Personalisierte Medizin - heute schon die Medizin von morgen
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September 2011 Jahrgang 53 Personalisierte Medizin – heute schon die Medizin von morgen In Zusammenarbeit mit Zeitbild Wissen 1
Inhalt Ein Wirkstoff wandert durch den Körper 4 Fotostory: „Kommt ein Mann zum Arzt ...“ 18 Entwicklungszyklus eines Medikaments: Interview: Die Zukunft der Von der Idee zur Therapie 6 personalisierten Medizin 20 Die Wirksamkeit von Arzneimitteln 8 Der gläserne Mensch: Durchsichtig für alle und jeden? 22 Keine Wirkung ohne Nebenwirkung? 9 Arbeitsblätter 24 Was macht einen Menschen medizinisch zu einem Individuum? 10 Lösungshinweise 29 Literatur und Links 30 Individueller behandeln mit personalisierter Medizin 13 Personalisierte Medizin von A – Z 31 Wo personalisierte Medizin helfen kann 16 Impressum 32 Didaktische Empfehlungen für Lehrkräfte Hinweise zum Einsatz der Materialien im Unterricht Warum reagieren Menschen mit den Genetik können darüber hinaus- gleichen Krankheiten so verschieden gehend aktuelle Trends in der auf eine identische Behandlung? Erforschung von Wirksamkeit und Diese Leitfrage ist Kern der persona- Verträglichkeit von Arzneimitteln lisierten Medizin, die das vorliegende in den Unterricht integriert werden. Unterrichtsmagazin mit Beispielen Die Schülerinnen und Schüler aus der Praxis behandelt. erfahren, wie genetische Diagnose- verfahren helfen, individuelle Obwohl die personalisierte Medizin Therapiekonzepte zu erstellen. in der medizinischen Forschung seit einigen Jahren im Fokus steht, Fünf Arbeitsblätter am Ende des wurde dieses Thema bislang kaum Magazins vertiefen die behandelten für den Biologieunterricht aufbereitet. Themen und bieten zielgerichtet Das vorliegende Zeitbild Wissen Zugänge, die das Verständnis „Personalisierte Medizin – heute der personalisierten Medizin schon die Medizin von morgen“ ermöglichen. Zahlreiche Abbildungen richtet sich vor allem an Schülerinnen und unterschiedliche Aufgaben und Schüler in den Grund- und regen die Schülerinnen und Schüler Leistungskursen der Oberstufe. zu einer selbstständigen und diffe- Anknüpfend an die Lehrplaninhalte renzierten Auseinandersetzung mit in den Bereichen Stoffwechsel und dem Thema an. 2 Zeitbild Wissen
Personalisierte Medizin – was ist das? Personalisierte oder individualisierte Medizin ist derzeit in aller Munde und steht für einen gegenwärtigen Trend in der Medizin. Personalisierte Medizin weckt bei Wissenschaftlern, Ärzten, Krankenkassen sowie bei Patienten gleichermaßen hohe Erwartungen. Selbst die Politik verspricht sich von der personalisierten Medizin Einsparungen im Gesundheits- wesen. Patientenverbände setzen ihre Hoffnungen auf die kürzlich ins Leben gerufene Gesellschaft für Personalisierte Medizin in Europa (EPEMED, European PErsonalised MEDicine). Ein wesentliches Schwerpunktthema der personalisierten Medizin ist die Pharmakogenomik. Darunter wird verstanden, dass individuelle Erbanlagen für die Entstehung einer Krankheit wichtig sein können (sog. Suszeptibilitätsfaktoren) sowie das Ansprechen einer Arzneimittel- therapie und/oder unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen infolge einer Therapie durch genetische Faktoren beeinflusst werden. Insgesamt erhofft man sich so durch pharmakogenomische Forschung wesentliche Impulse für eine innovative zukünftige Arzneimittelentwicklung und für eine verbesserte Anwendung von Medikamenten. Damit soll erreicht werden, dass Patienten in Zukunft eine individuelle, maßgeschneiderte Therapie erhalten bzw. individualisierte Therapieansätze erarbeitet werden und der Leitsatz „Das richtige Medikament für den richtigen Patienten in der richtigen Dosierung“ Realität wird. Engstens mit diesen Zielen verbunden ist ein besseres Verständnis von molekularen und biologischen Abläufen, die ein Grundwissen in den unterschiedlichs- ten Bereichen von Wissenschaft und klinischer Medizin voraussetzen. Das vorliegende Zeitbild Wissen soll einen ersten Beitrag dazu leisten, verschiedene Aspekte aus Molekular- und Zellbiologie, Stoffwechsel sowie Genetik in gut verständlicher Weise aufzubereiten und in das übergeord- nete Konzept der personalisierten Medizin einzuordnen. Dies ist wichtig, da in Zukunft personalisierte Medizin und damit medizinische Genom- forschung auch in Deutschland eine noch größere Bedeutung finden wird, da auch von politischer Seite für die kommenden Jahre Fördermaßnah- men geplant sind, um neue Forschungsstrategien zur individualisierten Medizin zu entwickeln und eine leistungsstarke Versorgungsforschung aufzubauen. Dabei stehen Gesundheitsforschung sowie die Biotechno- logie im Fokus dieser Hightech-Strategie (www.hightech-strategie.de). Prof. Dr. Matthias Schwab Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie in Stuttgart, Forschungsschwerpunkt Pharmakogenomik Zeitbild Wissen 3
Ein Wirkstoff wandert durch den Körper Wirkstoffe durchlaufen verschiedene Stationen im Körper, bis sie die beabsichtigte Wirkung erzielen und schließlich wieder ausgeschieden werden. Individuelle Unterschiede bei Verteilung und Metabolisierung der Wirkstoffe spielen eine wichtige Rolle bei der Therapieplanung im Rahmen der personalisierten Medizin. Besonders viele Stationen durchlau- rende zum Cytochrom-P450-System Ein radioaktiver Wirkstoff fen Wirkstoffe aus Medikamenten (CYP) gehören, während andere zirkuliert im Blut (0 min) und wird in der Folgezeit zum Schlucken, wie etwa Tabletten, Enzyme z. B. Glucuronsäure an die über Niere und Blase Kapseln oder Trinklösungen. Das soll Wirkstoffe koppeln (was ihre Wasser- ausgeschieden. Der Vor- hier anschaulich werden am Beispiel löslichkeit steigert). gang wurde mit einem einer Tablette. PET-Ganzkörperscanner Nach der ersten Leberpassage werden aufgezeichnet. Viele Nach dem Schlucken erreicht die die Wirkstoffmoleküle mit dem Blut Wirkstoffe verlassen den Körper auf gleiche Art. Tablette zunächst den Magen, wo sie nach Passieren von großer Hohlvene, sich auflöst und den Wirkstoff frei- rechtem Herz, Lunge, linkem Herz und setzt. Dieser wird in den Dünndarm Aorta über den Blutstrom im ganzen 0–5 min transportiert, passiert die Darm- Körper verteilt. Sind sie nicht gut schleimhaut und gelangt in deren wasserlöslich, lassen sie sich von den Blutkapillaren. Über die Pfortader, Bluteiweißen wie Plasmaalbumin Organ vorkommen und die eine Rolle in die alle Venen des Dünndarms tragen. Sie reichern sich dann auch im Krankheitsgeschehen haben. Sie münden, wird