OSTERREICH 100 X FILM - Verlag

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OSTERREICH 100 X FILM - Verlag
C H R IST IAN R E I C H H O L D

100 X
OSTERREICH
FILM
M I T 1 59 A B B I L D U N G E N
OSTERREICH 100 X FILM - Verlag
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© 2018 by Amalthea Signum Verlag, Wien
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             vorbehalten
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Umschlaggestaltung      und Satz: Elisabeth Pirker/OFFBEAT
Umschlaggestaltung und
Umschlagabbildungen:       © Satz:  Elisabeth Pirker/OFFBEAT
                             iStock.com
Umschlagabbildungen:
Lektorat: Irene Hetzenauer © iStock.com
Lektorat:aus
Gesetzt   Irene
              derHetzenauer
                  Ostrich Sans und Museo Sans
Gesetzt
Designed aus
           in der Ostrich
              Austria,     Sansinund
                       printed     theMuseo
                                        EU    Sans
Designed
ISBN       in Austria, printed in the EU
      978-3-99050-138-2
ISBN 978-3-99050-138-2
eISBN  978-3-903217-23-2
OSTERREICH 100 X FILM - Verlag
INHALT

AUFBLENDE                                         8

VORSPANN                                         10

FILM(e) AB!

001   00Sex am Wolfgangsee (1966)                30
002   1. April 2000 (1952)                       32
003   3 Tage in Quiberon (2018)                  34
004   38 – Auch das war Wien (1986)              36
005   Der alte Sünder (1951)                     38
006   Atmen (2011)                               40
007   Die Auslöschung (2013)                     42
008   Bel Ami (1939)                             44
009   Blutrausch (1997)                          46
010   Der Bockerer (1981)                        48
011   Café Elektric (1927)                       50
012   Casablanca (1942)                          52
013   Den Tüchtigen gehört die Welt (1980)       54
014   Der dritte Mann (1949)                     56
015   Echo Park (1986)                           58
016   Echte Wiener – Die Sackbauer Saga (2008)   60
017   Ein fast perfekter Seitensprung (1996)     62
018   Egon Schiele – Tod und Mädchen (2016)      64
019   Ekstase (1933)                             66
020   Der Engel mit der Posaune (1948)           68
021   Erik & Erika (2018)                        70
022   Eroica (1949)                              72
023   Erzherzog Johanns große Liebe (1950)       74
024   Exit … nur keine Panik (1980)              76
025   Die Fälscher (2007)                        78
026   Der Fall Jägerstätter (1971)               80
027   Das finstere Tal (2014)                    82
028   Der Förster vom Silberwald (1954)          84
029   Die freudlose Gasse (1925)                 86
OSTERREICH 100 X FILM - Verlag
030   Funny Games (1997)                                   88
031   Geschichten aus dem Wiener Wald (1979)               90
032   Gruber geht (2014)	                                  92
033   Hallo Dienstmann (1952)                              94
034   Heimkehr (1941)                                      96
035   Heut’ ist der schönste Tag in meinem Leben (1936)    98
036   Hinterholz 8 (1998)                                 100
037   Die Hölle (2017)                                    102
038   Der Hofrat Geiger (1947)                            104
039   Hundstage (2001)                                    106
040   Ich bin Sebastian Ott (1939)                        108
041   Ich gelobe (1994)                                   110
042   Ich seh Ich seh (2014)                              112
043   Ilona und Kurti (1991)                              114
044   I love Vienna (1991)                                116
045   Im weißen Rößl (1960)                               118
046   Indien (1993)                                       120
047   In 3 Tagen bist du tot I/II (2006/2008)             122
048   Die Jungfrau auf dem Dach (1953)                    124
049   Karambolage (1983)                                  126
050   Der Kardinal (1963)                                 128
051   Kassbach (1978)                                     130
052   Komm, süßer Tod (2000)                              132
053   Kronprinz Rudolfs letzte Liebe (1956)               134
054   Lapislazuli – im Auge des Bären (2006)              136
055   Leise flehen meine Lieder (1933)                    138
056   Der letzte Akt (1955)                               140
057   Die letzte Brücke (1954)                            142
058   Liebe – Amour (2012)                                144
059   Lourdes (2009)                                      146
060   Mariandl (1961)                                     148
061   Maskerade (1934)                                    150
062   Meine Lieder – meine Träume (1965)                  152
063   Menschen im Hotel (1959)                            154
064   Mephisto (1981)                                     156
065   Michael (2011)                                      158
066   Müllers Büro (1986)                                 160
067   Murer – Anatomie eines Prozesses (2018)             162
068   Muttertag – Die härtere Komödie (1993)              164
069   Nacktschnecken (2004)                               166
OSTERREICH 100 X FILM - Verlag
070   Nordrand (1999)                                              168
071   … nur ein Komödiant (1935)                                   170
072   Orlac’s Hände (1924)                                         172
073   Die Praxis der Liebe (1984)                                  174
074   Der Prozeß (1948)                                            176
075   Der Räuber (2010)                                            178
076   Reich mir die Hand mein Leben (1955)                         180
077   Revanche (2008)                                              182
078   Das Riesenrad (1961)                                         184
079   Der Rosenkavalier (1926)                                     186
080   Der Schüler Gerber (1981)                                    188
081   Sei zärtlich, Pinguin (1982)                                 190
082   Der siebente Kontinent (1989)                                192
083   Sissi (1955)                                                 194
084   Slumming (2006)                                              196
085   Sodom und Gomorrha (1922)                                    198
086   Sonne halt! (1962)                                           200
087   Spionage (1955)                                              202
088   Die Stadt ohne Juden (1924)                                  204
089   Tafelspitz (1994)                                            206
090   Toni Erdmann (2016)                                          208
091   Der Überfall (2000)                                          210
092   Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott (2010)   212
093   Unsere tollen Tanten (1961)                                  214
094   Vagabunden (1949)                                            216
095   Der verlorene Sohn (1934)                                    218
096   Die Wand (2012)                                              220
097   Weiningers Nacht (1990)                                      222
098   Das weiße Band (2009)                                        224
099   Wiener Mädeln (1949)                                         226
100   Wilde Maus (2017)                                            228

