Max Weber in der Digitalisierungsfalle? - E-Government in Deutschland, Österreich und der Schweiz - egovernment.ch
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Max Weber in der Digitalisierungsfalle? E-Government in Deutschland, Österreich und der Schweiz E-Government
Dank Die Autoren bedanken sich bei den zahlreichen Experten aus dem öffentlichen Sektor, der Wissenschaft und Wirtschaft, die ihr Fachwissen zur Verfügung gestellt haben. Felicia Grosse half tatkräftig bei Recher- chen und unterstützte den Ausarbeitungsprozess mit fundierten Überlegungen. Die Verantwortung für den Inhalt der verschiedenen Länderabschnitte liegt bei den Autoren, die diese Teile bearbeitet haben. Für die Gestaltung waren Carmen Sopi und die n c ag zuständig, denen wir herzlich für die grafische Umset- zung danken. Autoren Institut der deutschen Wirtschaft Barbara Engels Industriellenvereinigung Österreich Dr. Clemens Wallner Avenir Suisse Dr. Matthias Ammann Dr. Fabian Schnell Herausgeber: Avenir Suisse, www.avenir-suisse.ch in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft, www.iwkoeln.de und der Industriellenvereinigung Österreich, www.iv.at Design: Carmen Sopi Gestaltung: Pascal Müller, n c ag © September 2018 Avenir Suisse, Zürich Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Da die Autoren an der Verbreitung der hier präsentierten Ide- en interessiert sind, ist die Verwertung der Erkenntnisse, Daten und Grafiken dieses Werks durch Dritte ausdrücklich erwünscht, sofern die Quelle exakt und gut sichtbar angegeben wird und die gesetzlichen Urheberrechtsbestimmungen eingehalten werden. E-Government – September 2018 2
Vorwort E Government ist mehr als nur IT-Projekte in der gelung der Zuständigkeiten für die elektronischen Verwaltung umzusetzen. Die Digitalisierung der Prozesse und die notwendige Steigerung der Effizi- Verwaltung ist von grundlegender Bedeutung: Ers- enz in der Zusammenarbeit zwischen den Verwal- tens erlauben digitale Verwaltungsprozesse auf- tungen mittels einheitlicher Standards. Die von den grund der kürzeren Antwortprozesse eine grössere DACH-Ländern mitunterzeichnete Tallinn-Dekla- Nähe zum Bürger. Zweitens kennen digitale Schal- ration bietet dabei eine geeignete Grundlage, die ter keine Öffnungszeiten oder Überstunden, sind Arbeitsweise der Verwaltungen nach modernen permanent zugänglich und passen sich dem indi- Prinzipien auszurichten. Auf ihr beruht deshalb die viduellen Tagesrhythmus der Bürgerinnen und Bür- vorliegende Untersuchung. ger an. Drittens können mit E-Government klug Wir danken den Kolleginnen und Kollegen des aufgesetzte Prozesse Kosten sparen, und viertens Instituts der deutschen Wirtschaft und der öster- ermöglichen diese Neuerungen generell eine höhe- reichischen Industriellenvereinigung für die gute re Transparenz im «administrativen Dschungel». und bereichernde Zusammenarbeit sowie die wert- Kurz gesagt: E-Government ist ein Muss, wenn die vollen Einsichten, die wir bei der Erarbeitung die- Verwaltung den Anschluss an die neue Lebensrea- ses Gemeinschaftswerks erhielten. lität von Wirtschaft und Gesellschaft nicht verpas- sen will. Dr. Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse Nicht verschweigen darf man trotz den eviden- ten Chancen die Stolpersteine bei der Entwicklung von E-Government-Strukturen: Allen voran steht die Angst der Bürger vor einem «Leviathan», der ihre privaten Daten missbrauchen bzw. ungenügend schützen könnte. Diese Bedenken sind ernst zu neh- men, und trotzdem dürfen sie nicht als Vorwand für Reformmüdigkeit herhalten. Die zuverlässigsten Antworten auf diese Fragen sind transparente Ins- titutionen und demokratische Kontrollen. Während die Digitalisierung immer mehr Le- bensbereiche erfasst, haben Verwaltungen rund um den Globus Mühe, damit Schritt zu halten. Ein Ver- gleich unter den DACH-Ländern Deutschland, Ös- terreich und der Schweiz ist angebracht, denn alle drei haben einen föderalen Staatsaufbau und ähn- liche Verwaltungsprinzipien. Ausserdem ermög- licht er die länderübergreifende Inspiration auf die- sem wichtigen Gebiet. Die gute Nachricht zuerst: Alle drei Länder be- sitzen günstige Voraussetzungen die Verwaltung zu digitalisieren. Die etwas schwierigere Nachricht: Keines ist ein echter «First Mover» und es gibt noch überall sehr viel zu tun. Wichtige Stichworte sind noch tiefe Nutzerzahlen, die nicht immer klare Re- E-Government – September 2018 3
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Inhaltsverzeichnis 1_ Einleitung – E-Government bildet die Basis einer digitalisierten Wissensgesellschaft 6 2_ Die sechs Handlungsfelder der Tallinn-Deklaration 7 3_ Ausgangslage der DACH-Länder im Überblick 8 3.1 Verschiedene Indizes und ihre Aussagen 8 3.2 Kultur, Kooperation und Kommunikation als Herausforderung für E-Government 11 4_ Deutschland 12 4.1 Digital by Default, Inklusion und Zugänglichkeit 14 4.2 Das Prinzip «Once Only» 15 4.3 Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit 16 4.4 Offenheit und Transparenz 17 4.5 Interoperabilität by Default 18 4.6 Horizontale Befähigungsaktivitäten / Basisbefähigungen 18 4.7 Konkrete Handlungsempfehlungen für Deutschland 19 5_ Österreich 23 5.1 Digital by Default, Inklusion und Zugänglichkeit 23 5.2 Das Prinzip «Once Only» 24 5.3 Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit 25 5.4 Offenheit und Transparenz 25 5.5 Interoperabilität by Default 26 5.6 Horizontale Befähigungsaktivitäten / Basisbefähigungen 26 5.7 Konkrete Handlungsempfehlungen für Österreich 27 6_ Schweiz 28 6.1 Digital by Default, Inklusion und Zugänglichkeit 28 6.2 Das Prinzip «Once Only» 30 6.3 Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit 31 6.4 Offenheit und Transparenz 32 6.5 Interoperabilität by Default 32 6.6 Horizontale Befähigungsaktivitäten / Basisbefähigungen 33 6.7 Konkrete Handlungsempfehlungen für die Schweiz 34 7_ Fazit und Ausblick 35 Literatur 38 Glossar 42 E-Government – September 2018 5
