Parapneumonischer Pleuraerguss bei einer 37-jährigen Patientin?
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Der Pneumologe Bild und Fall Pneumologe 2022 · 19:169–174 https://doi.org/10.1007/s10405-022-00443-3 Angenommen: 10. März 2022 Parapneumonischer Pleuraerguss Online publiziert: 24. März 2022 © The Author(s), under exclusive licence to bei einer 37-jährigen Patientin? Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 A. Decadt1 · J. Winkler1 · B. Atmeh1 · A. Meyer2 1 Spital Bülach AG, Bülach, Schweiz 2 Medizinische Polyklinik, Kantonsspital Winterthur, Winterthur, Schweiz Anamnese Sectio 2006 und 2016 mit Tubenligatur bekannt. Es bestehen keine Allergien, kein Eine 37-jährige, ursprünglich aus dem Konsum von Alkohol, Nikotin oder anderen Kosovo stammende Patientin wurde vom Drogen. Die Patientin nimmt keine Medi- Hausarzt bei Verdacht auf eine Pyelone- kamente ein. Sie ist Verkäuferin an einer phritis links auf die Notfallstation der Klinik Tankstelle. der Autoren zugewiesen. Die Patientin be- richtete über seit 2 Wochen bestehende, Diagnostik ausgeprägte Schmerzen in der linken Flan- ke. Seit 3 Tagen habe sie zusätzlich einen Es handelte sich um eine 37-jährige, all- trockenen, stark schmerzhaften Husten seits orientierte Patientin in reduziertem und seit einem Tag Dysurie und Pollakisu- Allgemein- und normalem Ernährungs- rie. Eine Woche zuvor war beim Hausarzt zustand, Blutdruck 112/56 mm Hg, Puls eine Sonographie der ableitenden Harn- 76/min, SpO2 98 %, Temperatur 37,0 °C. wege bei leicht erhöhten Entzündungs- Auskultatorisch fiel ein vermindertes werten unauffällig gewesen. Aufgrund Atemgeräusch links auf, und es bestand des Hustens war zudem ein SARS-CoV-2- eine linksthorakale Druckdolenz dorsoba- Abstrich erfolgt, der ein negatives Ergeb- sal. Konventionell-radiologisch (. Abb. 1) nis erbrachte. Im Verlauf stieg das CRP auf zeigten sich eine ausgedehnte Verschat- 200 mg/l an und der Urinstatus war patho- tung links basal, vereinbar mit Erguss und logisch (Leukozyturie, Hämaturie, Nitrit Infiltrat. Im Bereich des linken Hilus kamen positiv), weshalb die Patientin zugewiesen weitere Verdichtungen zur Darstellung, wurde. Auf der Notfallstation klagte sie welche Infiltraten oder abgekapselten über Thoraxschmerzen links dorsal. An Ergussanteilen entsprechen könnten. Bei Vorerkrankungen waren lediglich St. n. gleichzeitiger Symptomatik eines Harn- Schulteroperation rechts 2008 und St. n. wegsinfektes wurde eine Urinkultur ab- Aline Decadt undJohanna Winklerteilensichdie Erstautorenschaft. Abb. 1 8 Röntgenaufnahme des Thorax bei Ein- Abb. 2 8 Computertomographie (CT) des Tho- QR-Code scannen & Beitrag online lesen tritt rax am Folgetag nach der Pleurapunktion Der Pneumologe 3 · 2022 169
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Laboranalytisch zeigte sich ein erhöh- ventionell starken Schmerzen zeigte ein tes CRP mit 261 mg/l bei normwertigen Kontroll-Röntgenaufnahme und eine im Leukozyten mit 9,5 G/l. In der Thoraxso- Verlauf durchgeführte Computertomogra- nographie bestätigte sich ein linksseiti- phie (. Abb. 2 und 3) einen minimalen Se- ger Pleuraerguss, so dass eine Punktion ropneumothorax mit viel fibrinösen sep- erfolgte. Es konnten 1,5 l trübe Flüssig- tierten Veränderungen unterschiedlicher keit drainiert werden. Es zeigte sich ein Lokalisation. Zudem fielen mehrere Luft- Exsudat, der pH-Wert lag bei 7,34, LDH bläschen im Erguss, ausgedehnte Konsoli- 1698 U/I, Protein 45 G/l, weshalb wir nicht dierungen im linken Unter- und Oberlap- von einem Empyem, sondern einem un- pen mit minimalem Tree-in-bud-Zeichen komplizierten parapneumonischen Erguss und einer