ABSPANN230

EPILOG246
Literatur246
Bildnachweis247
Danksagung248
Namenregister249
OSTERREICH 100 X FILM - Verlag
AUF
BLENDE
Was niemand lesen will,
wird oft auch »Vorwort« genannt.

Daher in aller Kürze: NEIN, bei diesem Buch        schön wär’s! Will heißen: Ich gebe gar nicht
handelt es sich NICHT um die einzig wahre,         erst vor, SÄMTLICHE österreichischen Spiel-
absolut und für alle Ewigkeit gültige Liste        filme der Kinogeschichte gesehen, verinner-
der »100 besten österreichischen Filme aller       licht und im nächsten Waschgang in mein
Zeiten« – und das nicht nur deshalb, weil in       Herz geschlossen zu haben. Das wäre nicht
Wahrheit doppelt so viele Erwähnung finden.        nur zeitbudgetär unmöglich, sondern auch
So etwas zu behaupten wäre selbst mir zu un-       für mich selbst unerträglich gewesen: schon
seriös! Es ist der Versuch, eine Geschichte, die   deshalb, weil im Zuge der heimischen Film-
vor mehr als 120 Jahren auf Zelluloid begon-       produktionen auch unglaublich viel Mist ent-
nen hat, auf rund 250 papierenen Seiten zu-        standen ist, als Kunst oder Kitsch getarnter,
sammenzufassen. Das heißt vor allem: strei-        belichteter Müll. In manchen Zeiten mehr, in
chen, kürzen, weglassen – und doch mög-            anderen zum Glück weniger.
lichst vieles zu streifen, zu erwähnen, und
dabei möglichst wenig zu verschweigen …            Die Auswahl der Filme, die in der Folge be-
                                                   schrieben werden, ist eine subjektive, sehr
Da ich von wohlmeinenden ZeitgenossInnen           persönliche, manchmal vielleicht nicht leicht
in mitunter un-lieber Regelmäßigkeit daran         nachvollziehbare, eine, die auch den Begriff
erinnert werde, möglicherweise DOCH nicht          »Österreichischer Film« dementsprechend
ganz unfehlbar zu sein, möchte ich einen           strapaziert: Klassiker wie Der dritte Mann, Ca-
weiteren Faktor hier nicht unerwähnt lassen:       sablanca oder The Sound of Music sind de
Ich bin weder studierter Filmwissenschaftler       facto KEINE heimischen Produktionen, aber
noch Statistiker, und meinen Lebensunterhalt       aus unterschiedlichen Gründen für mich DEN-
bestreite ich leider nicht mit Kinobesuchen –      NOCH österreichische Filme. Filme aus der

