Plädoyer für das Fahrrad - Kein Rückschritt, sondern der Fortschritt - für eine lebenswerte Stadt

 
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Plädoyer für das Fahrrad - Kein Rückschritt, sondern der Fortschritt - für eine lebenswerte Stadt
The Audi Urban Future Initiative

                Plädoyer für das Fahrrad
  Kein Rückschritt, sondern der Fortschritt – für eine
                  lebenswerte Stadt

Kopenhagen ist bereits weltweit bekannt als Fahrradstadt Nummer eins. Über 30
Prozent der Bevölkerung fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit oder Au s-
bildungsstätte. Neben Fahrradwegen und- brücken prägen Bike&Ride Parkstati-
onen das Stadtbild. CEO Mikael Colville-Andersen ist Urban Mobility Experte
und wird oft als Dänemarks Botschafter der Fahrradrevolution bezeichnet. Als
CEO der Firma Copenhagenize Design setzt er sich dafür ein, dass Fahrräder
als Transportmittel in der Stadtplanung wieder an erster Stelle stehen. Sein Mo t-
to: Fahrradkultur dank Design. Denn Mikael Colville-Andersen will in seinem
Leben keine Fußabdrücke, sondern Fahrradspuren auf der Welt hinterlassen...

Herr Colville-Andersen, was muss sich im Hinblick auf die Mobilität der
Zukunft und der Stadt der Zukunft ändern?
Die Zukunft der Mobilität entscheidet sich in diesem Moment. Die Paradigmen
verschieben sich und ihre Richtung ist klar. Seit einem Jahrhundert war die
Stadtplanung auf Autos ausgerichtet. Alle anderen Teilnehmer im Stadtleben und
im Verkehr wurden dem guten Willen der Verkehrsingenieure überlassen. Wir
haben jetzt verstanden, dass diese Verkehrsplanung eine gescheiterte Wissen-
schaft aus einem vorhergehenden Jahrhundert ist. Ein Großteil der Planung wird
heute immer noch mithilfe von Computermodellen und -daten aus den 50er Jah-
ren gemacht. Wenn unsere Krankenhäuser, Bildungsstätten und Erziehungsmaß-
nahmen noch aus dieser Zeit stammen würden, gäbe es einen riesigen Aufschrei.
In Bezug auf Verkehrsplanung haben wir da viel zu lange gewartet und alte Vo r-
gehensweisen akzeptiert.

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  Mikael Colville-Andersen ist Experte für urbane Mobilität und CEO von Copenhagenize in Dänemark. © Co-
                                                  pehagenize

Wie genau muss sich die Planung ändern?
Ich bin ein Befürworter davon, dass Straßen und Städte designt, statt entwickelt
werden. Mithilfe von grundlegenden Designprinzipien und durch einfache B e-
obachtung werden sicherere, vernünftigere Mobilitätsmuster für die Stadtbewoh-
ner festgelegt. Der Fokus verlagert sich auf etwas, das ich „Life-Sized Cities“
nenne. Dabei stehen Menschen an erster Stelle. Der Trend zeigt sich auch in ei-
ner Aussage des Bürgermeisters von New York, Michael Bloomberg: „Straßen
sind dazu da Menschen zu transportieren. Sie sind nicht einfach nur für Autos
geschaffen – Fahrradfahrer, Fußgänger und Busse sind ebenso wichtig, um nicht
zu sagen noch wichtiger als Autofahrer.“ Wenn Politiker bereits anfangen so zu
denken, merkt man, dass sich die Perspektive verändert. Städte entstehen seit
7000 Jahren als belebte und lebenswerte Plätze. Straßen galten in der Geschichte
der Menschheit immer als die demokratischsten Flecken der Erde, weil sich dort
jeder bewegen konnte. Durch den Fokus auf das Auto ist vieles davon verloren
gegangen. Jetzt ist es Zeit, dass wir uns das alles zurückzuholen.

Kann das Design einer Stadt denn wirklich darüber entscheiden, ob die
Menschen dort glücklich leben?

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Urbanes Design ist der Schlüssel. Bereits das Wort „Design“ hat einen enormen
Einfluss auf die Denkweise in der Stadtplanung. Es setzt voraus, dass sich die
Gestaltung auf den Nutzer des Designs oder des Gegenstands, der dabei herau s-
kommt, bezieht. Der Mensch denkt und designt für den Mensch. Und dieser
Mensch ist alles was zählt. Denn für ihn wird designt und er ist es, der das Pr o-
dukt am Ende des Gestaltungsprozesses nutzt. Das kann man über die Verkehr s-
entwicklung zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Die orientiert sich an veralteten
Computermodellen.

