Panorama 2016 Technology Outlook 2017 - Deutsche Version - SATW
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Technology Outlook 2017 Deutsche Version Panorama 2016 Jahresbericht der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften
Impressum Projektleitung René Dändliker | Claudia Schärer Autoren Konstantinos Boulouchos | Bernhard Braunecker | Mathias Bucher | Ulrich Claessen | Achim Ecker | Xaver Edelmann | Elgar Fleisch | Robert Frigg | Johannes Gassner | Anton Gunzinger | Daniel Gygax | Bernhard Hämmerli | Christoph Harder | Rita Hofmann | Pavel Hora | Rolf Hügli | Matthias Kaiserswerth | Wolfgang Kröger | Urs Mäder | Peter Seitz | Roland Siegwart | Adriaan Spierings | Erich Windhab Redaktion Christine D‘Anna-Huber | Beatrice Huber Review Urs von Stockar | Andreas Zuberbühler Bilder Fotolia April 2017
Definitionen und Begriffserklärungen Sensorik Sensorik befasst sich mit der Messung von Veränderungen in umweltbezoge- nen, biologischen und technischen Systemen. Sensoren sind Messelemente, die spezifisch auf einen physikalischen oder chemischen Reiz reagieren und diesen in ein entsprechendes – meist elektrisches oder optisches – Signal umwandeln. Aktorik Die Aktorik (auch Aktuatorik) befasst sich mit der Umwandlung von Steuersig- nalen in physikalische Grössen wie mechanische Bewegung, Verformung, Kraft, Druck oder Temperatur. Die Aktorik spielt eine grosse Rolle in vielen technischen Disziplinen wie der Antriebstechnik, der Regelungstechnik, der Automatisie- rungstechnik, der Mechatronik und vielen Fertigungstechnologien. Industrie 4.0 Industrie 4.0 oder die vierte industrielle Revolution bezeichnet die Verzahnung der industriellen Produktion mit modernster Informations- und Kommunikati- onstechnik. Zentral ist die Anwendung der Internettechnologien zur Kommu- nikation zwischen Menschen, Maschinen und Produkten. Viel zitiertes Beispiel ist die Produktionsmaschine, die mit Sensoren rechtzeitig erkennt, dass ein Werkzeug ausgewechselt werden muss, den Bestand im Lager abfragt und das benötigte Ersatzteil bei Bedarf selbstständig beim Lieferanten bestellt. Künstliche Intelligenz Mit Künstlicher Intelligenz wird versucht, Computer mit einem ähnlichen Wahr- nehmungs- und Problemlösungsverhalten auszustatten wie man es von der menschlichen Intelligenz kennt: Wir Menschen sind kreativ, intuitiv, instinktiv und lernen aus Erfahrung und Fehlern. Dank Künstlicher Intelligenz kann ein Compu- ter auch die Ursache eines Problems «erkennen». Er kann seine bisherigen Erfahrungen analysieren, mehrere mögliche Lösungen in Betracht ziehen und auf Grund seiner Erfahrungen die geeignetste auswählen und daraus lernen. So entsteht eine Generation von Maschinen, die komplexe kognitive Aufgaben lösen können: Sie lesen Texte, verstehen Sprache, analysieren ihre Umgebung, interpre- tieren Bilder, verstehen Zusammenhänge und ziehen daraus selbständig Schlüsse. Cloud Cloud Computing erlaubt es, bei Bedarf jederzeit und überall bequem über das Internet auf einen geteilten Pool von konfigurierbaren Rechnerressourcen (zum Beispiel Netze, Server, Speichersysteme, Anwendungen und Dienste) zuzugreifen, die schnell, mit minimalem Managementaufwand und geringer Serviceanbieter-Interaktion zur Verfügung gestellt werden. Additive Fertigung Additive Fertigungsverfahren bauen anhand eines 3D-Modells Bauteile schicht- weise aus einem formlosen Stoff auf. Durch die virtuelle Zerlegung eines dreidimensionalen Bauteils in viele zweidimensionale «Scheiben» hat die Komplexität des Bauteils nur einen sehr geringen Einfluss auf die Herstellbarkeit und die Fertigungskosten. Je nach Verfahren eignen sich additive Fertigungs- technologien für Anschauungsobjekte, Funktionsprototype oder Bauteile in Serienanwendung. Die Vorteile liegen in der grossen Gestaltungsfreiheit und in der Möglichkeit, individualisierte Produkte herzustellen.
Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Executive Summary 4 Einleitung 7 Die digitale Welt 9 Die vierte industrielle Revolution 9 Künstliche Intelligenz 14 Robotik 17 Energie- und Mobilitätssysteme für die Zukunft 20 Blockchain und Bitcoins 21 Fertigungsverfahren 23 Neuartige Technologien 23 Additive Fertigung 24 Prozessoptimierung 25 Weitere Technologien 27 Photonik und Optik 27 Biotechnologie 27 Lebensmitteltechnologie 28 Medizintechnik 29 Umweltverträgliche Verpackungen 31 Wirtschaft und Gesellschaft im Umbruch 33 Referenzen 34 Definitionen und Begriffserklärungen Klappen
Vorwort Vor ziemlich genau zwei Jahren haben wir den ersten SATW Technology Outlook heraus- gegeben. Das war ein Experiment – es kam gut an, und wir waren mit dem Ergebnis zu- frieden. Aber, wie jeder Autor aus Erfahrung weiss, wenn man dann ein Jahr später das Produkt in die Hand nimmt, fallen einem sofort Schwächen und Auslassungen auf. Dazu kommt die Einsicht, ein Blick in die nähere technische und wissenschaftliche Zukunft sei definitionsgemäss kurzlebig. Es wird dann leicht, sich selbst und andere zu überzeugen, eine Neuauflage zu beginnen. Das Redaktionsteam für den Technology Outlook hat seine Netze feinmaschiger gemacht und noch weiter ausgeworfen als beim ersten Mal, und Sie haben nun das Produkt in Händen, den SATW Technology Outlook 2017. Auffallend an dem neuen Technology Outlook ist die starke Präsenz der «Digitalen Welt», die der immer engeren Vernetzung und Verquickung von informatischer und physischer Realität, von virtueller und realer Welt entspringt. Es ist offensichtlich, wie schnell diese Prozesse ablaufen und welche Dominanz die Digitale Welt in unserem täglichen Leben, bei Arbeit und im Privaten errungen hat. Das Internet der Dinge, Cyber-Kriminalität, künstliche Intelligenz, Robotik und Blockchain-Technologie sind alle schon in Anfängen präsent, Nutzen und mögliche Schäden aber noch kaum bewusst. Es ist leicht zu verste- hen, dass diese Situation nicht nur Begeisterung, sondern auch (begründete) Ängste in der Bevölkerung auslöst. Ähnlich hoch an Bedeutung sind Fertigungsverfahren. Die Schweiz hat ihre gute wirt- schaftliche Position zu einem grossen Teil der Herstellung von Teilen bester Qualität zu vernünftigen Preisen zu verdanken. Die MEM-Industrie, die mit Abstand grösste indus- trielle Arbeitgeberin, hat den Frankenschock vor zwei Jahren mehrheitlich verkraften können. Aber die Notwendigkeit, der sich rasch ändernden industriellen Praxis technisch die Stirn bieten zu müssen, ist offensichtlich und verlangt nicht nur agile Industrielle und lernwillige Arbeitende, sondern auch eine flexible und pragmatische Politik. Es zeigen sich hier grundlegend neue Methoden, zum Beispiel Additive Fertigung, welche beson- ders für Kleinserien interessant sind. Sie ermöglichen, auch ohne grosse Ersatzteillager über lange Zeit Ersatzteile nachliefern zu können. Schliesslich ortet der Bericht auch ein knappes Dutzend neuer, aussichtsreicher Techno- logien, die alle von hoher industrieller und volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Und er endet mit der für einen Technology Outlook ungewöhnlichen Ermahnung, Plastikver- packungen wo immer möglich zu vermeiden oder mindestens mehrfach verwendbar zu machen, sowie einem zu Vorsicht und Umsicht mahnenden Blick in die fernere Zukunft einer kleinen Industrienation. Ulrich W. Suter | Präsident SATW 3