geringen mediastinalen Lymph- ausgingen. Das Sediment war lympho- adenopathie auf. zytenreich mit 10,3 % polynukleären und Abb. 3 8 Computertomographie (CT) des Tho- rax am Folgetag nach der Pleurapunktion 86,8 % mononukleären Zellen in der Zell- Erstdiagnose differenzierung. Eine Multiplex-PCR auf re- spiratorische Viren und eine PCR auf My- Es wurde initial die Verdachtsdiagnose ei- genommen, wobei wir mittlerweile nicht cobacterium tuberculosis waren negativ; ner Pneumonie mit parapneumonischem mehr von einer Pyelonephritis ausgingen. mikroskopisch ließen sich keine säurefes- Erguss gestellt. ten Stäbchen nachweisen. Bei postinter- D Wie lautet Ihre Diagnose? Therapie und Verlauf die antibiotische Therapie nach 6 Tagen chialsystem zeigte. Ein Quantiferontest empirisch auf Levofloxacin umgestellt. wurde bei fehlendem zusätzlichem Nut- Auf Grundlage der Erstdiagnose wurde die Bei septiertem und vor allem lympho- zen und laboranalytisch nur wöchentlicher Patientin zur intravenösen antibiotischen zytenreichem Pleuraerguss bei junger Durchführung nicht gemacht. Eine bron- Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure Patientin mit einem Hoch-Tbc-Inzidenz- choalveoläre Lavage zeigte erneut keinen stationär aufgenommen. Ein Harnwegsin- land als Herkunftsland bestand jedoch Nachweis von säurefesten Stäbchen oder fekt wurde so gleichzeitig mitbehandelt. ein hochgradiger Verdacht auf eine Tbc- einen anderweitigen Keimnachweis; die Zusätzlich erfolgte die Einlage einer Tho- Pleuritis. Daher erfolgte bei fehlendem Tbc-PCR war negativ. Zytologisch ergab raxdrainage. Aufgrund weiterhin steigen- Auswurf zur Sputumdiagnostik eine Bron- sich kein Anhalt für Malignität. Differenzi- der Entzündungswerte (. Tab. 1) wurde choskopie, die ein unauffälliges Bron- aldiagnostisch wurde ein rheumatisches Geschehen ausgeschlossen. Die Hepatitis- Tab. 1 Entzündungswerte B-, Hepatitis-C- und HIV-Serologien sowie Bei Eintritt Tag 3 Tag 13 (nach Levofloxacin) das Legionellen-Antigen im Urin waren CRP 261 mg/l 324 mg/l 50 mg/l negativ (. Tab. 2). Zusätzlich erfolgte die Leukozyten 9,5 G/l 17,6 G/l 5,5 G/l Bestimmung der Adenosin-Desaminase (ADA) im Pleuraerguss. Nach Entfernung der Thoraxdrainage und bei deutlicher kli- Tab. 2 Weiterführende Diagnostik nischer und laborchemischer Besserung Weiterführende Serologien Diagnostik konnte die Patientin mit Levofloxacin für insgesamt 10 Tage nach Hause entlas- Pleurapunktat Exsudat, pH-Wert 7,34, LDH 1698 (U/I), Anti-CCP Negativ (bei Eintritt) keine säurefesten Stäbchen nachweisbar sen werden. Eine elektive diagnostische 2 × 2 Paar Blut- Kein Wachstum Rheumafaktoren Negativ Thorakoskopie wurde geplant und war kulturen bei Austritt noch ausstehend. Kurz nach Legionellen-Ag Negativ ANA Negativ Entlassung erhielten wir die Befunde der (im Urin) Adenosin-Desaminase, welche mit 80 U/l Pleurapunktat Lymphozytenreiches Sediment, PCR auf Doppelsträngige Negativ positiv war. Zudem zeigte sich die Kultur (am 3. Tag) Mycobacterium tuberculosis negativ DNS der BAL 3,5 Wochen nach Erstvorstellung BAL (am 6. Tag) Unauffällig, keine malignen Zellen, PCR Hepatitis B/C, Negativ ebenfalls positiv für einen pansensiblen auf Mycobacterium tuberculosis negativ HIV Mycobacterium-tuberculosis-Komplex. Kultur für Tbc positiv Somit konnte bei Erregernachweis im ADA 80 U/l – – Bronchialsystem doch noch die Diagnose Urinkultur E. coli (sensibel auf Amoxicillin/ – – einer Tuberkulose mit Pleuritis tuberculosa Clavulansäure) gestellt werden. Die geplante diagnos- Der Pneumologe 3 · 2022 171
