Sport fördert die Persönlichkeitsentwicklung! - oder? - Prof. Dr. Achim Conzelmann

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29.
                        sportmedizinisches
                        sportwissenschaftliches
                        Seminar

Prof. Dr. Achim Conzelmann

Sport fördert die
Persönlichkeitsentwicklung! –
oder?

Kaiserslautern, 5. November 2016

© A. Conzelmann, 2016                             1
Sport fördert die Persönlichkeitsentwicklung! - oder? - Prof. Dr. Achim Conzelmann
Pädagogische Postulate

   „Die Leibesübungen haben einen nicht
   geringen Einfluss auf die Seele. Sie
   machen die Kinder hart, herzhaft,
   geduldig, standhaft, kühn und prägen
   dem Gemüth, wenn sie in Ordnung geübt
   werden, etwas Edles ein“ (1741)

                                        Johann Georg Sulzer
                                      (Philosoph & Pädagoge)

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Sport fördert die Persönlichkeitsentwicklung! - oder? - Prof. Dr. Achim Conzelmann
Ausgangslage: Pädagogische Postulate

Sporttreiben kann einen Beitrag zur                        „Bewegungserziehung und
Lebenshilfe leisten, indem es                              Bewegungsförderung für alle Schülerinnen
„insbesondere jungen Menschen den Weg                      und Schüler gehören zum Bildungsauftrag der
zur Selbstfindung und                                      Schule. Sie leisten einen Beitrag zur
Selbstverwirklichung“ erleichtert und                      Gesundheitsförderung und dienen auch der
„Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer                        Persönlichkeitsentwicklung.“
Persönlichkeitsentwicklung“ bietet.
                                                                             (EDK-Erklärung zur Bewegungserziehung
                  9. Sportbericht der Bundesregierung                                 und Bewegungsförderung in der
                                    (BMI, 1999, S. 10)                                 Schule vom 28. Oktober 2005)

                        „Der Unterrichtsgegenstand Bewegung und Sport soll
                        gleichrangig zur Entwicklung der Sach-, Selbst- und
                        Sozialkompetenz beitragen: durch …
                        Wahrnehmungsfähigkeit für den eigenen Körper …
                        Selbstvertrauen … Durchsetzungsvermögen unter
                        Beachtung fairen Handelns; Regelbewusstsein und
                        interkulturelles Verständnis.“

                                                         bmukk, AHS Lehrplan S&B (2000, S.1)

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Empirische Evidenz?

  • Haben sportliche Aktivitäten keine
• These   der besonderen „Sportlerpersönlichkeit“
     persönlichkeitsbildende    Wirkung?          nicht
   empirisch belegt
  • Lässt sich Vereins-, aber auch Schulsport „nur“
     noch über Wirkungen im körperlich-motorischen
     Bereich
• Keine        begründen?
         empirische   Bestätigung für das pädagogische
  •Postulat,
     WarumSport    trage
              gelingt derzur Persönlichkeits-
                          Nachweis    nicht? bzw. zur
   Charakterbildung bei

                                          (Conzelmann, 2009)

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Gegenstand „Sport und Persönlichkeit“

            ?                           ?
                        ?

         Sport                   Persönlichkeit
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«Sportarten» der Fachverbände
im Sportbund Pfalz

Aikido            American Football   Badminton   Base-/Softball
Basketball    Behinderten-Sport   Billard                Boxen
Rettungsschwimmen       Eis- und Rollsport              Fußball
Gewichtheben Golf Handball           Hockey Jiu-Jitsu
Judo Kanu Karate Kegel Kneippen Leichtathletik
Luftsport   Minigolf    Motorbootsport    Naturfreunde
Pétanque    Pferdesport   Radfahren    Rasenkraftsport
Ringen        Rudern     Rugby  Schach     Schwimmen
Segeln Skisport Sportfischen Schiesssport Sporttauchen
Taekwondo Tanzsport Tennis Tischtennis Triathlon
Turnen Volleyball Wandern / Klettern Wasserskifahren
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Der Begriff „Sport“

• Sport heute als vielfältiges soziales Phänomen in vielfältigen
  Realisierungsformen (Entsportung des Sports)
• Vielfältige Bedingungen und Anforderungsstrukturen

• Die entscheidende Frage: Welche sportliche Aktivität führt wie
  inszeniert bei wem zu welchen Persönlichkeitsveränderungen?