der Wirkstoff sodann bevorzugt in fettreichen Geweben an können aber auch im Blutplasma zur Leber transportiert. Dort haben und stehen außerhalb davon nur in vorliegen (wie beispielsweise die die Leberzellen erstmals Gelegenheit, verminderten Konzentrationen zur Gerinnungsfaktoren). ihn zu metabolisieren, also chemisch Verfügung. Gelangen Wirkstoff- Sobald die Wirkstoffmoleküle in der zu verändern. Wird hierdurch der moleküle auf diese Weise erneut in Blutbahn sind, beginnt auch schon größte Teil der Wirkstoffmoleküle die Leber, sind sie wieder der Meta- ihre Ausscheidung. Gut wasserlösliche inaktiviert, spricht man von einem bolisierung ausgesetzt. Aber auch Wirkstoffe (oder ihre Metaboliten) „ausgeprägten First-Pass-Effekt“; Enzyme in der Lunge oder im Blutplas- verlassen den Körper bevorzugt über er muss bei der Medikamenten- ma können Wirkstoffe metabolisieren. die Nieren und die Harnwege. Eher Dosierung berücksichtigt werden. Aus dem Blut können die Wirkstoffe fettlösliche werden von der Leber dem Metabolisiert werden können Wirk- auch allerorts in die Interstitial- Blutplasma entzogen und in die Galle stoffe von verschiedenen Leber- flüssigkeit wechseln und so alle Zellen überführt, die über den Darm und den enzymen, von denen einige oxidie- erreichen. Nur in Gehirn, Rückenmark Kot den Körper verlässt. und Hoden gibt es besonders abge- Bei der Entwicklung eines Medika- dichtete Gefäßwände, die die meisten ments müssen alle genannten Pro- Wirkstoffe nicht durchlassen. Man zesse bedacht werden. Und darüber Hinweis Arbeitsblatt 1 spricht von Blut-Hirn-Schranke bzw. hinaus ist zu berücksichtigen, dass Blut-Hoden-Schranke. Die Schülerinnen und Schüler jeder Transport-, Verteilungs- und vertiefen die Metabolisierer- Wo die Wirkstoffmoleküle schließlich Verstoffwechslungsprozess individuell Phänotypen und kommen einen Effekt erzielen, hängt allein unterschiedlich schnell abläuft bzw. auf die Spur der individuell davon ab, wo sie auf passende mole- unterschiedlich stark ausgeprägt ist. unterschiedlichen Wirksamkeit kulare Bindungspartner treffen – ihre Dazu tragen genetische Unterschiede von Medikamenten, eines Targets: Meist sind das Moleküle einer bei den Metabolisierungsenzymen zentralen Aspekts der perso- bestimmten Enzym- oder Rezeptoren- ebenso bei wie beispielsweise der nalisierten Medizin. art, die nur in dem zu behandelnden Körperfett-Anteil. 4 Zeitbild Wissen
20–25 min 45–50 min 120–125 min 240–245 min Die vier Metabolisierer-Phänotypen willkürlich am Maximum beim PM kalibriert. 100 relative Einheiten. Die 100 % wurden dabei Wirkstoffkonzentration im Blutplasma / Starke Nebenwirkungen Die Unterschiede in der Konzentration und Verweildauer eines 75 Wirkstoffs im Körper eines Patienten sind abhängig von der individuellen Enzymausstattung. Eine wichtige Rolle spielen 50 PM dabei u. a. die Cytochrom-P450-Enzyme, die den Abbau vieler Therapeutisches Fenster Wirkstoffe katalysieren. Sind sie oder andere Abbauenzyme 25 IM verändert oder nur geringgradig exprimiert, kann das erheb- Unwirksam EM liche Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Medikamenten UM haben. Vier Metabolisierungstypen werden unterschieden: 0 0 4 8 12 Zeit/Stunden nach Einnahme Normaler Metabolisierer (Extensive Metabolizer, EM) Angaben zur Dosierung und Einnahmehäufigkeit von Wirk- Langsamer Metabolisierer stoffen sind in der Regel auf Patienten mit normaler bis leicht (Poor Metabolizer, PM) schneller Enzymtätigkeit abgestimmt. Mit einer normalen Wirkstoffe werden nur langsam metabolisiert. Deshalb können Dosis wird bei ihnen eine Konzentration im Blutplasma bei normaler Dosierung verstärkt Nebenwirkungen bis hin (Spiegel) erreicht, die sich längere Zeit innerhalb des „thera- zu Vergiftungen auftreten, da es ab der zweiten Einnahme zu peutischen Fensters“ bewegt (also hoch genug für die überhöhten Wirkspiegeln kommt. Wirkung, aber nicht hoch genug für inakzeptable Neben- Ultraschneller Metabolisierer wirkungen ist), ehe sie unter die Wirksamkeitsschwelle fällt. (Ultra Rapid Metabolizer, UM) Eingeschränkter Metabolisierer Wirkstoffe werden sehr schnell abgebaut. Hier besteht die (Intermediate Metabolizer, IM) Gefahr, dass sie deshalb nur eine sehr kurzfristige, eine geringe Wirkstoffe werden verlangsamt verstoffwechselt. Bei normaler oder gar keine therapeutische Wirkung erzielen. Dosierung ist die Wirkdauer verlängert, Nebenwirkungen sind wahrscheinlicher. Ab der zweiten Einnahme drohen Ein Patient kann für den einen Wirkstoff ein normaler Metabolisie- dauerhaft Wirkspiegel oberhalb des therapeutischen Fensters. rer und für einen anderen z. B. ein langsamer Metabolisierer sein. Zeitbild Wissen 5
Entwicklungszyklus eines Medikaments Von der Idee zur Therapie Bei welchen Krankheiten besteht Bedarf für ein neues Medikament? Haben sich durch neue Forschungserkenntnisse die Chancen auf ein wirksameres Medikament verbessert? Oder lässt sich ein Medikament finden, das weniger Nebenwirkungen aufweist als die bisherigen? Erst wenn diese und andere Fragen geklärt sind, beginnt die Forschung für ein neues Arzneimittel. Die Entwicklung eines Medikaments läuft in verschiedenen Phasen ab und dauert im Schnitt mehr als dreizehn Jahre. Sie wird von den zuständigen Behörden überwacht und muss strengen Regularien genügen, um eine größtmögliche Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. Gesucht: Ein neues Medikament Eine Art Partnersuche Bei vielen Krankheiten gibt es noch keine oder keine Kennt man das Target, wird ein Profil des potenziellen wirklich hilfreiche Therapie. Dies ist für Forscher eine Wirkstoffs erstellt. Beim sogenannten Screening werden große Herausforderung, um ein wirksames Medikament ein bis zwei Millionen Substanzen versuchsweise mit zu entwickeln: Die Arbeit beginnt. den Targetmolekülen zusammengebracht. Kommt zwischen einer Substanz und dem Target eine Bindung zustande, spricht das für eine mögliche Wirkung. Dieses erfreuliche Ergebnis nennt man Hit. Wo ansetzen? Zunächst müssen Pharmaforscher herausfinden, an welcher Stelle das Krankheitsgeschehen beeinflusst werden Von der Möglichkeit zum Wirkstoffkandidaten kann. Man sucht dabei einen Ansatzpunkt (Target): Diese Hits geben Forschern wichtige Hinweise darauf, Dies ist ein körpereigenes Molekül, das durch den Wirkstoff wie eine Substanz beschaffen sein muss, um an ein Target so beeinflusst werden könnte, dass hierdurch die Erkran- zu binden. Auf Basis dieser Kenntnisse werden dann neue kung geheilt, ihr Fortschreiten hinausgezögert wird oder Substanzen synthetisiert und ihre Wirkung getestet. damit einhergehende Beschwerden gelindert werden. Bei einer Infektionskrankheit wiederum sucht man nach Targets im Erreger selbst, um z. B. Bakterien abzutöten. 6 Zeitbild Wissen