Executive Summary Digitale Welt Künstliche Intelligenz: Algorithmen, Infrastruktur, Re- chenleistung und Speicher sind schon so weit fortge- Die Digitalisierung unseres Alltags, aber auch der Wirt- schritten, dass sich künstliche Intelligenz und maschinelles schaft und der Industrie, ist stark fortgeschritten; die Lernen in die Praxis umsetzen lassen. Mit der Entwicklung wachsende Kapazität und Geschwindigkeit bei der Da- von Netzen aus künstlichen Nervenzellen nach biologi- tenverarbeitung und der Datenübertragung treiben sie schem Vorbild (Neural Networks) wird das maschinelle weiter voran. Das zeigt sich auch im vorliegenden Tech- Lernen revolutioniert: Insbesondere auf dem Gebiet der nology Outlook: Die Hälfte aller Beiträge betreffen Zu- Bild- und Spracherkennung konnten seit etwa drei Jahren kunftsaspekte der digitalen Welt. enorme Fortschritte verzeichnet werden. Die Anwen- dungsmöglichkeiten sind, von der Analyse von Satelliten- Vernetzung und Industrie 4.0: Die schon heute allge- aufnahmen über Drohnen, bildgebende Verfahren in der genwärtigen digitalen Netzwerke zur elektronischen Da- Medizin bis hin zu Robotik und selbstfahrenden Autos, tenerfassung und zur digitalen Steuerung von Maschi- extrem vielfältig. In der Schweiz mit ihrer langen Tradition nen, Geräten und Systemen bilden die ideale Grundlage im Dienstleistungssektor zeichnen sich Banken, Versiche- für eine immer engmaschigere Vernetzung. Der Begriff rungen und touristische Angebote nach wie vor durch Industrie 4.0 (oder vierte industrielle Revolution) meint ihre hohe Qualität und Vertrauenswürdigkeit aus, doch die Verzahnung der industriellen Produktion mit mo- die digitalen Geschäftsmodelle werden auch an diesen dernster Informations- und Kommunikationstechnik: Branchen nicht spurlos vorbeigehen. Menschen, Maschinen, Anlagen und Produkte kommuni- zieren mit- und untereinander. Mit dem Internet der Din- Robotik: Damit sie präzise arbeiten, werden traditionel- ge verschmelzen die digitale und die physische Welt zu le Robotersysteme (Industrieroboter) steif und positions- Produkten und Dienstleistungen. In dieser neuen hybri- geregelt betrieben. Das erfordert eine abgeschlossene den Welt haben Schweizer Unternehmen in nahezu allen Umgebung, da solche Systeme auf ein unstrukturiertes Branchen grossen Nachholbedarf. Sensorherstellern Umfeld unzureichend reagieren. Heute hingegen wer- muss es gelingen, drei Schlüsselkompetenzen zu vereini- den flexible und intelligente Roboter entwickelt, die kein gen: Sensorik, eine intelligente Datenverarbeitung nahe Sicherheitsrisiko für den Menschen darstellen und Hand beim Sensor (smarte Sensoren) sowie Datenaggregation in Hand mit ihm zusammenarbeiten können, in der In- und -handhabung in der Cloud. Trotz standardisierter Ba- dustrie genauso wie in der Medizin oder im Privatbe- sistechnologie für Hard- und Software ist klar, dass Indus- reich. Serviceroboter unterstützen den Menschen bei trie-4.0-Konzepte aufgabenspezifisch sein müssen und der Arbeit oder zu Hause. Flugroboter bewähren sich in normierte Einheitslösungen zu kurz greifen. In der der Landwirtschaft und bei Search-and-Rescue-Missio- Schweiz ist ein umfangreiches praxisorientiertes Wissen nen. Diese neuen Roboter müssen ihre Umgebung in bereits vorhanden, weil der Preisdruck viele Unternehmen ihrer ganzen Komplexität wahrnehmen und verstehen schon vor Jahren zu einem konsequenten Digitalisie- können. Die Schweizer Forschungs- und Industrieland- rungskurs gezwungen hat und zahlreiche KMU als Zulie- schaft verfügt über die notwendigen Kompetenzen, um ferer in die vernetzte Produktion von Grossfirmen integriert auf diesem Gebiet eine führende Rolle zu spielen – da- wurden. Doch die Entwicklung von cyber-physischen Pro- von zeugen nicht zuletzt die vielen Start-ups, die im Um- duktionssystemen setzt auch die digitale Beherrschung feld der technischen Hochschulen (ETH Zürich und EPFL der involvierten Prozesse voraus. in Lausanne) entstehen. 4
Fertigungsverfahren Biotechnologie: CRISPR/Cas 9 ist eine disruptive moleku- larbiologische Methode – eine Art Skalpell für das Erbgut. Pulslaser eröffnen neue Möglichkeiten bei der präzisen Weil sie im Kampf gegen Aids, Krebs und eine ganze Reihe Oberflächenbearbeitung von metallischen, keramischen von Erbkrankheiten, aber auch bei der Züchtung von Pflan- und Kunststoffmaterialien. Der Einsatz von leistungsstarken zen und Tieren neue Möglichkeiten verspricht, hat sie die Lasern zur Feinbearbeitung von Oberflächen im Submikro- Gentechnologie in den letzten vier Jahren im Sturm er- meterbereich und beim 3D-Druck war bisher nur teilweise obert. Allerdings wird ihr Einsatz in Diagnostik und Thera- erfolgreich. Neuartige hochintegrierte Systeme, die auf der pie, in der Agronomie, der Lebensmitteltechnologie und Grundlage von Lasern mit extrem kurzen Pulszeiten entwi- anderen Gebieten zahlreiche technische und ethische Fra- ckelt wurden und Mehr-Wellenlängen-Interferometer als gen aufwerfen. Messmittel hinzuziehen, schaffen hier Abhilfe. Medizintechnik: Die Kommerzialisierung vieler Med- Die fortwährende Entwicklung neuer Materialien und die Tech-Produkte und der steigende Preisdruck haben die Tendenz, insbesondere in der Fahrzeug- und Luftfahrtin- Attraktivität der Medizintechnik in der Schweiz wesentlich dustrie Schrauben und Nieten durch Kleben zu ersetzen, beeinträchtigt. Für MedTech-Firmen in KMU-Grösse wird erfordern die Entwicklung von neuen Fügetechniken und es immer schwieriger, den Zugang zu Spital-Einkaufsorga- multifunktionellen Klebstoffen. Die additive Fertigung nisationen zu finden oder bei grösseren Ausschreibungen ist eine innovative Produktionstechnologie, welche die ge- zum Zuge zu kommen. Die Gesundheitsversorger reagie- samte Wertschöpfungskette vom Design bis zum fertigen ren mit neuen Modellen und Serviceangeboten auf diese Produkt grundlegend verändert. Die Schweizer Maschi- Marktveränderungen. Dank ihrer überschaubaren Grösse nenindustrie ist in der Präzisionsmechanik weltweit noch sollte die Schweizer MedTech-Branche