Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik - SWP-Studie Felix Heiduk / Gudrun Wacker
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SWP-Studie Felix Heiduk / Gudrun Wacker Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Bedeutung, Umsetzung und Herausforderung Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit SWP-Studie 9 Mai 2020, Berlin
Kurzfassung ∎ Immer mehr Staaten und Regionalorganisationen verwenden den Begriff »Indo-Pazifik«. Er verdrängt zunehmend das bisher übliche Konstrukt »Asien-Pazifik«. In Europa hat bisher nur Frankreich eine eigene »Indo- Pazifik«-Konzeption vorgelegt. ∎ Hinter der Verwendung des Begriffs »Indo-Pazifik« verbergen sich unter- schiedliche, teilweise divergente Konzeptionen. Diesen liegen wiederum sehr verschiedene ordnungspolitische Vorstellungen zugrunde. Allen gemein ist der Verweis auf die Wichtigkeit einer regelbasierten inter- nationalen Ordnung. ∎ »Indo-Pazifik« ist ein politischer Begriff und daher weder allein beschrei- bend noch wertneutral. Insbesondere das Konzept des »Free and Open Indo-Pacific« der Trump-Administration zielt auf die Eindämmung Chinas ab und ist somit Ausdruck der wachsenden strategischen Rivalität zwi- schen Washington und Peking. In Peking wird »Indo-Pazifik« primär als gegen China gerichtete, US-geführte Eindämmungsstrategie verstanden. ∎ Andere Akteure, zum Beispiel die ASEAN oder Indien, betonen in ihren Indo-Pazifik-Konzeptionen Aspekte wie wirtschaftliche Prosperität, Konnektivität und multilaterale Kooperation. ∎ Die EU und ihre Mitgliedstaaten sehen sich verstärkt Druck aus Washing- ton ausgesetzt, sich direkt oder indirekt zum »Indo-Pazifik« zu bekennen – und damit aus Sicht der USA für Washington und gegen Peking. Bei ihren Überlegungen sollten sich die Europäer nicht auf diese Nullsummen- Logik einlassen. ∎ Der EU und ihren Mitgliedstaaten stehen drei idealtypische Handlungs- optionen offen: »Äquidistanz«, »Alignment« und »Autonomie«. Um sich für eine Option entscheiden zu können, müssen die Europäer ihre wirt- schaftlichen, sicherheitspolitischen und ordnungspolitischen Interessen in der Region klären und die notwendigen Ressourcen zu ihrer Umset- zung bereitstellen.
SWP-Studie Felix Heiduk / Gudrun Wacker Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Bedeutung, Umsetzung und Herausforderung Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit SWP-Studie 9 Mai 2020, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus- zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet. SWP-Studien unterliegen einem Verfahren der Begut- achtung durch Fachkolle- ginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review), sie werden zudem einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP- Website unter https:// www.swp-berlin.org/ueber- uns/qualitaetssicherung/. SWP-Studien geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder. © Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2020 SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3–4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-200 www.swp-berlin.org swp@swp-berlin.org ISSN 1611-6372 doi: 10.18449/2020S09
Inhalt 5 Problemstellung und Empfehlungen 7 »Indo-Pazifik«: Die Konstruktion einer Region 11 Der Indo-Pazifik: Entstehung, Zielsetzungen, Schwerpunkte und Ordnungsvorstellungen 11 Die »Free and Open Indo-Pacific«-Strategie der USA 17 Der »Free and Open Indo-Pacific« Japans: Von der Strategie zur Vision 21 Australien und der Indo-Pazifik als fester regionaler Bezugsrahmen 24 Indiens »Act East«-Politik und der Indo-Pazifik 27 Der »ASEAN Outlook on the Indo-Pacific« 29 Zwischenfazit 32 Chinas Reaktion auf den Indo-Pazifik 32 Die Wahrnehmung des Indo-Pazifik in China 35 Chinesische Initiativen in Reaktion auf den Indo-Pazifik 35 Der Indo-Pazifik als Eindämmungsstrategie 37 Wo steht Europa mit Blick auf den Indo-Pazifik? 38 Die Indo-Pazifik-Konzeption Frankreichs 40 Initiativen Frankreichs und anderer europäischer Staaten 42 Schlussfolgerungen und Empfehlungen: Wie sollten EU und Mitgliedstaaten mit dem »Indo-Pazifik« umgehen? 45 Abkürzungen
Dr. Felix Heiduk ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Asien. Dr. Gudrun Wacker ist Senior Fellow in der Forschungs- gruppe Asien.
Problemstellung und Empfehlungen Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik. Bedeutung, Umsetzung und Heraus- forderung In Asien sind in den letzten Jahren konkurrierende Ordnungsvorstellungen für die Region entstanden, die multiples Konfliktpotential bergen. Fast 70 Jahre lang war das vielfach als »Pax Americana« bezeich- nete, von den USA dominierte Ordnungssystem im asiatisch-pazifischen Raum nicht in Frage gestellt worden. Dies hat sich in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts gewandelt. Im Kontext des Aufstiegs Chinas zur größten Volkswirtschaft der Welt, der auch in politischer und militärischer Hinsicht die regionale Machtbalance verändert hat, hat Peking eigene ordnungspolitische Ideen und Initiativen lanciert. Dahinter steht der zunehmende Anspruch Pekings, die regionale (und internationale) Ordnung gemäß den eigenen Interessen mit- bzw. umzugestal- ten. Die chinesische »Belt and Road«-Initiative (BRI) ist unmittelbarer Ausdruck dieses Anspruchs. Als Reaktion hierauf hat eine Reihe von Staaten in den letzten Jahren unter dem Label »Indo-Pazifik« Gegenentwürfe entwickelt. Allen voran haben die USA unter Präsident Donald Trump mit dem strate- gischen Konzept des »Free and Open Indo-Pacific« (FOIP) versucht, auf die chinesische Herausforderung direkt zu antworten, indem sie den FOIP als Gegen- entwurf zu einer sino-zentrischen Neu- bzw. Um- ordnung der Region präsentiert haben. Daneben haben auch Japan, Australien, Indien sowie die süd- ostasiatische Staatengemeinschaft Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) eigene Konzeptio- nen des »Indo-Pazifik« vorgelegt. Frankreich hat als einziges Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Begriff »Indo-Pazifik« übernommen und eine entsprechende Strategie entworfen; sie leitet sich hauptsächlich aus dem Schutz nationaler Interessen in den eigenen Territorien in der Region her. China hingegen lehnt das Konzept »Indo-Pazifik« und vor allem den FOIP als eine gegen Peking gerichtete Eindämmungsstrategie ab. Besonders von Seiten der USA wächst der Druck auf Staaten in und außerhalb der Region, inklusive auf Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten, sich zum Konzept des »Indo-Pazifik« direkt oder indirekt zu bekennen. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 5