Thema mit vielen Variationen Phase-II-Studien: Studien mit wenigen Kranken Zeigen erste Substanzen ansatzweise Wirkung, werden Nun wird ein potenzielles Arzneimittel mit Patienten von ihnen – auch gestützt auf Einsichten aus Computer- untersucht: Etwa 100 bis 500 von einer bestimmten simulation – Varianten hergestellt und getestet. Die besten Erkrankung Betroffene nehmen freiwillig nach umfassen- Substanzen werden wiederum modifiziert und getestet, der Aufklärung an den Studien teil. Damit man Wirksam- modifiziert und getestet ... bis es ein paar Substanzen keit und Verträglichkeit gut bewerten kann, erhält ein Teil mit so guten Testergebnissen gibt, dass sie als Wirkstoff der Patienten eine schon zugelassene Vergleichsbehand- verwendet werden könnten. lung oder ein Scheinmedikament ohne Wirkung (Placebo). Tests auf Wirkung und Verträglichkeit Phase-III-Studien: Studien mit vielen Kranken Die wirksamste Substanz nützt nichts, wenn sie nicht Schließlich wird das Medikament – wieder vergleichend – auch verträglich ist. Deshalb werden aussichtsreiche mit mehreren tausend Patienten in vielen Ländern erprobt. Wirkstoff-Kandidaten zunächst in Zellkulturen und dann Dabei werden Wirksamkeit, Verträglichkeit und Wechsel- im Tierversuch auf ihre Giftigkeit (Toxizität) untersucht. wirkungen mit anderen Medikamenten untersucht. Nur was auch hier die Proben bestanden hat, wird weiter untersucht. Phase-I-Studien: Vom Reagenzglas in den Körper Prüfung der Zulassungsstellen In dieser Studienphase wird der Wirkstoff mit freiwilligen Die Zulassungsbehörden prüfen nun die Ergebnisse der Probanden – also gesunden Menschen – untersucht. Man durchgeführten Labor-, Tier- und Human-Studien zu prüft, wie der Wirkstoff durch den Körper wandert, wie sich Wirksamkeit, Verträglichkeit und zur technischen Qualität geringe Mengen des Wirkstoffs auf den Körper auswirken (z. B. Reinheit) des Medikaments. Wird dies alles für gut und ab welcher Dosierung sie unerwünschte Wirkungen befunden, erhält das Medikament die Zulassung und der (Nebenwirkungen) verursachen. Hersteller bringt es auf den Markt. Immer unter Kontrolle Geleitschutz und Türöffner Ärzte können ihren Patienten das Medikament nun Der Wirkstoff muss noch in eine bestimmte Darreichungs- verordnen. Die Packungsbeilage wird vom Hersteller form eingebettet werden, um als Arzneimittel eingesetzt laufend aktualisiert, um z. B. auf neu entdeckte Neben- werden zu können. Sie gibt ihm Geleitschutz (z. B. gegen oder Wechselwirkungen hinzuweisen. Die Studien und das die Magensäure) oder öffnet ihm Türen (macht z. B. die Zulassungsverfahren zur Anwendung des Medikaments Haut wirkstoffdurchlässig). Gängige Darreichungsformen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen in der Regel etwas sind Tabletten, Kapseln, Salben, Trink- und Injektions- zeitversetzt. Könnte das Medikament bei weiteren Erkran- lösungen, Sprays und Wirkstoffpflaster. kungen helfen, werden neue klinische Studien begonnen. Zeitbild Wissen 7
Das Enzym Thrombin (hier grün/braun dargestellt) ist ein Gerinnungsfaktor im menschlichen Blut: Es erzeugt Fibrinfäden. Hier hat sich ein Wirkstoff (weiß/rot/blau) ins aktive Zentrum gebunden. Auf diese Weise wird die Aktivität des Thrombins gehemmt und die Gerinnungsneigung des Blutes herabgesetzt. Die Wirksamkeit von Arzneimitteln Ein Arzneimittel soll eine Krankheit verhindern, heilen oder ihre Symptome lindern. Und das möglichst zuverlässig. Dazu muss es im Körper eine gezielte Wirkung auf der Ebene der Moleküle entfalten. Fast immer erzielt der Wirkstoff eines Diese Bindung erfolgt in der Regel ergibt, hängt von all den Prozessen Medikaments seine Wirkung, indem nicht-kovalent (durch Ladungsan- ab, denen ein Wirkstoff im Körper er sich an ein bestimmtes biologi- ziehung und hydrophobe Wechsel- ausgesetzt ist (der Pharmakokinetik). sches Zielmolekül bindet; meist ein wirkungen) und reversibel, aber sehr Die Konzentration ändert sich auch im bestimmtes Enzym oder ein Rezeptor. spezifisch. Der Wirkstoff bindet sich Zeitverlauf, und mit ihr die Wirksam- also nur in geringem Maße auch an keit (siehe Diagramm links). andere Moleküle. All dies kann von Mensch zu Mensch Der Wirkstoff ist dabei so gebaut, dass variieren. Glücklicherweise lässt sich Hypoglykämische Aktivität er entweder an die funktionswichtigs- aber meistens ein „therapeutisches Kurzwirksames Insulin (modifizierte Sequenz) te Stelle des Zielmoleküls andockt Fenster“ angeben: eine Einnahmedo- Human-Insulin – etwa an das aktive Zentrum eines sis, die bei den meisten Patienten zu Enzyms (s. Abbildung oben) oder die ausreichender Wirkung bei akzeptab- Hormonbindungsstelle eines Rezep- len Nebenwirkungen führt. tors – oder aber das Zielmolekül allos- terisch beeinflusst. Die Aktivität des Zielmoleküls erlischt daraufhin oder wird gedämpft; in manchen Fällen wird sie auch gesteigert. Zeit (Stunden) Die Wirksamkeit ist abhängig von der Hinweis Arbeitsblatt 2 Beschaffenheit der Zielmoleküle: Sind Das Arbeitsblatt sensibilisiert Die Grafik zeigt den typischen Wirkungs- diese mutiert, kann das die Bindung die Schülerinnen und Schüler verlauf nach einer subkutanen Insulin- erschweren oder erleichtern. Die Wirk- für die dosis-abhängige injektion auf den Glukosestoffwechsel. samkeit hängt ferner von der Wirk- Wirksamkeit und Verträg- Dazu wird die relative Glukosemenge, die notwendig ist, um den Blutglukosespiegel stoffkonzentration am Ort der Ziel- lichkeit von Substanzen. im Organismus nahe den Nüchternwerten moleküle ab. Pharmaforscher streben zu halten, in Relation zur Zeit gesetzt. an, dass mikro- oder sogar nanomola- re Konzentrationen genügen. Welche Konzentration sich tatsächlich vor Ort 8 Zeitbild Wissen