Copenhagenize beschäftigt sich mit Mobilitätskonzepten, die das Fahrrad integrieren und die Nutzung damit fö r-
                                           dern. © Copenhagenize

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Und welche Rolle spielen Fahrradfahrer in der neu designten Stadt der Zu-
kunft?
Wegen dem starken Trend zur Verstädterung, der in seinem Ausmaß sogar die
späten 1800er und frühen 1900er Jahre überbietet, brauchen Städte dringend i n-
telligente Verkehrslösungen. Das Fahrrad hat die Gesellschaft schneller und e f-
fektiver gewandelt, als jede andere Erfindung der Geschichte. Es war ein Symbol
des Fortschritts und der Modernität. Jetzt sehen wir, wie es dieselbe Rolle wieder
erlangt.

Inwiefern glauben Sie, dass dem Fahrrad diese Rolle zukommen wird?
Das Fahrrad ist in den meisten Städten der Welt eine zuverlässige und rationale
Transportform – und das schon jahrzehntelang. Ein Fahrrad bedeutet das Maxi-
mum von unabhängiger Mobilität. Schon George Orwell hat Fahrradwege in sei-
ner Vision von Utopia vorhergesehen. Dutzende Städte sind nun dabei das Fah r-
rad im urbanen Raum wieder zu etablieren und Fahrradwege neu zu bauen oder
wiederherzustellen. Das Fahrrad ist somit ein Schlüsselelement in jeder mode r-
nen Stadt: Sowohl als Symbol für Fortschritt, wie auch als Transportmittel.

Sind Fahrräder also eine Alternative zum Auto?
Das Fahrrad ist nicht einfach nur ein alternatives Transportmittel. Diese Einor d-
nung ist fast schon eine Beleidigung. Das Fahrrad gibt es seit 125 Jahren und es
ist ein primäres Transportmittel. In einigen Städten zurzeit mehr als in anderen,
aber historisch gesehen war das Fahrrad, neben öffentlichen Verkehrsmitteln,
schon immer die sinnvollste und vernünftigste Art sich in einer Stadt fortzub e-
wegen. Selbst in Los Angeles waren vor hundert Jahren 20 Prozent der Menschen
mit dem Fahrrad unterwegs. Es ist seit langer Zeit ein sehr übliches Transport-
mittel in nahezu jeder Stadt der Erde. Und es gibt keinen Grund, warum es das
nicht wieder werden kann.

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Fahrräder werden am ehesten dann benutzt, wenn sie das bequemste Mittel sind, um von A nach B zu kommen.
                 Die Grafik zeigt, wie es in den meisten Städten aussieht. © Copenhagenize

Wie sehen die Voraussetzungen dafür aus?
Eine Stadt, die Fahrradfahrern eine sichere Infrastruktur bietet, ermutigt seine
Bewohner diese auch zu nutzen. So funktioniert die Stadtplanung der Zukunft.
Die Stadt modernisiert sich selbst. Städte, die dies nicht tun, sind veraltet und
grenzen sich aus – jetzt und in Zukunft. Eine Stadt mit Fußgängern und Fahrrad-
fahrern ist belebt und lebenswert. Sie ermöglicht die Interaktion zwischen urb a-
nem Raum und allen Charakteren, die ihn bevölkern. Das erlaubt den Menschen
sich selbst in die urbane Struktur einzufügen, egal welchen Alters, welcher Klas-
se oder politischen Überzeugung sie angehören.

Ist das nicht ebenso bei öffentlichen Verkehrsmitteln möglich?
Doch und Fahrräder werden öffentliche Transportmittel niemals ersetzen – und
das sollen sie auch nicht. Die meisten fahrradfreundlichen Städte sind gleichzei-
tig Städte mit gut ausgebautem, öffentlichen Verkehrsnetz. Es wird auch immer
Autos in Städten geben, aber es werden weniger sein als heutzutage.

