O HC TD Das Textilunternehmen Manomama schwimmt erfolgreich gegen den Strom.
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G E H T D O CH Das Textilunternehmen Manomama schwimmt erfolgreich gegen den Strom. O rt s ter m i n Bioboom Herbst 2020 12
Jeder hat sie für verrückt erklärt damals. Am Ende der Finanzkrise in eine tote Branche investieren und Leute beschäftigen, die sonst niemand will? Das klang nach vorprogrammiertem Scheitern. Dieses Jahr feiert Sina Trinkwalder mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das zehnjährige Firmenjubiläum ihres Augsburger Textilunternehmens Manomama. Die Firma ist ein Vorzeigeprojekt in einem Wirtschaftszweig, der ansonsten nicht mit allzu vielen guten Schlagzeilen von sich reden macht. Warum ausgerechnet die Textilbranche? sie ist Menschenfreundin, offen und herz- ter. Doch nach einem eher zufälligen Ge- Dafür gab es zwei Gründe: »Es musste eine lich, mit einem Blick für die, die es nicht spräch mit einem Obdachlosen ließ sie handwerkliche Produktion sein, wo jeder sei- leicht haben im Leben und in unserer Ge- eine Frage nicht mehr los: Wie können nen Platz findet. Auch die, denen sonst nicht sellschaft. Bei Manomama arbeiten neben wir Leute, die eigentlich keine Chancen viel zugetraut wird«, sagt Sina Trinkwalder. ganz »normalen« Arbeitskräften auch auf ein selbst erwirtschaftetes Auskom- »Und Augsburg hat eben eine lange, wenn Leute mit Vorstrafen, Langzeitarbeitslose, men haben, wieder mitnehmen und teilha- auch längst untergegangene Textiltradition.« Menschen mit Behinderung und Analpha- ben lassen? Die Antwort lag für sie nahe: beten. »Man muss ja nicht unbedingt lesen »Wir müssen mit den Händen arbeiten und Quer eingestiegen können, um nähen zu können«, sagt Trink- produzieren. Es können doch nicht alle rum- walder so einfach wie einleuchtend. hirnen.« Dass sie selbst wenig bis keine Ahnung vom Geschäft rund ums Spinnen, Weben, »Es können doch nicht Einfach und flexibel Färben und Nähen hatte – geschenkt. alle rumhirnen.« Fotos: Kristin Kasten & Biomare »Wenn ich etwas nicht kann, dann lerne ich Drei Monate hat es dann noch gedauert, es halt.« Trinkwalder beschreibt sich selbst Sina Trinkwalder ging es im Leben gut, als bis sie mit vier bis fünf Leuten das Nähen als »Autodidaktin und extrem pragmatisch sie sich entschloss, eine ganz neue Rich- startete. Auf eigenes Risiko und mit ih- veranlagt«. Die 42-Jährige ist ein Macher- tung einzuschlagen. Gemeinsam mit ihrem rem eigenen Geld, denn Kredite von den Typ mit einer unbändigen Energie, die auf damaligen Mann betrieb sie eine erfolg- Banken gab es nicht. Aber natürlich nicht gemütlicher veranlagte Charaktere erst reiche Werbeagentur, verdiente reichlich ohne Plan, das sähe Sina Trinkwalder einmal einschüchternd wirken kann. Und Geld und war außerdem glückliche Mut- auch gar nicht ähnlich. Gefertigt wurden O rt s ter m i n bioboom.de 13
bunte Einkaufsbeutel. Und auch wenn in- Ihre Arbeitszeiten zwischen einiges mehr hinzugekommen ist, machen die farbigen Taschen für den dürfen die Leute Lebensmittelhandel immer noch einen Großteil der Aufträge aus. »Wenn wir aus- von Manomama schließlich Taschen machen, dann schaffen wir inzwischen etwa 30.000 Stück am Tag.« selbst festlegen. Denn aus den paar Leutchen, mit denen sie angefangen hat, sind inzwischen 140 Ob sie früh um Angestellte geworden, die in einer großen ehemaligen Fabrikhalle zuschneiden, nä- 6 Uhr oder erst hen, sortieren und packen. Es sind haupt- sächlich Frauen, die die oft einfachen Ar- gegen Mittag an- beiten machen: eine Naht hoch, eine Naht runter, dann landet der Zuschnitt auf dem fangen – all das Stapel und es geht von vorne los. Andere stülpen von früh bis spät Taschen von links ist der Chefin auf rechts um, so dass die Nähte nach in- nen verschwinden. Wieder andere mes- herzlich egal. sen Bänder ab oder sortieren die Reste fein säuberlich weg. Trotzdem sind sie zufrie- den, denn sie haben eine unbefristete An- stellung, können sich aussuchen, ob sie Vollzeit- oder Teilzeitverträge haben wol- len und bekommen mit 10 Euro pro Stunde mehr als den Mindestlohn. Auch ihre Ar- beitszeiten dürfen die Leute von Mano- mama selbst festlegen. Ob sie früh um 6 Uhr oder erst gegen Mittag anfangen – all das ist der Chefin herzlich egal. Hier taktet sich jeder von 6 bis 22 Uhr so ein, wie es zu seinem Alltag und seinem Leben passt. »Hauptsache, die Arbeit wird geschafft.