8
Zeit zwischen 1938 und 1945, in der es genau      sich ob der Un-Ordnung der Filmauflistung
genommen gar keinen »österreichischen«            die Haare raufen, weil einer alphabetischen
Film geben konnte, finden sich ebenso in die-     Reihung gegenüber der nur scheinbar logi-
ser Auflistung wie die eine oder andere Ko-       scheren chronologischen der Vorzug gege-
produktion aus jüngerer Vergangenheit, bei        ben wird. Schließlich wird manch zeitgenös-
der andere Länder zwar mitunter deutlich          sischer Filmfreund möglicherweise darüber
mehr zur Finanzierung beigetragen haben,          verärgert sein, dass AUSGERECHNET sein ab-
österreichische KünstlerInnen allerdings in       soluter Lieblingsfilm keine Erwähnung findet,
entscheidenden Positionen tätig waren – was       weil ich den vielleicht gar nicht kenne –
in jedem Fall auch detailliert begründet wird.    oder gerade deshalb, WEIL ich ihn kenne. Ich
Im Gegensatz zu diesen Spielfilmen finden         selbst würde dieses Buch gar nicht schreiben
Dokumentationen und TV-Produktionen –             wollen, wäre es eine weitere, verzichtbare
auch wenn es österreichische Beispiele gibt,      »Best of …«-Liste. Ist es aber nicht.
die in der Weltklasse mitspielen – in diesem
Buch nur in ganz außergewöhnlichen Einzel-        Vielmehr versteht es sich als Reflexion dessen,
fällen Erwähnung. Mehr dazu vielleicht ein        was in den letzten 120 Jahren in Österreich
andermal. Abgesehen davon mutet es beina-         über die Leinwand geflimmert ist: ein mitun-
he ein wenig peinlich an, eine grenzüber-         ter verzerrtes Spiegelbild unserer Geschich-
schreitende Ausdrucksform wie die Filmkunst       te, projiziert ins Dunkel eines Kinosaals, un-
in ein nationales Korsett schnüren zu wollen.     terhaltsam, dann wieder krampfhaft bemüht,
                                                  Hoffnung zu schenken, manchmal irritierend,
Viele der hier erwähnten Streifen sind au­        provokant, verführerisch, dann wieder proji-
ßerdem keineswegs »Lieblingsfilme« von mir,       ziert, um zu verkaufen, oder um scheinbar
manche halte ich nicht einmal für besonders       skrupellos Propaganda ebenso scheinbar
gut. Aber eben trotzdem irgendwie für wich-       schamlos als Information zu verkleiden. Film
tig. Dafür bekommen andere – durchaus be-         kann bekanntlich beinah alles: Er bringt uns
deutende – Filmschaffende nicht den Platz,        zum Lachen, zum Weinen, zum Nachdenken
der ihnen gebührt, wie zum Beispiel Georg         und zum Vergessen. Er ist nicht wirklich, aber
Lhotzky, Karin Brandauer, Ernst Josef Lauscher,   immer – irgendwie, irgendwo, irgendwann –
Peter Kern, Michael Kreihsl, Arash T. Riahi,      wahrhaftig und ehrlich.
Antonin Svoboda, Michi Riebl oder Elisabeth
Scharang. 100 Filme auf 256 Seiten sind we-       Dieses Buch gibt 100 Beispiele dafür. Nicht
niger, als man glaubt!                            mehr, nicht weniger.

Einige Cineasten werden dieses Buch hassen,
weil ich für sie wichtige Meilensteine ignorie-   Christian Reichhold, Sommer 2018
re. Ein paar Filmhistoriker werden es verteu-
feln, weil in jeder Verkürzung eine Vereinfa-
chung steckt, die so dann nicht 100%ig stim-
men kann. Der eine oder die andere wird

                                                                                               9
001
00SE X A M WOLFG ANGSEE                                                              (1 9 6 6)

R E G I E Franz Antel
D R E H B U C H Kurt Nachmann, Walter Breuer
K A M E R A Siegfried Hold
M U S I K Johannes Fehring
B E S E T Z U N G Waltraut Haas, Hans-Jürgen Bäumler, Erwin Strahl,
Helga Anders, Paul Löwinger, Gunther Philipp, Franz Muxeneder,
Günther Frank, Erich Padalewski, Xenia Doppler, u. a.