Problemstellung und Empfehlungen Die vorliegende Analyse zeigt, dass es bisher kein reflektiert: Kann der Begriff »Indo-Pazifik« in einer einheitliches Indo-Pazifik-Konzept gibt. Vielmehr weniger versicherheitlichten und weniger geopoliti- verbergen sich hinter der Verwendung des Begriffs sierten Form verwendet werden? (Er könnte zum durch die USA, Japan, Australien, Indien und die Beispiel zunächst als (wirtschafts-)geographische ASEAN sehr unterschiedliche, teilweise divergente Bezeichnung dienen, die eine ökonomische Schwer- Konzeptionen, denen wiederum sehr verschiedene punktverlagerung und die gewachsene Bedeutung des ordnungspolitische Vorstellungen zugrunde liegen. Indischen Ozeans und Indiens adäquater beschreibt Divergenzen betreffen unter anderem a) die Aus- als das bislang übliche Konstrukt »Asien-Pazifik«. dehnung des Indo-Pazifik als geographischer Raum, Diese Verwendung wäre auch für die Europäer akzep- b) die mit dem jeweiligen Konzept verbundenen tabel.) Sind Synergieeffekte im Zusammenspiel mit Zielsetzungen, c) die Schwerpunktsetzung bzw. bereits existierenden Indo-Pazifik-Konzeptionen Gewichtung unterschiedlicher Politikfelder innerhalb denkbar? Welche konkreten Ziel- und Schwerpunkt- der jeweiligen Konzeption, d) die Frage nach der setzungen, inklusive des Stellenwertes von bi-, mini- Inklusion oder Exklusion Chinas und e) den Stellen- und multilateralen Ansätzen, sollte die EU verfolgen? wert von bi-, mini- und multilateralen Ansätzen in Auch die Frage nach der Inklusion oder Exklusion der Handels- und der Sicherheitspolitik. Und während Chinas in das Indo-Pazifik-Konzept wird bisher in vor allem die USA sich mit dem FOIP politikfeldüber- Europa kaum erörtert. greifend offen gegen China positionieren, suchen Bei ihren Überlegungen sollten sich die EU und Staaten wie Japan oder Australien kein umfassendes ihre Mitgliedstaaten indes nicht auf die derzeit vor- »decoupling« von China, insbesondere nicht wirt- herrschende Nullsummen-Logik einlassen. Ideal- schaftlich. typisch gibt es drei mögliche Herangehensweisen: Weiterhin macht die Analyse deutlich, dass keine 1. »Äquidistanz«: Man entscheidet sich bewusst und der bis dato vorliegenden Indo-Pazifik-Konzeptionen offen für die Beibehaltung des Begriffs »Asien- neue ordnungspolitische Ideen dafür bietet, wie man Pazifik« und verwendet das Konstrukt »Indo-Pazi- mit dem Aufstieg Chinas umgehen kann, der viele fik« selbst nicht. Politikbereiche berührt. Der FOIP der Trump-Administ- 2. »Alignment«: Man übernimmt eine der schon ration etwa, aber nicht nur dieser, sieht bislang für existierenden Interpretationen des »Indo-Pazifik« eine derart multidimensionale Herausforderung und internalisiert sie. Aus deutscher bzw. europäi- in erster Linie sicherheitspolitische Antworten vor. scher Sicht wäre hierfür die Übernahme der fran- Zudem scheint Washington zurzeit kaum bereit, zösischen Konzeption naheliegend. auf eine stärker multilateral ausgerichtete bzw. in- 3. »Autonomie«: Man definiert ein eigenes europäi- klusivere Konzeption des Indo-Pazifik einzugehen. Im sches Verständnis des »Indo-Pazifik« auf der Basis Gegenteil: Aus Sicht der US-Regierung stellen sich die der eigenen Normen und Werte, wobei man sich geopolitischen Veränderungen in Asien als Null- auf die bereits auf europäischer Ebene entwickel- summenspiel dar, in dem sich die »Freunde« der USA ten Ideen und Ansätze bezieht. »entscheiden« sollten, ob sie mit China oder den USA Fast wichtiger allerdings als die Entscheidung für eine zusammenarbeiten wollen. So drückte es Verteidi- der drei Herangehensweisen ist eine klare Definition gungsminister Mark Esper auf der Münchner Sicher- der wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und ord- heitskonferenz aus. nungspolitischen Interessen der Europäer in der Vor diesem Hintergrund wird in Europa vielerorts Region. Dazu gehört auch die Bereitstellung der dafür diskutiert, ob und wie man sich in der Debatte über notwendigen Ressourcen. Nur wenn Letzteres gege- eine Indo-Pazifik-Strategie positionieren bzw. verhal- ben ist, kann Europa glaubwürdig in der Region auf- ten sollte. Deutsche wie europäische Entscheidungs- treten – einschließlich gegenüber China. träger und -trägerinnen sind gut beraten, sich mit den existierenden Konzeptionen intensiv auseinander- zusetzen, Konvergenzen und Divergenzen im Hin- blick auf die eigenen Interessen zu identifizieren und die jeweilige Tragweite der unterschiedlichen Indo- Pazifik-Konzeptionen realistisch einzuschätzen. Bisher werden einige Fragen bzw. Herausforderun- gen in der europäischen Debatte nur unzureichend SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 6
»Indo-Pazifik«: Die Konstruktion einer Region »Indo-Pazifik«: Die Konstruktion einer Region Der »Indo-Pazifik« bzw. die »indopazifische Region« Geopolitische und geoökonomische Aspekte werden erfreut sich seit über 10 Jahren als geographisches so im Indo-Pazifik eng miteinander verzahnt. wie strategisches Konstrukt wachsender Popularität im außen- und sicherheitspolitischen Diskurs in Der Indo-Pazifik ist eng verknüpft mit Japan, den USA, Australien, Indien, Frankreich und unterschiedlichen Aspekten der sino- einigen südostasiatischen Staaten. »Indo-Pazifik« gilt amerikanischen Rivalität. vielen als neuer geographischer wie strategischer Bezugsrahmen, der das bisher dominierende Konstrukt Diese Verschränkung vollzieht sich im Kontext der »Asien-Pazifik« zumindest in Teilen verdrängt hat. Rivalität zwischen den USA und China. In den letzten Der Begriff hat Eingang gefunden in offizielle Doku- zwei Jahren ist diese zu einem Leitparadigma der mente wie nationale Sicherheitsstrategien oder Ver- internationalen Beziehungen geworden, insbesondere teidigungsweißbücher sowie in die Rhetorik der Eliten. in Asien. Sie prägt strategische Debatten ebenso wie Immer öfter wird er auch in Think-Tanks und akade- reale politische, militärische und wirtschaftliche mischen Einrichtungen diskutiert. Dadurch ist er zu Dynamiken. Die sino-amerikanische Konkurrenz um einer Art »geopolitischer Nomenklatur«1 geworden. Macht und Status umfasst verschiedene Dimensionen. Obwohl jedes Land ein eigenes Verständnis des Dazu gehören zunächst militärische Bedrohungs- Konzeptes hat, sowohl was die geographische Ausdeh- wahrnehmungen, Konflikte in der Handelspolitik, nung des indopazifischen Raumes betrifft als auch politisch-ideologische Aspekte und ordnungspoliti- seine strategische Ausrichtung und seine wesent- sche Fragen. Die Rivalität macht jedoch auch nicht lichen Attribute, gibt es einen gemeinsamen Nenner: halt vor der Technologiepolitik oder dem Thema Die beiden Ozeane, Indischer Ozean und Pazifik, sind Konnektivität, zum Beispiel in