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Der Begriff „Persönlichkeit“

Alltagssprache vs. psychologische Sichtweise

Situation in der Psychologie
  • Zahl unterschiedlicher Begriffsbestimmungen entspricht nahezu der
    Zahl der (prominenten) Persönlichkeitspsycholog(inn)en (Herrmann,
    1991)
Invarianten des Persönlichkeitsbegriffs (Pekrun, 1996)
  • P. ist nicht einfach das Gesamt des Verhaltens u. Erlebens, sondern
    „Bedingung”, „Ordnung”, „Produkt” oder „Abstraktion” des konkreten
    Verhaltens und Erlebens
  • P. ist im Zeitablauf relativ stabil
  • Persönlichkeit variiert interindividuell und ist etwas Einzigartiges
Minimal-Definition (Herrmann, 1991)
  • P. ist „ein bei jedem Menschen einzigartiges, relativ stabiles und den
    Zeitablauf überdauerndes Verhaltenskorrelat“ (S. 29).

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Wichtige „Persönlichkeitsbereiche“

 • Generelle Temperaments- und Persönlichkeitseigenschaften
   (a) Eigenschaften/Traits (z. B. Big Five)
   (b) Emotionen/States (z. B. Angst, Ärger, Stimmungen)

 • Selbst- und umweltbezogene Kognitionen
     (a) Selbstbezogene Kognitionen (z. B. Selbst-/Körperkonzept,
         Selbstwertgefühl)
     (b) Handlungseigenschaften (z. B. motivationale Konstrukte,
         Bewältigungsstile, Handlungsüberzeugungen)
     (c) Bewertungsdispositionen (z. B. Attributionen, Einstellungen, Werte)

                        (vgl. Amelang & Bartussek, 2001; Asendorpf, 2004; Krampen, 2002; Schneewind, 2001)

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Beispiel für ein Trait-Konzept
Big Five (NEO-PI, Costa & McCrae, 1992)

Dimension                   Facetten
Neurotizismus               Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Depression, Soziale
                            Befangenheit, Impulsivität, Verletzlichkeit
                            Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit,
Extraversion
                            Aktivität, Erlebnishunger, Frohsinn
                            Vertrauen, Freimütigkeit, Altruismus,
Verträglichkeit
                            Entgegenkommen, Bescheidenheit, Gutherzigkeit
Gewissenhaftigkeit          Kompetenz, Ordnungsliebe, Pflichtbewusstsein,
                            Leistungsstreben, Selbstdisziplin, Besonnenheit

                            Offenheit für Phantasie, Ästhetik, Gefühle,
Offenheit für Erfahrungen   Handlungen, Ideen
                            Offenheit des Normen- und Wertesystems

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Zum Zusammenhang zwischen Sport (S)
und Persönlichkeit (P)

Selektionshypothesen (S=f(P)-Hyp.)        Sozialisationshypothesen (P=f(S)-Hyp.)
1. Bestimmte Persönlichkeits-             1. Schulsport fördert die
   merkmale begünstigen die                  Persönlichkeitsentwicklung.
   Aufnahme bestimmter Sportarten.        2. Freizeitsport führt zu einer Verbesser-
2. Bestimmte Persönlichkeits-                ung des habituellen Wohlbefindens.
   merkmale begünstigen den               3. Wettkampfsport führt zu einer
   sportlichen Erfolg.                       Verbesserung des Selbstvertrauens.

   Grundannahme: SportlerInnen und NichtsportlerInnen unterscheiden sich

                               Interaktionshypothese
Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale begünstigen die Aufnahme einer bestimmten
Sportart. Durch das Betreiben dieser Sportart verändert sich wiederum die
Persönlichkeit, was zu einer Intensivierung dieser sportlichen Aktivität oder aber
auch zu neuen „Wahlen“ führen kann.

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Erste Begründung für fehlende empirische
Evidenz – Begriffswirrwarr

     Es macht keinen Sinn, nach den Wirkungen
     des Sports auf die Persönlichkeit zu suchen!

                         Zentrale Frage:

          Lassen sich mit spezifischen sportlichen
         Interventionen Wirkungen auf spezifische
             Persönlichkeitsmerkmale erzielen?