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung? „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat“, wusste schon der 1946 bis 1972 in Mainz tätige Pharmakologe Gustav Kuschinsky. Nebenwirkungen, auch Begleiterscheinungen oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen genannt, lassen sich fast nie vermeiden, aber sie werden nicht immer spürbar. Durch die richtige Anwendung können sie zudem minimiert werden und bestimmen dann eine weitere Arzneimitteleigenschaft: seine Verträglichkeit. Was der Anwender über ein Arznei- lich sein können. Deshalb wird in der von Abbauenzymen oder ein ineffi- mittel wissen muss, wird vom Her- Packungsbeilage zu allen Medika- zienter Ausscheidungsprozess. steller in enger Abstimmung mit den menten mit einer Häufigkeitsskala auf Auch können durch mangelnde Spe- zuständigen Behörden in der Packungs- möglicherweise auftretende Neben- zifität eines Wirkstoffs andere pharma- beilage nach definierten Kriterien wirkungen hingewiesen. kologische Vorgänge beeinflusst und zusammengefasst. Er beschreibt Nebenwirkungen – nämlich aller- so Nebenwirkungen hervorgerufen neben der Anwendung des Arznei- gische Reaktionen – können in einer werden. Dies tritt beispielsweise auf, mittels und seinen Gegenanzeigen individuell erhöhten Empfindlichkeit wenn Rezeptoren, an die ein Wirkstoff (also Faktoren wie Alter oder Vorer- des Immunsystems gegenüber einer bindet, in mehreren Organen vorhan- krankungen, bei denen ein bestimm- Substanz begründet liegen. den sind oder der Wirkstoff an mehr tes Medikament nicht angewendet als einen Rezeptor-Subtyp bindet. Wei- werden sollte) auch die bekannten Nebenwirkungen können durch eine tere Nebenwirkungen können durch Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit. Überdosierung bedingt sein. Dazu Interaktionen, also Wechselwirkungen, Die meisten Nebenwirkungen treten kann es nicht nur durch übermäßige zustande kommen: Wechselwir- jedoch nicht bei jedem auf, sondern Einnahme kommen, sondern auch kungen mit anderen Medikamenten, nur bei einem kleinen Teil der dadurch, dass individuelle physiolo- Alkohol oder Nahrungsmitteln. So sind Patienten. Fallen Nebenwirkungen gische Besonderheiten des Patienten bei mehr als 300 Arzneistoffen Wech- nur schwach aus, bleiben sie sogar zu einer höheren Plasmakonzentra- selwirkungen mit Nahrungs- und oft unbemerkt. Sie können aber auch tion des Wirkstoffs führen als Genussmitteln bekannt: Selbst Milch überaus starke Symptome hervor- erwartet. Ursache dafür ist meist oder Grapefruitsaft setzen die Wirk- rufen, die manchmal lebensbedroh- eine geringe Aktivität (oder ein Fehlen) samkeit mancher Medikamente herab. Zeitbild Wissen 9
Was macht einen Menschen medizinisch zu einem Individuum? Vieles hat Einfluss darauf, ob ein Mensch gesund ist und bleibt oder erkrankt. Die meisten wichtigen Volkskrankheiten beruhen auf einem sehr komplexen Zusammenspiel genetischer, umweltbedingter und auf den Lebensstil zurück- zuführender Faktoren. Im Falle einer Erkrankung werden für eine optimale medizinische Behandlung die Lebensweise sowie altersbedingte, geschlechtsspezifische und zunehmend genetische Besonderheiten berücksichtigt. Lebensalter altersgemäßen Stoffwechsel ange- Krankheiten verlaufen bei jüngeren passt sein. Säuglinge und Klein- und älteren Patienten oft unter- kinder können auch keine Tabletten schiedlich: So leiden Erwachsene schlucken und benötigen deshalb weit schwerer unter Windpocken als andere Darreichungsformen. Kinder; eine Gürtelrose hinterlässt bei Senioren, anders als bei Jünge- Geschlecht ren, meist monatelange Schmerzen. Dem „kleinen Unterschied“ wird Keuchhusten ist für Erwachsene zunehmend große Aufmerksamkeit lästig, für Neugeborene aber lebens- gewidmet. Genetisch und physio- gefährlich. Maligne Tumore – logisch ist er aber – abgesehen vom wiewohl im Alter immer häufiger Offensichtlichen – über weite Strecken – wachsen bei alten Patienten lang- gering. So lassen sich auch die samer als bei jungen. meisten Medikamente in gleicher Medikamente müssen zum Erzielen gleicher Wirkspiegel bei Senioren oft niedriger dosiert werden als bei Jüngeren. Denn im Alter lassen Metabolisierung und Ausscheidung durch Leber und Nieren nach. Bei Kindern muss die Arzneimittel- dosis nicht nur an die geringere Körpergröße, sondern auch an den 10 Zeitbild Wissen
Weise bei beiden Geschlechtern anwenden; nur wenige erfordern eine Dosisanpassung. Beim Verordnen müssen Ärzte aber berücksichtigen, dass es zu Wechselwirkungen zwischen der „Pille“ und anderen Medikamenten kommen kann. Manche Krankheiten betreffen weit häufiger Frauen als Männer. Im Falle der Osteoporose lässt sich das auf Unterschiede im Sexualhormon- system zurückführen, bei Auto- immunkrankheiten wie rheuma- toider Arthritis oder multipler Sklerose sind die Gründe noch ungeklärt. Umgekehrt haben Männer ein höheres Risiko für Herzinfarkt. 30 bis 60 Millionen Basen, was ein bis Lebensweise zwei Prozent des gesamten Erbguts Nicht ohne Grund hat die Lebens- entspricht. Diese Varianzen betreffen stilforschung einen festen Platz in der Mehrzahl nur einzelne Basen; in der Medizin! Falsche Ernährung sie werden als SNPs (Single Nucleo- kann Adipositas und Diabetes zur tide Polymorphisms, sprich „Snips“) Folge haben, Tabak- und Alkohol- bezeichnet. SNPs finden sich mehr konsum können Lunge und Leber oder weniger zufällig über das Genom schädigen, Bewegungsmangel und verteilt alle 500 bis 1000 Basenpaare. Stress fördern die Entstehung von Daneben gibt es in manchen Geno- Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu men auch Duplikationen von Sequenz- viel ungeschützter Aufenthalt in abschnitten (und darin enthaltenen der Sonne führt durch irreversible Genen), die andere Genome nicht DNA-Schäden zu Hautkrebs. aufweisen. Man spricht von Copy Die Beispiele zeigen, wie in Gesund- Number Variants (CNV). heitsdingen der Lebensstil die gene- Ein Großteil dieser Variationen sind tische Grundausstattung völlig über- medizinisch ohne Belang. Einige kön- lagern kann. Spannende Antworten nen allerdings Ursache für – teilweise auf die Frage nach dem Beitrag von sehr komplexe – Krankheitsbilder sein Genen und Lebensweise liefert oder zumindest die Anfälligkeit für übrigens die Zwillingsforschung. bestimmte Krankheiten erhöhen. So ist das Risiko für Brustkrebs bei be- Individuelle stimmten Varianten der Gene BRCA1 genetische Konstitution oder BRCA2 erhöht – nicht weil diese Bis auf den Sonderfall der eineiigen Varianten Krebs auslösen, sondern Zwillinge hat jeder Mensch eine indi- weil dadurch bestimmte krebshem- viduelle Zusammensetzung an Gen- mende Mechanismen im Körper nicht varianten. Es gibt also kein fest defi- richtig funktionieren. niertes menschliches Genom, sondern Andere Variationen in Genen haben nur so etwas wie ein „Konsensgenom“. Einfluss darauf, ob ein bestimmtes Das Genom zweier beliebiger Per- Medikament wirken kann oder ver- sonen unterscheidet sich an etwa tragen wird, weil die Genprodukte Zeitbild Wissen 11