Bezug auf Infrastruktur- als ein zusammenhängender Raum zu betrachten. politik. Zunehmend werden daher Technologie- Diese Annahme stützt sich darauf, dass der über- entwicklung und -nutzung sowie Infrastruktur als wiegende Anteil der weltweiten Warenströme, aber Bestandteil des Wettbewerbs zwischen den USA und auch Energielieferungen, über die Seewege dieser China verstanden.2 Der Indo-Pazifik ist also in beiden Meere transportiert wird. Darüber hinaus ist vielerlei Hinsicht eng verknüpft mit unterschiedlichs- der Indo-Pazifik zurzeit der Schauplatz der zuneh- ten Aspekten der sino-amerikanischen Rivalität. menden Rivalität zwischen den USA und China in Nicht alle Staaten inner- und außerhalb der Region Asien. Demgemäß hat er geopolitisch und geo- haben sich dem Konzept des Indo-Pazifik als neuem ökonomisch in den letzten beiden Jahrzehnten an regionalem Bezugsrahmen verschrieben: allen voran Bedeutung gewonnen. Mehr noch, viele Akteure China nicht, das den Indo-Pazifik primär als eine Asiens verstehen ihn nicht nur als »rein« geographi- gegen sich selbst gerichtete Strategie der USA inter- sches Konstrukt, sondern als ordnungspolitischen pretiert. In manchen südostasiatischen Staaten Gegenentwurf zur chinesischen »Belt and Road«- herrscht ebenfalls Skepsis bzw. wird Kritik geäußert; Initiative (BRI) (siehe blauen Kasten auf Seite 8). zum einen weil das Konzept die Zentralität der 2 Barbara Lippert/Volker Perthes (Hg.), Strategische Rivalität 1 John Hemmings, Global Britain in the Indo-Pacific, London: zwischen USA und China. Worum es geht, was es für Europa (und Henry Jackson Society, Mai 2018 (Asia Studies Centre, andere) bedeutet, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Research Paper Nr. 2/2018), S. 17. Februar 2020 (SWP-Studie 1/2020), doi: 10.18449/2020S01. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 7
»Indo-Pazifik«: Die Konstruktion einer Region Hintergrund: Die »Belt and Road«-Initiative (BRI) ∎ Chinas Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping hat die um eine Initiative handelt, gleichzeitig nicht nur um eine BRI 2013 unter der ursprünglichen Bezeichnung »One Belt, Straße und einen Gürtel, sondern um ein globales Netz- One Road« (OBOR) angekündigt, erst in Kasachstan (Sep- werk. Die BRI wurde der Rahmen für bereits zuvor exis- tember), dann in Indonesien (Oktober). Er stellte eine große tierende Projekte, z. B. Wirtschaftskorridore. Neue Dimen- Infrastruktur-Initiative zur Verbindung Chinas / Asiens mit sionen wie die digitale, die arktische oder die »grüne« Europa unter Einbeziehung Afrikas (»neue Seidenstraßen«) Seidenstraße sind hinzugekommen. in Aussicht. Das Konzept blieb zunächst vage und nahm ∎ Bei der BRI handelt es sich um ein multidimensionales erst im Laufe der folgenden Jahre Gestalt an. globales Projekt China-zentrierter Konnektivität und ∎ Das offizielle Dokument Visions and Actions stellte 2015 fol- Netzwerkbildung. Die konkreten Vorhaben werden über- gende Säulen von OBOR vor: Koordination auf politischer wiegend mit chinesischen Krediten finanziert und meist Ebene, Konnektivität von Einrichtungen (Infrastruktur und auch von chinesischen Firmen realisiert. Während China Standards), Handelskonnektivität, finanzielle Integration die BRI mit Attributen wie »offen«, »inklusive« und »win- und Verbindungen auf menschlicher Ebene (»people-to- win«-Kooperation beschreibt, kritisieren ausländische people«). 2017 wurde die BRI im Statut der Kommunisti- Beobachter vor allem die Intransparenz der Abkommen schen Partei Chinas festgeschrieben, Xi Jinping lud zum zwischen China und den BRI-Partnerländern, die Ver- ersten Seidenstraßen- oder »Belt and Road«-Gipfel in Peking schuldung und damit Abhängigkeit dieser Partner von ein. 2019 folgte ein zweites Gipfeltreffen. China. Insbesondere der Westen sieht die BRI als wesent- ∎ Die Mitte 2016 erfolgte Umbenennung der englischen lichen Teil des chinesischen Versuchs, eine Alternative Bezeichnung in BRI sollte signalisieren, dass es sich »nur« zur bestehenden internationalen Ordnung zu schaffen. Literatur: Colin Flint / Cuiping Zhu, »The Geopolitics of Connectivity, Nadine Godehardt, No End of History. A Chinese Alternative Concept Cooperation, and Hegemonic Competition: The Belt and Road of International Order?, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Poli- Initiative«, in: Geoforum, 99 (Februar 2019), S. 95–101. tik, Januar 2016 (SWP Research Paper 2/2016). European Union Chamber of Commerce in China, The Road Less Paul Joscha Kohlenberg / Nadine Godehardt, Chinas globale Travelled. European Involvement in China’s Belt and Road Initiative, Konnektivitätspolitik. Zum selbstbewussten Umgang mit chinesischen 2020, 2018 (SWP-Aktuell 18/2018). (Zugriff am 28.4.2020). ASEAN in Frage stellt, zum anderen weil sein Schwer- Grenzziehungen, Ein- und Ausschlussmechanismen punkt, vor allem in der Ausformulierung der USA, sowie die Zuschreibung bestimmter Attribute immer auf der Sicherheitspolitik liegt, namentlich auf der politischer Natur.4 Eindämmung Chinas. Dabei komme unter anderem Die Karte auf Seite 10 zeigt die Raumverständnisse die Dimension der wirtschaftlichen Prosperität der des Indo-Pazifik der USA, Japans, Australiens und Gesamtregion zu kurz. Auch Staaten wie Südkorea Indiens, die Karte auf Seite 39 das Raumverständnis oder Kanada verwenden den Begriff bisher nicht. Von Frankreichs. den Mitgliedstaaten der EU hat ihn sich bis heute nur Frankreich zu eigen gemacht und eine Indo-Pazifik- Strategie vorgelegt.3 Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass die (unterschiedlichen) Vorstellungen des Indo-Pazifik als geographisch wie strategisch verstandener Raum auf jeweils spezifischen politischen Intentionen und Interessen basieren. Der Begriff »Indo-Pazifik« selbst, wie auch seine Verwendung, ist deshalb niemals nur beschreibend oder gar wertneutral. Vielmehr sind die 4 Gearóid O’Tuathail, Critical Geopolitics. The Politics of Writing mit ihm assoziierten oder aktiv vorgenommenen Global Space, Minneapolis: University of Minnesota Press, 1996 (Borderlines, Bd. 6); Benno Teschke, The Myth of 1648. Class, Geopolitics, and the Making of Modern International Relations, 3 Ministry of Defence of France, France and Security in the London: Verso, 2003; Jason Dittmer/Joanne Sharp (Hg.), Indo-Pacific, Paris, Mai 2019. Geopolitics. An Introductory Reader, London: Routledge, 2014. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 8