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Zweite Begründung:
Theoretisch-methodische Probleme
bisheriger Studien (und Desiderate)
                        Problem                      Desiderat

   Fehlende theoriegeleitete
    Hypothesengenerierung            Theoriegeleitete a-priori-Hypothesen
   Für Kausalinterpretationen
    inadäquate Querschnittdesigns   
                                        Quasi-experimentelle
                                        Interventionsstudien

                                        Weniger stabile
   Zu einseitige Orientierung an
    (statischen) Trait-Konzepten       Persönlichkeitsmerkmale, z. B.
                                        kognitive PV

 Allgemeinpsychologischer Zugang  Allgemeine & differentielle Sichtweise
 Univariate Perspektive           Personorientierte
                                    Perspektive
                                                      (holistische)

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Zwei Berner Studien zum Thema
Sport und Persönlichkeitsentwicklung

 BISS
 Berner Interventionsstudie Schulsport
 Persönlichkeitsentwicklung durch Schulsport

 «Musterknaben»
 Selbstkonzeptentwicklung durch
 Vereinssport und informellen Sport

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Berner Interventionsstudie
Schulsport (BISS)

                             Ausgangsthese:
                   Schulsport fördert die Persönlichkeit
                 nicht per se. Die Förderung spezifischer
                    Persönlichkeitsmerkmale erfordert
                        spezifische Interventionen!

                            +23 Primarlehrpersonen

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Das Studiendesign

(1) Stichprobe
  - 23 fünfte Klassen aus Primarschulen des Kantons Bern
  - 17 Experimental- und 6 Vergleichsklassen

(2) Quasi-experimentelle Längsschnittstudie

(3) Treatments
  •    Modul Spiel – Spielsportinszenierung
  •    Modul Leistung – Leistungsorientierte Individualsportarten
  •    Modul Wagnis – Wagniserziehung

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Skizze der drei Interventionsmodule
   Ziele – Inhalte – Methoden

                           M1: Spiel                      M2: Wagnis                     M3: Leistung

Makroziel         Entwicklung eines positiv getönten und realitätsangemessenen Selbstkonzepts
Modulziel                 Soziales SK                   Emotionales SK                  Physisches SK
Inhalte      • Kleine Spiele („Koops“)        • Spannen – Vertrauen –               • Fitness &
             • Staffetten &                     Akrobatik                             Gesundheit
               Gruppenwettkämpfe              • Klettern – Fallen – Umgang mit      • Springen und
             • Spielentwicklung                 Höhe                                  Überlaufen
             • Streetball                     • Fliegen – Drehen
                                              • „Mutposten“

                                         Tools der optimierten Feedbackkultur

                              Reflexionsphasen        Indiv. Feedback         Sporthefteinsatz

                                 Theoretische Grundlage: Quellen der Selbstkonzeptgenese nach Filipp (1979)

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Selbstkonzept
(Shavelson et al., 1976)

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Selbstkonzept
(Shavelson et al., 1976)

                           Modul Spiel

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Selbstkonzept
(Shavelson et al., 1976)

                           Modul Wagnis

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Selbstkonzept
(Shavelson et al., 1976)

                           Modul Leistung

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Modul Leistung

 Ziel
        • Positive Beeinflussung des physischen Selbstkonzepts

 Methodische Orientierungen
        • Lern- und Leistungsdokumentation
        • Individuelle Bezugsnorm
        • Optimierte Feedbackkultur

 Inhalte
        • Ausdauer- und Krafttraining
        • Hochsprung / Hürdenlauf

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Ergebnisse

                                      Selbstkonzeptfacette Ausdauer                                                    Ausdauerleistung (20m shuttle run)
                              3                                                                                  420

                                                                                       Mittelwerte (Sekuunden)
  Skalenwerte (1-4-Likert)

                             2.9                                                                                 400

                             2.8                    Aber: was heisst              EG
                                                                                                                 380
                                                                                                                                                                       EG
                             2.7

                             2.6
                                                „Positive Beeinflussung“?         KG
                                                                                                                 360

                                                                                                                 340
                                                                                                                                                                       KG

                             2.5                                                                                 320
                                          pre                 post                                                            Pre                 Post

                             Zeit*        F(1, 320) = 5.85, p = .016, η2 = .02                                   Zeit*        F(1, 320) = 68.52, p < .0005, η2 = .16
                             Gruppe       F(1, 320) = .202, p = .653, η2 = .00                                   Gruppe       F(1, 320) = .37, p = .542, η2 = .00
                             ZxG*         F(1, 320) = 11.87, p = .001, η2 = .04                                  ZxG          F(1, 320) = .18, p = .670, η2 = .00

© A. Conzelmann, 2016                                                                                                                                                       36
Welche Selbstkonzepte sind funktional?

