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Phänomenologie der Ultras – Potenziale und Probleme Leibniz Universität Hannover Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit (KoFaS) Dipl.-Pol. Jonas Gabler Köln, 13.11.2013
Vorstellung ● Jonas Gabler (*1981, Berlin) ● Diplom-Politologe (FU Berlin, Uni Mailand) ● Veröffentlichungen zu Ultras, sowie zu Fankultur und Rechtsextremismus ● Seit August 2012: Mitarbeiter der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit (KoFaS) an der Leibniz Universität Hannover
Ursprung der Fußballfankultur Die Entwicklung des Fußballs zum Zuschauersport. Wandel der Zuschauerzusammensetzung und Wandel des Zuschauerverhaltens. Kontinuität von Jugendkulturen mit deviantem und delinquentem Verhalten. „Raumnahme“ der Fankurve durch Jugendliche in den 1960er und -70er Jahren. → Die Fankurve als „Rückzugsort“ und „sozialer Freiraum“.
„Faszination Fußballfankultur“ Attraktivität und Triebfeder von Fankultur: Individueller Wunsch nach „Ausbruch aus dem Alltag“ und „Brechen der Konventionen“ (Ventil für gehemmte Affekte und Emotionen), Die (häufig jugendliche) Suche nach Erlebnissen und „action“, Gemeinschaft: Die Loyalität zum Verein als verbindendes Element (Konstruktion des „Wir“), Gemeinschaft: Wunsch nach sozialer Anerkennung (auch durch das Massenerlebnis). → Wunsch nach freier, gemeinsamer, Unterstützung des Vereins.
Fankurve als „sozialer Freiraum“ Der „soziale Freiraum“ Fankurve als Manifestationsort von Fußballfankultur Abwesenheit üblicher Autoritäten (Eltern, Lehrer, etc.) vorübergehendes Aussetzen der gesellschaftlichen Konventionen und Gesetze → individuelle Freiheitserfahrung (insbes. bei Auswärtsspielen) ● „sozialer Freiraum“ ≠ „regelloser Raum“ (!!)
Fan-peer-groups Fußballfans sind keine Einzelgänger. Sie bewegen sich in Cliquen, Fanclubs, Hooligan- und Ultra-Gruppen. Sie gemeinsam konstituieren die jeweilige Fanszene. → Normenbildung findet sowohl innerhalb der jeweiligen Gruppierung als auch zwischen ihnen – also innerhalb der Fanszene – statt.
Normen: Die Fußball-Gesellschaft Loyalität zum Verein als kleinster gemeinsamer Nenner: Nivellierung einiger sonst üblicher gesellschaftlicher Unterscheidungsmerkmale. Gültigkeit einer eigenen Mehrheits-Norm (fast immer: männlich, autochthon, heterosexuell). Gültigkeit eigener Kriterien für soziale Anerkennung.
Normen: Soziale Anerkennung (in der Fankurve) Kriterien für Anerkennung in der Fankurve: Einfluss und Reputation in der Fanszene (als Einzelperson oder als Teil einer Gruppierung), Dauer der Zugehörigkeit, Anwesenheit, Engagement. Auch: Erscheinungsbild (physische Stärke), Erscheinungsbild (physische Stärke), Aggressivität und Gewaltbereitschaft. → Bedrohungspotenzial (Alt- und Jung-Hooligans)
Hierarchien und Normen Auf Basis dieser Kriterien bilden sich Hierarchien, mithin eigene Autoritäten: Auf der Mikroebene (innerhalb von Gruppen). Auf der Makroebene (zw. Gruppen, der Fanszene). Definition eig. Normen, i.S.v. ungeschrieben... Geboten, Verboten, Verhaltensregeln, Ritualen, etc. Bsp.: Fangesänge, (unterbundene) Transparente. ● Normenweitergabe... ● … durch Vorbilder. ● … durch „Ansagen“.
Normen in der Fankurve (1) Was sind nun etablierte Normen in der Fußballfankultur? Die gemeinsame Loyalität und Verbundenheit gegenüber dem Verein genießt traditionell oberste Priorität. Prägend waren daneben: Männliche Dominanz – durch jahrzehntelangen Ausschluss der Frauen als Aktive, bei gleichzeitiger Inszenierung des Fußballs als „Männersport“. Soziale und politische Aufladung des Fußballs.