Menschen mit besonderen Bedürfnissen leicht 1 _ Einleitung – nutzbar zu machen. Schalteröffnungszeiten E-Government bildet die oder Behördengänge treten in den Hinter- grund, womit der Komfort in der Abwicklung Basis einer digitalisierten der Kundenanliegen verbessert wird. Wissensgesellschaft 03_ Effizienz: Der grosse Vorteil von IT-Systemen liegt in der Skalierbarkeit ihrer Dienste. Einmal In der digitalisierten Wissensgesellschaft gehört entwickelt, lassen sie sich fast ohne Zusatzkos- E-Government zur kritischen Infrastruktur, die über ten beliebig häufig einsetzen. Die Prozessge- die Prosperität eines Landes mitentscheidet. Da die samtkosten sinken damit. Komplexität der arbeitsteiligen Wirtschaft zu- 04_ Transparenz: Daten und Informationen des nimmt, stellt das effiziente Abwickeln von Behör- Staates lassen sich praktisch, günstig und ohne dengängen einen Wettbewerbsvorteil dar. Je einfa- zusätzliche Hürden bzw. Transaktionskosten cher Verwaltungstätigkeiten ausgeführt werden bereitstellen. Einerseits schafft der freie Zugang können, desto mehr Ressourcen bleiben für pro- zu Daten Transparenz über die Tätigkeiten des duktive Tätigkeiten. Das Ziel der Verwaltung muss Staates, andererseits kann er Innovationen för- daher sein, die Transaktionskosten der partizipie- dern. So können Unternehmen Daten verwen- renden Wirtschaftsteilnehmer zu senken. Dabei lie- den, um neue Dienstleistungen oder Produkte fert die Digitalisierung für Effizienzsteigerung und zu entwickeln. Für den Raum der EU28+ wer- Neuorganisation von Verwaltungsprozessen die den die Einsparungen in Verwaltungen auf- grundlegenden Werkzeuge. grund von Open Data auf 1,7 Mrd. geschätzt Unter E-Government oder «Digitaler Verwal- (Carrara et al. 2015). tungsführung» versteht man die «Abwicklung ge- Deutschland, Österreich und die Schweiz (sog. schäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Ver- DACH-Länder) haben aufgrund ihres föderalen waltungen mit Hilfe von Informations- und Staatsaufbaus und ähnlicher Verwaltungsprinzipi- Kommunikationstechniken über elektronische Me- en vergleichbare Voraussetzungen, um die Digita- dien» (Gabler Wirtschaftslexikon 2018). Erfasst werden die lisierung der Verwaltung voranzutreiben. Sie tun Beziehungen zwischen den Bewohnern eines Lan- es allerdings mit unterschiedlicher Intensität und des, der Wirtschaft und der Verwaltung sowie un- Erfolg. ter den Verwaltungen. Insofern geht E-Government Aufgrund des globalisierten Handels sind die über den reinen Onlineschalter hinaus. Es be- DACH-Länder mit einer steigenden Anzahl von schreibt sämtliche Aktivitäten, die unter dem Ein- grenzüberschreitenden Aktivitäten und mobilen satz von digitalen Informations- und Kommunika- Bürgern konfrontiert. Gemäss dem «Ease of Doing tionstechnologien vereinfacht oder durchgeführt Business Index» der Weltbank, der die Hürden für werden. Geschäftstätigkeiten in den Ländern vergleicht, ran- Vier Dimensionen lassen sich unterscheiden: gieren die DACH-Länder trotz hoher Innovations- 01_ Reaktionsgeschwindigkeit: Moderne Kom- kraft und Wirtschaftsleistung nicht an vorderster munikations- und Informationstechnologien Stelle (Weltbank 2017). In vielen Bereichen lassen sich besitzen das Potenzial, Abläufe innerhalb der mehr und bessere E-Government Anwendungen au- Verwaltung zu beschleunigen. Auf Kundensei- sserhalb der DACH-Region finden. Nicht selten te kann sich so die Antwortzeit auf Anfragen fehlt das Problembewusstsein, und Verwaltungsleis- drastisch verkürzen. tungen werden zwar in akzeptabler Weise, aber häu- 02_ Flexibilität: Webbasierte Plattformen erlauben fig nicht auf möglichst effiziente Art erbracht. es, Informationen und Dienste rund um die Die von Max Webers Bürokratiemodell gepräg- Uhr zur Verfügung zu stellen und auch für ten DACH-Verwaltungen tun sich schwer in der E-Government – September 2018 6
Adaption ans 21. Jahrhundert. Mit dem Prinzip der strikten Gesetzmässigkeit konnten ab Beginn des 2 _ Die sechs 20. Jahrhunderts feudale Verhältnisse und kliente- Handlungsfelder der listische Beziehungen erfolgreich abgelöst werden, und gegen Ende desselben wurden Regelgebunden- Tallinn-Deklaration heit, Professionalität und Hierarchieprinzip noch Acht Jahre nach der E-Government-Ministererklärung um Ansätze aus der Privatwirtschaft (New Public von Malmö (Europäische Kommission 2009) wurde Anfang Management) ergänzt, um ausufernde Staatstätig- Oktober 2017 unter estnischem Ratsvorsitz die keit einzudämmen. Eine globalisierte und digitali- «E-Government Ministererklärung von Tallinn» durch sierte Gesellschaft verlangt aber nach neuen Lösun- 32 Länder der EU und der EFTA (somit inklusive gen, die schnelle Reaktionszeiten und automati- der Schweiz) unterzeichnet (Europäische Kommission 2017). sierte Abläufe zulassen. Auch wenn die Tallinn-Deklaration keine revolutio- Eine Behörde ist kein Unternehmen, der Wett- nären Neuheiten enthält, bestärkt sie die Implemen- bewerbsdruck ist schwach und der Kostendruck tierung des «eGovernment Action Plans 2016 – 2020» wenig ausgeprägt. Bürokratien tendieren daher in- (Europäische Kommission 2016a) und ist ein weiterer Schritt härent zur Aufblähung und zu einer gewissen Lang- in Richtung des digitalen EU-Binnenmarkts. samkeit (bekannt als «Parkinson’s Law»), was aber Die Tallinn-Deklaration schreibt verschiedene zum Teil auch an der Trägheit der Rechtssetzung Grundsätze fest, nach denen eine moderne Verwal- liegt. Zudem agieren Verwaltungen nur auf dem tung mit E-Government geführt sein soll. Diese bie- Prinzip der Rechtsmässigkeit. Angestammte Prin- ten den Unterzeichnerstaaten wichtige Orientie- zipien dürfen jedoch keine Ausrede sein, adminis- rungspunkte, um die Digitalisierung ihrer Behör- trative Prozesse nicht nach modernsten Möglich- den voranzutreiben. Da die vier Freiheiten des eu- keiten weiterzuentwickeln. Bisher genügende ropäischen Binnenmarkts _1 nur effizient genutzt Verwaltungsabläufe müssen durch neue Grundsät- werden können, solange dafür entsprechende ad- ze ergänzt werden. Genau hier setzen die Ziele der ministrative Voraussetzungen bestehen, ist die De- Tallinn-Deklaration an. klaration im inhärenten Interesse der EU. Sie bildet Im folgenden Kapitel 2 wird die Deklaration von Tal- somit einen Rahmen, die europäischen E-Govern- linn mit ihren sechs Handlungsfeldern besprochen. ment-Bestrebungen aneinander auszurichten und Daraufhin vergleicht Kapitel 3 den Stand der E-Gover- anzugleichen. nment-Bestrebungen in Deutschland, Österreich Der Abbau von Handelshemmnissen ist für alle und der Schweiz und spricht allgemeine Handlungs- exportorientierten Länder essentiell, um einfacher empfehlungen aus. Die einzelnen Länderanalysen in ausländischen Märkten operieren zu können. Es von Deutschland in Kapitel 4, Österreich in Kapitel 5 und ist deshalb im Sinne der DACH-Staaten, Verwal- der Schweiz in Kapitel 6 lassen sich auch getrennt von- tungsprozesse zu vereinfachen. Dies gilt auch für einander lesen. Den Schluss macht Kapitel 7 mit einem die Schweiz als nicht EU-Mitgliedsland. Als eines Fazit sowie einem Ausblick in die Zukunft. der wirtschaftlich am besten integrierten Länder des europäischen Wirtschaftsraumes (vgl. Schellenbauer und Schwarz 2015) ist sie auf tiefe administrative Hürden angewiesen. Die Tallinn-Deklaration umfasst eine Vision, Prinzipien mit zugehörigen Zielen sowie sechs handlungsanleitende Richtlinien (Policy Action 1 Freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr. E-Government – September 2018 7