                          Erhöhtes Unfallrisiko (Schwebel & Plumert, 1999)
                          Erhöhte Gewaltbereitschaft (Baumeister, 2000; 2003)
                          Verminderte soziale Akzeptanz (Bushman & Baumeister, 1998)
Selbstkonzept

                                                 Reales Leistungsniveau

                Selbstkonzepterhöhung?

                        Inadäquate Aufgabenwahl (Harter, 1999)
                        Leistungshemmend (Weiss & Horn, 1990)
                        Motivationshemmend (Weiss & Ferrer-Caja, 2002)
                                                                (Schmidt & Conzelmann, 2011)

© A. Conzelmann, 2016                                                                   37
Welche Selbstkonzepte sind funktional?

                         Selbstkonzepterhöhung

                                                                    Reales Leistungsniveau
Selbstkonzept

                Interventionsstudien mit dem Ziel: Selbstkonzepterhöhung (z. B. Marsh & Peart,
                1988; Lloyd & Fox, 1992; Calfas & Cooper, 1996; Goni & Zulaika, 2000; Annesi, 2007)

© A. Conzelmann, 2016                                                                                 38
Welche Selbstkonzepte sind funktional?

                Erhöhung der „Veridikalität“ (Helmke, 1992)
                                „Realistisches Selbstbild“ (Hurrelmann, 2006)
                                „Positiv-realistisches Selbstkonzept“ (Sygusch, 2008)

                                                „The optimal margin of illusion“
Selbstkonzept

                                                      (Baumeister, 1989)

                                                                 Ziele / Hypothesen
                                                               Überschätzer        Veri 
                                                               Realisten           Veri 
                                                               Unterschätzer       Veri 

                                                               (Schmidt & Conzelmann, 2011)

© A. Conzelmann, 2016                                                                   39
Methode:
 Messinstrumente & Vorgehen

       Physisches Selbstkonzept                         Sportmotorischer Test
     Subskala Ausdauer der PSK-Skalen                        20m-shuttle-run
           (Stiller, Würth & Alfermann, 2004)                (Léger et al., 1987)

                         z-Standardisierung (diff. n. Klasse)

                          Veridikalität = PSK - shuttle-run
                                          -1SD        +1SD

                        Unterschätzer           Realisten    Überschätzer

© A. Conzelmann, 2016                                                               40
Ergebnisse
ANOVAR – Veridikalität Überschätzer

             z-Wert-Differenz

                                Zeit (A)*    F(1, 48) = 18.70, p < .0005, h² = .280
                                Gruppe (B)   F(1, 48) = 1.66, p = .204, h² = .033
                                A x B*       F(1, 48) = 7.15, p = .005, h² = .130   *p < .05

© A. Conzelmann, 2016                                                                          41
Ergebnisse
ANOVAR – Veridikalität Realisten

             z-Wert-Differenz

                                Zeit (A)     F(1, 265) = .005, p = .942, h² = .000
                                Gruppe (B)   F(1, 265) = .476, p = .491, h² = .002
                                AxB          F(1, 265) = .566, p = .452, h² = .002

© A. Conzelmann, 2016                                                                42
Ergebnisse
ANOVAR – Veridikalität Unterschätzer

             z-Wert-Differenz

                                Zeit (A)*    F(1, 44) = 14.33, p < .0005, h² = .246
                                Gruppe (B)   F(1, 44) = 3.46, p = .070, h² = .073
                                A x B*       F(1, 44) = 11.59, p = .001, h² = .209 *p < .05

© A. Conzelmann, 2016                                                                         43
Modulübergreifende Befunde

                        Modul Spiel
                                Modul Wagnis
                                        Modul Leistung

© A. Conzelmann, 2016                                45
Modulübergreifende Befunde

                                            Selbstwertgefühl                                                         Generelles Selbstkonzept
                             3.7                                                                            3.4
  Skalenwerte (1-4-Likert)

                                                                                 Skalenwerte (1-4-Likert)
                             3.6                                                                            3.3

                             3.5                                                                            3.2
                                                                            EG                                                                               EG
                             3.4                                                                            3.1
                                                                            KG                                                                               KG
                             3.3                                                                             3

                             3.2                                                                            2.9
                                      Pre                  Post                                                       Pre                 Post

                             Zeit     F(1, 417) = .01, p = .907, η2 = .00                                   Zeit*     F(1, 418) = 8.31, p = .004, η2 = .02
                             Gruppe   F(1, 417) = .22, p = .641, η2 = .00                                   Gruppe    F(1, 418) = 2.14, p = .144, η2 = .01
                             ZxG      F(1, 417) = .22, p = .321, η2 = .00                                   ZxG       F(1, 418) = 1.26, p = .131, η2 = .00

© A. Conzelmann, 2016                                                                                                                                             46
Fazit der BISS

• Gezielte Schulsportinterventionen haben bereits nach 10 Wochen
  einen persönlichkeitsbildenden Effekt auf bereichsspezifische
  Selbstkonzepte.

