Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
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„ Leben ist nicht genug, sagte der Schmetterling. Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume gehören auch dazu.“ Hans Christian Andersen Was haben Rheinmetall und Schmetterlinge gemeinsam? Man könnte meinen, recht wenig. Doch das Gegenteil ist der Fall. Sie teilen sich eine rund 55 Quadratkilometer große Fläche in Niedersachsen. In Unterlüß in der Lüneburger Heide, auf dem Erprobungsgelände von Rheinmetall, hat sich eine Schmetterlingsfauna entwickelt, die einzigartig ist. Fojana ist eine Bewirtschaftungsphilosophie für Forst, Jagd und Naturschutz aus einer Hand und steht für ein Naturparadies, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Durch integrierten Naturschutz seitens Rheinmetall wurde aus dem Erprobungsgelände, das seit über 115 Jahren Sperrgebiet ist, ein Naturraum mit einer außergewöhnlichen Artenvielfalt. Aktive Landschaftspflege und Gestaltung haben dazu geführt, dass sich hier unter anderem tausende Insektenarten wohlfühlen. Und ganz besonders scheint sich das Schönste von allen hier wohl zu fühlen: der Schmetterling. Die Vielzahl der Schmetterlinge, dieser fast magischen Wesen, die das Gebiet beflügeln, war dermaßen augenfällig, dass sich der Schmetterlingsexperte Dierk Baumgarten ent- schloss, das Fojana-Gelände einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Das war 2002. Die Untersuchungsergebnisse waren jedoch so spektakulär, dass Baumgarten mit der Unterstützung der Rheinmetall-Forstverwaltung einen erweiterten Zutritt zum Gelände erhielt und somit der Untersuchungszeitraum immer wieder verlängert wurde. Schließlich bis zum Jahr 2011. So entstand eine umfassende Studie aus einem zehnjährigen Untersuchungszeitraum. > Südteil: Halbtrockenrasenfläche am Trauener Weg mit vielfältiger Vegetation. Lebensraum bzw. Fundort von Violetter Feuerfalter (Lycaena alciphron), Mittlerer Perlmutterfalter (Argynnis niobe), Purpurbär (Rhyparia purpurata), Sandstrohblumeneulchen (Eublemma minutata), Miniersackträger (Coleophora alcyonipennella) und Federmotte (Oxyptilus distans).
> Gefährdete Arten Im Fojana-Gebiet sind 189 Arten der Großschmetterlinge mit einer Gefährdungseinstufung auf der Roten Liste Niedersachsens, von denen 33 Arten als vom Aussterben bedroht gelten (Kategorie 1). 81 Arten stehen auf der Vorwarnliste. Ebenfalls sehr hoch ist die Zahl der 67 vorkommenden Arten, die in eine Gefährdungskategorie der Roten Liste Deutschlands eingestuft sind. Drei dieser Arten werden in Deutschland als vom Aussterben bedroht geführt. Es handelt sich hierbei um Graslins Sackträger (Phalacropterix graslinella), den Heidekraut-Fleckenspanner (Dyscia fagaria) und die Heidekraut-Glattrückeneule (Aporophyla lueneburgensis). Weitere 42 erfasste Arten stehen auf der Vorwarnliste. Habitatpräferenzen der in Niedersachsen Arten der Roten Liste Niedersachsen vom Aussterben bedrohten Schießplatz Gesamt und stark gefährdeten Arten 5,7 % – 5 Arten 1,1 % – 1 Art 12,2 % – 33 Arten 13,6 % – 12 Arten 14,9 % – 13 Arten 30,0 % – 81 Arten 6,8 % – 6 Arten 20,4 % – 55 Arten 10,2 % – 9 Arten 28,4 % – 25 Arten 6,8 % – 6 Arten 1,1 % – 1 Art 37,4 % – 101 Arten 8,0 % – 7 Arten 3,4 % – 3 Arten Vom Aussterben bedroht Mischwald Zwergstrauchheide Stark gefährdet Bruchwald Sandheide Gefährdet Gehölzzeilen Sandmager-/ Vorwarnliste Gebüsche Halbtrockenrasen