»Indo-Pazifik«: Die Konstruktion einer Region Diese Studie untersucht im ersten Teil mittels einer vergleichenden Fallanalyse die unterschiedlichen Konzeptionen und Implementationen des Indo-Pazifik in den USA, Japan, Australien, Indien und der ASEAN. Zwar sind bereits einige Sammlungen von Artikeln erschienen, die den Indo-Pazifik aus der Perspektive verschiedener Staaten beleuchten,5 doch ein syste- matischer Vergleich auf Basis eines einheitlichen Analyserasters wird hier erstmals vorgestellt. Folgen- de Leitfragen liegen den Fallanalysen zugrunde: 1. Wie hat sich die Begriffsgenese vollzogen, wie und von wem wird der Begriff »Indo-Pazifik« aktuell verwendet? 2. Welche Ziele und Schwerpunktsetzungen lassen die Konzeptionen erkennen? 3. Welche Initiativen wurden bislang unter dem Label »Indo-Pazifik« lanciert? 4. Welche ordnungspolitischen Vorstellungen wer- den mit dem »Indo-Pazifik« verbunden? Wird er als ein neues, alternatives Ordnungsmodell für die Region verstanden? Im zweiten Schritt fragt die Studie nach den Reaktio- nen Chinas auf das Konzept »Indo-Pazifik«. Im An- schluss analysiert sie die Antwort der EU und ihrer Mitgliedstaaten, geht der Frage nach, welche Aus- wirkungen für die deutsche und europäische Außen- politik zu erwarten sind und welche Herausforde- rungen sich aus den unterschiedlichen Indo-Pazifik- Konzeptionen ergeben. Abschließend werden drei Optionen dargelegt, wie die EU und ihre Mitglieder idealtypisch mit diesem Konstrukt umgehen könnten. 5 Siehe z. B. Axel Berkofsky/Sergio Miracola (Hg.), Geopolitics by Other Means. The Indo-Pacific Reality, Mailand: Italian Insti- tute for International Political Studies (ISPI), Februar 2019, (Zugriff am 29.4.2020); Sharon Stirling (Hg.), Mind the Gap: National Views of the Free and Open Indo-Pacific, Washington, D. C.: The German Marshall Fund of the United States (GMF), 23.4.2019 (GMF Asia Program 2019, Nr. 9), (Zugriff am 29.4.2020); Sonderheft Unpacking the Strategic Dynamic of the Indo-Pacific von International Affairs, 96 (2020) 1; Congressional Research Service (CRS), Indo-Pacific Strategies of U. S. Allies and Partners: Issues for Congress, Washington, D. C., 30.1.2020 (CRS Report R46217), (Zugriff am 29.4.2020). SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 9
»Indo-Pazifik«: Die Konstruktion einer Region Karte 1 SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 10
Die »Free and Open Indo-Pacific«-Strategie der USA Der Indo-Pazifik: Entstehung, Zielsetzungen, Schwerpunkte und Ordnungsvorstellungen Die »Free and Open Indo-Pacific«- werdenden Chinas mit internationalen Normen sowie Strategie der USA Pekings gezielte Unterminierung der »regelbasierten internationalen Ordnung«.9 Die »Vision« eines Free and Open Indo-Pacific (FOIP) Trump sucht mittels des FOIP eine Neuausrichtung hat Präsident Donald Trump erstmals im November gegenüber China umzusetzen. Als Grund(lage) dafür 2017 auf dem Gipfel der Asia-Pacific Economic Co- dient ihm seine Kritik an der Asienpolitik der Vor- operation (APEC) in Hanoi vorgestellt.6 Eine strategi- gängerregierung, die in seiner Wahrnehmung zwar sche Verbindung von Indischem und Pazifischem zunächst einen »Asia pivot« und später eine Gewichts- Ozean als »Indo-Pacific« war bereits unter Präsident verlagerung (»rebalancing«) auf die Region ange- Barack Obama erfolgt und umfasste neben dem kündigt, aber nie vollständig implementiert hat.10 politischen und militärischen »pivot to Asia« auch »Freunde« der USA sollten sich nun zwischen den Ideen zu einem Indo-Pacific Economic Corridor Systemen der USA und Chinas »entscheiden«, wenn (IPEC).7 Im Unterschied zur Regierungszeit Obamas sie sich überlegen, mit wem sie zusammenarbeiten bildet jedoch der »indopazifische Raum« den zent- wollen, wie es Verteidigungsminister Mark Esper auf ralen außen- und wirtschaftspolitischen Schauplatz der Münchner Sicherheitskonferenz ausdrückte.11 der Trump-Administration für die Auseinander- Seit Ende 2017 ist der Begriff »FOIP« in offiziellen setzung mit China. Vizepräsident Mike Pence Dokumenten, zum Beispiel der nationalen Sicher- prangerte in einer viel beachteten Rede 2018 Chinas heitsstrategie des Weißen Hauses, verankert worden Verhalten an: unter anderem seine wiederholten (siehe Zeitstrahl auf Seite 12) und wird seit 2018 als Einmischungen in die inneren Angelegenheiten »whole of government«-Ansatz bezeichnet. Das Weiße anderer Staaten, inklusive der USA, und seine aggres- Haus sowie unter anderem das amerikanische Ver- sive Politik im Südchinesischen Meer.8 Und der teidigungs-, Außen- und Handelsministerium haben damalige US-Außenminister Rex Tillerson beschrieb als wesentliche Herausforderung Washingtons den 9 Center for Strategic and International Studies (CSIS), »verantwortungslosen« Umgang eines immer stärker »Defining Our Relationship with India for the Next Century: An Address by U. S. Secretary of State Rex Tillerson«, Wa- 6 The White House, »Remarks by President Trump at APEC shington, D. C., 18.10.2017. CEO Summit, Da Nang, Vietnam«, Da Nang, 10.11.2017, 10 Michal Kolmaš/Šárka Kolmašová, »A ›Pivot‹ That Never (Zugriff in: Cambridge Review of International Affairs, 32 (2019) 1, S. 61– am 29.4.2020). 79, (Zugriff 7 David Scott, »The Indo-Pacific in US Strategy: Responding am 29.4.2020). to Power Shifts«, in: Rising Powers Quarterly, 3 (2018) 2, S. 19–43. 11 U. S. Department of Defense, »As Prepared Remarks by 8 Hudson Institute, »Vice President Mike Pence’s Remarks Secretary of Defense Mark T. Esper at the Munich Security on the Administration’s Policy towards China«, Washington, Conference«, München, 15.2.2020, (Zugriff am 29.4.2020). SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 11
Der Indo-Pazifik: Entstehung, Zielsetzungen, Schwerpunkte und Ordnungsvorstellungen Zeitstrahl SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 12