• Die Inszenierungsform verlangt von den Lehrkräften einen ausgeprägt
  individualisierten Sportunterricht.

• Die punktuelle Erweiterung des Sportunterrichts mit Reflexion erweist
  sich als wirksames Instrument.

• Dem Sportunterricht Bewegungszeit zu „entziehen“, macht aus
  Perspektive des ganzheitlichen Bildungsauftrags durchaus Sinn, zumal
  bei den Interventionen auch motorische Fähigkeiten positiv beeinflusst
  werden konnten.

© A. Conzelmann, 2016                                                      47
Wer es genauer wissen will…

© A. Conzelmann, 2016         34
Studie „Musterknaben“

Mario Müller     Marc Zibung   Mirko Schmidt   Achim Conzelmann

   Ausgangsthese:
   Univariate Wirkungen des Sport sind nicht zu erwarten.
   Sport kann aber im Konzert mit anderen Einflüssen zu
   einer gelingenden Persönlichkeitsentwicklung beitragen!

   →           Holistische Perspektive & Personorientierung

© A. Conzelmann, 2016                                             35
Vom variablenzentrierten zum
personzentrierten Zugang

z. B. Vereins-
zugehörigkeit            Sport   Selbstkonzept

 © A. Conzelmann, 2016                           36
Vom variablenzentrierten zum
personzentrierten Zugang

Muster/Cluster „Die sportabstinenten Aussenseiter“

Muster/Cluster „Die sozial verankerten Sportler“                       Selbstkonzept
                                                   Korrelationen
                                                   z. B. ANOVA (ALM)

  © A. Conzelmann, 2016                                                                58
Vom variablenzentrierten zum
personzentrierten Zugang

           1. MZP                        2. MZP

                         2,6x

                                -                                         Selbstkonzept
                                                      Korrelationen
                         8                           z. B. ANOVA (ALM)
                         1,7
                          4,8x

                 Übergangswahrscheinlichkeiten
     Entwicklungstyp                Entwicklungsantityp       p < .05     - kein Übergang

© A. Conzelmann, 2016                                                                       38
Studiendesign

• Längsschnitt mit drei Messzeitpunkten
  • 2006: n1= 121, M1= 11.28 Jahre
  • 2007: n2= 122, M2= 12.63 Jahre
  • 2008: n3= 125, M3= 13.57 Jahre
• Stichprobe: Schulen in Kiel (Deutschland)
  • Hauptschule (1 Klasse, ca. 18%)
  • Realschule          (2 Klassen, ca. 30%)
  • Gymnasium (3 Klassen, ca. 52%)
• Geschlechterverteilung
  • : ca. 47%
  • : ca. 53%

© A. Conzelmann, 2016                          61
Instrumente

Nr.   Operier.          Beispielitem
      Faktoren
                        „Wie ist dein Verhältnis zu deinen Eltern?“
1     Familie
                        „Wie würdest du das Klima in deiner Familie bezeichnen?“
2     Schule            Noten in Deutsch, Englisch, Mathe
3     Schule            „Wie ist dein Verhältnis zu deinen Mitschülern?“
3     Peers             „(…) wie viel Zeit verbringst du täglich mit deinen Freunden?“

4     Sport             „(…) Wie viel Sport ausserhalb der Schule bestreibst du im Sportverein?“

5     Sport             „(…) Wie viel Sport bestreibst du ausserhalb von Schule und Sportverein?“

      biologische       „Ich bin körperlich weiter entwickelt als die meisten Anderen in meinem
6
      Reifung           Alter!“

              Selbstkonzept: SDQII (Brettschneider, Klimek & Marsh, 1990)
                                    PSK (Stiller, Würth & Alfermann, 2004)

© A. Conzelmann, 2016                                                                             62
Cluster 31
                                         „Die familiär belasteten
                                         schulschwachen Freizeitsportler“

                        Cluster 32
                        „Die sozial verankerten Sportler“

                                        Cluster 36
                                        „Die sportabstinenten Außenseiter“

© A. Conzelmann, 2016                                                        41
Entwicklungstypen und -antitypen