                                                             »Ein ›gefährlich‹ fröhliches Ferienerlebnis
                                                             mit viel Liebe und Musik«, verspricht das Film­
                                                             plakat, »eine heitere James-Bond-Parodie, in
                                                             der mehr geküßt als geschossen wird« das
                                                             Filmprogramm, »anspruchslose, klamauk­haf-
                                                             te Un­terhaltung von kaum zu überbietender
                                                             Albern­heit … eine frivol angehauchte Motten-
Lizenz zum Verführen:
Eisprinz Hans-Jürgen Bäumler                                 kisten-Posse … Opas Kino auf Hochglanz po-
•                                                            liert«, urteilt hingegen vernichtend die Filmkri-
                                                             tik. Ein typischer Franz-Antel-Film der 1960er-
                                                             Jahre also.
                                                                 Daher wollen wir uns erst gar nicht mit der
                                                             »Handlung« aufhalten, sondern wenden uns
                                                             gleich den bewährten Zutaten zu, die damals
                                                             zur »guten Unterhaltung« beitrugen: Zunächst
                                                             einmal ist da der mondäne Drehort, das noble
                                                             Hotel Excelsior in St. Gilgen am Wolfgangsee.
                                                             Dann – nach vier Agentenfilmen der James-
                                                             Bond-Serie – der Versuch, thematisch auf
                                                             einen mit Volldampf dahinbrausenden Werbe-
                                                             Zug aufzuspringen. Der Verweis auf Sex im
                                                             Filmtitel, um Erwartungen beim Publikum zu
                                                             wecken, die allerdings nicht einmal andeu-
tungsweise erfüllt werden. Dazu ein Eisprinz,
der nach erfolgreichen olympischen Spielen
und Weltmeisterschaften zum Schlagersänger
und Schauspieler mutiert (ein Phänomen, das
sich bis in Hansi-Hinterseer-Zeiten beobach-
ten lässt). Um ganz sicherzugehen, noch der
Instrumentalschlager Il Silen­zio, der im Jahr
zuvor (1965) 24 Wochen lang an der Spitze
der österreichischen Hitparade steht. Außer-
dem eine Menge hübscher Mädchen, ange-
führt von »Miss Austria« Xenia Doppler und
der 18-jährigen Innsbruckerin Helga Anders.
Und schließlich ein filmreifes Happy End, bei
dem der Film die Wirklichkeit einholt – und
nicht, wie sonst oft üblich, umgekehrt.
   Wie sehr sich die Zeiten (hoffentlich) geän-
dert haben, zeigt die Formulierung der kurzen
Inhaltsangabe im damaligen Illustrierten Film-
Kurier: »All die knusprigen Bikini-Mädchen
sind natürlich nur die appetitlichen Zutaten
zu diesem heiteren Ferienspaß. Hans Jürgen
Bäumler – vom Eise befreit – bläst Trompete
in höchsten Tönen und verliebt sich nach
Noten in den Schlagzeuger, der allerdings ein
Mädchen ist. Waltraut Haas, die eine Steuer-
beraterin spielt, führt zwar nicht die Behörde,
die unbedingt wissen will, was ein gutgehen-
des Hotel so abwirft, sondern den Hotelier
höchstpersönlich hinters Licht. Diesen Play-
boy, der offensichtlich zuviel Geld und noch
mehr Frauen hat, spielt Erwin Strahl. Daß es
für ihn seine bisher schönste Rolle wurde,         Lebenspartner Erwin Strahl geplant war. Antel
liegt nicht zuletzt daran, daß die Hochzeit, die   schlug daher spontan vor, diese Hochzeit
das unvermeidliche Happyend besiegelt, sei-        selbst auszurichten – unter der Bedingung,
ne eigene war.«                                    sie mit vier Kameras aufnehmen und in den
   In seinen Memoiren erinnert sich Franz          Film einbauen zu dürfen. Mit Sondererlaubnis
Antel, dass Waltraut Haas ihre Teilnahme an        des Bischofs wurde am 28. Juli 1966 in St. Gil-
00Sex am Wolfgangsee ursprünglich verwei-          gen geheiratet – und mitgefilmt. Die Ehe des
gert hat, weil für die Zeit der Dreharbeiten       Schauspielerpaars hielt beinah 45 Jahre, bis
bereits die Hochzeit mit ihrem langjährigen        zu Erwin Strahls Tod im April 2011.

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008
BEL A MI                   (1 939)

R E G I E Willi Forst
D R E H B U C H Willi Forst, Axel Eggebrecht nach dem Roman von Guy de Maupassant
K A M E R A Ted Pahle
M U S I K Theo Mackeben
B E S E T Z U N G Willi Forst, Olga Tschechowa, Hilde Hildebrand,
Ilse Werner, Lizzi Waldmüller, Johannes Riemann, Hubert von Meyerinck,
Will Dohm, Marianne Stanior, Rosita Serrano, u. a.

