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open.acatech.de – Industrie 4.0 Wandel der Arbeitsorganisation Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen Forschungsgebiet Industrie- und Arbeitsforschung (FIA) TU Dortmund
Mainstream: Qualifizierte Arbeit unverzichtbar für Industrie 4.0 „Menschenleere“ Fabrik nicht realistisch Reintegration arbeitsteiliger Strukturen, Dezentralisierung und Abbau von Hierarchien Wegfall von Routinetätigkeiten Zunahme von Entscheidungsspielräumen und von dispositiven Aufgaben Neue Formen der Kommunikation und Kooperation Mensch in der „Rolle des Erfahrungsträgers, Entscheiders und Koordinators“ (Kagermann, 2014) 1 Wandel der Arbeitsorganisation
Aber – aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Upgrading“ der Arbeit kein Automatismus Zwar „technology push“, jedoch keine eindeutige Entwicklungsrichtung von Arbeit Kein „Technikdeterminismus“, vielmehr Existenz von Gestaltungsspielräumen für Arbeit Entwicklung von Arbeit abhängig von Gestaltungszielen und entsprechenden Strategien Ganzheitliche Sicht auf Arbeit und Arbeitsorganisation erforderlich 2 Wandel der Arbeitsorganisation
3 Wandel der Arbeitsorganisation
Dimensionen der Arbeitsgestaltung Gestaltungsebene Funktionen Mensch-Maschine- Funktionsteilung Mensch-Maschine Schnittstelle Operative Ebene Shop-floor, Sicherung des laufenden Systembetriebs Indirekte Bereiche Planung, Steuerung, Prozessentwicklung, Produktdesign, generell Engineering Leitungsebenen Unteres und mittleres Produktionsmanagement 4 Wandel der Arbeitsorganisation
Mensch-Maschine-Schnittstelle (Quelle: Hirsch-Kreinsen/ten Hompel, 2015) 5 Wandel der Arbeitsorganisation
Gestaltungsdimensionen Alternativen der Informations- und Assistenzsysteme: Handlungsvorgaben vs. Handlungsunterstützung Erforderliche Transparenz über die Systemabläufe Möglichkeiten für Lernen und Qualifizierung Sicherung und Aufbau von Erfahrungswissen Situationsbezogene Gestaltungskriterien z.B.: Aufgabenangemessenheit Steuerbarkeit, Fehlertoleranz Erwartungskonformität Individualisierbarkeit Lernförderlichkeit etc. 6 Wandel der Arbeitsorganisation
„Ironien der Automatisierung“ Einerseits: routinehafte Überwachungstätigkeiten und mangelnde Systemtransparenz , monotone „Normalsituation“ mit abnehmendem Systemverständnis Andererseits: unerwartete und kritische Systemzustände mit fehlendem Verständnis, Handlungsmöglichkeiten und mangelnder Reaktionsfähigkeit Problem der Bewältigung von „Complacency“ und Sicherung von „Awareness“ „Kontrollentzug“ durch Technik impliziert hohes Störpotential 7 Wandel der Arbeitsorganisation
Operative Aufgaben und Tätigkeiten Einerseits: Partielle Substitution einfacher, repetitiver Aufgaben, z.B. Logistik, Maschinenbedienung, Datenerfassung Erosion qualifizierter Aufgaben, Standardisierung – Verbleib begrenzt qualifizierter „Residualaufgaben“, verbleibende Überwachungstätigkeiten Andererseits: Aufgabenerweiterung, Nutzung von Assistenzsystemen als „Fähigkeitsverstärker“, breitere Handlungsspielräume, „informierter Entscheider“, Integration von Produktionswissen und IT- Kompetenzen Differenzierte vs. ganzheitliche Tätigkeiten? 8 Wandel der Arbeitsorganisation
Kompetenzen und Qualifikationen Entwertung von Fachqualifikationen: spezielles Fachwissen unnötig, z.B. standardisierter Systembetrieb Chancen für Qualifizierung: generelles „Upgrading“, erweiterte Fachqualifikationen, hohe Bedeutung von Erfahrungswissen, neue IT- Kompetenzen, neue Anforderungen in Einführungsphasen, Störungsbewältigung, Systemschnittstellen Anforderungen an neue Formen informeller Kooperation und Kommunikation sowie „ad-hoc Lernen“ zur Beherrschung der komplexen Systeme Anlernung vs. Qualifizierung? 9 Wandel der Arbeitsorganisation