« Sozialboni statt Akkordarbeit Und so simpel die einzelnen Arbeits- schritte auch sein mögen: Trinkwal- der hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten ihrer Angestellten gar nicht un- bedingt nach mehr streben. »Die weni- gen Handgriffe gut zu beherrschen, das gibt vielen Sicherheit und Selbstvertrauen.« Trotzdem muss natürlich mehr genäht werden als nur Taschen. Manomama pro- duziert und verkauft inzwischen auch Shirts und Sweater, Hemden und Röcke, Unterwäsche, Jeans, Jacken und einiges mehr – im Internet und auch im eigenen Ladengeschäft in der Augsburger City. Hauptsächlich Basics, »keine Fashion-Fum- mel«, sagt Trinkwalder. Wenn etwas Neues gefertigt werden soll, wird es manchmal auch schwierig, berichtet sie: »Mal etwas anderes oder gar etwas Komplizierteres zu nähen, das traut sich so mancher schon nicht mehr zu.« Deshalb gibt es bei Manomama O rt s ter m i n Bioboom Herbst 2020 14
M A N O M A M A- G R Ü N D E R I N S I N A T R I N K WA L D E R BIO IST ZU Autodidaktin und extrem pragmatisch veranlagt Sozialboni statt der üblichen Akkordzuschläge: Wer bereit ist, TEUER auch mal woanders zu arbeiten, wird ebenso mit finanziellen Auf- schlägen belohnt wie diejenigen, die besonders hilfsbereit sind oder ihr Wissen weitergeben. »Wir wollen und können uns eine ge- wisse Ineffizienz leisten.« Hanf aus dem Taubertal, DIE WELT Knöpfe aus Baden-Württemberg Die Verantwortung für ihre Belegschaft war es auch, die Sina Trinkwalder zu ökologisch produzierten Materialien greifen ließ: »Schließlich sollen meine Ladies das möglichst lange machen kön- UNS NICHT nen und nicht mit giftigem Zeug arbeiten müssen.« So weit es geht, BIO KOSTET bezieht sie Rohstoffe, Garne, Gewebe, Reißverschlüsse, Knöpfe und anderes zudem aus der Region oder zumindest aus Deutsch- land. Wer es genau wissen will, findet auf der Firmenwebseite al- les genau aufgeschlüsselt: Hanf aus dem Taubertal, Schurwolle für Jacken und Mäntel vom Augsburger Landmerino, Rinderhäute vom Erlanger Schlachthof, kompostierbare Knöpfe aus Baden-Württem- berg. Die Baumwolle kommt notgedrungen von weiter her, aber die Baumwollfelder des Partners in Tansania werden nicht künstlich ge- wässert, alles sei »rain-grown«, das betont Trinkwalder ebenso wie die »Wertschätzung und den Handel auf Augenhöhe«. Keine Reste wegwerfen Foto oben rechts: Barbara Gandenheimer ALLES EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE Wichtiger als mit Öko-Siegeln wie GOTS (Global Organic Textile Was im Regal oft nur ein paar Cent mehr kostet, Standard) zu werben, ist Manomama das Thema Ressourcen- bedeutet weniger Pestizide auf deinem Teller, management und Resteverwertung. »Wir kommen nicht umhin, faire Preise für unsere Bauern, mehr Vielfalt am Feld, all das zu nehmen, was schon da ist. Sonst werden wir nie klima- regionale Arbeitsplätze, Unabhängigkeit von multi- nationalen Konzernen und erheblich weniger Klimaschäden. neutral.« Deshalb wird bei ihr nichts weggeworfen. Und deshalb So gesehen gar nicht schlecht für ein paar Cent. hadert sie manchmal mit dem GOTS-Siegel. Denn um die Reste www.sonnentor.com/esgehtauchanders der GOTS-zertifizierten Biobaumwolle, die nach dem Zuschneiden übrig bleiben, sinnvoll wiederzuverwerten, werden diese aufbe- O rt s ter m i n bioboom.de 15 15