Targets oder Abbauenzyme für den Erworbene Mutationen Mutationen neutral sind oder nur Wirkstoff dieses Medikaments sind. Funktionseinbußen der betroffenen Weil die DNA-Replikation nicht Ein Test auf die Beschaffenheit der Zellen bewirken, führen Mutationen ganz perfekt abläuft, bleibt es nicht beiden Allele eines Patienten im in einigen die Zellvermehrung bei den 60 Mutationen: Weitere Rahmen der personalisierten Medizin regulierenden Genen (darunter Punkt- Mutationen erwerben einzelne erlaubt dann eine Vorhersage über mutationen und Amplifikationen) Zellen und daraus hervorgehende den Therapieerfolg. zu Krebs. Eine einzelne Mutation Zellklone im Laufe des Lebens. ist für die Entstehung von Krebs jedoch Das Erbgut jedes Menschen setzt sich Betreffen sie Körperzellen und nicht nicht ausreichend; vielmehr müssen im Prinzip aus Teilen des Erbguts Keimbahnzellen, spricht man von dazu mehrere Mutationen zusammen- seiner Eltern zusammen. Doch weist somatischen Mutationen. Diese kommen. Die Zahl der Mutationen es einige Mutationen gegenüber werden an die nächste Generation in den Krebszellen nimmt mit dem dem auf, das jemand bei fehlerfreier nicht weitervererbt. Fortschreiten der Krankheit zu. Eine DNA-Replikation eigentlich von seinen Anschauliche Beispiele für solche Ursache dafür ist, dass bei Krebszellen Eltern geerbt haben sollte. Einer somatischen Mutationen bieten der Mechanismus des programmier- Untersuchung der Universität Utah nicht bräunende Stellen der Haut, ten Selbstmords (Apoptose) verloren von 2011 zufolge sind es im Schnitt wie sie manche Menschen aufweisen geht, mit dem sich normalerweise rund 60 Mutationen – 30 im mütter- (Vitiligo). Alle hellen Hautzellen sind genetisch schwer defekte Zellen selbst lichen, 30 im väterlichen Erbe. Darin Nachfahren einer Stammzelle, die eliminieren. Einige dieser Mutationen drückt sich aus, dass die DNA-Repli- durch eine Mutation die Fähigkeit können Zellen gegen die Wirkung kation vor einer Zellteilung eben nicht zur Pigmentbildung verloren hatte. bestimmter Krebsmedikamente un- völlig fehlerfrei abläuft. Während die meisten somatischen empfindlich machen. SNPs: Kleiner Unterschied – große Bedeutung SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) sind Stellen im Genom, Erbgut Schülerin Erbgut Schüler an denen sich die DNA eines Teils der Menschheit vom Rest in einem einzelnen Basenpaar unterscheidet. Solche Stellen ... GCCATTGC ... Single Nucleotide ... GCCTTTGC ... finden sich rund alle 500 bis 1 000 Basenpaare, quer über ... CGGTAACG ... Polymorphism (SNP) ... CGGAAACG ... das Genom verteilt. Meist wirken sie sich im Phänotyp nicht aus. Manchmal sorgen sie jedoch für eine Abweichung in der Aktivität oder im Expressionslevel eines Proteins; so auch im DNA wird abgelesen, ein Protein entsteht; nebenstehenden Beispiel. bei der Schülerin das Protein A1, beim Schüler das Protein A2. Beide werden mit dem Medikament Ixin® behandelt. Protein A1 baut den Wirk- Protein A2 baut den Wirk- stoff sehr rasch ab. Deshalb stoff durchschnittlich schnell schlägt die Behandlung bei ab. Er kann vorher noch der Schülerin nicht an. wirken. Bei diesem Schüler schlägt die Behandlung an. 12 Zeitbild Wissen
Individueller behandeln mit personalisierter Medizin So effektiv und so schonend wie Ärzte haben zu allen Zeiten versucht, Kernspintomographie. Darauf auf- möglich behandeln – das ist das Ziel Therapien passend zu den indivi- bauend wurde die Therapie nach- jedes Arztes. Mit personalisierter duellen Gegebenheiten des Patienten justiert, etwa die gewählte Dosis Medizin, die immer mehr individuelle zu verordnen. Im Ergebnis beschränk- erhöht oder die Therapiedauer Eigenheiten jedes Menschen te sich das allerdings häufig darauf, verlängert. Stellte der Arzt keinerlei berücksichtigt, kann er sich ein eine möglichst genaue Diagnose Wirksamkeit fest, war eine Therapie- Stück auf dieses Ziel zubewegen. der Krankheit zu stellen, dann ein umstellung die Konsequenz. Personalisierte Medizin ist heute für diese Krankheit zugelassenes noch mehr Konzept als Alltag, aber Medikament zu verordnen und Personalisierte Medizin bedeutet es gibt Beispiele, wo Arzneimittel anschließend dessen Wirksamkeit demgegenüber, über die genaue bereits erfolgreich „personalisiert“ und Verträglichkeit zu erfassen – im Diagnose hinaus möglichst viele der eingesetzt werden. einfachsten Fall anhand von Berichten individuellen Gegebenheiten eines des Patienten, aber auch aufwendiger Patienten von vornherein zu erfassen mit Blut- und anderen Laborunter- und in die persönliche Therapiepla- suchungen oder Bildgebung mittels nung einzubeziehen, sodass man hin- Röntgenstrahlen, Ultraschall oder sichtlich Wirksamkeit, Verträglichkeit Definition „Personalisierte Medizin“ bedeutet, über die genaue Krankheitsdiagnose hinaus möglichst viele individuelle Gegebenheiten eines Patienten in die persönliche Therapieplanung einzubeziehen. Zu diesen Gegeben- heiten zählen ins- besondere die Gene des Patienten. Zeitbild Wissen 13
und passender Dosierung nicht länger auf Versuch und Irrtum angewiesen ist. Dazu nutzt die personalisierte Medizin die Fortschritte in der mole- kularen Medizin, insbesondere was Gene und deren Expression betrifft. Biomarker und diagnostische Tests Voraussetzung hierfür sind diagnos- tisch erfassbare Eigenschaften (Biomarker), von denen bekannt ist, dass sie Hinweise auf die Wirksamkeit oder Verträglichkeit eines Wirkstoffs geben. In der Krebsmedizin sind das meist bestimmte Gensequenzen oder Oberflächenproteine der Tumorzellen; sonst meist spezielle Proteine, deren Konzentration im Blutserum relevant ist, oder Gen- sequenzen, für die der Patient homo- oder heterozygot sein kann. Für die Patienten mit unterschied- lichen Biomarker-Resultaten sind dann jeweils dazu passende Medika- mente vorzuziehen oder unterschied- liche Dosierungen des gleichen als Gensequenzen in Betracht, etwa Der Impfstoff dient also nicht der Medikaments zu verwenden. aus menschlichem Blut bestimmbare Krebsvorbeugung, sondern ist ein Identifiziert werden geeignete Laborwerte wie die seit Jahrzehnten Therapiebaustein. Studien zufolge genbasierte Biomarker vor allem in medizinisch genutzten Leberwerte. lässt sich so das Leben vieler Patienten sogenannten pharmakogenetischen mit fortgeschrittenem Prostatakrebs Studien. Inzwischen finden bei Persönliche Medikamente? verlängern. mindestens einem Fünftel aller Denkbar – und in einigen wenigen Viele Unternehmen und Forschungs- Arzneimittel-Entwicklungsprojekte