Die »Free and Open Indo-Pacific«-Strategie der USA diesbezüglich entweder eigene Strategiepapiere ver- indes klargestellt, dass (zumindest theoretisch) die US- öffentlicht oder deren Repräsentanten haben sich Vision des FOIP keine Nation ausschließt.15 Und zumindest öffentlich auf den FOIP bezogen. Obschon Verteidigungsminister Esper wurde in einer Rede in es bisher kein zentrales Regierungsdokument gibt, Hanoi noch deutlicher, indem er den inklusiven das die FOIP-Strategie der Trump-Regierung ausführ- Charakter des FOIP herausstellte, der sich »an alle lich darlegt, besteht über unterschiedliche Ministe- Nationen, inklusive China« richte.16 Am Ende seiner rien hinweg Kohärenz, wenn es um die maßgeblichen Rede hob er dann aber hervor, China werde mit Ziele des FOIP geht, insbesondere die Eindämmung seiner derzeitigen Verfassung und außenpolitischen Chinas. Diese sollen auf der Basis von vier Prinzipien Zielrichtung in erster Linie als Gegner und Konkur- erreicht werden: Respekt vor der Souveränität und rent gesehen, was den von Washington favorisierten Unabhängigkeit aller Staaten, friedliche Konflikt- Ordnungsentwurf für die Region angeht. beilegung, freier Handel und Achtung internatio- Die Entwicklung des FOIP seit 2017 fußt vor allem nalen Rechts.12 auf der Festschreibung von Normen und Prinzipien. Anfangs bezogen sie sich hauptsächlich auf die öko- Konzeption, Evolution und Ziele nomische Interaktion zwischen den USA und den Staaten der Region, allen voran China. Trump unter- Der Indo-Pazifik wird in den offiziellen Dokumenten strich die Notwendigkeit, »faire«, »reziproke« Handels- dargestellt als der für die globalen Interessen der USA beziehungen zu etablieren. Diese sollten auf Prinzi- zentrale geopolitische und geoökonomische Raum. pien wie dem Respekt der Rechte des geistigen Eigen- Seine geographischen Grenzen werden hierbei aller- tums, freiem Handel, dem Schutz von Privateigentum dings nicht präzise benannt. Er erstreckt sich quer sowie fairem Wettbewerb und offenen Märkten be- über den gesamten Indischen Ozean über US-Übersee- ruhen.17 Die Achtung dieser Prinzipien umschrieb territorien wie Guam und American Samoa im West- Trump in Da Nang 2017 mit »nach den Regeln spielen«. pazifik bis hin zu US-Bundesstaaten wie Hawaii oder Mittlerweile sind weitere, über die wirtschaftliche Kalifornien und bezieht alle an diese beiden Ozeane Zusammenarbeit hinausgehende Prinzipien hinzu- angrenzenden Nationen ein.13 gekommen, die in der Lesart Washingtons das Fun- Die Frage, ob China Teil des FOIP ist bzw. sein dament der heute existierenden internationalen Ord- könnte, wird in den offiziellen Verlautbarungen zum nung bilden: Respekt für die Souveränität und Un- Indo-Pazifik bis zur zweiten Jahreshälfte 2019 weder abhängigkeit aller Staaten, friedliche Konfliktlösung, explizit verneint noch bejaht. Parallel dazu veröffent- Achtung internationaler Regeln, inklusive Freiheit lichte allgemeinere Strategiepapiere, etwa die National der Luft- und Schifffahrt.18 Der Fortbestand der inter- Security Strategy (NSS), bezeichnen China jedoch klar nationalen Ordnung ist nach Meinung Washingtons als Kontrahenten, der auf die Unterminierung der zurzeit durch illiberale, autoritäre Gegenentwürfe regelbasierten internationalen Ordnung abziele.14 Das bedroht. amerikanische Außenministerium hat Ende 2019 Das »Free« in »FOIP« steht im internationalen Be- reich für die Freiheit aller Staaten, in der Ausübung ihrer Souveränität nicht durch andere Staaten ein- 12 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific. geschränkt zu werden. Auf nationaler Ebene ent- Advancing a Shared Vision, Washington, D. C., 4.11.2019, S. 6, spricht dies Good Governance und der Garantie der (Zugriff am 29.4.2020). Menschen- und Bürgerrechte. »Open« wird interpre- 13 The Department of Defense, Indo-Pacific Strategy Report. Preparedness, Partnerships, and Promoting a Networked Region, 15 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific Washington, D. C., 1.6.2019, S. 1, (Zugriff am Defense Mark T. Esper Remarks at Diplomatic Academy of 29.4.2020). Vietnam«, Hanoi, 20.11.2019, (Zugriff am 29.4.2020). Brüssel, 24.10.2019, 18 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific (Zugriff am 29.4.2020). [wie Fn. 12], S. 6. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 13
Der Indo-Pazifik: Entstehung, Zielsetzungen, Schwerpunkte und Ordnungsvorstellungen tiert als freier Zugang zu internationalen Gewässern, mit militärischer Macht ausweiten wollen. Um auf Lufträumen und digitalen Räumen, darüber hinaus derartige Szenarien schnell reagieren zu können, soll als offener Zugang zu Märkten und als fairer, rezi- in enger Zusammenarbeit mit Partnern wie Japan proker Handel.19 Auch das Prinzip der Offenheit und Australien der Ausbau militärischer Kapazitäten unterminiert China aus US-Perspektive immer mehr, vorangetrieben werden. unter anderem durch seine Militarisierung künst- Unter »Partnerschaften« fällt primär die Stärkung licher Inseln im Südchinesischen Meer.20 des existierenden Systems bilateraler Militärallianzen Die FOIP-relevanten Dokumente betonen die Wich- mit asiatischen Staaten wie Japan oder Südkorea, aber tigkeit von Investitionen für die Region, insbesondere auch der Ausbau dieses Systems durch vertiefte im Bereich Infrastruktur, und streben für die USA Kooperation mit etablierten Partnern wie Singapur, eine stärkere Rolle im Infrastrukturinvestment an. Taiwan, Neuseeland und der Mongolei. Für Südasien Auf diese Weise wollen die USA eine Alternative zu wird neben einer »bedeutenden Verteidigungspart- »staatlich gelenkten«, sprich chinesischen Investitio- nerschaft« mit Indien die Intensivierung der Zusam- nen anbieten.21 Diese Dokumente lassen somit wenig menarbeit mit Sri Lanka, den Malediven, Bangladesch Zweifel daran, dass die wesentliche Stoßrichtung und Nepal angestrebt. Das Gleiche gilt für die südost- des FOIP eine Reaktion auf das Verhalten Chinas ist, asiatischen Staaten Vietnam, Indonesien, Malaysia, das aus Sicht Washingtons zunehmend »aggressiv« Kambodscha, Laos, Brunei Darussalam sowie für die auftritt und die regelbasierte internationale Ordnung westpazifischen Inselstaaten. Als Hauptinstrument »unterminiert«. Namentlich das FOIP-Papier des Pen- zur Festigung bestehender und zur Etablierung neuer tagon verwendet weitaus mehr Seiten für die Dar- Partnerschaften sind Rüstungsverkäufe (Foreign stellung Chinas als »revisionistische Macht«, als es für Military Sales) vorgesehen. Außer dem Verkauf von die Darlegung der eigentlichen US-Ziele und der US- US-Militärtechnologie an Partner werden Militär- Strategie im Zusammenhang mit dem FOIP benötigt. hilfen, Ausbildungsprogramme für (ausländische) Mili- tärs in den USA und gemeinsame Manöver aufgelis- Die Schwerpunkte des US- tet.22 Jedoch werden in diesem Zusammenhang auch amerikanischen FOIP liegen bislang Staaten wie Kambodscha, Laos oder einige pazifische in den Politikfeldern Sicherheit Inselstaaten genannt, mit denen bisher noch gar und Verteidigung. keine aktive militärische Kooperation besteht oder die, wie Kambodscha 2017, die militärische Koopera- Ob der Dominanz des Pentagon in der Debatte um tion mit den USA unilateral beendet haben.23 den FOIP ist es nicht verwunderlich, dass die Schwer- In den Jahren 2017 und 2018 wurde vor allem aus punkte des FOIP bislang vor allem in den Politik- Südostasien immer wieder Kritik laut, weil der FOIP feldern Sicherheit und Verteidigung liegen. Das (bis dahin) auf bilateralen Allianzen basierte. 