genügend agil sein, immer top – die additive Fertigung bietet ihr nun die Chan- um die Opportunitäten zu nutzen, die sich dabei bieten. ce, ihre führende Position weiter auszubauen. Die Prozes- sanalysetechnik dient der Analyse, Kontrolle und Opti- mierung von Herstellungsprozessen in der chemischen Industrie. Sie bezweckt eine Verbesserung der Produkt- qualität durch standardisierte Kontrollen und die Doku- mentation der kritischen Grössen während der Produktion. Weitere Technologien Die Photonik verbindet zwei Gebiete der Physik: die Optik und die Elektronik. Die Photonik hat sich zunächst vor allem aus der optischen Nachrichtentechnik entwickelt – Glasfa- sern dienen als Übertragungsmedium und Laserdioden als modulierbare Lichtquellen. Durch die Weiterentwicklung der optischen Grundlagen und der optoelektronischen Bauelemente (Photodetektoren, LED und Laserdioden) hat sich der Anwendungsbereich der Photonik massiv erwei- tert. Die Schweiz ist auf dem Gebiet der Photonik stark und zwar sowohl in der akademischen Forschung als auch in der Photonikindustrie. 5
Die Industrie verändert sich ständig. Ihr bisheriger Wandel lässt sich Experten sind sich nicht einig, ob wir auf eine grob in drei Phasen gliedern: Eine erste grosse Umwälzung, genannt Zukunft zusteuern, die uns nicht mehr braucht, Industrie 1.0, brachte die maschinelle Massenproduktion um 1800 mit oder ob die Menschheit auch diese Entwick- sich. Die Einführung der Elektrizität als Antriebskraft und die daraus lung – wie so viele zuvor – flexibel meistern resultierende Akkordarbeit läutete ab 1900 die Industrie 2.0 ein. Mit und sich ohne grössere Probleme in die «schö- dem in den 1970er-Jahren einsetzenden Siegeszug der Computer, der ne neue Welt» einfügen kann. die Automatisierung in vielen Fabrikationsprozessen erst ermöglichte, folgte die dritte industrielle Revolution, die Industrie 3.0. Obwohl die Singularität erst in 20 bis 25 Jahren Realität werden dürfte, können bereits heute Im Zuge dieser Entwicklung vervielfachte sich der Wohlstand und die viele repetitive manuelle Tätigkeiten sowie Lebenserwartung der Bevölkerung verdoppelte sich – das trug zu einer Aufgaben, die kognitive Fähigkeiten vorausset- Technikeuphorie bei, die ihren Höhepunkt zwischen 1950 und 1970 zen, von Maschinen erledigt werden. Und die- erreichte. Langsam schlägt das Pendel nun zurück und immer stärker ser Trend geht weiter. Dass in den nächsten stehen die möglichen schädlichen Langzeitwirkungen der einst hochge- zwei Jahrzehnten umwälzende Entwicklungen jubelten Technologien auf die Umwelt und die natürlichen Ressourcen auf unsere Gesellschaft zukommen, steht des- im Fokus. Seit Ende des 20. Jahrhunderts die vierte industrielle Revoluti- halb ausser Zweifel. Um uns für diese Zukunft on begonnen hat, steigt auch die Angst vor dem Verlust von Arbeits- zu wappnen, müssen wir die technischen Her- plätzen wieder. Diesmal kommt die Befürchtung dazu, dass in Zukunft ausforderungen beim Namen nennen und in intelligente und lernfähige Maschinen einen Grossteil der Arbeit erledi- der Öffentlichkeit diskutieren. gen und den Menschen komplett überflüssig machen könnten. Denn der Begriff «Industrie 4.0» steht für die zunehmende Informatisierung und Digitalisierung aller Produktions-, Berufs- und Lebensbereiche. In etwa 20 bis 25 Jahren werden Computer die Rechenleistung menschlicher Gehirne erreichen. Dieser Zeitpunkt wird Singularität ge- nannt: Erstmals in seiner Geschichte wird der Mensch dann nämlich in der Lage sein, Maschinen zu bauen, die ihm in Bezug auf ihre kogniti- ven, deduktiven und kreativen Fähigkeiten ebenbürtig oder sogar überlegen sind. Computer werden in naher Zukunft also auch Arbei- ten übernehmen und Probleme lösen, die bis dahin dem Menschen vorbehalten blieben, weil nur er die nötige Originalität und Denkfähig- keit mitbrachte. 7
Die vierte industrielle Revolution Steuerung aller Schlüsselprozesse, von der Pro- duktentwicklung und Fertigung bis zur Auslie- Das Internet der Dinge ferung an den Kunden – mitsamt allen damit verbundenen Dienstleistungen. Diese Vernet- Stand der Dinge: Das Internet der Dinge («Internet of Things» oder zung ermöglicht nicht nur die effiziente Her- IoT) steht für eine Vision, in der alles und jedes mit dem Internet ver- stellung von individuelleren Produkten, son- netzt ist: Mit einem oft kaum sichtbaren Minicomputer bestückt ver- dern auch die Entwicklung ganz neuer misst jeder Gegenstand sich selbst und seine Umgebung mittels einer Geschäftsmodelle. Der Industrie 4.0 wird des- ausgeklügelten Sensorik (➝ Smarte Sensoren) und verbindet sich über halb eine grosse Bedeutung für die Erhaltung das weltweite Web mit anderen smarten Gegenständen. Die entspre- der Wettbewerbsfähigkeit produzierender chenden Software-Entwicklungen (➝ Keine 0815-Lösung: Software Volkswirtschaften beigemessen. für Industrie-4.0-Konzepte) sind Grundvoraussetzung für das IoT. Konsequenzen für die Schweiz: Mit dem Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ermöglicht das Internet der Internet der Dinge verschmelzen die digitale Dinge eine feingranulare Neuvermessung der Welt. Und weil Organisa- und die physische Welt erstmals zu Produkten tionen nur managen können, was sie auch zu messen vermögen, schafft und Dienstleistungen. In dieser hybriden neuen das IoT die Voraussetzung für eine ganz neue Qualität der Beherrschung Wirklichkeit müssen Schweizer Unternehmen physischer Prozesse – vom Monitoring über die Steuerung und Optimie- nahezu aller Branchen die nötigen digitalen Fä- rung bis zur Autonomie. higkeiten aufbauen, um langfristig wettbe- werbsfähig zu bleiben. Insbesondere im Bereich Dies gilt für alle Branchen, vom Gesundheitswesen bis zu den Finanz- der Informatik steigt die Nachfrage nach Spit- dienstleistern, ganz besonders aber für die produzierende Industrie. Für zen-Know-how überproportional und kann IoT-Anwendungen in diesem Bereich hat sich im angelsächsischen mit den heute verfügbaren Wissensressourcen Raum der Begriff «Industrial Internet» eingebürgert, im europäischen nicht gedeckt werden. Eine Neuverteilung der Raum geht die Rede von «Industrie 4.0». Gemeint ist in beiden Fällen Mittel für Forschung und Lehre zugunsten der eine die gesamte Wertschöpfungskette umfassende Vernetzung und modernen Informatik ist daher unabdingbar. Smarte Sensoren «Smart Sensing Solutions» eingeläu- Sensordaten werden an die Cloud tet. Gemeint sind damit Lösungen, bei versandt und dort aggregiert – ein Stand der Dinge: In den letzten denen Sensorik und Datenverarbei- Beispiel ist Siri von Apple. Doch schon zehn Jahren ist das Volumen der von tung zusammenwachsen und neue in wenigen Jahren dürften «Smart Sensoren erhobenen Daten doppelt Businessmodelle ermöglichen. Der Sensing Solutions» auf den Markt so schnell gewachsen wie die Daten- wahre Produktwert wird also nicht kommen, die nur noch die bereits übermittlungskapazität: 90 Prozent mehr in den Sensoren selber liegen, verarbeitete Information in die Cloud der Sensordaten wurden infolgedes- sondern in der damit aufgenomme- übermitteln. sen gar nie analysiert. In Zukunft muss nen, intelligent aufbereiteten und in- die Information daher nahe beim Sen- terpretierten Information. Konsequenzen für die Schweiz: sor verarbeitet und konzentriert wer- Sensorhersteller müssen so rasch wie den: Ein Ende der «dummen» Senso- Heute bedienen sich viele Hersteller möglich darauf hinarbeiten, drei ren ist absehbar und die Zukunft der bereits eines Zwischenschritts: Die Schlüsselkompetenzen zu bündeln: 9