Lines), die Forderungen für ein effektives E-Govern langt die Ausbildung der Topkader der Behörden ment aufstellen. In der vorliegenden Studie dienen sowie die Nutzung von Daten und modernen die politischen Handlungsfelder der Tallinn-Dekla- Auswertungsmethoden, um die digitale Trans- ration als Gliederung, nach der die E-Govern- formation voranzutreiben. ment-Anstrengungen der DACH-Länder verglichen und evaluiert werden. Nachfolgend werden sie kurz umrissen: 3 _ Ausgangslage der __ «Digital by Default», Inklusion und DACH-Länder im Überblick Zugänglichkeit Die erste Richtlinie fordert eine Verbesserung der Der Vergleich des Umsetzungsstandes in den E-Go- digitalen Interaktion zwischen Bevölkerung und vernment-Bestrebungen von Deutschland, Öster- Verwaltungen. Es sollen unnötige Behördenkon- reich und der Schweiz verdeutlicht gemeinsame He- takte vermieden und die Nutzung des digitalen rausforderungen und erlaubt, voneinander zu Kanals ermöglicht werden, indem die Dienstleis- lernen. Hierfür wurden internationale Indizes aus- tungen aus Nutzerperspektive gedacht werden. gewertet, Sekundärliteratur analysiert und Exper- __ «Once Only» teninterviews durchgeführt. Aufgrund der födera- Die zweite Richtlinie verlangt, dass Daten von len Strukturen der DACH-Länder wird die Messung Bewohnern und Unternehmen nur noch einmal von Leistungen über alle Staatsebenen erschwert von den Verwaltungen erhoben werden und setzt und es kann nicht eindeutig bestimmt werden, ob somit den Datenaustausch zwischen Verwaltun- alle hinzugezogenen Indizes die Entwicklungen gen auf nationaler und internationaler Ebene vo- akkurat spiegeln. Beispielsweise wurden in der raus. Doppelspurigkeiten sollen abgebaut werden, Vergangenheit nur digitale Dienstleistungen der indem die Kollaboration dank standardisierten Behörden auf den obersten Ebenen erfasst. Kom- Schnittstellen gefördert wird. petenzen und Aufgaben sind in den Ländern je- __ Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit doch unterschiedlich aufgeteilt. Der Einbezug ver- Die dritte Richtlinie adressiert die Einführung schiedener Studien erlaubt aber einen guten eines elektronischen Identifikationsmittels. Die Überblick über die tatsächliche Lage. sogenannte eID soll es erlauben, auch online an- spruchsvolle Geschäfte sicher durchzuführen. 3.1 _ Verschiedene Indizes und __ Offenheit und Transparenz ihre Aussagen Diese Richtlinie fordert den ungehinderten Zu- 01_ Die Sicht der internationalen Organisatio- gang zu Informationen des Staates sowie die Wie- nen: Das «United Nations E-Government Sur- dernutzung von Daten (Bsp: Statistik-, Geo-, Um- vey» misst als einzige globale Studie seit 2001 welt- oder Wetterdaten, etc.). Privatpersonen aber alle zwei Jahre die E-Government-Entwicklun- auch Unternehmen sollen ihre bei Behörden ge- gen in den 193 UN-Mitgliedstaaten. Analysiert speicherten Daten digital verwalten können. werden die Entwicklungen im Bereich E-Govern __ «Interoperabilität by Default» ment mit dem «E-Government Development Index Die fünfte Richtlinie verlangt die Festlegung von (EGDI)» (UNPAN 2016) und die Elektronische Par- Standards, damit die Informatiksysteme der Ver- tizipation mit dem «E-Participation Index (EPI)» waltungen medienbruchfrei untereinander kommu- (UNPAN 2016). Die DACH-Länder gehören mit nizieren können. Dies ist gerade für Staaten mit weiteren 26 Ländern beim EGDI zur besten föderalistischem Aufbau von grosser Bedeutung. Gruppe. Jedoch konnte die Schweiz erst 2016 __ Horizontale Befähigungsaktivitäten zur Spitze aufschliessen. Im E-Government Be- Die letzte Richtlinie zielt auf die digitalen Fähig- richt der UN von 2016 rangiert Deutschland auf keiten von Verwaltungsangestellten ab. Sie ver- Platz 15, Österreich auf Platz 16 und die Schweiz E-Government – September 2018 8
Abbildung Positive E-Government-Entwicklungen in der DACH-Region Der E-Government Development Index (EGDI) der Vereinten Nationen ist ein Vergleichsmassstab der Entwicklungen der Digitalisierung innerhalb des öffentlichen Sektors. Er setzt sich aus drei Indizes zusammen, die jeweils zu einem Drittel in den EGDI einfliessen. Die erste Komponente untersucht die Onlinepräsenz und das Onlineangebot der Mitgliedsstaaten, die zweite analysiert die Digitale- und Telekommunikationsinfrastruktur und die dritte ermittelt das Humankapital anhand des Bildungsstandes der Mitgliedsstaaten. EGDI 0-1 1 0.9 0.8 Human Capital Index 0.7 0.6 Telecommunication 0.5 Infrastructure Index 0.4 0.3 0.2 Online Service Index 0.1 0 Deutschland Österreich Schweiz Quelle: UN E-Government Survey 2018 auf Platz 28 (UNPAN 2016). Diese Ergebnisse geben Länder kein gutes Zeugnis aus. Nur 54 % der einen groben Überblick über die aktuelle Situ- befragten Personen, die 2017 E-Govern- ation im Bereich E-Government in den UNO-Mit- ment-Dienste in Deutschland in Anspruch ge- gliedstaaten. 2018 ist es Deutschland und der nommen haben, waren mit den vorhandenen Schweiz gelungen, erhebliche Verbesserungen Verwaltungsangeboten zufrieden. 2012 waren im Bereich E-Government zu erzielen. So er- es 57 %. (Initiative D21 e.V. und fortiss GmbH 2017). In reicht Deutschland Platz 12, die Schweiz Platz Österreich und der Schweiz nimmt die Zufrie- 15 und Österreich Platz 20 (vgl. Abbildung 1) (UNPAN denheit von einem etwas höherem Ausgangsni- 2018). Diese Entwicklung der beiden Länder ist veau ebenfalls ab (AT 2012: 79 %, 2017: 64 % / zum einen auf die geleisteten Anstrengungen CH 2012: 73 %, 2017: 69 %). Diese Ergebnisse im Bereich E-Government zurückzuführen und mögen auf den ersten Blick erstaunen. Aber Le- zum anderen auf den Einbezug neuer Daten, bensgewohnheiten und Ansprüche ändern sich die auch auf Lokalebene gesammelt wurden. im Verlauf der Zeit. Privatwirtschaftliche Un- Beim EPI, der den Miteinbezug der Bürger ternehmen gehen meist schneller auf die Be- durch Informations- und Kommunikations- dürfnisse ihrer Kunden ein als Verwaltungen. technologien (IKT) in politische Prozesse misst, Sie setzen Standards bezüglich Bedienungs- konnte die Schweiz 2018 die beste Gruppe er- freundlichkeit und Geschwindigkeit, an denen reichen, in der sich Deutschland und Österreich dann aber auch die staatliche Administration bereits befanden. gemessen wird. Diese ist offenbar nicht in der 02_ Die Perspektive der Bürger: Die Bewohner Lage, mit den rasch wachsenden Anforderun- selbst stellen dem E-Government der DACH- gen Schritt zu halten. E-Government – September 2018 9
