Theory of Mind: Verständnis von False Belief - Seminar: Ausgewählte Themen der sozial-kognitiven Entwicklung
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Theory of Mind: Verständnis von False Belief Seminar: Ausgewählte Themen der sozial-kognitiven Entwicklung Technische Universität Dresden 20. Mai 2009
Gliederung 1. Einleitung zur Theory of Mind 2. Vorstellung von Tests 3. Die Metaanalyse 3.1 Durchführung 3.2 Einflussreiche Variablen 4. Verständnis der Resultate 5. Implizites Verständnis von False Belief 6. Theory of Mind in früher Kindheit? 7. Diskussion
Theory of Mind: Alltagspsychologische Konzepte, die es erlauben, uns selbst und anderen mentale Zustände zuzuschreiben. Premack & Woodruff (1978) „Does the Chimpanzee have a Theory of Mind?“ Warum ist die Zuschreibung mentaler Zustände von Bedeutung?
Sie erlaubt es, Handlungen 1. Vorherzusagen 2. Zu erklären 3. Zu manipulieren Wann entsteht die Theory of Mind beim Menschen? Test muss differenzieren zwischen Überlegungen und Überlegungen und Handlungen, die auf dem Handlungen, die auf dem realen Zustand der Welt Glauben über den basieren Zustand der Welt basieren
1. Unexpected Transfer False Belief Task The chocolate-story Nach Wimmer & Perner, Cognition,1983 Maxi legt die Maxi kommt Maxi geht Die Mutter legt Die Mutter Schokolade vom Spielplatz zum die Schokolade verlässt in den und sucht die Spielplatz vom grünen in den blauen den Raum grünen Schrank Schrank Schokolade
-Kinder im Alter ab 4 Jahren können die Frage korrekt beantworten -Jüngere Kinder hingegen scheinen systematisch mit dem tatsächlichen Ort zu antworten -können scheinbar nicht zwischen objektiver Realität und Überzeugung unterscheiden Weitere, teilweise vereinfachte Versionen des ursprünglichen False Belief Tests umfassen u.a.:
2. Unexpected Contents False Belief Task „Smarties-Aufgabe“ Hogrefe, Wimmer und Perner 1986
Ergebnisse: -kaum Unterschiede zur „Unexpected Transfer“-Aufgabe -Kinder im Alter bis zu 4 Jahren beurteilen die Überzeugung des Anderen falsch, können sich jedoch auch nach dem Test nicht mehr an ihre eigene falsche Überzeugung zu Anfang erinnern Problematisch bei dieser Aufgabenstellung ist jede andere Antwort als Smarties auf die erste Frage.
Erklären von Handlungen • „Band Aid Story“ - Bartsch und Wellman 1989 Warum schaut Bill da nach? Was denkt er? ? Pflaster
-66% der Kinder unter vier Jahren können diese Frage richtig beantworten -Wird allerdings die Frage umgekehrt, d.h. es wird gefragt, ob sich die Puppe wohl für die leere Pflasterbox oder die mit Pflastern gefüllte unscheinbare Box entscheiden wird, so liegen nur noch 33% der Kinder richtig -Problem: Gibt es eine echte Alternative zur Antwort in der Erklärungsfrage? -In nachfolgenden Experimenten konnte die oben genannte Tendenz nicht nachgewiesen werden!
Manipulation von Handlungen Ist Täuschung, als einfachster Weg das Verhalten anderer zu manipulieren, ein Zeichen für ein frühes Verständnis von False Belief? Zurückhalten von Informationen Peskin and Ardino 2003 – Der Geburtstagskuchen •Kinder sollen ein Geheimnis bewahren, um für einen Versuchsteilnehmer ein angebliches Geburtstagsgeschenk, den Kuchen, als Überraschung zu bewahren •2/3 der Dreijährigen weisen trotzdem auf den Kuchen hin •2/3 der Vierjährigen und alle Fünfjährigen bewahren das Geheimnis
Lügen Lewis, Stanger and Sullivan 1989 •Im Rücken der Kinder (3 Jahre) wird ein Zoo aufgebaut •Kinder dürfen beim Aufbau nicht zusehen •Versuchsleiter verlässt den Raum •Mehrheit der Kinder schaut dennoch, streitet jedoch ab nachgesehen zu haben Gibt es also doch frühere Ausprägungen von False Belief?