Sensorik, intelligente Datenverarbeitung vereinigen weiss. Da interdisziplinäre Koopera- nahe beim Sensor sowie die Aggregation und tionen eine Schweizer Kernkompetenz dar- Handhabung der Information in der Cloud. stellen, kommt als interessante Alternative zur Andernfalls riskieren sie, von einer Konkur- vertikalen Integration in einem einzigen Be- renz überrollt zu werden, die Produktion, trieb auch die enge Zusammenarbeit zwi- Handel und Lieferkette in einem Prozess zu schen Firmen aus den drei Bereichen in Frage. Keine 0815-Lösung: Software für Industrie-4.0-Konzepte Stand der Dinge: Für Industrie-4.0-Konzepte werden Für eine erfolgreiche vertikale Integration ist die Einbin- Hard- und Software als standardisierte Basistechnologien dung des Produktionsleitsystems in das Enterprise-Resour- eingesetzt, während die eigentliche Differenzierung auf ce-Planning-System sehr hilfreich: So werden die individu- dem Markt durch die Vernetzung von Komponenten und ellen Wünsche der Kunden ohne Medienbruch in die in Form von Apps passiert. Normierte Einheitslösungen, Produktion eingespeist und der Kunde hat jederzeit Ein- heisst das, werden Industrie-4.0-Konzepten nicht gerecht. blick in den Stand seiner Bestellung. Bei der horizontalen Integration werden Betriebe gleicher Produktionsstufe un- Die für Hard- und Software verwendeten Basistechnologi- ter einem einheitlichen Management zusammengefasst. en kommen aus der «Business IT». Diese verdrängt zuneh- Für die Produktion bedeutet dies, dass «smarte» Kunden mend die spezialisierten Industrierechner, die für den viel mit einem «smarten» Ökosystem von Produzenten, Liefe- kleineren Markt der industriellen Produktion entwickelt ranten und Sublieferanten vernetzt werden. Dies ermög- wurden. Eine Vernetzung der Produktionsstätten mit dem licht die schnelle Entwicklung von neuen, individuell ange- Rechenzentrum des Unternehmens über ein leistungsfähi- passten Produkten durch modellbasiertes Design oder ges Hochgeschwindigkeitsnetzwerk ist heute keine Aus- additive Fertigung (➝ Additive Fertigung). Die horizontale nahme mehr. Dort werden, unabhängig von physikalischen Vernetzung setzt allerdings einen bedeutenden Kultur- Komponenten, die nötigen Modellierungen gemacht. wandel voraus, da durch den freien Informationsaustausch Durch diese Abstraktion wird die Hardware ersetzbar und nicht nur der Kunde, sondern auch das Unternehmen und IT-Systeme werden flexibel, skalier- und hochverfügbar. seine Lieferanten «gläsern» werden. Ausgefeilte Administratortools erlauben mittels Fernwar- tung einen effizienten und kostengünstigen Betrieb rund Konsequenzen für die Schweiz: Dank ihrem hohen Bil- um die Uhr und garantieren durch zeitnahe Updates die dungsniveau und einem hohen Mass an Datenschutz und bestmögliche Sicherheit. Rechtssicherheit ist die Ausgangslage der Schweiz ideal. Der starke Franken hat zudem viele grosse Schweizer Un- ternehmen bereits vor Jahren zu einem konsequenten Digi- talisierungskurs gezwungen – damit ist ein umfangreiches praxisorientiertes Wissen in den meisten Branchen bereits vorhanden. Dazu kommt, dass die organisatorische Nähe von Management und Produktion in KMU die vertikale In- tegration begünstigt. Die horizontale Vernetzung könnte durch Projekte wie das niederländische Fieldlabs-Programm unterstützt werden. 10
Die Tools der vernetzten Produktionsgesellschaft Stand der Dinge: Die Möglichkeiten, Daten entwickelt werden. Dabei dürften sich, von firmenspezifischen Spezi- praktisch unbeschränkt auszutauschen, sind allösungen bis zu globalen Systemen, verschiedene Lösungsansätze in den letzten Jahren enorm gewachsen. auf dem Markt etablieren. Vermehrt werden neue Gesamtsysteme Gleichzeitig können Prozesse virtuell geplant auch durch Zusammenschluss bestehender Stand-alone-Systeme ent- und immer besser und intelligenter über- stehen. wacht werden. Um die Entwicklung von «smarten» Fabriken voranzutreiben, genügt Konsequenzen für die Schweiz: Für Schweizer Firmen, von denen eine intelligente Verkettung durch schnelle sich viele in Nischenbereichen etabliert haben, wird sich die Frage der Netzwerke aber nicht. Zusätzlich sind Soft- Ankopplung an solche globalen Netzwerke stellen. Weitere vorher- waresysteme erforderlich, die Daten intelli- sehbare Herausforderungen auf dem Weg zur Vernetzung sind die gent auswerten können, und damit einen Entwicklung einer intelligenten Schnittstelle zwischen Mensch und spezifischen Nutzen und Mehrwert generie- Maschine, die intelligente Prozessplanung für die flexible Fertigung ren. Solche neuen Tools müssen erst noch von Kleinserien und das Entstehen autonomer Systeme. Das Beste beider Welten: Cyber-physische Produktionssysteme Stand der Dinge: Cyber-physische Systeme sind gekenn- Die erhobenen Daten können für diagnostische Zwecke zeichnet durch eine Verknüpfung von realen (physischen) analysiert oder auch vorausschauend für prädiktive Zwecke Objekten mit informationsverarbeitenden (virtuellen) Ob- genutzt werden. Einen Mehrwert werden die cyber-physi- jekten über offene und jederzeit miteinander verbundene schen Produktionssysteme hauptsächlich im Bereich der Informationsnetze. Um aus cyber-physischen Systemen Vorhersage bringen sowie für Anwendungen, bei denen cyber-physische Produktionssysteme zu machen, sind drei eine Echtzeitüberwachung und die daraus resultierenden Bausteine notwendig: Korrekturmöglichkeiten einen Vorteil darstellen. − eine zuverlässige virtuelle Abbildung der Prozesse («Digitaler Schatten», ➝ Der digitale Schatten), Da die Bausteine für cyber-physische Systeme heute noch − zuverlässige Kenntnisse des momentanen Zustandes nicht standardmässig vorhanden sind, fehlen bisher die der Prozesse, was hochspezialisierte Sensornetzwerke erforderlichen Softwaretools, um sie effizient planen und voraussetzt, betreiben zu können. − die Möglichkeit, die Prozesse über Aktorik-Elemente zu beeinflussen. Konsequenzen für die Schweiz: Die Entwicklung cy- ber-physischer Produktionssysteme setzt die digitale Be- herrschung der involvierten Prozesse voraus. Auf diesem Gebiet sind viele Schweizer KMU eher schwach. Viele Pro- zesse werden lokal isoliert betrachtet, womit eine digitale Voraussage nur in wenigen Fällen möglich ist. Die Schwei- zer KMU riskieren, hier den Anschluss zu verpassen. 11