Abbildung Entwicklungsstände der Informationsgesellschaften der DACH-Länder im Vergleich Der ICT Development Index (IDI) der International Telecommunication Union (ITU) untersucht Internetzugang, Internetnutzung und IKT Fähigkeiten in 173 Ländern. Alle drei DACH-Länder können eine positive Entwicklung von 2016–2017 verzeichnen. Die Schweiz, mit einem IDI Wert von 8,74 (von 10) überzeugt durch eine gute Entwicklung der digitalen Infrastruktur. IDI 0-10 10 9 8 7 6 2016 2017 5 4 3 2 1 0 Europa Durchschnitt Deutschland Österreich Schweiz Quelle: ITU So ist denn auch die Nutzung von E-Govern- ment sind sie jedoch zurückhaltender (Initiative ment-Leistungen von 45 % im Jahre 2012 auf D21 e.V. und fortiss GmbH 2017). Zwischen den befrag- 41 % im Jahre 2017 in Deutschland leicht zu- ten Verwaltungen gibt es in der Selbsteinschät- rückgegangen. Österreich konnte hingegen zung keine grossen Unterschiede. Österreich mehr Nutzer gewinnen (2012: 67 %, 2017: 74 %) sieht seine Verwaltung bezüglich der IT-bezo- und in der Schweiz bewegt sich die Nutzerbasis genen Modernisierung am positivsten. Die auf relativ konstantem Niveau (2012: 58 %, 2017: Schweiz schätzt sich hinsichtlich der allgemei- 61 %). Grundsätzlich ist ein häufig genannter nen Verwaltungsmodernisierung eher als Inno- Hinderungsgrund für die Nutzung von E-Go- vationsfolger ein. Auch in der Beurteilung des vernment-Leistungen die Unkenntnis über vor- Reifegrades der E-Government-Lösungen sind handene Angebote. Umgekehrt führt jedoch keine deutlichen Differenzen zwischen den das Wissen über die Nutzungsmöglichkeit von Ländern auszumachen. Die Österreicher und E-Government-Diensten nicht automatisch zu Schweizer bewerten ihre Verwaltungen jedoch deren Gebrauch. als etwas fortgeschrittener, als dies die Verwal- 03_ Das Selbstbild der Verwaltungen: Die Selbst- tungsangestellten in Deutschland tun. einschätzungen der DACH-Verwaltungen un- 04_ Infrastruktur und Fähigkeiten: Sowohl die terscheiden sich nicht wesentlich von der Be- digitale Infrastruktur, als auch die IKT-Fähigkei- wertung der Einwohner. Zwar sehen sich die ten sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Administrationen der Länder als tendenziell Umsetzung von E-Government. Vergleicht man «ambitionierte Verwaltungen», in der Einord- die beiden entsprechenden Indikatoren in den nung des Umsetzungsstandes von E-Govern- DACH-Ländern, bietet sich ein anderes Bild. E-Government – September 2018 10
Der «ICT Development Index (IDI)» der Interna- Drei Handlungsfelder lassen sich identifizieren: tional Telecommunication Union (ITU) erfasst __ Kultur: In den medial geführten Debatten über den Internetzugang, die Internetnutzung und die Digitalisierung des Verwaltungsapparates do- die IKT-Skills in 173 Ländern (Cosmas, et al. 2017). minieren mehrheitlich die Bedenken zum Daten- Die Schweiz belegte 2017 Platz 3, Deutschland schutz. Ängste müssen ernst genommen werden, Platz 12 und Österreich Platz 21 (vgl. Abbildung 2) (ITU, dürfen aber nicht zum Stillstand oder zur Vernach- Telecommunication Union 2017). Der Ausblick ist aber lässigung des vorhandenen Potenzials führen. Na- positiv. türlich muss der Datenschutz garantiert werden. Obschon die digitale Infrastruktur und die IKT- Er darf jedoch nicht für das Aufrechthalten der Fähigkeiten vorhanden wären, verdichten die oben oft vorhandenen Silo-Strukturen herhalten. Eben- erwähnten Studien das Bild einer für hoch entwickel- falls muss Cyber-Sicherheit gewährleistet werden, te Länder ungenügenden digitalen Ver wal tungs sie darf aber nicht zu Denkverboten führen. leistung. Auch wenn die einzelnen Berichte metho- Auch innerhalb der Verwaltungsorganisationen dische Schwierigkeiten in der objektiven Erfassung bedarf es eines Kulturwandels. Das Hierarchie- des Ist-Zustandes aufweisen, weil sie Länder mit un- oder Legalitätsprinzip sollte durch Prinzipien der terschiedlichen Strukturen vergleichen oder unge- Digitalisierung und der Effizienz sowie Effektivi- naue Indikatoren heranziehen, liefern sie doch we- tät ergänzt werden, und die eigenen Mitarbeiter sentliche Indizien für bestehenden Handlungsbedarf. müssen von den Vorteilen der digitalen Verwal- tungsführung überzeugt sein. Sie sind der eigent- 3.2 _ Kultur, Kooperation und liche Schlüssel in der erfolgreichen Umsetzung Kommunikation als Herausforderung der Digitalisierung der Verwaltung. Die Digita- für E-Government lisierung der Verwaltung ist nicht gleichbedeu- Trotz zahlreichen Publikationen in der Vergangen- tend mit der Umsetzung von IT-Projekten. Viel- heit, die in unterschiedlichem Ausmass auf das Op- mehr handelt es sich um die Gestaltung von timierungspotenzial des E-Governments in den ein- Prozessen unter dem Einbezug neuer Technolo- zelnen DACH-Staaten hinweisen _2 , tun sich vor gien. Neben juristischem oder ökonomischem allem Deutschland und die Schweiz mit technikin- Wissen ist heute «Computational Thinking» – also duzierten Verwaltungsreformen schwer. Die Qua- ein Verständnis von Problemlösungsstrategien lität der öffentlichen Dienstleistungen ist von hoher aus der Informatik – notwendig. Über die Perso- Rechtssicherheit und von gewachsenen fachlichen nalentwicklung können die dazu relevanten Fä- Zuständigkeiten geprägt. Bewohner, Unternehmen higkeiten aufgebaut werden. und die Verwaltung selber haben sich mit der be- __ Kooperation: Obwohl der föderale Staatsaufbau stehenden Arbeitsweise arrangiert. Dies legt den in Deutschland, Österreich und der Schweiz un- Schluss nahe, dass der Leidensdruck (noch) nicht terschiedlich stark ausgeprägt ist, stellt er ein zen- hoch genug ist oder sich keine durchsetzungsstar- trales verbindendes Element dar. Dabei sind die ken Interessengruppen gebildet haben, um die not- Länder unterschiedlich stark in ihren E-Govern- wendigen Reformen anzustossen. Häufig liegt es ment-Reformen von der Kompetenzverteilung denn auch nicht am mangelnden Willen der Ver- auf die verschiedenen Ebenen betroffen. Zwar waltung, sondern eher am fehlenden Bewusstsein erschwert die föderale Struktur die schnelle Ein- für die Dringlichkeit der Digitalisierung. führung von E-Government-Vorhaben, sie kann 2 «E-Government in Deutschland: Vom Abstieg zum Aufstieg» (Fromm, Welzel, Nentwig und Weber 2015), «Bürokratieabbau. Bessere Rechtsetzung. Digitalisierung. Erfolge ausbauen – Rückstand aufholen» (Nationaler Kontrollrat 2017), «Digitale Verwaltung Schweiz. Wie gelingt der Aufstieg zur Spitze?» (Frey, Rogg und Schmid 2017) oder «E-Government in Kantonen auf dem Vormarsch, aber durch fehlende Personalressourcen gebremst» (g fs bern 2012). E-Government – September 2018 11