Indirekte Bereiche Zum einen: Abbau von Aufgaben, Abgabe von dispositiven Kompetenzen „nach unten“, Hierarchieabbau und Dezentralisierungsschub, Automatisierung von Planungs- und Steuerungsfunktionen Zum zweiten: Verdichtung von Entscheidungsaufgaben, Einschränkung von Handlungsspielräumen durch Vorgaben und Assistenzsysteme Zum dritten: Erweiterung von Entscheidungsspielräumen, neue Kenntnisse der Systemlogik und Blick auf das Gesamtsystem erforderlich Auf- oder Abwertung der indirekten Bereiche? 10 Wandel der Arbeitsorganisation
Produktionsmanagement Substitution von Leitungsebenen, Dezentralisierung und Automatisierung von operativen Aufgaben Entlastung von Routinen und Fokus auf Problemlösungen Beschleunigung von Entscheidungsprozessen Verstärkte Teamorientierung, „offene Führungskultur“ Wachsende Bedeutung von „Soft Skills“, insbesondere Kommunikationsfähigkeiten Abkehr vom „Silodenken“, prozessübergreifende Orientierung Unverzichtbar: Professionalisierung des Personalmanagements 11 Wandel der Arbeitsorganisation
Breites Spektrum von Organisationsformen Polarisierte Organisation Schwarm Organisation Keine eindeutigen Folgen, sondern Wahlmöglichkeiten!! 12 Wandel der Arbeitsorganisation
Fazit Risiken von Industrie 4.0 Chancen von Industrie 4.0 Dequalifizierung und Ver- Voraussetzung für eine tiefung der Arbeitsteilung humanorientierte Arbeits- gestaltung Automatisierung, insbes. Verlust einfacher Arbeits- Erweiterung des Aufgaben- plätze spektrums und Erhöhung von Qualifikationen Steigerung des Kontroll- potenzials von Arbeit Alterns- und altersgerechte Arbeitsgestaltung Entgrenzung, Flexibilisierung und Verdichtung von Arbeit Steigerung der Attraktivität von Industriearbeit Vorbehalte bei vielen KMU und Fragmentierung der Erhalt und Ausbau stabiler Arbeitslandschaft Industriebeschäftigung 13 Wandel der Arbeitsorganisation
Literatur Bainbridge, L. 1983: Ironies of automation, Automatica, Vol. 19 (6), S. 775-779 Brynjolfsson, E./McAfee, A. 2014: The Second Machine Age: Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies. Norton Emery, F.E. and Trist, E.L. 1960: Socio-technical Systems. In C.W. Churchman & M. Verhurst (Eds), Management Science, Models and Techniques, Vol. 2, S. 83-97. London Goos, M./Manning, A. 2007: Lousy and lovely jobs: The rising polarization of work in Britain. The Review of Economics and Statistics, Vol. 89 (2007), H. 1, S. 118-133 Grote, G. 2015: Gestaltungsansätze für das komplementäre Zusammenwirken von Mensch und Technik in Industrie 4.0. In: Hirsch-Kreinsen, Hartmut/Ittermann, Peter/Niehaus, Jonathan (Hg.): Digitalisierung industrieller Arbeit. Baden-Baden, S. 131 – 146 Hirsch-Kreinsen, H./Ittermann, P./Niehaus, J. (Hg.) 2015: Digitalisierung industrieller Arbeit. Baden-Baden Hirsch-Kreinsen, H./ten Hompel, M. 2015: Social Manufacturing and Logistics. TU Dortmund (http://www.neueindustriearbeit.de/fileadmin/templates/publikationen/SoMaLI_2015_Zwischenbericht_Hirsch- Kreinsen__ten_Hompel_et_al.pdf Kagermann, H. 2014: Chancen von Industrie 4.0 nutzen. In: Bauernhansl, Th/ten Hompel, M./Vogel-Heuser,B. (Hg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Anwendung, Technologien, Migration. Wiesbaden, S. 603- 614 Lee, J./Seppelt, B. 2009: Human Factors in Automation Design. In: Nof, S. (Hg.): Handbook of Automation. Berlin, S. 417- 436 Pfeiffer, S. 2013: Arbeit und Technik. In: Hirsch-Kreinsen, Hartmut/Minssen, Heiner (Hg.): Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie. Berlin, S. 48-53 14 Wandel der Arbeitsorganisation
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