   »Ein kleines Liedchen geht von Mund zu                es wichtig zu betonen, wie mies doch die
   Mund. Es ist beliebt, und das hat seinen              Franzosen sind!). Nachdem der befrackte
   Grund: Denn es besingt den Liebling vieler            Schmetterling 100 Filmminuten lang mit un-
   Damen, die ihm zuliebe fielen aus dem Rah-            glaublich viel Chic, Charme und Esprit von
   men.« So beginnt der Tonfilm-Schlager Bel             Blüte zu Blüte geflattert ist, klärt er alles auf,
   Ami von Theo Mackeben. Er wird in der Inter-          verhilft dem Recht zum verdienten Sieg und
   pretation von Willi Forst nicht nur zum Schel-        entschwindet mit Ilse Werner ins wohlver-
   lack-Hit, sondern auch zum gelungenen Ver-            diente Glück.
   such des beliebten Schauspielers, Autors und              Wie kaum ein Zweiter repräsentiert Willi
   Regisseurs, sich selbst als eleganten Frauen-         Forst den tatsächlich auch als eigenes Genre
   schwarm zu inszenieren. Die Biografien von            so bezeichneten »Wiener Film«, der in den
   Bel Ami und Willi Forst sollen verschmelzen,          1930er-Jahren oft an die Operette angelehnt
   wenn es weiter heißt: »Bist nicht schön, doch         ist: ein vornehmes Umfeld, elegante, oft aris-
   charmant, bist nicht klug – doch sehr galant.         tokratische Personen der Handlung, noble
   Bist kein Held, nur ein Mann, der gefällt.«           Kostüme und Ausstattungen, heitere Ver-
      Mit Bel Ami erreicht Forst, der »Freibeuter        wechslungen, unbeschwerter Tanz und viel
   der leichten Muse«, wie Filmhistoriker ihn            Musik. Von Liebe wird ständig geredet und
   gern bezeichnen, einen der Höhepunkte sei-            gesungen, geküsst wird aber nur selten. Erotik
   nes Schaffens. Paris 1900: Forst gibt einen           hat in den beinah prüden Willi-Forst-Filmen
   narzisstischen Frauenbetörer, um den ein              kaum Platz, sie kreisen vor allem um den sen-
   Reigen schöner Damen choreografiert wird,             timentalen, melancholischen Kavalier im Zen-
   und der in eine typisch französische Intrige          trum des Geschehens, um Willi Forst selbst.
   verwickelt wird (für die deutsche Zensur ist          Seine unbeschwerten Komödien legt er (wie

   44
er später behauptet: ganz bewusst!) als Ge-       so gut wie alle meiner Filme in vergangenen
genpol zu den zahlreichen Filmen jener            Tagen, in denen noch Charme, Noblesse,
Zeit an, die sich mit sozialpolitischen Themen    Zartheit und Galanterie wesentlich waren. Ich
und Propaganda auseinandersetzen müssen:          gebe zu, diese Filme entstanden nicht nur aus
»Meine Heimat wurde besetzt, und meine            einer geistigen Haltung, sondern waren auch
Arbeit wurde zu einem stillen Protest«, wird      in hohem Maße ein Schutz gegenüber den
Willi Forst 1977, drei Jahre vor seinem Tod, in   Wünschen des damaligen Herrn Propaganda-
der Filmkunst zitiert, »es klingt grotesk, aber   ministers. Und es war nicht ohne diabolischen
es entspricht der Wahrheit: Meine österrei-       Reiz und Freude, gerade in dieser Zeit, als
chischsten Filme machte ich in der Zeit, als      man den letzten Rest eines einst riesig großen
Österreich zu existieren aufgehört hatte. Ich     Reiches ausgelöscht hatte, immer wieder
habe damals genau getroffen, wonach die           in der täuschenden Verpackung von Fröhlich-
Menschen sich sehnten: Vergessen, und Freu-       keit, Musik und Humor durchscheinen zu las-
de … klarerweise war dies nicht in der Gegen-     sen, welch geistige Großmacht Österreich
wart jener Zeit zu finden, deshalb spielen        einst war.«

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060
M ARIANDL                           (1 9 61 )

R E G I E Werner Jacobs
D R E H B U C H Janne Furch
nach dem musikalischen Lustspiel Der Hofrat Geiger von Martin Costa
K A M E R A Elio Carniel
M U S I K Johannes Fehring, Hans Lang, Kurt Nachmann
B E S E T Z U N G Waltraut Haas, Rudolf Prack, Hans Moser, Conny Froboess,
Peter Weck, Gunther Philipp, Susi Nicoletti, Edith Elmay,
Raoul Retzer, Hugo Gottschlich, u. a.

