Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen

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Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
               Exposé aus der Arbeit von Dierk Baumgarten, 2013
Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
„ Leben ist nicht genug, sagte der Schmetterling.
  Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume
  gehören auch dazu.“
		         Hans Christian Andersen

           Was haben Rheinmetall und Schmetterlinge gemeinsam?
           Man könnte meinen, recht wenig. Doch das Gegenteil ist der Fall.

           Sie teilen sich eine rund 55 Quadratkilometer große Fläche in Niedersachsen.
           In Unterlüß in der Lüneburger Heide, auf dem Erprobungsgelände von Rheinmetall,
           hat sich eine Schmetterlingsfauna entwickelt, die einzigartig ist. Fojana ist eine
           Bewirtschaftungsphilosophie für Forst, Jagd und Naturschutz aus einer Hand und
           steht für ein Naturparadies, das in Deutschland seinesgleichen sucht.

           Durch integrierten Naturschutz seitens Rheinmetall wurde aus dem Erprobungsgelände,
           das seit über 115 Jahren Sperrgebiet ist, ein Naturraum mit einer außergewöhnlichen
           Artenvielfalt. Aktive Landschaftspflege und Gestaltung haben dazu geführt, dass sich hier
           unter anderem tausende Insektenarten wohlfühlen. Und ganz besonders scheint sich das
           Schönste von allen hier wohl zu fühlen: der Schmetterling.

           Die Vielzahl der Schmetterlinge, dieser fast magischen Wesen, die das Gebiet beflügeln,
           war dermaßen augenfällig, dass sich der Schmetterlingsexperte Dierk Baumgarten ent-
           schloss, das Fojana-Gelände einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Das war
           2002. Die Untersuchungsergebnisse waren jedoch so spektakulär, dass Baumgarten
           mit der Unterstützung der Rheinmetall-Forstverwaltung einen erweiterten Zutritt zum
           Gelände erhielt und somit der Untersuchungszeitraum immer wieder verlängert wurde.
           Schließlich bis zum Jahr 2011. So entstand eine umfassende Studie aus einem
           zehnjährigen Untersuchungszeitraum.

         > Südteil: Halbtrockenrasenfläche am Trauener Weg mit vielfältiger Vegetation.
           Lebensraum bzw. Fundort von Violetter Feuerfalter (Lycaena alciphron), Mittlerer Perlmutterfalter (Argynnis niobe),
           Purpurbär (Rhyparia purpurata), Sandstrohblumeneulchen (Eublemma minutata), Miniersackträger (Coleophora alcyonipennella)
           und Federmotte (Oxyptilus distans).
Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
> Gefährdete Arten
  Im Fojana-Gebiet sind 189 Arten der Großschmetterlinge mit einer Gefährdungseinstufung auf der Roten Liste Niedersachsens,
  von denen  33 Arten als vom Aussterben bedroht gelten (Kategorie 1). 81 Arten stehen auf der Vorwarnliste. Ebenfalls sehr hoch
  ist die Zahl der 67 vorkommenden Arten, die in eine Gefährdungskategorie der Roten Liste Deutschlands eingestuft sind.
  Drei dieser Arten werden in Deutschland als vom Aussterben bedroht geführt. Es handelt sich hierbei um Graslins Sackträger
  (Phalacropterix graslinella), den Heidekraut-Fleckenspanner (Dyscia fagaria) und die Heidekraut-Glattrückeneule (Aporophyla
  lueneburgensis). Weitere 42 erfasste Arten stehen auf der Vorwarnliste.

                      Habitatpräferenzen der in Niedersachsen                                                       Arten der Roten Liste Niedersachsen
                             vom Aussterben bedrohten                                                                      Schießplatz Gesamt
                            und stark gefährdeten Arten

   5,7 % – 5 Arten                                                     1,1 % – 1 Art                                                                      12,2 % – 33 Arten
                                                                      13,6 % – 12 Arten
  14,9 % – 13 Arten                                                                             30,0 % – 81 Arten
                                                                       6,8 % – 6 Arten
                                                                                                                                                          20,4 % – 55 Arten

                                                                      10,2 % – 9 Arten

  28,4 % – 25 Arten                                                    6,8 % – 6 Arten
                                                                       1,1 % – 1 Art
                                                                                             37,4 % – 101 Arten
                                                                       8,0 % – 7 Arten
   3,4 % – 3 Arten
                                                                                                                                        Vom Aussterben bedroht
                      Mischwald                            Zwergstrauchheide                                                            Stark gefährdet
                      Bruchwald                            Sandheide                                                                    Gefährdet
                      Gehölzzeilen                         Sandmager-/                                                                  Vorwarnliste
                      Gebüsche                             Halbtrockenrasen
                      Sumpf/Verlandungsbereiche            Offenbodenbiotope
                      Moorheide                            Grünland