Bild und Fall Südostasien, Afrika aber auch Osteuropa [4]. Im Normalfall ist bei der Diagnosestel- lung und nach Ausschluss einer Resistenz eine Vierfachtherapie mit Isoniazid, Rif- ampicin, Ethambutol und Pyrazinamid für 2 Monate und mit Isoniazid und Rifam- picin für weitere 4 Monate empfohlen. Nebenwirkungen können hier u. a. Trans- aminasenerhöhung, Sehstörung, rot-oran- ge Körpersekrete und Neuropathie sein, weshalb regelmäßige laborchemische und Abb. 5 8 Computertomographie (CT) des Tho- klinische Kontrollen empfohlen sind. Inter- rax nach ca. 6 Monaten essanterweise kam es unter der Levofloxa- Abb. 4 8 Röntgenaufnahme des Thorax nach cintherapie bei der Patientin bereits zu ca. 2,5 Monaten einer Regredienz der Symptomatik. Levo- floxacin und andere Fluorchinolone kön- tische Thorakoskopie zur Pleurabiopsie als Goldstandard durchgeführt werden. nen bei Tuberkuloseinfektionen eingesetzt für die mikrobiologische Differenzierung Bei V. a. eine pleurale Tuberkulose sollte werden, beispielsweise bei einer isolierten und Resistenzprüfung konnte abgesagt die ADA-Titerbestimmung für den de- Isoniazid-Monoresistenz [4]. werden. Die weitere Betreuung der Pa- finitiven TBC-Ausschluss durchgeführt tientin erfolgte in der pneumologischen werden, wobei die Grenzwerte hierbei Fazit für die Praxis Sprechstunde, wo ca. 3,5 Wochen nach variieren können [1–4]. Das in Lymphozy- 4 Bei einem lymphozytären, septierten Er- Erstvorstellung auf der Notfallstation eine ten erhaltene Enzym ist bei tuberkulösen guss ist bei jungen Patienten bis zum Vierfachtherapie mit Isoniazid, Rifampi- Pleuraergüssen meistens erhöht und hat Beweis des Gegenteils immer an die Tu- cin, Ethambutol und Pyrazinamid und eine Sensitivität von 92 % und Spezifität berkulose denken, die Zelldifferenzierung anschliessend Isoniazid und Rifampicin von 90 % [1, 5]. Des Weiteren ist abzu- lohnt sich. 4 Verschiedenste Proben gewinnen, um zu für 4 Monate initiiert wurde. Es erfolgte klären, ob eine Umgebungsuntersuchung einer Diagnose zu kommen. eine Umfeldanalyse durch die Lungenliga. benötigt wird. Bei Nachweis von säure- 4 Adenosin-Desaminase (ADA) im Pleuraer- Der Pleuraerguss zeigte sich in der Nach- festen Stäbchen im Sputum oder der BAL guss: Sensitivität 92 % und Spezifität 90 % kontrolle regredient (. Abb. 3, 4 und 5). herrscht ein relevantes Ansteckungsrisiko für Tuberkulose. bei allen Personen, welche in den 3 Mo- Diskussion naten vor Behandlungsbeginn über 8 h im selben Raum waren. In Fällen wie unserem, Korrespondenzadresse In unserem Fall passte fast alles zu einem wenn das Sputum oder der BAL-Ausstrich A. Decadt parapneumonischen Erguss, in der Zelldif- negativ ausfällt und erst die Kultur positiv Spital Bülach AG ferenzierung fanden wir jedoch statt eines ist, reicht die Umgebungsuntersuchung Spitalstrasse 24, 8180 Bülach, Schweiz aline.decadt@spitalbuelach.ch neutrophilen einen lymphozytären Erguss. der engen Kontaktpersonen (z. B. im sel- Die häufigste Ursache für einen exsudati- ben Haushalt wohnende Personen oder ven, lymphozytären Pleuraerguss mit er- Personen mit kumulativ > 40 h Kontakt im höhter LDH können u. a. ein pulmonales geschlossenen Raum in den 3 Monaten vor In Memoriam. Im Gedenken an unsere geliebte Arbeitskollegin und gute Freundin. Malignom, eine Tuberkulose oder ein rheu- Behandlungsbeginn). Die Umgebungsun- Johanna Winkler matisches Geschehen sein [1]. tersuchung wird in der Schweiz in der 05.07.1993–31.01.2022 Bei Auftreten eines lymphozytären Regel von geschultem Personal wie bei- Pleuraergusses ist bei jungen Patienten spielsweise der Lungenliga durchgeführt aus einem Hoch-Tbc-Inzidenzland deshalb [4]. Einhaltung ethischer Richtlinien die gezielte Suche nach Mycobacterium tuberculosis indiziert. Initial