   Fast 15 Jahre nach dem größten Kinoerfolg                zu Idolen der Petticoat-Ära. Sie dreht an die
   der österreichischen Nachkriegsgeschichte                20 Filme, ehe sie zum Mariandl wird. Connys
   wird Der Hofrat Geiger nun in grellbuntem                deutscher Akzent wird im Film dadurch er-
   Agfacolor und unter dem Titel Mariandl neu               klärt, dass Mariandl in Berlin aufgewachsen ist.
   verfilmt. Wieder wird viel verwechselt, miss-            Oder so …
   verstanden, gesungen und geheiratet, wieder                  Das 18-jährige Mariandl kommt aus Berlin,
   sind Waltraut Haas (diesmal in der Mutter-               um sich im Ministerium in Wien persönlich da-
   Rolle) und Hans Moser Hauptdarsteller im                 nach zu erkundigen, warum ihre Bewerbung
   Wachauer Landl-Landl (richtig, das berühmte              um ein Musik-Stipendium abgelehnt worden
   Mariandl-Lied darf auch im Farbfilmzeitalter             ist. Dort trifft sie Hofrat Geiger, der sich per-
   nicht fehlen). Den Hofrat Geiger (im Original            sönlich ihres Akts annimmt – nicht ahnend,
   gespielt von Paul Hörbiger) gibt nun Frauen-             dass es sich bei dem Mädchen um seine un-
   schwarm Rudolf Prack, in der Titelrolle brill-           eheliche Tochter handelt. Während er sie
   iert die 18-jährige Conny Froboess, die trotz            zum Heurigen ausführt, steht in Dürnstein das
   ihres jugendlichen Alters seit zehn Jahren im            schon etwas heruntergekommene Hotel ihrer
   Showgeschäft ist: Schon 1951 hat sie mit dem             Mutter vor der Pleite. Doch ehe die sich ei-
   Schlager Pack die Badehose ein aus der Feder             nem reichen Weinhändler in die Arme werfen
   ihres Vaters einen Hit und wird zum Kinder-              kann, sind Mariandl und Hofrat Geiger zur
   star. Mit 16 ist sie erstmals Gesangs- und               Stelle. Und alles wird gut.
   Filmpartnerin von Peter Kraus, denn Conny                    Der 81-jährige Hans Moser steht bei der
   und Peter machen Musik (so auch der Titel                Finalisierung des Films erstmals vor dem Pro-
   eines ihrer bekanntesten Filme) und werden               blem, Teile seines Dialogs im Tonstudio nach­

   148
synchronisieren zu müssen. Da er nach zahl-
reichen Versuchen an den Worten »Also, geh
ma’s an!« vorm Mariandl-Lied scheitert, über-
nimmt diesen Part sein Kollege Gunther Phi-
lipp, der Mosers Tonfall perfekt imitiert.
   Weil auch diese zweite Hofrat Geiger-Fas-
sung sich als Kassenschlager erweist, folgt im
Jahr darauf gleich die nächste: In Mariandls
Heimkehr (1962) werden die Schlager Zwei
kleine Italiener, Lady Sunshine und Mister
Moon und Dafür versteh’n wir uns zu gut ein-
gebaut, neben den bereits bekannten Haupt-
darstellern aus dem zweiten Teil spielen zu-
sätzlich noch Sieghardt Rupp (als mieser
Pferdehändler, der Rösser zum Verwurschten
gern hat), Dany Sigel, Peter Machac, Herbert
Fux und Sepp Löwinger. Die Dreharbeiten fin-
den wieder in der Ateliers der Wien-Film in
Sievering und natürlich in der Wachau statt.
Und weil am Ende jedes Teils geheiratet wer-
den muss, bekommt die Conny wieder ihren
Peter – diesmal allerdings nicht Kraus, son-
dern Weck, dem sie auch im wirklichen Leben
(wie er in seinen Memoiren verrät) »zu dieser
Zeit näher verbunden war«. Peter Weck ist
es auch, der den bislang letzten Hofrat Gei-
ger-Aufguss inszeniert: Im TV-Film Alte Liebe
– Neues Glück spielt er 1996 selbst den Hofrat,
Christiane Hörbiger die resolute Marianne,
und Birgit Stauber gibt ihr Debüt als Mariandl.

