Wohnen ohne Auto - umweltfreundlich, bequem und günstig wohnen
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Wohnen ohne Auto – umweltfreundlich, bequem und günstig wohnen Umweltfreundliche Mobilität beginnt für viele Menschen erst auf der Straße. Da werden Alternativen zur Nutzung des Pkw wie Fahrrad oder Öffentlicher Personennahverkehr gesucht oder neue Kraftstoffe entwickelt, um die Fortbewegung mit dem Auto umweltfreundlicher zu gestalten. All diese Alternativen gehen grundsätzlich davon aus, dass Haushalte ein Auto besitzen, dieses jedoch so wenig wie möglich nutzen. Das Konzept Wohnen ohne Auto hingegen lebt von der Idee, dass Haushalte überhaupt kein Auto besitzen und sich nur im Notfall, etwa für den Transport von Möbeln, eines ausleihen. Wohngebiete, in denen dieses Konzept realisiert wird, benötigen weniger Raum für Pkw-Stellplätze, der anderweitig genutzt werden kann. Dafür muss bereits bei der Planung des Wohngebiets deutlich mehr Zeit in die Konzeption einer fußfreundlichen Infrastruktur investiert werden, da diese eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, ob Wohnen ohne Auto realisierbar ist oder nicht. Eine zukunftsweisende Idee entwickelt sich Die Idee des autofreien Wohnens existiert schon seit den 70er Jahren. Anders jedoch als damals, als man lediglich die Stellplätze für die Autos nach außerhalb der Siedlungen verlagerte, ist das Ziel heute, die Anzahl der genutzten Pkw tatsächlich zu reduzieren. Das heutige Modell des autofreien Wohnens existiert seit den 1990er Jahren. Es ging aus einem verhaltenswissenschaftlichen Experiment in Bremen hervor. Damals versuchten sechs Familien, ihren Alltag vier Wochen lang ohne Auto zu organisieren. Fünf der sechs Haushalte stellten fest, dass ein Auto unnötig ist und schafften es nach Ende des Experiments ab. So zeigte sich auch, dass hier eine realisierbare Idee für das Wohnen der Zukunft entstanden war. Die erste Siedlung ohne Autos wurde bereits 1996 in Bremen bezogen, heute steigt die Anzahl der realisierten und geplanten Projekte im deutschsprachigen und europäischen Ausland stetig. Obwohl die Idee, nämlich so weit wie möglich ohne Auto zu leben, in allen Projekten die gleiche ist, unterscheiden sich die einzelnen Modelle doch untereinander relativ stark. Einen großen Anteil der realisierten Modelle machen Projekte aus, bei denen die Mieter beim Einzug versichern müssen, dass sie kein Auto besitzen und dass sich dies auch in Zukunft nicht verändern wird. Dazu gehören die beiden Münchner Projekte in der Messestadt-Riem und am Kolumbusplatz. Andere Modelle, wie das Freiburger Projekt Vauban, erlauben den Mietern Wahlfreiheit: Prinzipiell ist auch bei diesen Modellen das Ziel, ohne Auto zu leben, aber hier haben die Mieter die Möglichkeit, sich später noch für ein Auto zu entscheiden. Dafür müssen sie dann in einer Sammelgarage am Rand der Siedlung einen Stellplatz erwerben. -1-
Erhöhung der Wohn- und Lebensqualität Interessierte geben verschiedene Gründe an, die das Wohnen ohne Auto für sie attraktiv machen. Dabei sind soziale Gründe genauso wichtig, wie Umweltschutz oder auch finanzielle Aspekte. Soziale Gründe: • Da es weniger Straßen gibt, steht mehr Raum für das soziale Leben und spielende Kinder zur Verfügung. Es entsteht mehr Leben im Viertel und die Kommunikation unter den Bewohnern wird gefördert. • Für ältere und behinderte Menschen ist die Bewegung auf der Straße gefahrloser, da sie nicht auf den Verkehr achten müssen. Umweltschutz: • Indem weniger Flächen für Parkplätze oder Zufahrtsstraßen versiegelt werden müssen, können auch tief wurzelnde Bäume im Garten angebaut werden, was wiederum eine größere Artenvielfalt an Flora und Fauna ermöglicht. • Lärm- und Abgasemissionen reduzieren sich dadurch, dass weniger Autos unterwegs sind. Finanzielle Aspekte: • Die Kosten für den Hausbau können gesenkt werden, da keine bzw. weniger Kosten für die Erschließung durch Straßen und die Bereitstellung von Stellplätzen anfallen. • Die Kosten für die Bereitstellung und den Unterhalt eines eigenen Autos entfallen. • Durch eine vermehrte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, sind diese für die Verkehrsunternehmen rentabel. Entsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut wird. Wohnen ohne Auto – eine kostengünstige Angelegenheit Insbesondere der finanzielle Aspekt ist für viele Menschen ein Grund, ihr Verhalten zu ändern und umweltfreundlicher zu agieren. Dass sich Wohnen ohne Auto finanziell lohnt, zeigt folgendes Rechenbeispiel: Für jede neu gebaute Wohneinheit muss ein Kfz-Stellplatz nachgewiesen werden. Da Parkplätze in der Regel individuell einem bestimmten Auto zuwiesen werden, stehen tagsüber ca. 70% der privaten, nachts 85% alle gewerblichen Stellplätze leer (Quelle: Hermann, 2000) - eine vollkommen unwirtschaftliche Einrichtung also. Der Neubau eines Tiefgaragenstellplatzes kostet zwischen 12.000 und 25.000 €, hinzu kommen zusätzlich ca. 1.000 € Bewirtschaftungskosten im Jahr. -2-