Fällen ebenfalls schon Realität – ist es einrichtungen arbeiten derzeit an solche Studien statt. Vorrangig wird darüber hinaus, nicht nur die Medi- ähnlichen therapeutischen Krebsimpf- untersucht, ob sich „Non-Responder“ kamentenauswahl, sondern sogar die stoffen. In einem Projekt werden die – d. h. Patienten, die auf das Medi- Medikamente selbst so individuell zu nötigen, für den individuellen Tumor kament nicht ansprechen – und machen wie eine Eigenblutspende. charakteristischen Proteine nicht Patienten, bei denen das Medikament aus dem Tumorgewebe extrahiert, So ist in den USA seit 2010 ein thera- schwere Nebenwirkungen hervor- sondern im Labor gentechnisch nach- peutischer Impfstoff zugelassen, der ruft, durch genetische Eigenheiten produziert (in Tabakblättern!). maßgeschneidert für jeden Prosta- auszeichnen. Sind diese gefunden, takrebspatienten einzeln hergestellt Nicht nur der Herstellungsaufwand kann ein diagnostischer Test ent- wird. Er enthält Proteine aus den für individuelle Medikamente ist wickelt werden, der diese Eigen- Tumorzellen des Patienten, die in enorm und ihr Einsatz dementspre- heit(en) nachweist. Er kann bzw. einer Zubereitung mit geeigneten chend zwangsläufig kostspielig. Auch muss dann vor der Arzneimittel- Hilfsstoffen das Immunsystem des hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit verordnung eingesetzt werden. Patienten zum Angriff gegen im sind solche Medikamente Ausnahme- Als Biomarker für die Personalisierung Körper nach einer Operation verblie- fälle: Denn normalerweise sind Medi- kommen aber auch andere Faktoren bene Krebszellen mobilisieren können. kamente nur dann zulassungsfähig, 14 Zeitbild Wissen
Derzeit 20 Medikamente Vom „personalisierten Einsatz“ von Medikamenten spricht man heute, wenn vor deren Verordnung ein Vortest auf bestimmte Patienten-Eigenschaften durchgeführt werden muss oder dies von medizinischen Fachgesellschaften empfohlen wird; und das Ergebnis dieses Vortests gibt den Ausschlag, ob das Medikament überhaupt verordnet wird oder wie es dosiert wird. In Deutsch- land ist dies derzeit bei 20 Medikamenten der Fall (siehe www.vfa.de/perso- Mithilfe eines Genchips lässt sich nalisiert). Weitere im Labor feststellen, mit welchen Medikamente im Tandem Varianten der für den Medika- mit korrespondierenden mentenstoffwechsel relevanten Gene ein Patient ausgestattet ist. Vortests dürften in Kürze dazukommen. wenn der Hersteller zeigen kann, dass Ein negatives Vortest- er die Zusammensetzung in engen Ergebnis („Medikament nicht Grenzen konstant hält, und wenn sich geeignet“) bedeutet natür- Medikamente mit genau dieser defi- lich nicht, dass der Patient nierten Zusammensetzung in Studien gar nicht behandelt wird, mit Hunderten oder Tausenden von sondern veranlasst den Patienten bewährt haben. Das zu zei- Arzt, für den Patienten ein gen ist jedoch bei diesen individuellen anderes Medikament oder Medikamenten schlicht unmöglich. eine andere Behandlungs- möglichkeit auszuwählen. Letztlich ist davon auszugehen, dass „Personalisiert“ ist also individuelle Medikamente zwar ihren Hinweis Arbeitsblatt 3 eigentlich nicht das konkrete Platz in der Medizin einnehmen, Ein Schaubild erläutert Medikament (viele andere aber immer ein Sonderfall bleiben den Zusammenhang Patienten erhalten es ja werden. Es ist wie beim Kleiderkauf: zwischen genetischen ebenfalls), sondern die Ein maßgeschneidertes Designerteil Polymorphismen (SNPs) Therapieentscheidung. kommt nur für die wenigsten Anlässe und der Anwendung infrage, aber fast immer genügt es pharmakogenomischer ja auch, unter den vorproduzierten Untersuchungen in der Kleidungsstücken in Standardgröße medizinischen Diagnostik. eins mit der individuell passenden Dazu finden sich Arbeits- Konfektionsgröße auszuwählen. Das aufträge. zweite Vorgehen entspricht dem der personalisierten Medizin. Wissen ZeitbildWissen Zeitbild 15 15
Wo personalisierte Medizin helfen kann HIV HIV-Infektionen werden mit einer Kombination mehrerer Wirkstoffe behandelt. Oft ist Abacavir einer davon. Er hemmt das virus- eigene Enzym Reverse Transkriptase und somit die Virenvermehrung. Fünf bis acht Prozent aller Patienten reagieren aber auf Abacavir mit einer schweren allergischen Reaktion. Der Grund dafür liegt in einer genetischen Variante des für Immunreaktionen relevanten Gens HLA-B, und zwar ganz genau im Allel HLA-B*5701. Seit 2008 wird daher anhand eines Gentests vor einer Behandlung mit Abacavir das Vorhandensein dieses Genmarkers aus- geschlossen. Nur dann darf das Medikament verabreicht werden. Brustkrebs Ein Viertel aller Brustkrebspatientinnen hat ein HER2-positives Mammakarzinom, eine besonders aggressive Form der Erkrankung. Mit einem diag- nostischen Test kann der für diese Erkrankung spezifische Biomarker, eine übermäßige Bildung des Wachstumsfaktor-Rezeptorproteins HER2, nach- gewiesen werden. Diese ist die Folge einer somati- schen Mutation in den Tumorzellen, nämlich einer Duplikation des HER2-Gens. Medikamente, die an HER2 ansetzen wie der Antikörper Trastuzumab oder das chemisch-synthetische Lapatinib, bremsen die Vermehrung der HER2-überexprimierenden Zellen und damit Tumorwachstum und Metastasenbildung. Hepatitis C Auch bei Hepatitis C kann die personalisierte Medizin möglicherweise künftig zur Verbesserung der Therapiechancen beitragen. Die genaue Sequenz der beiden Allele des Gens IL28B beim Patienten gibt Auskunft darüber, wie groß die Heilungschancen bei einer Standard-Kombinationstherapie mit dem Immunmodulator PEG-Interferon und dem Virus- tatikum Ribavirin sind. Derzeit wird untersucht, was sich daraus für die individuell optimale Behandlungs- dauer und Wirkstoffdosierung ableiten lässt. 16 Zeitbild Wissen