W E R KSTAT T I N A U G S B U R G — Hier arbeiten neben ganz »normalen« Arbeitskräften auch Leute mit Vorstrafen, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung und Analphabeten. Manomama gilt als Vorzeigeprojekt, als Beweis, dass soziales Unternehmertum funktionieren kann – und das in einer Branche, die sonst fast alles in Billiglohnländer verlagert. Trotzdem hat ihr Beispiel keine Schule gemacht. Warum eigentlich nicht? reitet und erneut versponnen. Dann wird seien es Gummibänder, Schleifchen, Pols- durch die Decke, auch als Alternative zum die so gewonnene Faser mit neuer GOTS- ter, Bänder oder Haken – auch, aber nicht normalen Alltagsmundschutz.« Sina Trink- Biobaumwolle vermischt und gewebt. Die nur als Do-it-Yourself-Kit für Projekte wie walder freut sich: So ist die Näherei wei- so entstandenen Stoffe in Melange-Tönen den selbstgenähten BH. Eigentlich sollte ter gut ausgelastet, die Leute haben zu – mit einem Recycling-Anteil von etwa 25 das Vorhaben schon im Frühjahr starten. tun. Das ist schließlich der Sinn des Gan- Prozent – dürfen sich aber trotzdem nicht Der Corona-Lockdown brachte den Plan zen. Und nicht, möglichst viel Geld zu er- mehr mit dem Siegel schmücken. »Ver- durcheinander: In der Augsburger Näherei wirtschaften. »Früher war ich vielleicht mal stehen tu ich das nicht.« Auch bei ande- war man mit dem Produzieren von Schutz- reich. Aber jetzt fühle ich mich reich, zufrie- ren Projekten hat sie die Verwertung von masken mehr als beschäftigt. den und erfüllt. Das Geld ist doch hier super Textilresten im Blick. Schon seit einigen investiert«, sagt Trinkwalder und man kann Jahren bekommt Manomama im Sommer Gut beschäftigt – auch dank nicht anders, als es ihr zu glauben – trotz- die Stoffreste von einem Markisenherstel- Corona dem legt sie Wert darauf, dass Manomama ler – und fertigt daraus die sogenannten bereits seit fast acht Jahren eine schwarze Brichbags – Rucksäcke, Sport- und Schul- Die Corona-Pandemie verpasste auch einer Null schreibt und keine Verluste macht. tertaschen. Mit dem Erlös der Upcycling- anderen Idee von Sina Trinkwalder und Taschen finanziert Manomama das Nähen damit Manomama gerade einen kräfti- Vorzeigeprojekt ohne Foto linke Seite: Barbara Gandenheimer von Obdachlosenrucksäcken, die dann ge- gen Schub: Der von ihr erdachte »Urban- Nachahmer füllt mit nützlichen Dingen an Wohnungs- doo«, eine Art Loop mit innenliegendem lose verteilt werden und eine Alternative FFP3-Filter-Inlay, war eigentlich für Men- Zahlreiche Preise und Auszeichnungen zur flattrigen Plastiktüte bieten. Für den schen gedacht, die sich vor Pollen oder haben sie und ihr Unternehmen schon September plant Sina Trinkwalder den Luftschadstoffen schützen wollen. »Vor entgegengenommen, unter anderem das Start der Webseite fabyoulos.de: Hier zwei Jahren habe ich das Ding zum Patent Bundesverdienstkreuz. Manomama gilt sollen sortierte hochwertige Reste aus angemeldet, da hätte kaum jemand gedacht, als Vorzeigeprojekt, als Beweis, dass sozi- der Manomama-Näherei verkauft werden, dass das funktioniert. Und heute schießt es ales Unternehmertum funktionieren kann O rt s ter m i n Bioboom Herbst 2020 16
REGIONALE FLOCKEN Ab Ernte 2020 backen wir unsere Krunchys für Euch ausschließlich mit Hafer und Dinkel, der auf den Feldern unserer 66 Partner-Landwirte* *Gemeinsam entwickeln wir den Bioanbau weiter, fördern Öko-Saatgut und sind aktiv in Sachen Artenvielfalt. in der Region wächst. G E H D T O CH – und das in einer Branche, die sonst fast alles in Billiglohnländer verlagert. Trotzdem hat ihr Beispiel keine Schule gemacht. Wa- rum eigentlich nicht? »Kaum jemand will das mit seinem Leben ver- haften. Für soziales Unternehmertum musst du einfach extrem gut sein.« Empfindet sie die Verantwortung für ihre 140 Angestellten manchmal als Last? »Nein, ich hab einfach Bock, etwas zu reißen.« Vor zwei Jahren hat sie, so sagt sie, zumindest mal darüber nach- gedacht, Mitarbeitende, die in Rente gehen, nicht mehr zu erset- zen und so das Unternehmen auf 100 Leute zu verkleinern. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. »Aber wachsen können wir nicht mehr, sonst ist die Halle zu klein.« Gefahr, dass ihr die Ideen ausgehen, besteht jedenfalls nicht. In Planung ist eine Sportkollektion aus Schurwolle, von der sie per- sönlich höchst überzeugt ist. Allerdings sind auf dem Weg zur Umsetzung schon zwei Spinnereien pleite gegangen. »Vielleicht bleibt mir einfach nichts anderes übrig, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen«, sagt sie und grinst. → Birgit Schumacher • manomama.de LERNT UNSERE BAUERN KENNEN: O rt s ter m i n bioboom.de 17 BARNHOUSE.DE
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