                                                  149
086
SONNE HALT!                                    (1 9 62)

R E G I E Ferry Radax
D R E H B U C H Ferry Radax, Konrad Bayer
K A M E R A Ferry Radax
B E S E T Z U N G Konrad Bayer, Ingrid Schuppan,
Suzanne Hockenjos, Alberto Jolly

   Sonne halt! ist nur eines der vielen guten –           dem als Autor, Kameramann, Regisseur, Cut-
   und dem Kinopublikum doch weitgehend                   ter und Produzent in Personalunion tätig. Sein
   unbekannten – Beispiele für den österreichi-           Gesamtwerk umfasst mehr als 120 Filme,
   schen Avantgardefilm in der Zeit zwischen              Sonne halt! ist ein typisches, 26 Minuten lan-
   1955 und 1970. International hochgeschätzt             ges Beispiel dafür. Einer von Ferry Radax
   und vielfach ausgezeichnet findet er in hei­           verbreiteten Legende nach entsteht dieser
   mischen Kinos zunächst nur in Sondervorfüh-            Titel unmittelbar beim Verlassen des Unter-
   rungen oder bei Festivals – also praktisch             richtsministeriums, wo man ihm gerade 5000
   unter Ausschluss einer breiteren Öffentlichkeit        Schilling Förderung für einen Experimental-
   – statt. Daher sind hierzulande Namen wie              film angeboten hat: »… dort sehe ich über der
   Wolfgang Kudrnofsky, Kurt Steinwender, Her-            Minoritenkirche die Sonne, die mich blendet,
   bert Holba, Franz Josef Fallenberg, Michael            und ein Titel taucht in meinem Kopf auf:
   Pilz, Marc Adrian, Hans Scheugl, Gottfried             Sonne, halt! Und ich dachte, daraus muß ich
   Schlemmer oder Otmar Bauer nur einge-                  einen Film machen.« Es entsteht ein surreales
   fleischten Cineasten ein Begriff. Filmkünstler         Verwirrspiel mit dem Schriftsteller Konrad
   wie Peter Kubelka, Gerhard Rühm, Karl Kases,           Bayer in einer Doppelrolle als Matrose und
   Franz Novotny, Kurt Kren, Otto Mühl, Peter             Dandy, gedreht wird 1959 in Schwarz-Weiß
   Weibel oder Valie Export werden erst später            mit einer Handkurbelkamera in den winter­
   durch andere Kunstaktionen und -provokati-             lichen Cinque Terre: Um eine gelangweilte
   onen, oder nach ihrem Wechsel in Richtung              Schönheit zu beeindrucken, schießt ein
   Mainstream, mehr oder weniger bekannt.                 Dandy ihr die Sonne vom Himmel. Die wird
       Und dann ist da noch Ferry Radax: 1932             allerdings von einer zweiten Schönheit auf­
   in Wien geboren, geht er bereits in jungen             gefangen – also knallt der Dandy auch noch
   Jahren filmend auf Wanderschaft und ist seit-          den Mond ab und zerstört, weil er selbst da-

    200
Zum Wohl!
                          Ferry Radax stößt auf
                                Ferry Radax an.
                                             •

mit nicht imponieren kann, seine eigene,          gerufen, der Grundgedanke ist in erster Linie
höchst seltsame Welt. Während des Film-           ein volksbildnerisch-pädagogischer: Kinder
schnitts, der sich über drei Jahre zieht, be-     und Jugendliche sollen Zugang zu inhaltlich
sucht Konrad Bayer Radax in Bern und liest        wie formal bedeutend(er)en Filmen bekom-
ihm aus seinem eben erst begonnenen Ro-           men, auch wenn die kein Massenpublikum
man Der sechste Sinn vor. Die von Bayer ge-       ansprechen. In der Praxis heißt das: Die Ver-
sprochene Tonaufnahme montiert Radax zu           leiher geben die gewünschten Filme günstiger
einer Fassung, mit der er schließlich auch        frei, die Kinobetreiber überlassen ihre sonst
selbst zufrieden ist: »So hätte ich mir den zu-   ohnehin leeren Säle zu besseren Konditionen,
künftigen Spielfilm vorgestellt: kurz, aufs       und die Gemeinden verzichten auf einen Teil
Essentielle komprimiert, überreale Thematik       der »Lustbarkeitssteuer«, die auf jede Filmvor-
und von Dauerhaftigkeit.«                         führung eingehoben wird. 1997 schlägt der
   Als Gegenpol zu Kommerzfilmen mit              Aktion auf typisch österreichische Weise die
seichten Inhalten, die Mitte der 1950er-Jahre     letzte Stunde: Die Bereiche Unterricht und
die Leinwand beherrschen, wird 1956 die           Kunst werden auf zwei Ministerien aufgeteilt,
Aktion »Der gute Film« gegründet. Diese Ini-      und plötzlich fühlt keines von beiden sich
tiative wird natürlich nicht nur zur Förderung    mehr für die Subvention zuständig.
des heimischen Avantgardefilms ins Leben