2019 Verteidigungsministerium fokussiert hierbei die drei reagierten die USA darauf durch den Punkt »Förde- Dimensionen Einsatzbereitschaft, Partnerschaften rung einer vernetzten Region«: Tri- und multilaterale und Förderung einer vernetzten Region. Unter Engagements sollen ausgebaut und eine den Indo- »Einsatzbereitschaft« wird generell eine umfassende Pazifik umspannende »vernetzte Sicherheitsarchitek- Modernisierung der US-Streitkräfte verstanden. Diese tur« errichtet werden. ASEAN soll im Zentrum dieser ist laut Pentagon notwendig, um den US-Einfluss in multilateralen Dimension stehen,24 wobei auf etab- der Region nachhaltig abzusichern. Dahinter steht die lierte multilaterale Foren wie das ASEAN Regional Annahme, dass zukünftige Konflikt- und Kriegsszena- Forum (ARF) und den East Asia Summit (EAS) zurück- rien dort stattfinden werden, wo »konkurrierende gegriffen wird. Offenbar sind unter dem Label »FOIP« Mächte« ihre Einflussbereiche zuungunsten der USA keine neuen multilateralen Initiativen in der Sicher- 19 The Department of Defense, Indo-Pacific Strategy Report 22 The Department of Defense, Indo-Pacific Strategy Report [wie Fn. 13], S. 4. [wie Fn. 13], S. 22. 20 U. S. Embassy Vietnam, »Secretary of Defense Mark T. 23 Ebd., S. 40. Esper Remarks at Diplomatic Academy of Vietnam« 24 U. S. Embassy Vietnam, »Secretary of Defense Mark T. [wie Fn. 16]. Esper Remarks at Diplomatic Academy of Vietnam« [wie 21 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific Fn. 16]; U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific [wie Fn. 12], S. 13. [wie Fn. 12], S. 7. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 14
Die »Free and Open Indo-Pacific«-Strategie der USA heitspolitik geplant.25 Vielmehr werden bereits Rahmen des FOIP liegt folglich auf dem »Einsatz existierende multilaterale Initiativen, wie die Lower neuer und innovativer Mechanismen zur Verbesse- Mekong Initiative (LMI), quasi nachträglich, unter rung des Marktzugangs und für faire Wettbewerbs- dem FOIP-Label subsumiert.26 bedingungen für US-Unternehmen«. Hierbei sollen Ein weiterer Schwerpunkt des FOIP liegt auf der unter anderem Anreize für private US-Unternehmen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Ländern geschaffen werden, um stärker in den Schwellen- der Region und dem Infrastrukturausbau in der ländern der Region zu investieren. Konkret erwähnt Region. Der FOIP-Report des State Department räumt werden lediglich das Handelsabkommen zwischen diesem Aspekt den größten Anteil ein. Auch hier den USA und Japan sowie die Neuverhandlung des findet sich eine Mischung aus bereits bestehenden Freihandelsabkommens zwischen Südkorea und den Maßnahmen, nachträglich unter dem FOIP-Schirm USA.28 Entgegen vielerorts gehegter Erwartungen zusammengefasst, und neuen Initiativen. gelang es bisher nicht, ein Freihandelsabkommen Inhaltlich weitaus schwächer ausgearbeitet er- zwischen den USA und Indien abzuschließen. Aus scheinen die Prinzipien Good Governance und Handel. dem multilateralen Freihandelsabkommen Trans- Dem Bereich Good Governance widmet selbst der Pacific Partnership (TPP) haben sich die USA bereits Bericht des Außenministeriums lediglich eine Seite. kurz nach dem Amtsantritt Trumps zurückgezogen. Hervorgehoben wird die Indo-Pacific Transparency So hat die Umsetzung von »America first« handels- Initiative (IPTI), die die Korruptionsbekämpfung in politisch vielfach eher zu Konflikten mit Ländern in der Region unterstützt, aber auch auf Demokratie- der Region geführt, als dass sie die Staaten Asiens förderung, Jugendförderung und Pressefreiheit abzielt handelspolitisch enger an die USA gebunden hätte. und die diese Anliegen seit 2018 mit über 600 Millio- Ideen für eine regionale, über bilaterale Abkommen nen US-Dollar gefördert hat. Unter dem Label »Good hinausgehende Handelsstrategie finden sich in den Governance« wird zudem die humanitäre Hilfe für FOIP-Dokumenten nicht. die Rohingya angeführt und die US-Unterstützung Myanmars bei der Durchführung freier und fairer Konkrete Initiativen und Umsetzung Wahlen 2020. Darüber hinaus listet dieser Abschnitt jedoch im Wesentlichen die autoritären Verfeh- Die Analyse des politischen Kontextes wie auch der lungen Chinas auf und beschränkt sich auf die Pro- erklärten Ziele des FOIP hat deutlich gemacht, dass es klamation vermeintlich universeller Normen wie sich beim FOIP in erster Linie um eine Reaktion auf offener Gesellschaften (»open societies«) und offener Chinas BRI (siehe blauen Kasten auf Seite 8) handelt. Märkte (»open markets«).27 Diese chinesische Initiative umfasst laut Schätzungen derzeit ein Gesamtvolumen von über einer Trillion Die Umsetzung von »America first« US-Dollar und mehr als 2200 Projekte in 87 Ländern. hat handelspolitisch vielfach zu Sie hat Peking vor allem in der Entwicklungszusam- Konflikten mit Ländern der Region menarbeit als zentralen Akteur in Asien etabliert. geführt. Darauf versucht der FOIP über eine Reihe unter- schiedlicher Initiativen zu antworten. Partner dafür Der Bereich Handel ist der in seiner Außenwirkung finden sich vornehmlich unter US-Alliierten und potentiell problematischste Teil des FOIP. Die Ziel- nachgeordnet unter den »strategischen Partnern« der vorgabe des »freien, fairen und reziproken Handels« USA in Asien. Im sicherheitspolitischen Bereich unterstreicht gegenüber Partnern in Asien in erster wurden US-Rüstungsexporte in Partnerländer aus- Linie das Verständnis von Handelspolitik der Trump- gebaut, beispielsweise der Export von F-18- und F-16- Administration, das unmittelbare Gegenleistungen Kampfflugzeugen nach Indien.29 Um für künftige verlangt und vom Grundsatz »America first« geleitet Konfliktszenarien gewappnet zu sein, soll in Zu- ist. Der Schwerpunkt entsprechender Initiativen im sammenarbeit mit Japan und Australien der Ankauf neuer Luft-Luft-Raketen, Luft-Boden-Raketen, Anti- 25 The Department of Defense, Indo-Pacific Strategy Report [wie Fn. 13], S. 44–47. 28 Ebd., S. 13. 26 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific 29 CSIS, »Defining Our Relationship with India for the Next [wie Fn. 12], S. 8. Century: An Address by U. S. Secretary of State Rex Tillerson« 27 Ebd., S. 21. [wie Fn. 9]. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 15