aber auch zum Vorteil genutzt werden, indem die einzelnen Gebietskörperschaften als Versuchsla- 4 _ Deutschland bore dienen. Voraussetzung dafür ist Kooperati- Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung on in horizontaler als auch vertikaler Hinsicht. steht in Deutschland bereits acht Jahre auf der Die Verwaltungen der Bundesländer, Kantone, Agenda. Seit September 2010 verfolgt die Bundes- Kommunen und Gemeinden müssen sich über republik die Nationale E-Government-Strategie ihre Erfahrungen austauschen und den Aufbau (NEGS), die regelmässig evaluiert und aktualisiert der Infrastruktur koordinieren. wird. Sie zielt darauf ab, Regelungen für eine Ebe- Kooperationen und der Einsatz gemeinsamer nen-übergreifende Zusammenarbeit zu schaffen, IT-Lösungen funktioniert allerdings nur dann ef- wobei Bund, Länder und Kommunen nach Mög- fektiv, wenn – trotz föderaler Strukturen – ge- lichkeit abgestimmte Lösungen anstreben (IT-Pla- meinsame Standards und Schnittstellen geschaf- nungsrat 2018). In die kommenden Aktualisierungen fen und respektiert werden. Hierzu gehört der NEGS sollen auch die Grundsätze der Erklärung beispielsweise auch das Basiselement der elektro- von Tallinn über elektronische Behördendienste nischen Identität. Im Gegensatz zu Österreich einfliessen (Europäische Kommission 2018). muss insbesondere die Schweiz bei der eID noch Die rechtlichen Voraussetzungen für ein breites für eine grössere Durchdringung und somit für Angebot elektronischer Dienstleistungen der Ver- Anwendungsfälle sorgen. waltung in Deutschland wurden 2013 mit der Ver- __ Kommunikation: Der gesellschaftliche Mehr- abschiedung des E-Government-Gesetzes (EGovG) wert der Digitalisierung von öffentlichen Dienst- geschaffen (BMJV 2018). Mit dem IT-Planungsrat küm- leistungen hat sich in den Köpfen noch nicht aus- mert sich seit 2010 ein eigenes Gremium um die reichend festgesetzt. Hierzu braucht es föderale Zusammenarbeit und Standardsetzung Botschafter innerhalb der Verwaltungen, aber bei der Digitalisierung. Ausserdem existieren zahl- auch gezielte Information gegen aussen. Oftmals reiche von der Bundesregierung ins Rollen gebrach- ist Unwissenheit über das bereits vorhandene di- te Programme wie die «Digitale Agenda 2014-2017», gitale Angebot dafür verantwortlich, dass E-Go- die «Digitale Verwaltung 2020», der «Nationale Ak- vernment-Dienstleistungen nicht in Anspruch ge- tionsplan zur Umsetzung der Open-Data-Charta nommen werden. Da sich die Interaktionen der G8» und die «Digitale Strategie 2025». Viele zwischen Bürger und Staat in der Regel auf we- ähnliche Programme und Pläne gibt es auf Ebene nige Male im Jahr beschränken, prägen alte Er- der Bundesländer und Kommunen. Dies überträgt fahrungswerte das Verhalten der Verwaltungs- sich auch auf die konkreten Aktivitäten der öffent- kunden. Neue Dienstleistungen, die online zur lichen Verwaltung, auch auf der untersten Verwal- Verfügung stehen, müssen deshalb in passender tungsebene: Fast alle Kommunen in Deutschland Form kommuniziert werden. haben beispielweise inzwischen einen Internetauf- Aber nicht nur die Kenntnis von Online-Diens- tritt. Mehr als 80 % der lokalen Behörden bieten ten ist entscheidend, sondern auch die Nutzer- Online-Dienstleistungen an (Europäische Kommission freundlichkeit spielt eine wichtige Rolle. Dienst- 2018). leistungen und Prozesse müssen strikt aus Trotz dieser Bemühungen besteht noch erhebli- Verwaltungskundensicht gedacht und implemen- cher Optimierungsbedarf bei der Durchsetzung tiert werden. Unter anderem entspricht es den von E-Government in Deutschland, wie die folgen- heutigen Lebensgewohnheiten, viele Tätigkeiten den Abschnitte illustrieren. Allein die Vielfalt der von unterwegs zu erledigen. strategischen Initiativen zeigt, dass es bislang noch keinem Akteur gelungen ist, E-Government mit ei- nem starken Gestaltungsanspruch exklusiv oder na- hezu exklusiv zu besetzen. Erfahrungen aus ande- E-Government – September 2018 12
Abbildung Digitalisierung der Kommunen Index Digitale Kommune nach Bundesländern; je dunkler die Einfärbung, desto digitaler die Kommunen des jeweiligen Bundeslandes. 67.6 22.1 Quelle: Kompetenzzentrum Öffentliche IT (Darstellung leicht modifiziert) ren Ländern zeigen jedoch, dass eine überzeugende Kategorien Zugang (Faktoren: Auffindbarkeit in Ebenen-übergreifende Strategie, die eine gemein- Suchmaschinen, Klicks zum Formular, fehlende same Vision der digitalen Verwaltung formuliert Weiterleitungen), Nutzen (Anzahl der On- und die volle Unterstützung aller beteiligten Ak- line-Dienste, Auffindbarkeit von Formularen), Be- teure hat, ein wichtiger Erfolgsfaktor für die effizi- nutzbarkeit (Antwortzeit der Startseite, Seiten- ente Implementierung, Umsetzung und Nutzung grösse etc.), Verbindlichkeit (Statusinformationen von E-Government ist (prognos / Behörden Spiegel 2017). zum Bearbeitungsstand), Offenheit (Anliegenma- Der eGovernment Benchmark Report (Europäische nagement, Einsatz sozialer Medien etc.), Basiskom- Kommission 2017) bescheinigt Deutschland zwar ein ponenten wie das Vorhandensein eines Bürgerkon- mittelhohes Level an Digitalisierung, aber eine ge- tos und von ePayment sowie Zusammenarbeit ringe Penetration: Die Anzahl der Nutzer sei aus- (Weiterleitung zu zuständigen Stellen). Während baufähig, heisst es in der Studie. Beim EGDI 2016 sich für die Benutzbarkeit ein homogenes Bild er- (UNPAN 2016) belegt Deutschland international einen gibt, bei dem alle Bundesländer um die 60 (+ / - 8) guten Platz 15, in Europa Platz acht. Bereits 2018 ist Indexpunkte von 100 erreichen, streut die Verbind- es Deutschland gelungen im EGDI Ranking (vgl. Ab- lichkeit über den gesamten Wertebereich von 0 bis bildung 1) den 12. Platz zu erreichen. Ebenfalls ist ein 100. Bei der Gesamtbetrachtung liegen die Stadt- Anstieg in allen drei EGDI-Komponenten zu ver- staaten Berlin, Hamburg, und Bremen vorne. Unter zeichnen. den Flächenstaaten weist einzig Nordrhein-Westfa- Dies zeigt auch der Index des Kompentenzzent- len einen Indexwert über 40 auf. Die erhebliche rums Öffentliche IT (2017) zur Messung der Digi- Streuung des Gesamtindex zwischen 22,1 und 67,6 talisierung der Kommunen. Er berücksichtigt die (vgl. Abbildung 3) zeigt die sehr ungleiche Entwicklung E-Government – September 2018 13