Irreführung Chandler, Fritz and Hala 1989 – „Schatzsuche“ •Auch jüngeren Kindern gelingt es, eine falsche Fährte zu legen um den „Gegner“ zu täuschen •Wenn sie aber gefragt werden, was ihr Gegner wohl denkt, gelingt es ihnen wiederum nicht, seine Überzeugung richtig einzuschätzen
Das Forschungsdesign ● Grundüberlegung: Es gibt sehr viele Studien zum Thema “false belief” => Diese sollen genutzt werden. ABER WIE?
Die Metaanalyse ● Zusammenfassung von Primärstudien ● Es wird eine Auswertung von bereits vorhandenen Ergebnissen durchgeführt ● Es werden keine weiteren Experimente ausgeführt
Die Metaanalyse 1 2 3 4 ... n 1. Aufbereitung (einheitliche Codierung 2. Analyse (Homogenitätsanalyse) 3. weitere statistische Auswertung Ergebnisse
Probleme der Metaanalyse ● Garbage in-Garbage out Jede gefundene Studie geht in die Analyse ein, unbeachtet dessen, dass sie von niedriger Qualität sein könnte (Lösung: Gewichtung) ● Äpfel-Birnen-Problematik Verschiedene Operationalisierungsformen verhindern die Vergleichbarkeit von Studien, auch wenn sie die gleiche Variable untersuchen
Probleme der Metaanalyse ● Schubladenproblematik: Werden nur Ergebnisse publiziert, die eine Hypothese bestätigen oder signifikante Merkmale aufweisen, so entsteht eine relativ homogene Masse an Studien, die die Realität nicht besonders gut abbilden kann.
Einflussreiche Variablen I ● Temporal Marking ● beeinflusste das Testergebnis älterer Kinder positiv ● hier geht es um die Zeitangabe in der Frage: “Was war vorher in der Schachtel?” vs. “Was war in der Schachtel, als der Deckel noch drauf war” - letzteres bringt bessere Resultat ● Doch Lewis und Osborne zeigten: ● “What did you think was in the box when the lid was still on?” - das sollte bessere Ergebnisse bringen als “What did you think was in the box before I took the lid off” - jedoch das Gegenteil trat ein.
Einflussreiche Variablen I ● Temporal Marking Siegal und Beattie sahen eine Fehlinterpretation der Fragen durch das Kind: Where will Maxi have to look in order to find his chocolate? Bessere Performance, wenn die Frage so gestellt wird: Where will Maxi look first? Diese Ergebnisse liessen sich allerdings nicht durch weitere Studien reproduzieren. Dennoch gehen Wellman et al. davon aus, dass temporal marking die Performance verbessert.
Einflussreiche Variablen II ● Das Motiv ● Wenn beim unexpected transfer ein Motiv angegeben wird, dann wird die Performance besser. ● Beispiel: Die Mutter braucht die Smarties um Kekse zu backen. Dieser Satz in der Story erhöht die Wahrscheinlichkeit der richtigen Antwort in allen Altersklassen signifikant.
Einflussreiche Variablen III ● Das betonte/hervorgehobene false belief: ● Beispiele – Die Abwesenheit des Betroffenen wird ausdrücklich betont – Das Kind schreibt seine ursprüngliche Idee auf ● Mitchell ist der Meinung, dass die Gedanken bzw. das Verständnis des Kindes von der gegenwärtigen Realität in der Fragesituation überdeckt werden. ● Fazit: die gegenwärtige Realität macht es schwerer richtig zu antworten – das erklärt aber nicht, wie sich diese Kompetenz entwickelt.