Der digitale Schatten Damit dieses virtuelle Abbild der Prozesse Un- ternehmen einen Nutzen bringt, müssen zu- Stand der Dinge: Bei vernetzten Systemen erst Muster und Einflussgrössen erhoben können alle relevanten Daten, die in der Produk- werden. Anhand dieser lässt sich dann prog- tion, der Entwicklung oder in angrenzenden nostizieren, was im Betrieb in den nächsten Bereichen anfallen, virtuell abgebildet und die Stunden und Tagen passieren wird. Und wenn Prozessabläufe so in Echtzeit analysiert werden. etwas schiefzulaufen droht, können Lösungs- Dieses virtuelle Abbild der Realität wird im 2016 algorithmen hinterlegt werden, um die Pro- veröffentlichten Standortpapier der Wissen- duktion anzupassen. schaftlichen Gesellschaft für Produktionstech- nik WGP als «Digitaler Schatten» oder «Digita- Konsequenzen für die Schweiz: Der Schritt ler Zwilling» bezeichnet. Während die digitalen zur virtuellen Prozessabbildung ist auf dem Weg Schatten sich primär auf die im Prozess gesam- zu integrierten Industrie-4.0-Konzepten zentral. melten Daten abstützen, stellen die digitalen Viele Schweizer KMU sind technisch zwar sehr Zwillinge simulative Modelle der Prozesse dar. kompetent, beherrschen jedoch die virtuelle Heute zeichnet sich eine Entwicklung von der Abbildung der Prozesse nur beschränkt. Im Un- Simulation einzelner isolierter Prozessschritte terschied dazu arbeiten beispielsweise die deut- zur Simulation ganzer Prozessketten ab. Der schen Automobilfirmen konsequent daran, ihre Aufbau solcher Modelle setzt nicht nur optima- Fertigung durchgehend virtuell abzubilden. Es le Kenntnisse der Prozesse selber, sondern auch ist wichtig, dass die Schweizer KMU hier den eine hohe Simulationskompetenz voraus. Anschluss nicht verpassen. Und wo bleibt der Mensch? Stand der Dinge: Die flächendeckende Rea- heute wieder ganz bewusst in die Überlegungen für eine erfolgreiche lisierung des Industrie-4.0-Gedankens ist zur- Implementierung des Industrie-4.0-Gedankens einbezogen. Zurzeit zeit noch eine Zukunftsvision. Verwirklichen gibt es zwischen der digitalen und der Arbeitswelt nur wenige Berüh- lassen wird sich diese nicht allein dadurch, rungspunkte, beispielsweise durch Benutzerschnittstellen wie Tablets dass die digitale Information für alle Ferti- oder Datenbrillen, welche die digitale Welt an den Arbeitsplatz holen. gungs- und Geschäftsprozesse allgemein ver- Langfristig wird sich die Industrie 4.0 aber nur verwirklichen lassen, fügbar wird. Eine entscheidende Rolle fällt wenn die Bewegung auch in umgekehrter Richtung erfolgt, von der dabei ganz klar auch dem Menschen zu. realen Welt in die digitale Umgebung. Bereits in den 1980er-Jahren gab es Bestre- Konsequenzen für die Schweiz: Die virtuelle Abbildung aller Ge- bungen zur Umsetzung einer computerinteg- schäftsprozesse und die damit verbundene Integration des Menschen rierten Fertigung («Computer-integrated in die virtuelle Welt stellt Unternehmen vor etliche Herausforderungen Manufacturing» oder CIM). Die damit verbun- nicht nur technischer, sondern insbesondere auch unternehmerischer denen Visionen von menschenleeren Fabriken Natur. Viele Industriebranchen werden bestehende Geschäftsprozesse weckten in der Bevölkerung aber grosse Äng- überdenken und dafür sorgen müssen, ihre Belegschaft mit adäquaten ste und Widerstand. Der Mensch wird deshalb Aus- und Weiterbildungsangeboten für die Industrie 4.0 fit zu machen. 12
Cyberkriege am Horizont Stand der Dinge: Zurzeit lässt sich eine zunehmende Ver- netzung der normalen Geschäfts-IT mit den Steuerungssys- temen von Firmen und kritischen Infrastrukturen beobach- ten. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von Informationstechnologien immer grösser. Diese Ent- wicklung führt vor allem im Bereich der kritischen Infrastruk- turen zu einer stark veränderten Bedrohungslage und einem markant höheren Schadenspotenzial. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Professionalisierung des organisierten Ver- brechens im Cyberspace, das Wettrüsten zwischen Entwick- lern von Viren und den Herstellern von Anti-Viren-Software sowie die Installation von Programmiergerüsten für den Fall eines Cyberkriegs und für die grossangelegte Sammlung, Verarbeitung und Abfrage von Daten. Die nationale und in- ternationale Strafverfolgung können mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Konsequenzen für die Schweiz: Die Grundlage für die Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft ist das Ver- trauen. Ohne dieses Vertrauen fehlt die gesellschaftliche Ak- zeptanz für digitale Technologien – damit würden auch ihre Chancen verpasst. Ein adäquater Schutz vor Cyberrisiken ist für den Lebens- und Wirtschaftsraum Schweiz deshalb zentral. Weltweit fin- det zurzeit aber eine Konzentration der Cybersecurity-Unter- nehmen statt: kleine Firmen verschwinden, ein paar wenige Grosse werden den Markt dominieren. Mit Schweizer Lö- sungsanbietern und Dienstleistern lässt sich Sicherheit des- halb kaum noch sicherstellen. Vorhandenes Wissen und be- stehende Erfahrung in Privatwirtschaft, Hochschule und Verwaltung müssen darum dringend gebündelt werden. Die relativ isoliert umgesetzten Massnahmen der «Nationalen Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken» (NCS) und der Strategie- und Aktionsplan «Digitale Schweiz» des Bundesrates reichen hier bei weitem nicht aus. 13