kann dies » Diagnose: Tuberkulose mit Interessenkonflikt. A. Decadt, J. Winkler, B. Atmeh und A. Meyer geben an, dass kein Interessenkonflikt mittels mikroskopischem Direktnachweis Pleuritis tuberculosa besteht. von säurefesten Stäbchen, positiver PCR- Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Untersuchung oder positiver Kultur des Insgesamt geht die Inzidenz der Tuberku- Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für Sputums oder des Pleurapunktats sein. lose in der Schweiz zurück, betroffene Pa- die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort ange- Ebenfalls kann eine Bronchoskopie mit tienten sind oft nicht-schweizer Herkunft gebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, bronchoalveolärer Lavage (BAL) erfolgen. aus einem Gebiet mit einer im Vergleich zur über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von Bei fehlendem positivem Nachweis soll- Schweiz höheren Inzidenz, beispielsweise ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine te eine Thorakoskopie mit Pleurabiopsie schriftliche Einwilligung vor. 172 Der Pneumologe 3 · 2022
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In eigener Sache Literatur 1. Hooper C, Lee YCG, Maskell N (2010) Investigation of a unilateral pleural effusion in adults: British Thoracic Society pleural disease guideline 2010. Thorax 65:ii4–ii17 2. Gopi A et al (2007) Diagnosis and treatment of tuberculous pleural effusion in 2006. Chest 131:880–889 3. Lewinsohn DM, Leonard MK, LoBue PA et al (2017) Official American Thoracic Society/Infectious Diseases Society of America/Centers for Disease ControlandPreventionclinicalpracticeguidelines: diagnosis of tuberculosis in adults and children. Clin Infect Dis 64(2):111–115 4. Lungenliga Schweiz, Bundesamt für Gesundheit (2019) Tuberkulose in der Schweiz: Leitfaden für Fachpersonen des Gesundheitswesen 5. Aggarwal AN, Agarwal R, Sehgal IS, Dhooria S (2019) Adenosine deaminase for diagnosis of tuberculous pleural effusion: a systematic review and meta-analysis. PLoS ONE14(3):e213728 Ihr Fall in Der Pneumologe – reichen Sie Ihr Manuskript für „Bild und Fall“ ein Sie hatten einen interessanten Fall in Ihrer Einen detaillierten Leitfaden finden Sie auf: Praxis? Einen ungewöhnlichen Krankheits- und Behandlungsverlauf? Instruktives Bild- DerPneumologe.de, material, an dem sich das diagnostische und unter „Submissi- therapeutische Vorgehen darstellen lässt? on guidelines“, Ru- Bereiten Sie Ihr Fallbeispiel für die Rubrik „Bild brik „Bild und Fall“ und Fall“ auf und lassen Sie die Leserinnen und Leser von Der Pneumologe an Ihren Erfahrungen teilhaben! Die Manuskripte werden von zwei unabhängigen Gutach- Der Beitrag gliedert sich in zwei Hauptteile: ter*innen geprüft. Sie erhalten detaillierte 4 Im ersten Teil wird der Fall kurz Rückmeldungen und konstruktive Anmer- dargestellt, inklusive Anamnese, kungen zur Verbesserung Ihres Beitrags. klinischem Befund und Diagnostik. Die Leser*innen sollen durch Die Rubrik wird verantwortet von: Fallbeschreibung und Bildmaterial alle Prof. Dr. Daniela Gompelmann, Wien nötigen Informationen erhalten, um Prof. Dr. F. Joachim Meyer, München selbst eine Diagnose zu stellen. Dr. Thomas Wessendorf, Essen 4 Erst im zweiten Teil wird die Diagnose genannt. Therapie und Verlauf des Fragen zur Rubrik beantwortet die Redaktion: vorgestellten Falls werden beschrieben; Dr. Saskia Rehse-Becker die Leser*innen erhalten weitere saskia.rehse-becker@springernature.com Hintergrundinformationen wie z.B. Pathogenese, Differentialdiagnose und weiterführende Diagnostik. 174 Der Pneumologe 3 · 2022
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