Einflussreiche Variablen IV ● Die Beteiligung ● War ein Kind beim Experiment als Helfer tätig (Aufbau oder aber sogar Transfer des Gegenstandes), dann lassen sich bessere Ergebnisse beobachten
Einflussreiche Variablen V ● Die Abwesenheit eines realen Objekts ● Wenn im Smarties-Schachtel-Experiment statt eines Bleistifts nichts in der Schachtel war, dann steigen die Erfolgsraten ● Im “unexpected transfer” gibt es kein Objekt, was Kinder ohne false-belief understanding zum Raten verleitet. Einer der beiden leeren Orte wird gewählt. ● Das hilft in der Erkenntnisgewinnung nicht weiter
Einflussreiche Variablen VI ● Die Herkunft Befunde sind: sehr gute Performance in Australien, durchschnittliche in den USA, schlechte in Japan. ● Ein 44 Monate (3 Jahre, 8 Monate) altes Kind: USA: zu 50% korrekt Australien: zu 69% korrekt Japan: zu 40% korrekt
Einflussreiche Variablen - Fazit ● Wellman et al. haben ermittelt, dass der Gedanke, dass Kinder in ihren Fähigkeiten bezüglich des false belief-Test unterschätzt werden, falsch ist. ● Der Punkt, an dem der Test bestanden wird, markiert einen konzeptuellen Wandel – dieser Punkt kann aber nicht bedeutend verschoben werden, er liegt immer um das Alter von 4 Jahren (± ein paar Monate).
Verständnis der Resultate ● Es gibt zwei Theorien, die die Theory of Mind- Entwicklung erklären wollen. (in Sodian, 2007)
Ansatzpunkt Simulationstheorie ● Unsere alltagspsychologischen Interpretationen werden von “unmittelbaren Erfahrungen eigenen psychischen Geschehens” geprägt. ● D.h. man denkt sich in die Situation des anderen und ermittelt, wie man selbst reagieren würde. Im zweiten Schritt schreibt man diese Reaktion auf die Situation dann dem anderen zu.
Ansatzpunkt Simulationstheorie ● Schwierigkeiten bei der “Simulation”: ● Der eigene mentale Zustand muss ignoriert werden. (Geht das?) ● Der Zustand des anderen muss so simuliert werden, dass die für ihn zutreffenden Informationsbedingungen eingearbeitet werden ● Fazit: In einer “false belief”-Situation muss das Kind beide Anforderungen erfüllen, um die korrekte Antwort geben zu können.
Ansatzpunkt Theorie-Theorie ● Wenn man unsere Alltagspsychologie als intuitive Theorie versteht, dann sind Entwicklungsveränderungen in diesem System als Theoriewandel zu begreifen Wünsche und Emotionen => Wandlung => Resultat: Konzept der Überzeugung
Ansatzpunkt Theorie-Theorie ● Perner: Theory of Mind eines 4jährigen entspricht Theorie mentaler Repräsentation, denn das Verständnis falscher Überzeugungen impliziert Missrepräsentation. ● Das Verständnis von false belief geht einher mit dem Verständnis der Bedingungen, unter denen falsche Repräsentionen in der Realität zu Stande kommen sowie mit dem Verständnis der Konsequenzen für das Handeln. => kausale Theorie mentaler Vorgänge
Implizites Verständnis von False Belief • Obwohl Kinder erst ab 4 Jahren ein explizites Verständnis von False Belief auszubilden scheinen, besteht die Möglichkeit, dass sie ein implizites Verständnis auch schon vorher besitzen • Implizit = nicht verbalisierbar • Blickrichtungsexperimente mit Kindern im Alter von 2 bis 3 Jahren scheinen dies zu belegen
Vorläufer einer Theory of Mind in der frühen Kindheit? Gergely et al. 1995, Sodian 2004
Diskussionspunkte ● Worin besteht ein möglicher Konzeptionsfehler im “false belief”-Test? Was muss vorausgesetzt werden können? ● Welchen Nutzen kann man aus den gewonnen Erkenntnissen ziehen?
Literaturangaben Doherty, M. J.: Theory of Mind: How Children Understand Others' Thoughts and Feelings. Hove: Psychology Press, 2008. (Kapitel 2 und 4) Sodian, B.: Entwicklung der Theory of Mind in der Kindheit. In: H. Foerstl (Hrsg): Theory of Mind. Neurobiologie und Psychologie des Verhaltens. Berlin: Springer, 2007. (S.43-56) Sodian, B.: Die Entwicklungspsychologie des Denkens - das Beispiel der Theory of Mind. In B. Herpertz-Dahlmann et al. (Hrsg.): Entwicklungspsychiatrie. Stuttgart: Schattauer, 2007. (S.182-194) Schnell, R., P. B. Hill und E. Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg, 1995.
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