          Entwicklungstyp            Entwicklungsantityp          kein Übertritt

         11 – 21 – 31            12 – 22 –     13 – 23 –      14 – 24 –            15 – 25 –   16 – 26 –
                                    32            33             34                   35          36
1. MZP

                                                                         6,0x         3,3x      2,6x
             2,6x                     4,8x      2,2x
                                                           1,8x
2. MZP

                                                                                                       2,7x
                                                             2,3x, d25;32=0.382
3. MZP

         © A. Conzelmann, 2016                   p < .05                                                      42
Unterschiede im Selbstkonzept
Ergebnisse der ANOVA

Faktoren                     GENSK        SCHLSK        SOZSK          PHYSK     SPO       ATT
                               F=2.48       F=2.89       F=7.21        F=5.65    F=7.53    F=5.55
Muster                         p
Entwicklungsausgänge (M) zum
3. Messzeitpunkt

Facetten           31      32        33      34      35       36       Gesamt

SCHLSK            2.58    3.43      3.55    3.49    3.52     3.61       3.36

SOZPEER           3.54    3.99      3.60    3.51    3.89     2.68       3.58

SOZPRNT           3.22    4.17      4.22    3.62    4.35     4.57       4.00

PHYSK             3.37    4.02      3.33    3.17    3.51     2.62       3.38

SPO               3.58    4.22      3.55    3.53    3.91     2.65       3.62

ATT               3.17    3.68      3.68    3.15    3.34     2.22       3.24

(Skala: 1 – min bis 5 – max)

Cluster 31 „Die familiär belasteten schulschwachen Freizeitsportler“   SCHLSK – schulisches Selbstkonzept
Cluster 32 „Die sozial verankerten Sportler“                           SOZPEER – soziales Selbstkonzept zu Peers
Cluster 33 „Die schulstarken Sportmuffel“                              SOZPRNT – soziales Selbstkonzept zu Eltern
Cluster 34 „Die familiär belasteten Sportmuffel“                       PHYSK – physisches Selbstkonzept
Cluster 35 „Die sozial verankerten, akzelerierten Vereinssportler“     SPO – wahrgenommene Sportlichkeit
Cluster 36 „Die sportabstinenten Außenseiter“                          ATT – wahrgenommene Attraktivität

  © A. Conzelmann, 2016                                                                                         44
Studie „Musterknaben“
Fazit

• Studie bestätigt bisherige Befunde, nach denen univariate Effekte
  sportlicher Aktivität auf die Selbstkonzeptentwicklung kaum nachweisbar
  sind (aus theoretischer Sicht ist dieser Befund auch zu erwarten).
• Ein fehlendes sportliches Engagement führt nicht zwangsläufig zu
  niedrigeren Ausprägungen im Selbstkonzept, sofern die
  Heranwachsenden in anderen relevanten Entwicklungskontexten
  positive Prädikatenzuweisungen erhalten.
• Andererseits sind die unbefriedigenden Befunde in variablenorienten
  Studien zur Selbstkonzeptentwicklung durch Sport nicht ausschließlich
  auf fehlende persönlichkeitsbildende Effekte sportlicher Aktivitäten,
  sondern auf die nicht ausreichende Berücksichtigung anderer
  Entwicklungskontexte zurückzuführen.

© A. Conzelmann, 2016                                                       66
Fazit

Der Sport fördert die Persönlichkeitsentwicklung! – oder?

Irgendwie schon – oder auch nicht, zumindest nicht
zwingend in die richtige Richtung!

Aber, ein wenig wissen wir:
• Spezifische sportliche Aktivitäten, die auf eine spezifische,
  persönlichkeitsfördernde Art und Weise inszeniert werden, sind
  in der Lage, spezifische Facetten der Persönlichkeit positiv zu
  beeinflussen
• Im Zusammenspiel mit anderen Einflussfaktoren leistet Sport
  einen wertvollen Beitrag für eine positive Persönlichkeits-
  entwicklung im Kindes- und Jugendalter
© A. Conzelmann, 2016                                               46
29.
                        sportmedizinisches
                        sportwissenschaftliches
                        Seminar

                  «Ich weiss, dass ich Nichts weiss
                  und auch da bin ich mir nicht ganz sicher»
                  (Karl R. Popper, Philosoph)

                «Je grösser die Insel unseres Wissens, desto
                länger das Ufer unseres Nichtwissens»
                (John A. Wheeler; Kernphysiker)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
                        achim.conzelmann@ispw.unibe.ch
© A. Conzelmann, 2016                                          47
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