Abbildung Online-Einreichungen an Behörden Anteil der Personen, die das Internet für das Einsenden ausgefüllter Formulare an Behörden nutzen; in %. in % 100 90 80 70 60 50 40 30 EU 28 Deutschland 20 10 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Quelle: IW Köln, Eurostat der Kommunen in Deutschland, was auch die Zu- mit höherer Bildung. Das sind sogar weniger als im sammenarbeit mit den höheren Verwaltungsebe- Jahr 2012. Durchschnittlich nutzen Menschen 2,7 nen erschwert. Um von erfolgreichem E-Govern- Mal pro Jahr E-Government-Angebote. Lediglich die ment in Deutschland sprechen zu können, muss Hälfte der Nutzenden in Deutschland ist mit den die Qualität von E-Government kommunen- und vorhandenen digitalen Verwaltungsangeboten zu- bundesländerübergreifend homogen und hoch frieden, Tendenz fallend. sein. Laut Eurostat (2018a) holt etwa die Hälfte der Deutschen im Internet Informationen von Behör- 4.1 _ Digital by Default, Inklusion den ein. Der Anteil derjenigen Deutschen, welche und Zugänglichkeit offizielle Formulare von Behörden aus dem Inter- Die Nutzung der bestehenden E-Government-Ange- net herunterladen, ist mit knapp über 30 % deutlich bote in Deutschland ist niedrig und liegt deutlich geringer und weist über die vergangenen Jahre auch unter dem der Vergleichsländer. Laut dem eGovern keinen eindeutigen Aufwärtstrend auf. Deutlich ist ment Monitor 2017 der Initiative D21 hat die Zahl auch der Unterschied zwischen dem Anteil der der E-Government-Nutzenden in Deutschland im Deutschen, die das Internet für das Einsenden aus- Vergleich zum Vorjahr um vier Prozentpunkte ab- gefüllter Formulare an Behörden nutzen, und dem genommen, obwohl die angebotenen Dienstleis- EU-Durchschnitt. Mit 18 % ist Deutschland im tungen zunehmen. Insgesamt haben nur vier von EU-Vergleich stark unterdurchschnittlich (Abbildung 4). zehn Internetnutzenden in den vergangenen 12 Mo- Ein tatsächlich breiter Austausch zwischen Bürge- naten die Online-Angebote der Behörden in An- rinnen und Bürgern und den Behörden scheint in spruch genommen, darunter vor allem Menschen Deutschland nicht stattzufinden. E-Government – September 2018 14
Das bestätigt auch die Studie der Initiative D21 (In- viele Angebote nicht genutzt. Ein weiteres Hinder- itiative D21 e.V. und fortiss GmbH 2017). Ihr zufolge werden nis ist, dass neue Hardware angeschafft werden Bürgerinformationsdienste in Deutschland ober- muss, sowie dass die Durchgängigkeit fehlt, Vor- flächlich genutzt. 67 % der Befragten informieren gänge also nicht komplett online erledigt werden sich über Zuständigkeiten, Öffnungszeiten oder können. Hauptgründe für eine vermehrte Nutzung Kontaktdaten auf der Internetseite ihrer Stadt oder sind Zeit- und Kostenersparnisse sowie die Mög- Kommune. 58 % schauen Informationen zu kom- lichkeit, den aktuellen Status der Bearbeitung on- munalen Freizeitangeboten online nach. Lediglich line abzufragen. 40 % nutzen die Möglichkeit, die Steuererklärung Generell lässt sich anhand des Networked Readi- online abzugeben; 34 % nutzen die Online-Termin- ness Index (Abbildung 11) ableiten, dass Deutschland be- vereinbarung. Komplexere Dienste wie die Bean- reit ist, die Vorteile der IKT zu nutzen. In den vier tragung von Ausbildungsförderung oder Elterngeld verschiedenen Sub-Indizes schneidet Deutschland werden von weniger als einem Zehntel der Befrag- am besten im «Readiness-Subindex» ab, wobei deut- ten online erledigt. Dabei liegt die Nutzung von liche Schwächen im Bereich der Erschwinglichkeit E-Government-Angeboten deutlich hinter ihrer Be- für den IKT Zugriff zu verzeichnen sind. Hier er- kanntheit. Zum Teil nutzt nur die Hälfte derjeni- reicht Deutschland lediglich Platz 55. Im «Usage gen, die von einem der Angebote wissen, dieses Subindex» zeigt sich ein klarer Unterschied zwi- auch tatsächlich. Auch das Interesse der Befragten schen Regierung und Wirtschaft. Während die an der Nutzung entsprechender Angebote ist meist Business Usage den 6. Platz belegt, kann die Govern weit höher als die Nutzung. Das Nutzungspotenzi- ment Usage lediglich den 30. Rang erreichen. al wird also nicht ausgeschöpft. Dies bestätigt auch der eGovernment Benchmark 4.2 _ Das Prinzip «Once Only» Report (vgl. Abbildung 10) (Europäische Kommission 2017). Im «Once Only» beinhaltet, dass Bürgerinnen und Bür- weltweiten E-Participation-Index der Vereinten Na- ger ihre Daten nur einmal in einer Behörde ihres tionen (UNPAN 2016) schafft es Deutschland auf den jeweiligen Mitgliedsstaates angeben müssen. Das 23. Platz (Abbildung 8). Damit erreicht Deutschland den wollen viele Nutzerinnen und Nutzer in Deutsch- höchsten Wert innerhalb der DACH-Region. Ent- land jedoch gar nicht. Lediglich 12 % der von der gegen der Studie der Initiative 21, misst der E-Par- Initiative D21 befragten Onliner erachten die gren- ticipation Index nicht die Nutzung von E-Govern- züberschreitende Weitergabe einer neuen Adresse ment Anwendungen, sondern untersucht die drei nach einem Umzug in Europa als positiv. Nur 14 % Subkategorien E-Information, E-Consultation und bringen den Aspekt, wonach der Staat ihre Daten E-Decision-Making. In dem digitalen Einbezug der nur ein einziges Mal erfasst und alle notwendigen Entscheidungsfindung (E-Decision Making) kann Daten künftig von allen europäischen Behörden Deutschland 2018 100 % erreichen. wiederverwendet werden können, mit einer mo- Vor diesem Hintergrund sollte der Frage nach- dernen Behörde in Verbindung. Geht es um die in- gegangen werden, was für die Bürgerinnen und nerstaatliche Datenweitergabe, findet immerhin Bürger in Deutschland gegen die Nutzung von ein Drittel der Befragten in Deutschland das «On- E-Government spricht und welche Massnahmen ge- ce-Only»-Prinzip modern. troffen werden müssen, um das Nutzererlebnis und 52 % der Befragten im Jahr 2017 (8 Prozentpunk- damit die Attraktivität von E-Government zu erhö- te mehr als im Vorjahr) möchten statt «Once-Only» hen. In der Studie der Initiative D21 gelten für die alle Kontakt- und Vertragsdaten selbst aktualisie- Befragten als Hauptbarriere, dass sie die Online-An- ren, da sie der automatisierten Abfrage und Zusam- gebote nicht kennen. Knapp jedem zweiten Befrag- menstellung von Verwaltungsdaten skeptisch ge- ten sind die digitalen Angebote bisher nicht be- genüberstehen. Nur 35 % möchten, dass ihre kannt. Allerdings werden auch bei Bekanntheit Kontakt- und Vertragsdaten anhand der vorliegen- E-Government – September 2018 15