Künstliche Intelligenz In verschiedenen Bereichen werden sie Wurde KI zu Beginn hauptsächlich für deshalb bereits in die Entscheidungs- die Analyse digitaler Texte und Zahlen Klüger als ihr Meister findung miteinbezogen. So etwa in der verwendet, so wird dem System nun- Finanzindustrie, um die Kreditwürdig- mehr in mehreren Rechengängen die Stand der Dinge: Bereits in den keit individueller Kunden zu ermitteln, Fähigkeit antrainiert, Assoziationen 1970er- und 1980er-Jahren wurden oder bei der Planung von personalisier- herzustellen. Im Bereich der Bild- und grosse Hoffnungen in Anwendungen ten Krebstherapien in der Medizin. Spracherkennung wurden mithilfe sol- der Künstlichen Intelligenz (KI) ge- cher neuen Algorithmen enorme Fort- setzt. Auf einigen Gebieten konnten Der Leistungszuwachs folgt immer schritte verzeichnet. Die Anwendungs- durchaus beachtliche Erfolge erzielt noch einer exponentiellen Funktion. möglichkeiten sind extrem vielfältig: werden, so zum Beispiel bei Strategie- So ist es der Google-Software Alpha- Sie reichen von der Analyse von Satel- spielen und Robotersimulationen, bei Go im vergangenen Jahr gelungen, litenaufnahmen über Drohnen und der mathematischen Symbolverarbei- den amtierenden Meister im komple- bildgebende Geräte in der Medizin bis tung und der Abfrage von Wissensda- xen asiatischen Brettspiel Go zu schla- zur Robotik und zu selbstfahrenden tenbanken. Viele weitere Erwartungen gen. AlphaGo wurde mit den Daten Autos. erfüllten sich jedoch nicht und so vergangener Go-Partien gefüttert, nahm die der KI zugemessene Bedeu- lernte daraus die Regeln des Spiels, Konsequenzen für die Schweiz: tung wieder ab – und damit auch die wendete sie während Monaten gegen Was den Einsatz der Digitalisierung für Forschungsförderung. sich selber an und entwickelte dabei die Fabrikautomatisierung und die Res- selbst für den weltweit besten Go- sourcenplanung gesamter Unterneh- Doch in letzter Zeit erlebt die KI ein Spieler unschlagbare Taktiken. Ein ein- men angeht, liegt unsere Industrie weit Revival. Wesentlich für die nunmehr drückliches Beispiel für lernende neu- hinter dem Ausland zurück. Durch den signifikanten Fortschritte sind drei ronale Netzwerke! Einsatz von KI-Algorithmen liessen sich Faktoren: Die Digitalisierung des vielfältige Wettbewerbsvorteile schaf- menschlichen Wissens ermöglicht, fen, sei es in der Landwirtschaft, der dass dieses nun für das maschinelle verarbeitenden Industrie oder auch Lernen hinzugezogen werden kann. im Dienstleistungsgeschäft. Zudem haben sogenannte lernende neuronale Netzwerke («Neural Net- works»), Netze von künstlichen Ner- venzellen nach biologischem Vorbild, das maschinelle Lernen revolutioniert. Und schliesslich werden für den Bau Das Zauberwort der Dienstleister: von lernenden Systemen Algorithmen Netzwerkeffekt der Künstlichen Intelligenz eingesetzt, also eindeutige, in ein Computerpro- Stand der Dinge: Digitalisierung wird zunehmend auch gramm eingebaute Handlungsvor- im Alltag mit Künstlicher Intelligenz «angereichert». In di- schriften für die Lösung eines Prob- gitalen Netzwerken treten Individuen digital in Verbin- lems. Möglich wurde diese Entwicklung dung, organisieren sich digital und tauschen sich virtuell durch die Auslagerung der Daten in die oder reell aus. Somit verändert die Digitalisierung das Cloud und neue Rechnerarchitekturen. Konsumverhalten der Bevölkerung und bietet Hand für Lernende Systeme werden durch Rück- neue Geschäftsmodelle: Gepaart mit Künstlicher Intelli- meldungen, die sie von Nutzern und genz führt das Online-Anbieter und potenzielle Nutzer Experten erhalten, immer intelligenter. sehr effizient und sehr direkt zusammen. 14
Erfolgreiche Beispiele gibt es sowohl in der Welt der Touristik (Airbnb) als Konsequenzen für die Schweiz: auch im Finanzbereich (splendit.ch). Allen Modellen gemeinsam ist der soge- Die Schweiz blickt im Dienstleistungs- nannte Netzwerkeffekt, illustriert am Beispiel von Uber: Je mehr Fahrer mit- sektor auf eine lange Tradition zu- machen, desto besser wird die geografische Abdeckung für die Kunden und rück. Banken, Versicherungen und desto mehr Fahrgäste nutzen das Angebot. Positiv unterstützt wird dieser die touristischen Angebote zeichnen Netzwerkeffekt durch ein gut funktionierendes Bewertungssystem. Erfah- sich durch hohe Qualität und Vertrau- rungsberichte anderer schaffen Vertrauen und animieren zum Mitmachen, enswürdigkeit aus. Die digitalen Ge- was wiederum den Erfolg des Geschäftsmodells verstärkt. schäftsmodelle werden an diesen Branchen aber nicht spurlos vorbei- Der Erfolg solcher neuen Geschäftsmodelle basiert auf einer Kunden- und Pro- ziehen und stellen eine grosse Her- duktorientierung, die in diesem Ausmass nur digital zu erreichen ist. Bei den di- ausforderung dar. gitalen Start-ups steht der Kunde absolut im Zentrum und das Überleben der Firma hängt unmittelbar von der Kundenzufriedenheit ab. Mit ihrer vorbildlichen Servicekultur setzen diese Firmen die eher trägen Grossunternehmen massiv unter Druck. Nationale Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer ziehen ihnen aber gewisse Grenzen. Mehr als ein Spiel: Augmented Reality Stand der Dinge: Das Spiel «Pokémon Go» Benutzerfreundlichkeit. Dies gilt für Smartphones ebenso wie für Medi- hat das Prinzip der erweiterten Realität («Aug- zinroboter oder beim assistierten Fahren. Gekoppelt mit einer schnellen mented Reality» oder AR) innert kürzester Zeit Datenaufarbeitung hat Augmented Reality das Potenzial, zur wichtigen in der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Querschnittstechnologie für viele industrielle Bereiche zu werden. Im Gegensatz zur virtuellen Realität (Virtual Reality), bei der der Nutzer komplett in eine Konsequenzen für die Schweiz: In den für die Schweiz wichtigen künstliche 360-Grad-Welt abtaucht, vermischt Sparten der Medizintechnik und des Maschinenbaus kann gut integrier- AR die Wirklichkeit mit künstlichen Elementen: te Augmented Reality einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil verschaf- «Pokémon Go» zum Beispiel rüstet Goog- fen. Verschiedene erfolgreiche AR-Apps wie «Tagxy» und «Departures» le-Karten mit Pokémonfiguren und weiteren stammen aus der Schweiz, dazu kommen die Disney Research Labs im Spielelementen zur Spielwelt aus. Raum Zürich – ein renommiertes Forschungsunternehmen, das AR ebenfalls im Bereich der Unterhaltungsindustrie vorantreibt. Module für Doch nicht nur im Game-Bereich ist AR interes- den industriellen Einsatz bieten bisher hingegen nur ausländische Fir- sant – es gibt auch viele nützliche Anwendun- men wie Augmensys und AR-Re’Flekt an. Schweizer Unternehmen gen. Mithilfe der erweiterten Realität lassen müssen auf den Zug aufspringen und industrielle Anwendungen sowie sich, je nach Standort und Blickwinkel, zusätzli- Anwendungen für den Dienstleistungs- und IT-Sektor erarbeiten. che spezifische Information ins Blickfeld der Nutzer einspielen oder Informationen aus gros- sen Datenbanken nach Kontext abrufen. Ent- scheidend für den Erfolg eines Produkts sind die Qualität der Benutzeroberfläche und die 15