                                                                                            201
Bildnachweis

Impress/United Archives/picturedesk.com (10), Archiv des Amalthea Verlages
(12, 13, 15, 17, 18, 50, 53, 70, 87, 92, 125, 139, 152, 166, 195, 228), ANNO/
Österreichische Nationalbibliothek (14, 99), akg-images/picturedesk.com
(16, 21, 234 rechts), Privatarchiv Christian Reichhold (19, 22, 30, 31, 32, 33, 34,
38, 45, 57, 59, 74, 96, 104, 108, 124, 129, 149, 151, 153, 154, 183, 185, 196, 202,
214, 215, 216, 226, 231, 236), Filmarchiv Austria (20, 66, 69, 72, 80, 84, 91, 94,
118, 142, 143, 155, 165, 170, 173, 174, 177, 180, 186, 191, 198, 203, 205, 217,
218), Cermak, Alfred/ÖNB-Bildarchiv/picturedesk.com (23), Lisa Film GmbH
(24), Christian Reichhold (26, 201), Martin J. Kraft (photo.martinkraft.com)/
CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)/Wikimedia
Commons (35), Privatarchiv Sunnyi Melles (37), Franz Antel Archiv (39),
Manfred Werner – Tsui/CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/
by-sa/3.0)/Wikimedia Commons (40, 65, 93, 212, 220), Mona Film Produktion
GmbH/Petro Domenigg (42), Filmarchiv Austria/© DOR Film/Foto: Lukas
Beck (47), Privatarchiv Franz Antel (49), Filmarchiv Austria/Bonus Film (61),
Star*Film GmbH (62, 114), Constantin Film (71), Interfoto/picturedesk.com
(75), Hoanzl Vertriebs GmbH (77), Aichholzer Film/Magnolia Film/Jürgen
Olczyk (79), Filmladen Filmverleih (83, 103), Wega-Film (88, 160, 192, 206,
223, 224, 229), DOR Film/Foto: Petro Domenigg (101, 137), Ulrich Seidl
Filmproduktion (106, 112), Filmarchiv Austria/© DOR Film/Foto: Petro
Domenigg (111, 132), epo-film (117), Filmarchiv Austria/© DOR Film/Foto:
David Rühm (121), Alexander Tuma/Contrast/picturedesk.com (122), Privat­
archiv Kitty Kino (126), Friedrich/Interfoto/picturedesk.com (135, 140, 227,
235, 241), Starpix/picturedesk.com (145, 244), www.lourdes-derfilm.at (146),
Filmarchiv Austria/Manfred Durniok Produktion (156), NGF (159, 178, 179),
Ricardo Vaz Palma – Prisma Film (162), DOR Film/Mario Hopfgartner (167),
Filmarchiv Austria/© Lotus-Film/Petro Domenigg (169), Lukas Beck – Prisma­
film (182), Lotus-Film/Andrea Gurtner (197), Komplizenfilm (209), Filmarchiv
Austria/Allegro Film/Petro Domenigg (210), Fritz Mizerovsky/coop99 filmpro­
duktion (221), dpa/picturedesk.com (232), CASTLEROCK/Mary Evans/picture­
desk.com (233), NG Collection/Interfoto/picturedesk.com (234 links, 238),
Christian Skrein/Imagno/picturedesk.com (237), Votava/Imagno/picture­desk.
com (239), DerHHO/CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licen­ses/by-
sa/3.0)/Wikimedia Commons (240), Vienna Film Commission (243)
Filmarchiv Austria/© Stefan Börczek/Satel Film GmbH (36), Filmarchiv Austria/
© Will Appelt/Satel Film GmbH (54), Filmarchiv Austria/© Peter Patzak/Satel
Film GmbH (131), Filmarchiv Austria/© Satel Film GmbH (189). Mit freundlicher
Genehmigung von Satel Film GmbH

Verlag und Autor danken dem Filmarchiv Austria, sämtlichen Filmproduktions-
und -verleihfirmen sowie Kitty Kino und Reinhard Schwabenitzky für die
Bereitstellung des Bildmaterials.

Der Verlag hat alle Rechte abgeklärt. Konnten in einzelnen Fällen die Rechte­
inhaber der reproduzierten Bilder nicht ausfindig gemacht werden, bitten wir,
dem Verlag bestehende Ansprüche zu melden.

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