Sumpf/Verlandungsbereiche Offenbodenbiotope Moorheide Grünland Vegetationstyp Definition Nord- Kiehn- Süd- (für den Schießplatz): teil moor teil I Nadelwald Geschlossener bis lichter x x x Nadelwald, z. T. mit Heidel- beerunterwuchs II Mischwald Laub-/Nadelwald (Eiche, x x Buche, Fichte), meist mit Heidelbeerunterwuchs III Bruchwald Waldgesellschaft auf Nass- x > Nordteil standorten (Erle, Weide, Birke) IV Gehölzzeilen Geschlossene Gehölzstreifen x mit Gebüsch (u. a. Schlehe, Weißdorn), Vorwaldstadien und Altbäumen V Gebüsche Natürliche zusammenhäng- x ende Strauchbestände (meist Besenginster und Birkenkussel auf Sandheide) VI Streuobstwiesen Wiesen mit eingestreuten x > Kiehnmoor Obstbäumen VII Sumpf und Flache, stehende Wasserfläche x Verlandungsbereiche mit Binsen, Pfeifengras und Schilfgürtel an Stillgewässer VIII Moorheide Feuchte bis nasse Standorte, x x geprägt durch Glockenheide, Besenheide, Pfeifengras IX Zwergstrauchheide Eher feuchte Standorte, x x x geprägt durch Glockenheide, > Südteil Heidelbeere, Preiselbeere X Sandheide Eher trockene Sand-/ x x Zwergstrauchheide, auch vergrasende Flächen XI Wacholderheide Eher trockene Sand-/ x Zwergstrauchheide, geprägt durch Wacholder XII Sandmagerrasen, Sandige, meist trockene x x Halbtrockenrasen und magere Standorte mit niedrigwüchsigen Pflanzengesellschaften XIII Offenbodenbiotope Ränder unbefestigter x x Sandwege und Geschoss- krater mit niedrigwüchsigen Pflanzengesellschaften XIV Grünland Wiesen, Mähwiesen x x Unterlüss
> Entwicklung des Schmetterlingsbestands Die vielfältigen hochwertigen Lebensräume mit ihrem sehr beachtenswerten Bestand seltener und gefährdeter Schmetterlingsarten resultieren vornehmlich aus einer viele Jahrzehnte an- dauernden militärischen Nutzung und gleichbleibenden Pflege des Gebietes. Es sind große Offenlandflächen erhalten geblieben und immer wieder neue wärmebegünstigte Pionierstand- orte mit offenen Bodenstellen in Kombination mit trockenwarmen sandigen Sukzessionsflächen geschaffen worden. Daneben tragen insbesondere die feuchteren Lebensräume der Moore und Bruchwaldgebiete sowie einige Reste alter Eichen-Mischwälder zum reichhaltigen Artenbestand bei. Es existiert eine wertvolle Biotopstruktur verschiedener Vegetationsgesellschaften, die vielen Raupen- nahrungspflanzen als geeigneter Standort dient. Darüber hinaus bestehen einige Blüten- horizonte an Wegrändern, auf älteren Brandschutzstreifen und den Halbtrockenrasenflächen, die den Faltern auch außerhalb der Heideblüte Nahrungsquellen bieten. Ebenso positiv wirkt sich die extensive ackerbauliche Nutzung und der in weiten Teilen fehlende Nährstoffeintrag auf die Zusammensetzung des Artenspektrums und die teilweise bemerkenswert großen Populationen aus. > Wichtigster Vegetationstyp für gefährdete Arten Die offenen Flächen des Geländes bestehen hauptsächlich aus Sandheide. 25 (28,4 %) der im Gelände gefundenen und in Niedersachsen vom Aussterben bedrohten oder stark gefährdeten Arten leben mit dem Schwerpunkt ihrer Population in der warm- trockenen Sandheide. Damit stellt dieser Lebensraum die größte Anzahl der hochgefährdeten Arten im gesamten Untersuchungsgebiet. > Heidekraut-Bunteule (Anarta myrtilli L.), ein typischer Vertreter auf norddeutschen Heideflächen. (Foto: Dr. D.Kolligs) > Argus-Bläuling (Plebejus argus L.) > Ginster-Streckfuß (Dicallomera fascelina L.) (Foto: Dr. D. Kolligs)