Der Indo-Pazifik: Entstehung, Zielsetzungen, Schwerpunkte und Ordnungsvorstellungen U-Boot-Abwehrsysteme, Raketenabwehrsysteme sowie zu »›staatlich gelenkten Initiativen mit verborgenen Kampfjets vorangetrieben werden. Zusätzlich zu den Verpflichtungen‹« bereitstellen.31 Weiterhin soll mit bereits existierenden US-Militärbasen in der Region dem »Blue Dot Network« gemeinsam mit Australien soll in Kooperation mit Papua-Neuguinea und und Japan ein Netzwerk zur Zertifizierung eben Australien der Lombrum-Marinestützpunkt auf der solcher qualitativ hochwertiger, transparenter Infra- Insel Manus ausgebaut werden.30 strukturprojekte als Alternative zu chinesischen Kooperationen im Sicherheits- und Verteidigungs- Investments aufgebaut werden. sektor sind intensiviert worden. Ein Beispiel hierfür Die verfügbare Obergrenze für das IDFC von ist die seit 2018 erfolgende Ausbildung sri-lankischer 60 Milliarden US-Dollar erscheint jedoch im Vergleich Sicherheitskräfte durch FBI-Experten in der Terroris- zur BRI als Tropfen auf den heißen Stein.32 Der Ende musbekämpfung. Zudem werden bereits bestehende 2018 verabschiedete ARIA ermöglicht der Regierung Kooperationsformen nunmehr als FOIP-Initiativen zusätzliche Ausgaben in Höhe von jährlich bis zu deklariert, etwa das jährlich vor der Küste Indiens 1,5 Milliarden US-Dollar, um eine Reihe von Zielen stattfindende »Malabar«-Manöver, an dem seit 2015 umzusetzen, die mit dem FOIP-Konzept verknüpft amerikanische, indische und japanische Marine- sind, etwa den Ausbau der Verteidigungskapazitäten einheiten teilnehmen, oder die jährlich abgehaltene von US-Partnern oder die Demokratieförderung.33 »Chiefs of Defense Conference«, seit 2019 umbenannt Hinzu kommen weitere Initiativen wie Enhancing in »Indo-Pacific Chiefs of Defense Conference«. Im Development and Growth through Energy (Asia Kontext der FOIP-Politik wurde darüber hinaus der EDGE) oder das Indo-Pacific Business Forum (IPBF). Ihr Quadrilateral Security Dialogue (Quad) mit Japan, Ziel ist, die Rolle von US-Investoren in der Region in Indien und Australien wiederbelebt, der auf institu- geopolitisch als wichtig erachteten Bereichen wie Ener- tioneller Ebene als Herzstück des FOIP angesehen gie und Infrastruktur zu stärken sowie diesbezüglich werden kann und 2019 auf Ministerebene aufge- die Koordination zwischen US-Politik und -Wirtschaft wertet wurde. Schließlich haben die USA ihre Free- zu verbessern.34 dom of Navigation Operations (FONOPs) im Süd- Ein neueres Projekt ist das Infrastructure Trans- chinesischen Meer verstärkt durchgeführt. action and Assistance Network (ITAN), das regionale Wenngleich die ASEAN und ihr anhängende Infrastruktur- und Konnektivitäts-Initiativen unter- multilaterale Foren wie ARF und EAS als institutio- stützen und somit asiatischen Staaten eine Alterna- nelles Kernstück eines FOIP beschrieben wurden, so tive zur BRI aufzeigen soll. Als Teil von ITAN wurde sind entsprechende US-Initiativen dennoch ausge- ein Transaction Advisory Fund (TAF) eingerichtet, der blieben. Nicht nur das: Die Trump-Administration asiatischen Partnern helfen soll, finanzielle wie öko- brüskierte 2019 viele ihrer Partner in Südostasien logische Auswirkungen von Infrastrukturmaßnah- dadurch, dass sie zum EAS-Gipfel, der auf der Ebene men einzuschätzen.35 der Staatsoberhäupter angesiedelt ist, lediglich den Zu den neueren Initiativen gehört der »Pacific amerikanischen nationalen Sicherheitsberater Pledge« der US-Regierung von 100 Millionen US- entsandte – nicht einmal ein Kabinettsmitglied. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit wurden 31 Bhavan Jaipragas, »Trump Strikes a Blow in US-China im Kontext des FOIP neue Initiativen lanciert. Auf Struggle with Build Act to Contain Xi’s Belt and Road«, in: Gesetzesebene wurden mit dem Better Utilization of South China Morning Post, 20.10.2018, (Zugriff am 29.4.2020). Initiativen verabschiedet, die die Rolle der USA als 32 Ebd. Geberland in Asien festigen sollen, vor allem mit 33 Library of Congress, »Asia Reassurance Initiative Act of Blick auf China. Der BUILD Act sieht die Errichtung 2018«, Washington, D. C., 31.12.2018, (Zugriff am on (IDFC) vor. Sie soll die Kreditvergabe an Entwick- 29.4.2020). lungsländer insbesondere in Asien und Afrika nicht 34 Phuwit Limviphuwat, »American Investors Eye Energy nur besser koordinieren, sondern auch Alternativen Sector under Asia Edge Initiative«, in: The Nation, 21.6.2019, (Zugriff am 29.4.2020). 30 The Department of Defense, Indo-Pacific Strategy Report 35 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific [wie Fn. 13], S. 16–19. [wie Fn. 12], S. 15. SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 16
Der »Free and Open Indo-Pacific« Japans: Von der Strategie zur Vision Dollar, um in den nächsten Jahren die Entwicklungs- nach auch keine neue Asien-Strategie der USA – gelder der USA für die pazifischen Staaten zu ver- weder wird ein derartiger Anspruch formuliert noch doppeln. Er sieht außerdem vor, dass die United werden entsprechende Kapazitäten und Mittel dafür States Agency for International Development (USAID) bereitgestellt. Dazu passt ferner, dass die mehrfach ihre Präsenz im Westpazifik aufstockt. Überdies hat angekündigte Veröffentlichung eines umfassenden Washington im Rahmen der Asian Development FOIP-Strategiedokumentes bisher ausgeblieben ist. Bank (ADB) die Pacific Region Infrastructure Facility Der FOIP basiert auf dem bestehenden US-domi- (PRIF) aufgestellt, die der Finanzierung von Infra- nierten Ordnungsmodell, das bilaterale Allianzen und strukturmaßnahmen im Pazifik dienen soll. Ebenfalls strategische Partnerschaften fokussiert. Die wenigen neu ist die Papua New Guinea Electrification Partner- multilateralen Elemente, etwa die Betonung der ship (PEP), ins Leben gerufen mit dem Ziel, zusam- ASEAN-Zentralität, sind bislang zwar deklaratorisch men mit Australien, Japan und Neuseeland die eingestreut, aber in der Realität so gut wie gar nicht Stromversorgung in Papua-Neuguinea grundlegend berücksichtigt worden. Dem entspricht nicht nur die zu verbessern.36 Herabstufung der US-Präsenz in multilateralen Foren, sondern auch die Vernachlässigung multilateraler Ordnungspolitische Vorstellungen Elemente zugunsten bilateraler »Deals«. Somit macht der FOIP zwar einerseits die Schwer- In den Veröffentlichungen unterschiedlicher Minis- punkte und Ziele der Trump-Administration deutlich, terien wie auch in den Reden US-Offizieller zum FOIP kann aber andererseits die Divergenzen zwischen der findet sich implizit eine Vielzahl ordnungspolitischer oftmals normativen FOIP-Rhetorik und dem beobacht- Elemente, die nicht unbedingt immer kongruent baren Handeln der US-Regierung nicht aufheben – sind. Diesen Unterschieden zum Trotz lassen sich zum Beispiel hinsichtlich ihres Verständnisses von mindestens drei immer wiederkehrende Elemente Freihandel sowie ihrer skeptischen Haltung zum festmachen: den Staaten der Region eine Alternative Multilateralismus. zur chinesischen BRI anzubieten, die Freiheit der Schifffahrt im Indo-Pazifik zu sichern und