Fehlerfreie Fertigung Stand der Dinge: Die Herstellung von Produkten in kleiner bis mittlerer Stückzahl und mit hoher Varianten- vielfalt ist noch immer sehr aufwendig. Häufig müssen solche Produkte manuell hergestellt werden, da sich die Kosten für eine Automatisierung nicht auszahlen. Die Montage per Hand ist aber fehleranfällig, eine nachträgli- che, systematische Überprüfung teuer und zeitraubend. Doch inzwischen erlauben es Fortschritte in der Bildverar- beitung, Anomalitäten und Fehler automatisch ausfindig zu machen. Mithilfe von Kameras, mathematischen Netzwer- ken aus künstlichen Nervenzellen («Neural Networks») und den damit verbundenen Algorithmen («Deep Belief Net- works») sind Maschinen lernfähig («Machine Learning»): Sie lernen die normale Struktur des Endprodukts «aus Er- fahrung» kennen und «sehen» Abweichungen. Dazu ge- hört die verlässliche Identifizierung fehlerhafter Handlun- gen des Montagepersonals ebenso wie die Prüfung der Qualität des fertigen Produkts durch Gut-Schlecht-Ver- gleiche nach der Endmontage. Konsequenzen für die Schweiz: Die konsequente För- derung und Weiterentwicklung von modernen Bildverar- beitungstechniken stärkt den Produktionsstandort Schweiz. Notwendig dafür ist es, die in den Bereichen Fer- tigung, Bildverarbeitung und Machine Learning vorhande- nen Kompetenzen zusammenzuführen. 16
Robotik Industrieroboter: Hand in Hand mit dem Menschen Stand der Dinge: Industrieroboter sind automatische, pro- kollaborativer Robotik» (Standard ISO/ grammierbare Maschinen, die für diverse industrielle An- TS 15066) herausgegeben. wendungen eingesetzt werden. Um die gefragte Genauig- keit zu gewährleisten, sind traditionelle Robotersysteme Konsequenzen für die Schweiz: steif und positionsgeregelt. Vermehrt werden nun aber fle- Die kollaborative Robotik ist eine xible und intelligente Roboter entwickelt. Damit sie sicher grosse Chance für die Schweizer Ma- und zuverlässig mit Menschen interagieren können, müssen schinenindustrie, die sich mit der Her- diese neuen Roboter nicht nur «weich» sein, sondern auch stellung komplexer, sicherer und prä- ihre Umgebung in ihrer ganzen Komplexität wahrnehmen ziser Maschinen auskennt. Auch die und verstehen. Aus technischer Sicht bedingt dies die Ent- Schweizer Forschung verfügt über wicklung von kraftgeregelten nachgiebigen Aktoren. das Wissen und die Kompetenzen, um im Bereich der nachgiebigen und An vielen Arbeitsplätzen unterstützen Roboter Menschen intelligenten Roboter eine wichtige bereits. ABB hat 2016 YuMi auf den Markt gebracht, den Rolle zu spielen. Die technischen Uni- weltweit ersten kollaborativen Zweiarm-Roboter für die versitäten (ETH Zürich und EPFL in Kleinteilmontage. YuMi kann mit Menschen Hand in Lausanne) geniessen auf den Gebie- Hand an einer Aufgabe arbeiten, ohne sie zu gefährden. ten der Soft-Aktorik, der visuellen Das macht bei vielen Anwendungen die Schutzzäune Wahrnehmung, der Navigation und überflüssig, die zum Einsatz der traditionellen steifen Ro- der Robotik einen ausgezeichneten botern gehörten. Die direkte Zusammenarbeit von Mensch Ruf, aus beiden gingen und gehen und Roboter dürfte in den nächsten Jahren erheblich zu- dementsprechend viele Start-ups her- nehmen, auch im Dienstleistungssektor (➝ Nützliche vor. Dieser Prozess sollte unterstützt Hightech-Helfer und Roboter im OP). Nicht von ungefähr werden, um die Neugeschäftsent- hat die Schweizerische Normenvereinigung vor kurzem wicklung in der Robotik entschieden einen technischen Report zum Thema «Sicherheit mit voranzutreiben. Nützliche Hightech-Helfer Stand der Dinge: Serviceroboter verlassen die der Bauwirtschaft über Roboter in der Medizintechnik, in der professio- geschützte, industrielle Produktionsumgebung nellen Reinigung, im Unterhalt und in logistischen Anwendungen bis hin und unterstützen den Menschen als persönli- zu Robotern für Katastropheneinsätze und Weltraummissionen. Von che Serviceroboter im Haushalt oder als profes- den Servicerobotern dürfte die nächste Revolution in der Robotik ausge- sionelle Serviceroboter im Arbeitsumfeld. Gera- hen. Dementsprechend schnell entwickelt sich der Markt. de in diesem Bereich ist das Spektrum gewaltig und reicht von Robotern in der Landwirtschaft Konsequenzen für die Schweiz: Die Schweiz verfügt über das Wissen (Ackerbau, Melkroboter), im Forstwesen und in und die personellen Ressourcen, um komplexe und intelligente Ser- 17
viceroboter zu entwickeln. Sie weist beispiels- freundliches Umfeld und insbesondere lang- weise die weltweit höchste Dichte an jungen fristiges Risikokapital, um Schweizer Start-ups Leuten auf, die in Robotik ausgebildet wurden, zu skalieren und das Feld nicht den «Gros- und eine Rekordzahl von Robotik-Start-ups. Als sen» wie Google, Apple oder Facebook zu Glücksfall erweist sich dabei das Zusammen- überlassen. Der Zukunftsfonds Schweiz spiel von Präzisionsmechanik, Künstlicher Intel- schlägt in diesem Zusammenhang vor, zwei ligenz und Sensorik, also von drei Schweizer bis drei Prozent der Pensionskassenmittel in Weltklassekompetenzen. Jungunternehmen zu investieren. Da viele Einsatzbereiche von Servicerobotern insbe- Relevant ist hierzulande vor allem der Bereich sondere den Haushalt und das Gesundheits- der professionellen Serviceroboter, insbeson- system betreffen, ist es ausserdem wichtig, dere von Medizinal- und von Flugrobotern. die Ängste und Vorurteile der Bevölkerung Doch um weiterhin auf der Erfolgswelle zu aufzunehmen und Sicherheits- und Rechtsfra- reiten, braucht die Schweiz ein unternehmer- gen abzuklären. Im Feld, auf dem Bau und als Retter in der Not Stand der Dinge: Die wachsende Weltbe- aus der Luft, analysiert die gesammelten Daten und instruiert die Bo- völkerung stellt eine riesige Herausforderung denroboter, wo, wann und wie eine Behandlung zu erfolgen hat. für die Landwirtschaft dar – zumal die An- bauflächen stagnieren oder sogar schrump- Obwohl es dringend notwendig wäre, den Menschen bei vielen kör- fen. Neue Methoden müssen entwickelt wer- perlich schweren und ungesunden Arbeiten zu entlasten und das den, um den Ackerbau nachhaltiger zu Bauen effizienter zu gestalten, ist die Bauwirtschaft heute erst gestalten und den Einsatz von Düngern, Her- schwach automatisiert. Die Robotik ermöglicht hier ganz neue Kon- biziden und Pestiziden zu verringern. Der zepte, von der Realisierung innovativer Formen über schalungsfreie computergestützte Precision-Farming-Ansatz Bauverfahren bis hin zu vollautomatischen Erdbewegungen. Dank erlaubt es, Saatpflanzen konstant zu überwa- dem Nationalen Forschungsschwerpunkt «Digitale Fabrikation» ist chen und nur die Schösslinge oder Bereiche die Schweiz in diesem Bereich weltweit führend. Dieser Vorsprung zu behandeln, die krank oder infiziert sind. dürfte sich in den nächsten Jahren in neuen Produkten und Syste- Für den Durchschnittsbauern dürfte diese men niederschlagen. Methode allerdings zu teuer und zeitaufwen- dig sein. Zudem können die hochspezialisier- Auch bei Search-and-Rescue-Missionen geht der Trend dahin, bodenge- ten Landwirtschaftsroboter, die bereits heute stützte Roboter mit Flugrobotern zu verbinden, um die menschlichen Ret- auf den Feldern anzutreffen sind, häufig nur ter in ihrer Aufgabe zu unterstützen: Flugroboter erstellen dreidimensio- gerade eine spezifische Aufgabe ausführen. nale Karten des betroffenen Gebiets, vermitteln den Helfern damit einen Genau hier setzen neue Konzepte wie das Gesamteindruck, der über ihren eigenen Horizont hinausreicht, und er- Flourish-Projekt an: Klassische Landwirt- möglichen anhand von Aufnahmen der geschädigten Gebäude und schaftsroboter sollen zusammen mit Flugro- Infrastrukturen zugleich eine realistische Einschätzung des Schadenaus- botern zu einem ganzheitlichen System aus- masses. Derweil erkunden Bodenroboter selbstständig die Umgebung, gebaut werden. Dieses überwacht die Äcker transportieren Ausrüstungsgegenstände und helfen beim Auffinden und 18