> Vorteile der Nutzung und Pflege des Untersuchungsgebietes Viele Schmetterlingsarten profitieren von der kontinuierlichen und nachhaltigen Nutzung und Pflege des Schießplatzes. Exemplarisch sei an dieser Stelle das regel- mäßige Abbrennen von Teilflächen des Geländes genannt. Die Vorkommen einiger seltener und spezialisierter Arten werden hierdurch stark gefördert. So ist von der Palpenmotte (Xenolechia aethiops) bekannt, dass sie sich in jüngerer Brandheide mit frisch ausgetriebenen Pflanzen von Besenheide (Calluna vulgaris) besonders gut entwickelt. Auf den Brandheideflächen des Südteils waren die Falter zur Flugzeit der Art Ende April häufig anzutreffen. Der beste Garant für eine Artenvielfalt ist der Erhalt des Offenlandes bei unveränderter Nutzung und Pflege. > Fazit Das Rheinmetall-Areal hat sich aufgrund der vielfältigen Vegetations- typen als ein sehr artenreiches und qualitativ hochwertiges Gebiet entwickelt. Der Hauptgrund für die Vielfalt und Güte des Fojana- Geländes ist die lange Standortkontinuität in Nutzung und Pflege, insbesondere im Bereich der Offenlandlebensräume. Die Philosophie eines nachhaltigen, in über 115 Jahren stetig weiterentwickelten Biotopmanagements mit dem Ziel der größtmöglichen Diversifizierung ergibt letztendlich diese hohe Artenvielfalt. Rheinmetall hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Vielfalt und damit auch diese wunderbaren Geschöpfe in Zukunft zu hegen und zu pflegen. In Fojana sind Naturschutz und Erprobung von innovativer Wehrtechnik kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Hier profitiert die Natur in außerordentlicher Weise von der vielschichtigen Nutzung durch Rheinmetall. > Lungenenzian-Ameisenbläuling (Maculinea alcon D. & S.). (Foto: Dr. D. Kolligs)
> Untersuchungszeitraum > Birkenspinner (Endromis versicolora L.), deren Weibchen auf dem Schießplatz im April häufig Von 2002 bis 2011 wurde das gesamte Fojana-Gelände bis zu 21 Mal am Licht zu beobachten sind. (Foto: Dr. D. Kolligs) pro Jahr untersucht. Immer von Mitte März bis Mitte November. Die Schmetterlingsarten wurden an insgesamt 111 Beobachtungs- terminen erfasst. > Methodik Das Gebiet wurde mit ganz unterschiedlichen Methoden untersucht. Die tag- und dämmerungsaktiven Schmetterlingsarten wurden an möglichst warmen und windstillen Tagen kartiert. Die nachtaktiven Arten wurden mit Hilfe von Lebendlichtfallen und/ oder Präsenzlichtfang an verschiedenen Standorten des Gebietes erfasst. Der Präsenzlichtfang wurde von Ködern der nachtaktiven Arten begleitet. Die Köderflüssigkeit bestand hauptsächlich aus Rotwein mit verschiedenen Frucht- und Zuckerzusätzen. Diese wurde über getränkte Schnüre oder Baumanstrich ausgebracht. Außerdem wurde nach Raupen gesucht, nachts mit Taschenlampe und tagsüber durch Abklopfen von Bäumen und Sträuchern. > Schmetterlingsarten Im gesamten Fojana-Gelände konnten 1.120 Arten der tag- und nacht- aktiven Schmetterlinge aus 60 Familien nachgewiesen werden. Davon sind 568 Arten Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) aus 23 Familien sowie 552 Arten Kleinschmetterlinge (Microlepidoptera) aus 37 Familien. Sieben Kleinschmetterlingsarten konnten erstmals für das Bundesland Niedersachsen nachgewiesen werden. Anzahl der festgestellten Arten Gesamt 568 552 1.120 Arten Nordteil 423 333 756 Arten Kiehnmoor 318 192 510 Arten Südteil 506 389 895 Arten Großschmetterlinge Kleinschmetterlinge
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