Organ- transplantationen Lungenkrebs Auch bei der häufigsten Lungenkrebs- form, dem nicht-kleinzelligen Bronchial- karzinom (NSCLC), hilft die personalisierte Krebstherapie. Bei 10 bis 15 Prozent aller NSCLC-Patienten in der westlichen Welt weisen die Tumorzellen eine Mutation im Gen für einen bestimmten Wachstums- faktor-Rezeptor (EGFR) auf. Von diesen Mit Azathioprin lassen sich Absto- Patienten sprechen drei Viertel auf die ßungsreaktionen nach einer Organ- Therapie mit dem chemischen Wirkstoff transplantation unterdrücken. Dabei Gefitinib an – verglichen mit nur einem spielt das Enzym Thiopurinmethyltrans- Prozent aller Erkrankten ohne diese ferase (TPMT) eine Rolle: Bei einer nied- Mutation. Vor Therapiebeginn mit rigen TPMT-Aktivität (wie sie bei Teilen Gefitinib muss diese Mutation daher unserer Bevölkerung gegeben ist) wird nachgewiesen werden. Azathioprin langsamer abgebaut, was bei voller Dosis das Risiko einer Kno- chenmarkschädigung erhöht. Deshalb geben Ärzte das Azathioprin entweder einschleichend und achten auf Neben- wirkungen oder führen vor der Thera- pie einen TPMT-Aktivitätstest durch. Deutet der Test auf eine unverminderte Aktivität, kann das Azathioprin normal dosiert werden, andernfalls wird es sehr niedrig dosiert oder eine alternative Therapie eingeleitet. Chronisch myeloische Leukämie (CML) Die meisten CML-Patienten haben in ihrem Knochenmark und im Blut Leukozyten bzw. Vorläuferzellen von ihnen mit einem anomalen Chromosom, das durch eine Translokation entstan- den ist: das Philadelphia-Chromosom. Ein an der Fusionsstelle neu formiertes Gen bildet ein Protein (im Bild grün), das die unkontrollierte Teilung der Zelle auslöst. Im Verlauf der Erkran- kung kann es zum vollständigen Versagen der Immunabwehr kommen. Die daraus resultierende ungebremste Vermehrung der Leukämiezellen lässt sich mit Imatinib (im Bild rot), Nilo- tinib oder Dasatinib blockieren. Auch hier liefern eine Chro- mosomenanalyse oder ein Gentest wichtige Informationen: 90 Prozent der Patienten, bei denen sich diese folgenschwere Translokation nachweisen lässt, sprechen auf Imatinib an und haben eine sehr viel bessere Überlebensrate. Nilotinib und Dasatinib sind darüber hinaus auch dann wirksam, wenn das Fusionsgen bestimmte Mutationen aufweist. Zeitbild Wissen 17
„Kommt ein Mann zum Arzt ...“ Personalisierte Medizin in der Praxis Der Arzt untersucht ihn gründlich ... ... und nimmt ihm auch Blut ab. Ein Mann kommt zum Arzt und schildert seine Beschwerden. „Gegen Ihre Krankheit gibt es mehrere Medikamente“, erklärt der Arzt. „Das wirksamste davon wird leider nicht von jedem vertragen. Aber ein Im Labor wird aus der Blutprobe des Gentest wird zeigen, ob es für Sie in Betracht kommt.“ Patienten die DNA gewonnen und darin insbesondere ein einzelnes, für die Verträglichkeit des Medikaments relevantes Gen analysiert. 18 Zeitbild Wissen
Eine Elektrophorse zeigt schließlich die Gen- beschaffenheit: Für den Patienten (Spur 1) ergibt sich das gleiche Bandenmuster wie bei anderen Menschen, die das Medikament gut Dieses Ergebnis erhält anderntags auch der Arzt. vertragen (Spur +), und nicht wie bei solchen, die es schlecht vertragen (Spur -). Bei M ist ein Molekulargewichtsmarker zu sehen. „Der Test zeigt, „Wenn Sie dass Sie das einverstanden Medikament ver- sind, werde ich tragen können!“, es Ihnen jetzt berichtet der Arzt verschreiben.“ dem erleichter- ten Patienten. Zu Hause beginnt der Patient, das Medikament einzunehmen. Einige Tage später geht es ihm schon wieder besser. Unangenehme oder gar problematische Nebenwirkungen sind ausgeblieben. Zeitbild Wissen 19
Die Zukunft der personalisierten Medizin Zeitbild Wissen sprach mit Dr. Wolfgang Plischke, dem Vorsitzenden des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und Forschungsvorstand Bayer AG Wird die personalisierte Medizin soll. Da sind Gentests längst allgemein den Medikamentenmarkt revolu- anerkannt und gutgeheißen! In der tionieren oder eher ein kleiner, feiner personalisierten Medizin benutzt Bereich sein, der viel Forschungs- man Gentests, um zu prüfen, ob ein aufwand erfordert und überaus Medikament für einen Patienten kostspielig ist? Und wer legt fest, besonders gut geeignet ist. Auch das was prioritär für die personalisierte ist etwas Positives, nützt dem Pa- Medizin entwickelt wird? tienten und natürlich dem, der diese Personalisierte Medizin ist darauf spezielle Therapie bezahlen muss. Ich angelegt, das richtige Medikament für glaube also, dass die personalisierte den einzelnen Patienten auszusuchen. Medizin dazu beitragen kann, die Es ist ja etwas Gutes, wenn man weiß, Akzeptanz von Gentests zu erhöhen. dass das Medikament wirkt und dem Patienten helfen wird! Krebstherapien sind derzeit immer Allerdings: Der Forschungsaufwand wieder im Gespräch, weil eher wenig für personalisierte Medizin ist hoch. Menschen von eher kostspieligen Früher musste man ja „nur“ ein Therapien profitieren. Häufig liegt Arzneimittel entwickeln – heute der Vorteil darin, ein paar Wochen dazu auch noch die Testsysteme. Das länger zu leben bei gleichzeitig vielen kostet natürlich viel Geld. Im Augen- Nebenwirkungen. Was kann die blick findet die personalisierte Medizin personalisierte Medizin heute schon vor allem in der Krebstherapie statt. zu einer erfolgreichen Krebstherapie Aber ich bin zuversichtlich, dass beitragen? Und in Zukunft? sich das in den nächsten fünf oder Ich glaube, dass wir in der Krebsthera- zehn Jahren auf andere Krankheits- pie eine Verlängerung der Lebenszeit bilder ausweiten wird. Priorität hat sehen werden, die über die heutigen dabei, welchen Schweregrad eine Erfahrungen hinausgeht. Mithilfe der Krankheit hat. Aber in den Labors der personalisierten Medizin wird man in Firmen und in den klinischen Prüfun- Zukunft Patienten mit einem für sie gen bemühen wir uns heute, für fast ausgesuchten Cocktail von Arznei- jedes Arzneimittel personalisierte mitteln behandeln wie z. B. in der Medizin mitzuentwickeln. HIV-Therapie. Das ist unsere Vision für die Krebstherapie, dass Krebs quasi Gendiagnostik stößt nicht immer auf zu einer chronischen Erkrankung wird, Akzeptanz. Könnte die personalisierte mit der man lange leben kann. Medizin, sofern Gentests erforderlich sind, dazu beitragen, dass sich die Was sind die größten Heraus- Haltung in dieser Frage ändert? forderungen, vor die uns die Sie wissen ja, dass Gentests heute personalisierte Medizin stellt? schon eingesetzt werden, wenn ein Das Problem liegt in der Komplexität Tatverdächtiger überführt werden der Wissenschaft, die ihr zugrunde 20 Zeitbild Wissen