Bergen von Opfern. Einzelne Komponenten sol- eingesetzt werden und das Operati- cher Search-and-Rescue-Systeme wurden nach onsteam effizient unterstützen, bei- den Erdbeben in Nepal (2015) und Amatrice spielsweise indem sie dem Chirurgen (2016) bereits erfolgreich eingesetzt. helfen, die zu behandelnden Organ- partien besser zu lokalisieren, und ihn Konsequenzen für die Schweiz: Die ETH durch die Übernahme bestimmter Zürich und die EPFL in Lausanne haben die feinmotorischer Tätigkeiten entlasten. Entwicklung von kleinen Flugrobotern mass- gebend vorangetrieben. Mehrere Schweizer Bislang waren Robotermethoden vor- Start-ups geniessen im internationalen pro- nehmlich auf mechanisch starre Kör- fessionellen Drohnenmarkt bereits einen gu- perteile – also etwa Knochen – be- ten Ruf, weitere sind daran, sich zu etablieren. schränkt, die Behandlung von Obwohl der Massenmarkt durch chinesische Weichteilen wie Sehnen, Muskeln, Firmen abgedeckt wird, ist die Schweiz insbe- Knorpeln, Blutgefässen oder ganzer sondere im Bereich der professionellen Droh- Organe blieb der schlechten Sichtbar- nen für Photometrie, Luftaufnahmen, Land- keit wegen problematisch. Durch wirtschaft oder Katastropheneinsätze sehr neuartige Messmethoden, empfindli- gut aufgestellt. Um diese Position zu halten, chere Sensoren und Aktoren sowie müssen auch in Zukunft genügend Talente entsprechende Algorithmen wurden ausgebildet und gefördert werden. Zudem hier in letzter Zeit jedoch erstaunliche sollte die Schweiz als erstes Land der Welt Fortschritte erzielt. Drohnen für professionelle Einsätze zulassen. Die Kopplung optischer Sensoren an Die Baubranche wird in der nahen Zukunft ei- Laser-Aktoren wird auf diesem Gebiet nen grossen Automatisierungsschub erleben. die Grundlage bilden. Für die optische Auch in diesem Bereich ist die Schweizer For- Messtechnik spricht weiter, dass ne- schung sehr gut aufgestellt. In Zusammenar- ben der Position des Organs auch des- beit mit weltweit im Baubereich agierenden sen Absorptionsspektrum messtech- Unternehmen wie Hilti, Leica oder Schindler nisch erfasst werden kann. Die grosse sollte dieses Potenzial schnell und effizient wirtschaftliche Bedeutung dieser Wei- umgesetzt werden. terentwicklung lässt sich aus der Tat- sache erahnen, dass in den USA jährlich 44,5 Millionen Eingriffe an Weichgeweben durchgeführt werden. Konsequenzen für die Schweiz: In Roboter im OP der Schweiz ist die Medizintechnik be- reits einer der wichtigsten Wirtschafts- Stand der Dinge: Der heutige digitale Opera- zweige. Roboterbetriebene Module für tionssaal bietet zwar bereits Navigationsein- die Medizintechnik passen bestens in richtungen zur Positionierung der Patienten, die schweizerische Wissenschafts- und erfordert aber noch immer den manuellen Ein- Industriekultur. satz von Operationswerkzeugen. Operations- roboter könnten im Falle neuartiger Diagnosen 19
Energie- und Mobilitätssysteme für die Zukunft Durch und durch digital und vernetzt Stand der Dinge: In Zukunft werden Informationen zu sektor sind dem Risiko aus- Energieangebot und Energienachfrage, Mobilitätsoptio- gesetzt, durch internationa- nen und Mobilitätswünschen sowie zur Kontrolle der zu- le Konkurrenten verdrängt gehörigen Systeme in Echtzeit verfügbar sein. Diese Ver- zu werden. Anderseits fügbarkeit hat das Potenzial, das gesamte Energie- und zeichnen sich für Firmen, die Mobilitätssystem umzukrempeln und neue Produkte und auf Informations- und Kom- Dienstleistungen hervorzubringen. munikationstechnologien spezialisiert sind, sowie für Die steigende Rechenleistung bei sinkenden Kosten führt innovative Start-ups auch zu einem grossem Optimierungspotenzial bei Konsumen- grosse Chancen ab. Die von tenentscheiden und beim Einsatz von Ressourcen für den der Kommission für Technik Betrieb von Geräten und Infrastruktur. Dies wiederum er- und Innovation KTI geför- möglicht das Entstehen völlig neuer Geschäftsmodelle derten, interuniversitär ver- und Dienstleistungen und bedroht etablierte Anbieter. Die netzten Forschungskompe- Auswirkungen dieser Entwicklung hängen stark mit der tenzzentren in den Bereichen Liberalisierung der entsprechenden Märkte, der Individua- Energie und Mobilität lisierung des Verhaltens und dem Angebot an fluktuieren- («Swiss Competence Cen- der erneuerbarer Elektrizität zusammen. Werden zudem ters for Energy Research» Anreize für die Auslastung der Infrastruktur im Bereich der oder SCCER) haben die The- Mobilität, der Energieversorgung und der Datenüber- matik bereits in ihre Planung mittlung bei minimalen Kosten geschaffen, wird sich der für die Periode 2017–2020 Trend zu neuen Geschäftsmodellen weiter verstärken. Vo- aufgenommen. Eine weitere raussetzung ist allerdings, dass alle diese digitalisierten Sensibilisierung durch Work- Systeme sicher und zuverlässig betrieben werden können. shops und die Initiierung Auch die nötigen Mess- und Regelsysteme müssen vor von Projekten über die Förd- Ausfällen und Cyberangriffen geschützt werden. ergefässe der KTI erscheint jedoch unabdingbar. Entsprechende Entwicklungen sind international bereits im Gang. Eine starke Zunahme der digitalen Technologien zeichnet sich für die nächsten fünf Jahre ab, eine grossflä- chige Durchdringung des Marktes ist in den nächsten zwei Jahrzehnten zu erwarten. Dabei geht es weniger um einzelne technologische Entwicklungen als um integrierte Konzepte, die sich in neuen Dienstleistungen und Unter- nehmensstrategien widerspiegeln werden. Konsequenzen für die Schweiz: Für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft beinhaltet diese Entwicklung wesentli- che Gefahren, aber auch Chancen. Etablierte Anbieter von Produkten und Dienstleistungen im Energie- und Mobilitäts- 20
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