die Handelsbeziehungen zwischen den Staaten Asiens Der »Free and Open Indo-Pacific« Japans: und den USA »frei, fair und reziprok« zu gestalten.37 Von der Strategie zur Vision Implizite Kernintention des FOIP ist Der Begriff »Free and Open Indo-Pacific« ist keine Kre- ein ressortübergreifender Gegen- ation des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, entwurf der USA zum wachsenden sondern hat seinen Ursprung in einer Rede des japa- Einfluss Chinas in der Region. nischen Premierministers Shinzo Abe (siehe Zeitstrahl auf Seite 12). Während seiner ersten Amtszeit hielt Diese drei Elemente lassen erkennen, dass die im- Abe 2007 vor dem indischen Kongress eine Rede mit plizite Kernintention des FOIP in erster Linie ein dem Titel »Zusammenfluss der zwei Meere«. Darin kohärenter, ressortübergreifender Gegenentwurf der stellte er seine Vision einer engeren politischen wie USA zum wachsenden Einfluss Chinas in der Region ökonomischen Konnektivität zwischen dem Pazifik ist. Daher fordert der FOIP weder, zur Ära der »Pax und dem Indischen Ozean vor. Diese beruhe auf einer Americana« zurückzukehren, noch ein verändertes, intensiven Kooperation der demokratischen Staaten alternatives Ordnungsmodell zu schaffen. Stattdessen der Region, die gewissermaßen als Zentrum eines den ist er vor allem ein reaktives Konzept, das kein neues gesamten Indischen Ozean und den Pazifik um- Ordnungsmodell in Aussicht stellt. Er markiert dem- spannenden Netzwerkes fungiere. Auf diese Weise solle der »freie Fluss von Personen, Gütern, Kapital und Wissen« ermöglicht und so »Freiheit und Wohl- 36 Ebd., S. 11. stand« garantiert werden. Hierfür kommt laut Abe 37 U. S. Department of State, A Free and Open Indo-Pacific [wie Fn. 12]; The Department of Defense, Indo-Pacific Strategy Report der Sicherheit der Schifffahrtswege eine zentrale stra- [wie Fn. 13]; The White House, National Security Strategy of the tegische Bedeutung zu. Abes Konnektivitätskonzept United States of America, Washington, D. C., Dezember 2017, betont zudem »universelle« Normen, die die Demo- (Zugriff am 29.4.2020). miteinander verbinden und das Verhalten nicht- SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 17
Der Indo-Pazifik: Entstehung, Zielsetzungen, Schwerpunkte und Ordnungsvorstellungen demokratischer Staaten, allen voran China, regulie- weiterhin als Sicherheitsgarant Japans erachtet.42 ren sollen.38 Das japanische Außenministerium fasst die Grund- prinzipien des FOIP in drei Kernbereiche zusammen: Abes Konnektivitätskonzept betont Erstens, Erhalt einer regelbasierten Ordnung, mit »universelle« Normen, die die den Prinzipien Freihandel und Freiheit der Schifffahrt Demokratien in der Indo-Pazifik- als Grundlage. Zweitens, Sicherung wirtschaftlicher Region eng miteinander verbinden. Prosperität mittels mehr physischer Konnektivität durch den Ausbau von Infrastruktur, mehr »people- In diesem Kontext schlug Abe 2007 auch vor, den to-people«-Konnektivität durch den Ausbau von Quad zu etablieren, bestehend aus Japan, Australien, Austauschprogrammen sowie institutioneller Indien und den USA. Die erste Amtszeit Abes währte Konnektivität durch die Harmonisierung globaler jedoch nur ein Jahr, so dass die entsprechenden Standards und Regeln. Und drittens, Erhalt von Konzepte erst in seiner zweiten, seit 2012 andauern- Frieden und Sicherheit durch verstärkte Sicherheits- den Amtszeit mit Leben gefüllt werden konnten. kooperation mit den USA, Indien, Australien und Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit als Premier- anderen Partnern. minister Japans veröffentlichte Abe Ende 2012 seinen Essay »Asia’s Democratic Security Diamond«, in dem Konzeption, Evolution und Ziele er frühere Ideen wieder aufgriff. Als Antwort auf Chinas »aggressives Verhalten« in Asien schlug er die Die oben erwähnten Kernbereiche des FOIP sind seit Formierung einer demokratischen Koalition aus 2016 unverändert geblieben, das heißt auch das Ziel, Japan, den USA, Indien und Australien vor, die glo- die Freiheit der Schifffahrt und die regelbasierte bale öffentliche Güter, insbesondere die Freiheit der Ordnung für den gesamten Indo-Pazifik zu bewahren. Schifffahrt, gemeinsam schützen solle.39 Diese Idee Die Gewässer des indopazifischen Raumes bezeich- lancierte Abe erneut in einer viel beachteten Rede nete Abe dementsprechend als »öffentliche Güter«,43 2016 in Nairobi, in der er von einer »Verbindung von die durch die Einhaltung internationalen Rechts, zwei freien und offenen Ozeanen und zwei Kontinen- namentlich der United Nations Convention of the ten« (»union of two free and open oceans and two Law of the Sea (UNCLOS), geschützt werden müssen.44 continents«) sprach40 – im Nachgang wurde sie mit Ohne China konkret als Widersacher zu nennen, dem Label »FOIP Strategy« versehen. verdeutlicht diese Schwerpunktsetzung und Rhetorik Die »FOIP Strategy«41 hat in der Folge Einzug ge- das Ziel der Eindämmung Pekings.45 Geographisch halten in den offiziellen Diskurs und die Strategie- wird in Tokyo unter »Indo-Pazifik« der gesamte Raum papiere Japans. Die Allianz mit den USA wird hierbei von der Ostküste Afrikas bis zur amerikanischen Pazifikküste verstanden. Trotz etlicher Konstanten hat die »FOIP Strategy« seit 2016 einige Neuerungen erfahren. Zunächst ist 38 Ministry of Foreign Affairs of Japan, »Speech by His Excellency Mr. Shinzo Abe, Prime Minister of Japan, at the Parliament of the Republic of India ›Confluence of the Two 42 Kei Koga, »Japan’s ›Indo-Pacific‹ Question: Countering Seas‹«, Neu-Delhi, 22.8.2007, (Zugriff am Affairs, 96 (2020) 1, S. 49–73 (57), (Zugriff am 29.4.2020). 39 Shinzo Abe, »Asia’s Democratic Security Diamond«, 43 Prime Minister of Japan and His Cabinet, »Policy Speech Project Syndicate, 27.12.2012, (Zugriff am 29.4.2020). 40 Ministry of Foreign Affairs of Japan, »Address by Prime 44 Ministry of Foreign Affairs of Japan, »Remarks by Mr. Minister Shinzo Abe at the Opening Session of the Sixth Nobuo Kishi, State Minister for Foreign Affairs at the Indian Tokyo International Conference on African Development«, Ocean Conference 2016«, Singapur, 7.10.2016, (Zugriff am 29.4.2020). 45 Yoshihide Soeya, »Indo-Pacific: From Strategy to Vision«, 41 Ash Rossiter, »The ›Free and Open Indo-Pacific‹ Strategy in: Ron Huisken (Hg.), CSCAP [Council for Security Cooperation in and Japan’s Emerging Security Posture«, in: Rising Powers the Asia Pacific] Regional Security Outlook 2020, Canberra: CSCAP, Quarterly, 3 (2018) 2, S. 113–131. 2019, S. 16–19 (16). SWP Berlin Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik Mai 2020 18
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