Normen in der Fankurve (2) Neben der Loyalität zum Verein sind nach wie vorherrschende Normen: „Rauher Umgangston“, verminderte Aggressions- und Gewaltschwelle, Betonung physischer Stärke, Betonung einer männlich-heterosexuellen Identität, traditionelle Ehrvorstellungen, Hierarchisierung, Freund-Feind-Schema; Aufwertung der Eigen-, Abwertung der Fremdgruppe.
Ultras in Deutschland ● Stehen in vielen Punkten in der Kontinuität traditioneller Fankultur (siehe vorherige Folie) ● Unterscheiden sich von Kutten durch ● die Fokussierung auf einen organisierten Support, ● einen Führungs-/Repräsentationsanspruch (Choreografierung), ● den Aufbau von Strukturen (eig. Räume, Medien), ● eine explizit kritische Haltung ggü. Vereinen, Verbänden, etc., ● Bereitschaft zu Fanszene übergreifender Kooperation (Protest).
Besonderheiten der Ultras Daraus ergeben sich weiterhin folgende besondere Merkmale: Besondere Ausdrucksformen, höhere Mitgliederzahlen (durch Mitgliederwerbung), Engagement der Beteiligten auch unter der Woche (breites Spektrum an Aktivitäten), Regelmäßige Treffen und Einbindung der Mitglieder in die Entscheidungsfindung, Eigene Strukturen (selbstverwaltete Räume), Aufgabenteilung, Eigene Medien.
Ultras - „Strukturierte Emotionen“ ● Emotionen als zentraler Reiz von Fußballfankultur. ● Fußball als strukturierte Emotion: ● Ultras und Choreografierung als strukturierte Emotion. ● Wandel des Fußballs und passive Zuschauer. ● Der Kern-Widerspruch der Ultras: ● Spontanität und Freiheit vs. Choreografierung und Uniformität.
Ultras - „emotionalisierte Struktur“ Hierarchisches Auftreten vs. Labile Hierarchien. Der ständige Zwang der Legitimation für die führenden Personen. Die emotionale Bedeutung der Ultragruppe für die Beteiligten. Emotional aufgeladene Themen und Begriffe für Ultragruppen und ihre führenden Personen: ● Freiheit, ● Autonomie,bzw. Ablehnung von Autoritäten, ● Nonkonkormität (Gewalttoleranz, Pyrotechnik).
Ultras im Fokus der Sicherheitsdebatte ● „Medialer Hype“ um Devianz und Delinquenz beim Fußball als eines der „drängendsten gesellschaftlichen Probleme“: ● Wechselwirkung Medien – Jugendkultur in Bezug auf deviantes und delinquentes Verhalten → Nachahmereffekte. ● Die Sicherheitsdebatte erweckt den Eindruck: „beim Fußball geht wieder was“ → Gefahr: neue gewaltaffinere Ultragenerationen. ● Konfrontation zwischen Jugendkultur und einem „5er-Block“ der Erwachseneninstitutionen. ● Gefahr: Einnahme einer Opfer- und Märtyrerrolle; Szenario vom „Ende der Fankultur“.
Diskriminierung und Anti-Diskriminierung ● Konstruierte Mehrheitsnorm + Freund-Feind- Schema → Anfälligkeit für Diskriminierungen ● D. als vermeintlicher „Bestandteil von Fankultur“ ● 20 Jahre Rückblick: Rückgang von Rassismus und Antisemitismus durch die Modernisierung des Fußballs und den Einfluss der Ultras ● Aktuell: Gibt es eine Trendumkehr durch eine sich verbreitende Verteidigungshaltung? ● Problem: ausgebliebene Ent-Stigmatisierung. ● Problem: Kampf gegen offensive behaviour. ● Bedrohungsszenarien durch Jung- und Alt-Hools.
Potenziale Die soziale und integrative Bedeutung des „Freiraums Fankurve“, Ultragruppen und Selbstorganisation, Ultragruppen als Sozialisationsinstanz, Ultragruppen als sinnstiftende Freizeitbeschäftigung, Ultragruppen und Partizipation, Ultragruppen und Selbstregulierung.
Ende Danke für die Aufmerksamkeit!
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