals auftauchte. Namensgeber für diese Kunstrichtung, die so dann vor allem in den USA der 1960er Jahre große Erfolge feiern sollte, war der Kunsthistoriker Laurence Alloway, der Hamiltons Werk in einer Londoner Ausstellung sah. Die Pop-Art-Künstler kehrten zwar im Vergleich zu den Abstrakten Expressionisten zur gegenständlichen Malerei zurück, rebellierten aber dabei ebenfalls gegen frühere Normen. So konnten nun auch banale Objekte der alltäglichen Konsum- und Massenkultur wie Comics, Reklametafeln oder Verpackungsmaterialien zum Bildgegenstand erklärt werden. Viele der Künstler benutzten teilweise grelle Leuchtfarben und wurden dabei von der modernen Neonreklame inspiriert oder gaben Buchstaben und Rasterpunkte mit Hilfe von vorgefertigten Schablonen wieder. Eine Annäherung von elitärer Hochkultur und breit angelegter Massenkultur fand demnach statt. Zu den präferierten Gestaltungsprinzipien der Pop-Art im Bereich der bildnerischen Gestaltung zählten neben werbegrafischen Techniken wie zum Beispiel der Verwendung des Siebdrucks vor allem die Fotomontage und die Collage. Zu wichtigen Vertretern dieser Stilrichtung gehörten Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann oder Richard Hamilton, allesamt Künstler, von denen viele Werke einen interessanten Referenzpunkt zu Neo Rauchs Arbeiten bieten können. 7/9
Sozialistischer Realismus ist eine Stilrichtung in der Kunst, die ab 1932 vom Zentralkomitee der KPdSU ideologisch begründet als Richtlinie für die Produktion von Literatur, bildender Kunst und Musik in der UdSSR beschlossen und später im gesamten Ostblock maßgeblich wurde. Als offizielle Doktrin dominierte der „Sozrealism“ die sowjetische Kunst bis 1991, dem Jahr der Auflösung der UdSSR. Es ist eine realistische Kunst, die in der Weltanschauung des Marxismus-Leninismus ihre Grundlage hat und eng verbunden ist mit dem Erwachen eines revolutionären Bewusstseins. Sie diente zunächst dem revolutionären Kampf, dann als Staatskunst der Verherrlichung der Sowjetmacht. Sie zeigt den Kampf der revolutionären Arbeiterklasse gegen die soziale und politische Diskriminierung. Bestimmend waren nicht die traditionellen Kunstformen, sondern Agitationskunst, monumental und öffentlich in der Malerei (Deineka, Petrov- Wodkin), Film (Eisenstein), Theater, Fotografie (El Lissitsky, Rodschenko) Literatur, Musik, Architektur (Schussew, Melnikov) und der Bildhauerei (Muchina, Matveev,). Die Kriterien des sozialistischen Realismus sind Parteilichkeit, Wahrheit und Qualität. Es wurde ein einheitlicher sowjetischer Künstlerverband gebildet, der den kulturellen Führungsanspruch der kommunistischen Partei anerkannte. Mit der Stalin-Ära begann die Zentralisierung des Kunstschaffens, das dogmatisch eingeengt wurde. Es entsteht eine Flut von Leninbildern, heroisch überhöht. Der Personenkult hemmt die weitere Entwicklung, das Pompöse dominiert bei Architektur und Denkmälern. In der Ära Chruschtschow, der sog. Tauwetter Periode wurden die Vorgaben etwas gelockert. Der 2. Weltkrieg, die Arbeitswelt, die Eroberung des Weltraumes waren die Themen. In Deutschland waren Käthe Kollwitz, Otto Dix und Heinrich Vogeler Wegbereiter dieser Richtung, in der DDR Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig, Willi Sitte und Werner Tübke führende Vertreter. 8/9
Biografie 1960 Geboren in Leipzig 1981-86 Studium der Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Professor Arno Rink 1986-90 Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 1993-98 Assistent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 2005-09 Professur für Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Ab 2009 Honorarprofessur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Lebt und arbeitet in Leipzig Bibliografie (Auswahl) Neo Rauch, Ausstellungskatalog Museum Frieder Burda, Baden-Baden, Ostfildern, 2011. Neo Rauch. Begleiter, Ausstellungskatalog Museum der Bildenden Kunst Leipzig; Pinakothek der Moderne, München, Ostfildern, 2010. Neo Rauch. para, Ausstellungskatalog Metropolitan Museum of Art New York; Max Ernst Museum Brühl, Köln, 2007. Neo Rauch. Neu Rollen, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Wolfsburg, Köln, 2006. Neo Rauch. Arbeiten auf Papier / Works on paper, Ausstellungskatalog Albertina Wien, Ostfildern, 2004. 9/9
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