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Die wichtigste Voraussetzung zur Etablierung des Fahrrads ist also die Infr a-
struktur. Wenn man das Fahrrad zum schnellsten Transportmittel in der Stadt
macht, um von A nach B zu kommen, werden die Menschen es nutzen. Sichere,
abgetrennte Fahrradwege nach dänischem oder niederländischem Ideal. Das be-
deutet nicht, einfach nur weiße Linien auf den Boden neben geparkten Autos zu
malen. Auch gemeinsam genutzte Straßen für Autos und Fahrräder sind keine
Lösung. Es muss eine gute, solide und eigenständige Infrastruktur für Fahrräder
geschaffen werden. Dazu gehören auch Parkplätze und andere Einrichtungen, die
nur für Fahrradfahrer existieren. So ist man auf einem guten Weg zur fahrra d-
freundlichen Stadt. Denn wenn die Priorität auf schwächeren Verkehrsteilneh-
mern, wie Radfahrern und Fußgängern liegt, wandelt sich auch bald die Ver-
kehrskultur in der Stadt und andere Verkehrsteilnehmer fahren vorsichtiger. Die
meisten Städte bieten mehr als genug Platz, um ihre fahrradfahrenden Bewohner
unterzubringen. Das geht, indem man Fahrspuren und Parkplätze für Autofahrer
entfernt und dafür tausende Fahrradfahrer darauf fahren lässt. Das ist der erste
Schritt in die richtige Richtung. Die Menschen in Kopenhagen, zum Beispiel,
fahren aus einem einfachen Grund mit dem Fahrrad: Es ist der schnellste und b e-
quemste Weg sich fortzubewegen. Keiner muss Abstriche machen, wenn er Fahr-
rad fährt. Und das obwohl Autos und Benzin so günstig sind wie noch nie.

 In Kopenhagen sind die meisten Menschen mit dem Fahrrad unterwegs. In kaum einer andere Stadt der Welt
                     lebt die Fahrradkultur so sehr gelebt wie hier. © Copenhagenize

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Wo lässt sich dieser Trend bereits beobachten?
Wir leben in einer Zeit, in der das Fahrrad als Transportmittel wiederentdeckt
wird. Städte, wie Kopenhagen und Amsterdam, sind bereits weit voraus. Aber es
gibt bereits Metropolen, die aufholen: Paris, Barcelona, Dublin, Seville,
Bordeaux. Wenn Stadtplaner das Fahrrad an erste Stelle setzen, erkennen sie
schnell, wie sie für den Fahrradverkehr designen müssen. Das bedeutet aber zu-
nächst den Fokus auf das Auto zu vergessen und das schaffen viele Planer noch
nicht. In Dänemark und den Niederlanden dreht sich alles darum, die freien Plät-
ze in der bereits existierenden Infrastruktur so zu füllen, dass mehr Mobilität für
den Radverkehr geschaffen wird. In den Städten, die sich gerade fahrradfreun d-
lich entwickeln, muss zunächst einmal eine Grundlage für ein zukünftiges Netz-
werk geschaffen werden. Es ist vorrangig das letzte Jahrhundert der Verkehr s-
planung zu verwerfen und neu zu beginnen. Zwar mit derselben Technik, aber
mit einem anderen Fokus.

Was ist so besonders in Ihrem Heimatland Dänemark, dass das Fahrrad so
etabliert ist?
Es stimmt, Fahrräder sind beliebt in Kopenhagen. Aber sie werden auch in den
hügeligen Städten von Dänemark gerne und oft genutzt. Das war hier schon i m-
mer so. Alles was die dänische Stadtplanung dazu beigetragen hat, war, dass sie
das Fahrrad vor allen anderen als ebenbürtiges Transportmittel anerkannt und es
daher schon immer stärker als das Auto priorisiert hat. Das veränderte die gesa m-
te Denkweise der Planer. Die Dänen sind Menschen, wie alle anderen auch. Und
gibt man Menschen die Chance rational zu handeln, werden sie dementsprechend
reagieren. Es gibt viele weniger eng besiedelte Gegenden in Dänemark, in denen
Distanzen nicht mit dem Fahrrad zu überwinden sind. Aber in Städten ist das
Fahrrad nun einmal das Transportmittel Nummer eins für diese und zukünftige
Generationen. Dahingehend wiederholt sich die Geschichte. Denn jetzt, wie in
Zukunft, dreht sich alles um das Fahrrad, öffentlichen Transport und lebenswerte
Städte.

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Die Grafik der Copenhagenize-Designer zeigt, wie sich die Mobilität über die Jahre entwickelt hat. Fahrradw e-
 ge sind in vielen Städten heute nicht auf dem neusten Stand, weil das Auto in der Verkehrsplanung meist an
                                     erster Stelle steht. © Copenhagenize

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