den Informationen von den Behörden automatisch läuft schleppend. Zwar besitzt fast die Hälfte der aktualisiert werden (Initiative D21 2018). Damit sind die Deutschen einen elektronischen Personalausweis. Deutschen beim Umgang mit persönlichen Daten Nur 30 % davon haben sich bisher für den elektro- deutlich vorsichtiger und sicherheitsbewusster als nischen Identifikationsnachweis freischalten las- die in der Studie ebenfalls befragten Schweizer. sen. Seit Juli 2017 wird bei neu beantragten Perso- Auch die relativ hohen, tendenziell zunehmen- nalausweisen deshalb die Funktion automatisch den Datenschutzbedenken in Deutschland könn- freigeschaltet (Borchers 2017). Um die eID-Funktion ten einer grösseren Aufgeschlossenheit gegenüber letztlich nutzen zu können, wird zusätzlich ein Le- dem «Once-Only»-Prinzip im Weg stehen. In Euro- segerät benötigt. Nur etwa 5 % der Deutschen be- pa ist laut einer Studie von Symantec (2015) ledig- sitzen ein solches Gerät (Initiative D21 2018). Immerhin lich in Spanien der Anteil derjenigen, die starke würden 22 % der Befragten die eID-Funktion nut- Bedenken beim Datenschutz haben, höher als zen, wenn dazu kein eigenes Lesegerät nötig wäre. der Anteil der Bedenkenträger in Deutschland. Das wäre etwa möglich, wenn nach einmaliger Der folgende Abschnitt geht auf diesen Aspekt ge- Identifizierung mittels Handy-Signatur TANs auf nauer ein. das Handy geschickt würden (Initiative D21 2018). 29 % würden eID nutzen, wenn Behörden ihnen ein kos- 4.3 _ Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit tenloses Lesegerät zur Verfügung stellen würden. Die deutschen Internetnutzer erwarten ein hohes Diejenigen, die die Funktion theoretisch nutzen Sicherheitsniveau, wenn es um die Legitimierung könnten, haben sie zu 58 % noch nie genutzt. Die bei bestimmten Diensten im Internet geht, vor al- meistgenutzte Anwendung der eID-Funktion ist lem, je sensibler die betroffenen Daten sind (Initiative mit 15 % die ELSTER-Registrierung für die On- D21 2018). Ein hohes Sicherheitsniveau wünschen sich line-Steuerklärung. Das grösste Hemmnis für die die Deutschen insbesondere bei der Eröffnung ei- Nutzung von eID sind bezeichnenderweise man- nes neuen Bankkontos, beim Beantragen eines neu- gelnder Datenschutz und mangelnde Datensicher- en Personalausweises und bei der Abgabe der Steu- heit. Auch werden viele Befragte von möglichen ererklärung. Folgekosten wie etwa der Anschaffung des Karten- 55 % der Befragten der Studie der Initiative D21 lesegerätes abgeschreckt. (2018) mit Bedenken bei Datensicherheit und Daten- Im EU-Vergleich schneidet Deutschland im Be- schutz (insgesamt 48 % der Studienteilnehmenden) reich eID mit 68 Punkten überdurchschnittlich ab befürchten einen «gläsernen Bürger», ein ebenso ho- (Europäische Kommission 2017), was jedoch bei 100 insge- her Anteil fürchtet eine mangelnde Datensicherheit samt zu erreichenden Punkten auch kein gutes Er- bei der Datenübertragung. 54 % haben Angst vor gebnis ist, sondern viel Verbesserungspotenzial Datendiebstahl. Diese Anteile haben im Vergleich zeigt (vgl. Abbildung 10). In einem Punkt jedoch nimmt zur Vorjahresstudie insgesamt um vier bis sieben Deutschland eine Vorreiterrolle ein: Am 22. August Prozentpunkte zugelegt. Es ist also offenbar bislang 2017 hat die Bundesrepublik Deutschland die On- nicht gelungen, Bürgern zu vermitteln, dass ihre Da- line-Ausweisfunktion des Personalausweises und ten sicher erhoben und verarbeitet und nicht miss- Aufenthaltstitels auf dem höchstmöglichen Ver- braucht werden. Jüngere Befragte geben in der Regel trauensniveau gemäss eIDAS-Verordnung an die bereitwilliger persönliche Daten preis. Viele Befrag- EU-Kommission notifiziert. Im Rahmen des Noti- te sehen die Weitergabe ihrer Daten innerhalb der fizierungsverfahrens wurde das deutsche eID-Sys- EU kritisch (siehe «Once-Only»-Prinzip). Nur jeder tem einer Begutachtung unterzogen. Alle EU-Mit- achte deutsche Onliner ist gegenüber der Weitergabe gliedstaaten befanden, dass die eID-Funktion alle etwa seiner neuen Adresse offen. Anforderungen der eIDAS-Verordnung für das Ver- Die Implementierung der für die Vertrauenswür- trauensniveau «hoch» erfüllt. Bis zum 29.09.2018 digkeit und Sicherheit elementaren eID-Funktion sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Ver- E-Government – September 2018 16
waltungsverfahren, welche eine elektronische Iden- Neben Open Data sind Informationsfreiheitsanfra- tifizierung auf «substanziellem» oder «hohem» Ver- gen ein weiterer Indikator für die Offenheit der trauensniveau benötigen, für die deutsche Verwaltung, also Anfragen von Bürgerinnen und Online-Ausweisfunktion zu öffnen (BSI 2017). Bürgern an Institutionen und Behörden auf Lan- des- und Bundesebene. Je mehr Anfragen gestellt 4.4 _ Offenheit und Transparenz und beantwortet werden, desto offener ist das Ver- Offene Verwaltungsdaten steigern die Akzeptanz waltungshandeln einzuschätzen. Das gemeinnüt- öffentlicher Entscheidungsprozesse und ermögli- zige Portal FragDenStaat bietet Bürgerinnen und chen, neues Wissen zu gewinnen und durch ihre Bürgern zentral und standardisiert die Möglichkeit, Nutzung in innovativen Anwendungen den Alltag Anfragen an Verwaltungen gemäss den Informati- zu erleichtern (GovData 2018). Die Öffnung der Daten onsfreiheitsgesetzen des Bundes und einiger Länder birgt überdies ein enormes wirtschaftliches Poten- zu stellen (FragDenStaat 2018). Seit der Initiierung des zial. Am 18. Mai 2017 hat der Deutsche Bundestag Portals 2011 sind 20 562 solcher Anfragen eingegan- den Entwurf des ersten Gesetzes zur Änderung des gen, 38 % von ihnen waren erfolgreich und wurden E-Government-Gesetzes verabschiedet. Dieser setzt beantwortet, 8 % waren teilweise erfolgreich und die Forderungen aus dem G8-Aktionsplan nach ei- 8 % wurden abgelehnt (Stand 3.7.2018). Die anderen nem verbindlichen Open-Data-Gesetz um. Behör- wurden zum Teil zurückgezogen oder sind noch in den der unmittelbaren Bundesverwaltung müssen Bearbeitung. Auffällig ist, dass die Anzahl der An- die bei ihnen vorhandenen elektronischen Daten fragen je nach Bundesland stark variiert und nicht zukünftig standardmässig veröffentlichen – voraus- allein mit den unterschiedlichen Bevölkerungszah- gesetzt, die Daten sind für eine Veröffentlichung len zu erklären ist. Die meisten Anfragen (12 585) geeignet und bestimmte Datenschutzstandards fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. werden eingehalten. Die entgeltfreie Bereitstellung, Das bevölkerungsreichste Bundesland Nord- der freie Zugang zu den Daten sowie die Maschi- rhein-Westfalen mit 17,89 Mio. Einwohnern (Destatis nenlesbarkeit müssen gewährleistet werden. 2016) liegt mit 2087 Anfragen im Ländervergleich Das zentrale Datenportal für Deutschland ist vorne (vgl. Abbildung 5). Das zweitbevölkerungsreichste GovData. 