            Vegetationstyp             Definition                            Nord-        Kiehn-      Süd-
                                       (für den Schießplatz):                 teil        moor        teil
   I         Nadelwald                 Geschlossener bis lichter                x           x           x
                                       Nadelwald, z. T. mit Heidel-
                                       beerunterwuchs
   II         Mischwald                Laub-/Nadelwald (Eiche,                  x                       x
                                       Buche, Fichte), meist mit
                                       Heidelbeerunterwuchs
  III         Bruchwald                Waldgesellschaft auf Nass-                           x                              > Nordteil
                                       standorten (Erle, Weide, Birke)
  IV          Gehölzzeilen             Geschlossene Gehölzstreifen              x
                                       mit Gebüsch (u. a. Schlehe,
                                       Weißdorn), Vorwaldstadien
                                       und Altbäumen
   V          Gebüsche                 Natürliche zusammenhäng-                                         x
                                       ende Strauchbestände
                                       (meist Besenginster und
                                       Birkenkussel auf Sandheide)
  VI          Streuobstwiesen          Wiesen mit eingestreuten                 x                                           > Kiehnmoor
                                       Obstbäumen
  VII         Sumpf und                Flache, stehende Wasserfläche                        x
              Verlandungsbereiche      mit Binsen, Pfeifengras und
                                       Schilfgürtel an Stillgewässer
  VIII        Moorheide                Feuchte bis nasse Standorte,                         x           x
                                       geprägt durch Glockenheide,
                                       Besenheide, Pfeifengras
  IX          Zwergstrauchheide        Eher feuchte Standorte,                  x           x           x
                                       geprägt durch Glockenheide,                                                                > Südteil
                                       Heidelbeere, Preiselbeere
   X          Sandheide                Eher trockene Sand-/                     x                       x
                                       Zwergstrauchheide,
                                       auch vergrasende Flächen
  XI          Wacholderheide           Eher trockene Sand-/                     x
                                       Zwergstrauchheide,
                                       geprägt durch Wacholder
  XII         Sandmagerrasen,          Sandige, meist trockene                  x                       x
              Halbtrockenrasen         und magere Standorte
                                       mit niedrigwüchsigen
                                       Pflanzengesellschaften
  XIII        Offenbodenbiotope        Ränder unbefestigter                     x                       x
                                       Sandwege und Geschoss-
                                       krater mit niedrigwüchsigen
                                       Pflanzengesellschaften
  XIV         Grünland                 Wiesen, Mähwiesen                        x           x                                           Unterlüss
Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
> Dukatenfalter
   (Lycaena virgaureae L.)
   (Foto: Dr. D. Kolligs)

                   Unterlüss
Niedersachsen
Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
> Entwicklung des Schmetterlingsbestands
                                         Die vielfältigen hochwertigen Lebensräume mit ihrem sehr beachtenswerten Bestand seltener
                                         und gefährdeter Schmetterlingsarten resultieren vornehmlich aus einer viele Jahrzehnte an-
                                         dauernden militärischen Nutzung und gleichbleibenden Pflege des Gebietes. Es sind große
                                         Offenlandflächen erhalten geblieben und immer wieder neue wärmebegünstigte Pionierstand-
                                         orte mit offenen Bodenstellen in Kombination mit trockenwarmen sandigen Sukzessionsflächen
                                         geschaffen worden.

                                         Daneben tragen insbesondere die feuchteren Lebensräume der Moore und Bruchwaldgebiete
                                         sowie einige Reste alter Eichen-Mischwälder zum reichhaltigen Artenbestand bei. Es existiert
                                         eine wertvolle Biotopstruktur verschiedener Vegetationsgesellschaften, die vielen Raupen-
                                         nahrungspflanzen als geeigneter Standort dient. Darüber hinaus bestehen einige Blüten-
                                         horizonte an Wegrändern, auf älteren Brandschutzstreifen und den Halbtrockenrasenflächen,
                                         die den Faltern auch außerhalb der Heideblüte Nahrungsquellen bieten. Ebenso positiv wirkt
                                         sich die extensive ackerbauliche Nutzung und der in weiten Teilen fehlende Nährstoffeintrag
                                         auf die Zusammensetzung des Artenspektrums und die teilweise bemerkenswert großen
                                         Populationen aus.

                                       > Wichtigster Vegetationstyp für gefährdete Arten
                                         Die offenen Flächen des Geländes bestehen hauptsächlich aus Sandheide.
                                         25 (28,4 %) der im Gelände gefundenen und in Niedersachsen vom Aussterben bedrohten
                                         oder stark gefährdeten Arten leben mit dem Schwerpunkt ihrer Population in der warm-
                                         trockenen Sandheide. Damit stellt dieser Lebensraum die größte Anzahl der hochgefährdeten
                                         Arten im gesamten Untersuchungsgebiet.