liegt. Wir wissen schon lange, dass Wäre die personalisierte Medizin Was wünschen Sie sich ganz manche Patienten auf ein bestimm- auch geeignet, Vorsorge zu treffen persönlich in Sachen personalisierte tes Arzneimittel positiv reagieren, bzw. im Rahmen einer gesunden Medizin? Was könnte man in Zukunft während es bei anderen Patienten Lebensführung eingesetzt zu werden? von der personalisierten Medizin nicht hilft. Aber deshalb wissen wir Wie gesunde Lebensführung geht, erwarten? In welchem Zeitraum? noch lange nicht, warum das so ist. das weiß man: Man muss gesund Die Erfahrung in der Erforschung und Da ist noch viel Forschungsarbeit in essen und sich bewegen. Dazu Entwicklung von Arzneimitteln sagt den nächsten fünf, zehn, 15 Jahren braucht man keinen Gentest. Sicher mir, dass wir meistens viel zu opti- notwendig, um das für viele einzelne kann man eine Assoziation herstellen mistisch sind, was die Geschwindig- Krankheiten aufzuklären. zwischen bestimmten Genen und – keit von neuen Entwicklungen anbe- sagen wir mal – der Empfindlich- langt. Aber sagen wir mal die näch- Wer sich heute für personalisierte keit einer Person auf bestimmte sten zehn, 20 Jahre – das ist ein Zeit- Medizin interessiert, was sollte er Umweltreize. raum, den man sich sicher vornehmen morgen studieren, um übermorgen Aber Krankheiten sind bis auf weni- kann. Da würde ich mir wünschen, in diesem Bereich tätig sein zu ge Ausnahmen nicht nur von einem dass wir in der Krebstherapie einen können? einzelnen Gen abhängig, sondern richtigen Schritt nach vorne machen; Da kann man vieles studieren: von einem ganzen Gen-Cluster. In bei manchen Krebsarten vielleicht Chemie, Biochemie, Biologie, Medizin, diesen Fällen weiß man heute noch wirklich zu einer chronischen Ingenieurswesen, Physik. Man muss viel zu wenig, um daraus Vorsorge- Therapie kommen. Das wäre ein sich nur passend spezialisieren. empfehlungen ableiten zu können. wahnsinniger Schritt nach vorne! Zeitbild Wissen 21
Der gläserne Mensch: Durchsichtig für alle und jeden? „Muss ich meine Gene kennen?“ Die Frage nach einem Gentest stellt sich meist im Rahmen der medizi- nischen Diagnostik, aber auch in der Forensik oder bei der privaten Genanalyse (Vaterschaftstest). Wenn in der eigenen Familie schon eine Erb- krankheit oder Krebs mit genetischem Hintergrund aufgetreten ist – etwa Brustkrebs –, kann es hilfreich sein, Risiken zu kennen, um vorzubeugen. Pharmakogenetische Tests untersu- chen genetische Unterschiede, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten bestimmen. So wird die Auswahl der richtigen Therapie mit möglichst wenig Nebenwirkungen erleichtert. Auch wer sich entschlos- sen hat, im Bedarfsfall Blutstamm- zellen für einen Leukämiekranken zu spenden, muss einem Gentest zustim- men. Denn damit wird festgestellt, für welche Empfänger die Stammzellen überhaupt zureichend verträglich sind, dass es nicht zu lebensgefährli- chen Immunreaktionen kommt. Aber für jeden Menschen gilt auch hier das Recht auf Nicht-Wissen: Niemand darf zu einem Gentest gezwungen werden. Schon deshalb dürfen weder Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern noch Versicherungen von ihren Kunden Gentests verlangen. Auch heimlich oder ohne Zustim- mung beider Eltern durchgeführte Vaterschaftstests sind in Deutschland verboten. Hinweis Arbeitsblatt 4 „Ich will nicht, dass man Anhand der Diskussion um mein Genom kennt.“ Gentests aus dem Internet Das muss man auch nicht. Vor einer erschließen sich den genetischen Untersuchung muss in Schülerinnen und Schülern jedem Fall eine freiwillige schriftliche ethische Aspekte gendiag- Einwilligung gegeben werden. nostischer Verfahren. Ein Gentest bezieht sich auch immer 22 Zeitbild Wissen
ausschließlich auf das spezielle Unter- suchungsinteresse, d. h. es wird grundsätzlich nie das komplette Genom sequenziert. Bei einem medizinisch-diagnostischen Test zum Beispiel auf die Verträglichkeit des Medikaments Abacavir wird nur der dafür relevante Genmarker HLA-B*5701 betrachtet. Aus diesem Test lassen sich keine weiteren Rückschlüsse auf Krankheitsrisiken (etwa ein erhöhtes Diabetes-Risiko) ziehen, und auch eine Vaterschaft könnte mithilfe dieses Tests allein nicht ausge- schlossen und schon gar nicht als Auch für polizeiliche Ermittlungen kommen Gentests zum Einsatz. wahrscheinlich bestätigt werden. Wer einen Gentest machen möchte, kann sich zudem auf die ärztliche Die Tests dürfen nur von Ärzten Euro geahndet werden können), aber Schweigepflicht verlassen – und angeordnet werden, die die Ergeb- natürlich Informationen „in die Welt auf das deutsche Datenschutzgesetz. nisse auch übermitteln und die setzen“, die sich nicht mehr zurück- Selbst wenn es um eine Straftat getesteten Personen auch vor und nehmen lassen und das Verhältnis der geht und zur Identifikation des nach dem Test beraten müssen. Betroffenen zueinander irreversibel Täters gleich zahlreiche Personen Es ist übers Internet dennoch jedem verändern können. zum Gentest gebeten werden, ist die möglich, ausländische Anbieter für Teilnahme freiwillig. Direct-to-Consumer-Tests zu nutzen Gentests und Kinderwunsch: – auch wenn Experten hierzulande Designerbaby davor warnen. oder gesundes Kind? „Gentests auf Bestellung – geht das?“ Die Diskussionen um die soge- Wann sind Vaterschaftstests nannte Präimplantationsdiagnostik Nicht nur Pizzas, sondern auch erlaubt? (PID) erhitzen die Gemüter immer Geninformationen kommen auf Auch Vaterschaftstests werden wieder aufs Neue. Für Paare mit Bestellung direkt ins Haus. In den mittlerweile von Dienstleistern im Kinderwunsch wären Gentests eine USA sind sogenannte Direct-to-Con- Internet angeboten; und in diesem Möglichkeit, nach einer künstlichen sumer-Gentests im Internet erhältlich: Falle dürfen auch deutsche Anbieter Befruchtung und vor dem Einsetzen Einfach die gewünschte Untersu- dabei sein, wenn sie sicherstellen, dass des Embryos (meist eines Sechs- oder chung anklicken, Proben wie Haare sie ausschließlich Tests durchführen, Achtzellers) in die Gebärmutter oder ein paar Mundschleimhaut- für die die Einwilligung aller Sorgebe- festzustellen, ob dieser das Risiko für zellen auf Wattestäbchen ein- rechtigten vorliegt. Für diese müssen eine schwere Erbkrankheit in den schicken – und schon kommt das natürlich biologische Proben vom Genen trägt. Wie Mediziner berichten, Ergebnis per Post oder via Webportal! (potenziellen) Vater und vom Kind spielen bei den Eltern Fragen nach Mit einem möglicherweise belasten- der Lebensfähigkeit und möglichen eingesandt und analysiert werden. den Testergebnis und den daraus Schwerstbehinderungen eine weitaus resultierenden Konsequenzen ist Problematisch ist, dass ohne Einver- größere Rolle als der Wunsch nach man dann jedoch allein, da oft keine ständnis (z. B. im Ausland) durch- einem Kind mit blauen Augen. Auch Erläuterungen angeboten werden. geführte Tests zwar vor deutschen die Befürworter von PID sehen sie Deutschen Firmen sind solche Gerichten keinen Bestand haben ausschließlich als Hilfe im Kontext Angebote im Internet untersagt. (und sogar mit Geldbußen bis 5 000 solcher existenzieller Risiken an. Zeitbild Wissen 23
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