11 von 16 Bundesländern beteiligen sich Bundesland Bayern (12,93 Mio. Einwohner) weist an diesem Portal und stellen die Daten ihrer Insti- lediglich 182 Anfragen auf. Spitzenreiter bei der re- tutionen über die Plattform allen Interessenten zur lativen Anfrageanzahl ist Hamburg: In dem Stadt- Verfügung, darunter Baden-Württemberg, Berlin, staat gab es bis dato bei einer Bevölkerung von 1,81 Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklen- Mio. Einwohnern 1062 Anfragen. Auf Basis dieser burg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rhein- Daten erscheint die Offenheit und Transparenz der land-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thü- Verwaltung je nach Bundesland sehr unterschied- ringen. Dass nicht alle Bundesländer sich an lich und ausbaufähig. GovData beteiligen, weist auf ein deutliches Ver- Diese Schlussfolgerung wird insgesamt auch besserungspotenzial hin. Generell ist es sinnvoll, vom OURdata Index der OECD bestätigt, in dem ein zentrales Portal mit möglichst umfangreichen, Deutschland im DACH-Vergleich am schlechtesten vergleichbaren, aggregierbaren Daten zu fördern. abschneidet. Besonders mangelhaft bewertet die Die potenziellen positiven Externalitäten in Form Studie die staatliche Unterstützung für die Daten- von Netzwerkeffekten und Effizienzgewinnen verwendung. Bei der Studie eGovernment kommen nur zustande, wenn möglichst viele Be- Benchmark (Europäische Kommission 2017) schneidet hörden, Ämter und Länder ihre Daten in ein zen- Deutschland im EU28-Vergleich mit 65 % zu 59 % trales Portal einspeisen und möglichst viele Unter- in der Kategorie Openness zwar leicht überdurch- nehmen und Bürger dieses nutzen (Bahrke, Kempermann schnittlich ab, weist aber noch Verbesserungspo- und Schmitt 2017). tenzial auf. E-Government – September 2018 17
Abbildung Informationsfreiheitsanfragen Informationsfreiheitsanfragen nach Bundesländern auf dem Portal FragDenStaat. Anzahl Anfragen 2500 2000 1500 1000 500 0 Baden- Mecklenburg- Rheinland- Sachsen- Schleswig- NRW Pfalz Anhalt Saarland Württemberg Brandenburg Hamburg Bayern Berlin Bremen Hessen Vorpommern Niedersachsen Sachsen Holstein Thüringen Quelle: FragDenStaat 4.5 _ Interoperabilität by Default Freistaates Sachsens (SMI 2018) heisst es etwa: «Die für Interoperabilität ist im Rahmen der Umsetzung die durchgängige elektronische Bearbeitung der von E-Government in Deutschland insofern eine He- wichtigsten Verwaltungsverfahren notwendigen rausforderung, als dass die Bundesrepublik mit ih- Interoperabilitätsstandards werden kurzfristig ren 16 Bundesländern und 11 254 Gemeinden und identifiziert und langfristig implementiert.» gemeindefreien Gebieten (Stand 31.3.2018) (Schubert 2018) ein sehr föderales System mit vielen Playern auf 4.6 _ Horizontale Befähigungsaktivitäten / unterschiedlichen Verwaltungsebenen ist. Wird der Basisbefähigungen private Sektor eingebunden, steigt die Komplexität Die gesellschaftlichen Grundvoraussetzungen für abermals. Der Koordinationsaufwand ist hoch und erfolgreiches E-Government in Deutschland sind in kann nicht allein durch den IT-Planungsrat, ein po- grossen Teilen gegeben. Die deutsche Bevölkerung litisches Steuerungsgremium von Bund und Län- ist im EU28-Vergleich überdurchschnittlich digital. dern (s. Einleitung Kapitel 4), abgefangen werden. Die Na- Laut den Information-Society-Indikatoren von Eu- tionale E-Government-Strategie (NEGS) zielt darauf rostat (2018c) liegt der Anteil der Haushalte, die ei- ab, Interoperabilität im Sinne der Wiederverwen- nen Internetanschluss haben mit 93 % im Jahr 2017 dung gemeinsamer Lösungen und der Vermeidung sechs Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt von Duplikationen von Service-Infrastrukturen zu (vgl. Abbildung 6). verbessern bzw. gewährleisten. Seit 2008 ist dieser Anteil von 75 % an kontinu- Auch in den E-Government-Strategien der einzel- ierlich gestiegen. Der Anteil der Unternehmen mit nen Bundesländer spielt Interoperabilität eine Rol- Internetanschluss liegt sogar bei 97 % (Eurostat 2018c). le. In der Strategie für IT und E-Government des Auch der Anteil der Personen in Deutschland, die E-Government – September 2018 18
Abbildung Informationsgesellschaft Anteil der deutschen Haushalte mit Internetanschluss sowie Anteil der Personen in Deutschland, die mindestens einmal pro Woche das Internet nutzen; in % in % 100 90 80 70 60 50 40 30 20 Internetanschluss DE Internetanschluss EU 10 Nutzung DE Nutzung EU 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Quelle: IW Köln, Eurostat mindestens einmal pro Woche das Internet nutzen, kapital-Faktor des DESI (Abbildung 9) ist ebenfalls noch liegt über dem EU-Durchschnitt und betrug 2017 viel Luft nach oben. 87 % (vgl. Abbildung 6). Damit ist das Internet gewisser- Generell haben die digitalen Kompetenzen in der massen omnipräsent. deutschen Bevölkerung laut einer Studie der Initia- Bezüglich der Breitbandverfügbarkeit sowohl tive D21 (2018) zugenommen. Die digitale Spaltung für Unternehmen als auch für Haushalte hat zwischen den Geschlechtern und den Altersgrup- Deutschland zwar in den vergangenen Jahren auf- pen besteht jedoch fort: Tendenziell haben eher jun- geholt, allerdings gibt es vor allem in ländlichen ge Menschen und Männer digitale Kompetenzen. Regionen noch zahlreiche Lücken, die einer tat- Insgesamt 70 % der befragten deutschen Bürgerin- sächlich flächendeckende Nutzung von E-Govern- nen und Bürger trauen sich eine Internetrecherche ment entgegenstehen (Berger und Koppel 2017). zu – fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 12 Ebenfalls besteht Aufholbedarf hinsichtlich der Millionen Deutsche gelten jedoch als digital Abseits- Digitalkompetenzen der einzelnen Bürgerinnen stehende, nutzen also das Internet nicht. und Bürger. Auch wenn die Mehrheit das Internet nutzt, beschränkt sich diese Nutzung oftmals auf 4.7 _ Konkrete Handlungsempfehlungen recht einfache Tätigkeiten (siehe Digital by Default, für Deutschland Inklusion und Zugänglichkeit). Im EU28-Vergleich Insgesamt besteht in Deutschland bezüglich der sind die «Digital Skills» der Deutschen laut Euro- untersuchten Aspekte des E-Governments noch päischer Kommission (2017) mit 59 % im Vergleich deutlicher Optimierungsbedarf. Insbesondere fällt zu 51 % leicht überdurchschnittlich, aber auf einem auf, dass viele rechtliche und auch strukturelle insgesamt niedrigen Level. Gemäss dem Human- Rahmenbedingungen bereits gegeben sind. Den- E-Government – September 2018 19
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