                                         > Heidekraut-Bunteule (Anarta myrtilli L.), ein typischer Vertreter auf norddeutschen Heideflächen. (Foto: Dr. D.Kolligs)

> Argus-Bläuling (Plebejus argus L.)     > Ginster-Streckfuß (Dicallomera fascelina L.) (Foto: Dr. D. Kolligs)
Oder wenn Schmetterlinge sich wohlfühlen
> Vorteile der Nutzung und Pflege
  des Untersuchungsgebietes
  Viele Schmetterlingsarten profitieren von der kontinuierlichen und nachhaltigen
  Nutzung und Pflege des Schießplatzes. Exemplarisch sei an dieser Stelle das regel-
  mäßige Abbrennen von Teilflächen des Geländes genannt. Die Vorkommen einiger
  seltener und spezialisierter Arten werden hierdurch stark gefördert. So ist von der
  Palpenmotte (Xenolechia aethiops) bekannt, dass sie sich in jüngerer Brandheide mit
  frisch ausgetriebenen Pflanzen von Besenheide (Calluna vulgaris) besonders gut
  entwickelt. Auf den Brandheideflächen des Südteils waren die Falter zur Flugzeit
  der Art Ende April häufig anzutreffen. Der beste Garant für eine Artenvielfalt
  ist der Erhalt des Offenlandes bei unveränderter Nutzung und Pflege.

> Fazit
  Das Rheinmetall-Areal hat sich aufgrund der vielfältigen Vegetations-
  typen als ein sehr artenreiches und qualitativ hochwertiges Gebiet
  entwickelt. Der Hauptgrund für die Vielfalt und Güte des Fojana-
  Geländes ist die lange Standortkontinuität in Nutzung und Pflege,
  insbesondere im Bereich der Offenlandlebensräume.
  Die Philosophie eines nachhaltigen, in über 115 Jahren stetig
  weiterentwickelten Biotopmanagements mit dem Ziel der
  größtmöglichen Diversifizierung ergibt letztendlich diese
  hohe Artenvielfalt.

  Rheinmetall hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Vielfalt
  und damit auch diese wunderbaren Geschöpfe in Zukunft
  zu hegen und zu pflegen.

  In Fojana sind Naturschutz und Erprobung von
  innovativer Wehrtechnik kein Widerspruch.
  Ganz im Gegenteil. Hier profitiert die Natur in
  außerordentlicher Weise von der vielschichtigen
  Nutzung durch Rheinmetall.

                                                                                        >  Lungenenzian-Ameisenbläuling (Maculinea alcon D. & S.). (Foto: Dr. D. Kolligs)
> Untersuchungszeitraum                                                   > Birkenspinner (Endromis versicolora L.),
                                                                            deren Weibchen auf dem Schießplatz im April häufig
  Von 2002 bis 2011 wurde das gesamte Fojana-Gelände bis zu 21 Mal          am Licht zu beobachten sind. (Foto: Dr. D. Kolligs)

  pro Jahr untersucht. Immer von Mitte März bis Mitte November.
  Die Schmetterlingsarten wurden an insgesamt 111 Beobachtungs-
  terminen erfasst.

> Methodik
  Das Gebiet wurde mit ganz unterschiedlichen Methoden untersucht.
  Die tag- und dämmerungsaktiven Schmetterlingsarten wurden an
  möglichst warmen und windstillen Tagen kartiert.
  Die nachtaktiven Arten wurden mit Hilfe von Lebendlichtfallen und/
  oder Präsenzlichtfang an verschiedenen Standorten des Gebietes
  erfasst. Der Präsenzlichtfang wurde von Ködern der nachtaktiven Arten
  begleitet. Die Köderflüssigkeit bestand hauptsächlich aus Rotwein mit
  verschiedenen Frucht- und Zuckerzusätzen. Diese wurde über getränkte
  Schnüre oder Baumanstrich ausgebracht. Außerdem wurde nach
  Raupen gesucht, nachts mit Taschenlampe und tagsüber durch
  Abklopfen von Bäumen und Sträuchern.

> Schmetterlingsarten
  Im gesamten Fojana-Gelände konnten 1.120 Arten der tag- und nacht-
  aktiven Schmetterlinge aus 60 Familien nachgewiesen werden.
  Davon sind 568 Arten Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) aus
  23 Familien sowie 552 Arten Kleinschmetterlinge (Microlepidoptera)
  aus 37 Familien. Sieben Kleinschmetterlingsarten konnten erstmals
  für das Bundesland Niedersachsen nachgewiesen werden.

                Anzahl der festgestellten Arten

      Gesamt                568                     552
  1.120 Arten

    Nordteil           423              333
   756 Arten

  Kiehnmoor          318          192
   510 Arten

     Südteil               506                389
   895 Arten

                 Großschmetterlinge
                 Kleinschmetterlinge
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