Ganz kann die Stadt die Verpflichtung eines Bauherrn, Stellplätzen zu errichten, nicht aufheben. Immerhin kann aber der Stellplatzschlüssel von 1,0 Stellplätzen pro Wohnung auf 0,12 reduziert werden (Quelle: Süddeutsche Zeitung 08/ 2005). Der Bau eines Wohnhauses mit 20 Parteien würde sich um Beträge zwischen 22.000 € und 158.000 € verringern. Individuell in einer Gemeinschaft leben Wer nun glaubt, er müsse sich, sollte er sich für das Wohnen ohne Auto entscheiden, in eine enge Gemeinschaft einfügen, in der die persönliche Freiheit nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, liegt falsch. Zwar gibt es Modelle, die selbstverwaltet sind, und daher von den Mietern ein hohes Maß an Engagement innerhalb der Planungs- und später auch Umsetzungsphase erfordern. Genauso gibt es aber auch Modelle, die sich von herkömmlichen Wohnungsunternehmen nur durch die Abwesenheit von Autos unterscheiden. Mieter, die in Wohnungen dieses Modells wohnen, besitzen in der Regel aus rein pragmatischen Gründen kein Auto: sie brauchen es einfach nicht. Bei selbstverwalteten Modellen hingegen steht der aktive Umweltschutz im Vordergrund. Flexibel in einer gut ausgebauten Infrastruktur Die Vorteile des autofreien Wohnens sind schnell aufgezählt. Wie aber wird die Idee in der Praxis umgesetzt? Autofrei wohnen funktioniert nur unter bestimmten Bedingungen, denn Wohnen ohne Auto darf nicht unbequem und umständlich Wohnen bedeuten, da dies die Attraktivität dieser Wohnform deutlich mindern und unpopulär machen würde. Entsprechend werden die in Frage kommenden Standorte vorher auf ihre Tauglichkeit geprüft. Besondere Aufmerksamkeit wird der Infrastruktur gewidmet. Geprüft werden: • die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. • die Entfernungen zu Einrichtungen, die täglich genutzt werden, wie Schulen, Supermärkte, Kirche, Ärzte, Apotheken, Freizeiteinrichtungen, etc. Für jedes Kriterium, etwa wie lange es dauern darf, bis man zu Fuß eine Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs erreicht hat, oder ob Versorgungseinrichtungen in zumutbarer Zeit ohne Auto erreicht werden können, werden Punkte vergeben. Je höher die erreichte Punktzahl in der Bewertung, umso wahrscheinlicher ist es, dass ein Modellprojekt an dieser Stelle Erfolg haben wird. Das Interesse am Wohnen ohne Auto steigt Auch das Modell Wohnen ohne Auto unterliegt marktwirtschaftlichen Gesetzen. So wurden einige Marktuntersuchungen durchgeführt, die ermitteln sollten, ob ausreichend Bürger Interesse daran hätten, in eine neue autofreie Wohnanlage einzuziehen. Umfragen aus den Jahren 1997 – 2000 ermittelten, aufgrund der -3-
Anzahl an angeforderten Broschüren, ein relativ geringes Interesse der Bürger an diesem Wohnmodell. Für ein aktuelles Projekt im Stadtteil Berlin-Mitte meldeten sich jedoch über 500 Interessenten. In früheren Umfragen stellte sich heraus, dass gerade Familien, die angeblich am meisten auf ein Auto angewiesen sind, ein verhältnismäßig großes Interesse an dieser Wohnform zeigen. Deutlich geringer dagegen war das Interesse von Ein- oder Zweipersonenhaushalten. Die Alterstruktur der Interessierten lag bei 26 bis 45 Jahren. Stadt der kurzen Wege Die Bereitschaft, seinen Alltag zu organisieren, reicht nicht aus, wenn die Rahmenbedingungen ungünstig sind. Umweltschutz soll nicht umständlich und unbequem sein. Aus diesem Grunde müssen verschiedene Angebote geschaffen werden, die es ermöglichen, einen autofreien Alltag zu leben. Dazu gehören Angebote, die die Mobilität erleichtern und eine durchdachte Infrastruktur, eine so genannte „Stadt der kurzen Wege“: Erleichterung der Mobilität: • Optimale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr • Vergünstigte ÖPNV-Jahrestickets für Neubewohner (MieterTickets) • Einrichtung einer Car-Sharing-Station im Haus oder in der Wohnanlage, um auf ein Auto zurückgreifen zu können, wenn größere Transporte anstehen oder persönliche Notfälle, wie Krankheit oder Unfall, es erfordern. • Lieferservices für verschiedene Produkte • Ein Mobilitätsberatungsbüro, in dem Anwohner sich Rat holen können, wenn sie Alternativen zur Nutzung des Pkw suchen. • Bereitstellung von Leih-Rädern mit solidem Fahrradanhänger Ausbau der Infrastruktur in Fußnähe, also 300 – 700 m Entfernung: • Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten • Einkaufsmöglichkeiten wie Supermärkte oder Bekleidungsgeschäfte • Freizeiteinrichtungen wie Kino, Theater oder Restaurants • Medizinische Versorgung durch Ärzte und Apotheken • Sportmöglichkeiten wie Schwimmbäder oder Sportplätze Lernen für die Zukunft -4-
Untersuchungen und begleitende Evaluationen bestehender Projekte haben gezeigt, dass vor allem eine gute Infrastruktur, die bereits zur Verfügung steht, wenn die ersten Mieter einziehen, ein wesentlicher Faktor ist, damit ein Wohnen ohne Auto- Projekt positiv bewertet wird. Am Beispiel der Messestadt-Riem zeigte sich, dass sehr schnell Unzufriedenheit mit dem Modell des Wohnens ohne Auto aufkommt, wenn es sich zulange hinzieht, bis alltägliche Besorgungen wie der Gang zum Supermarkt oder dem Friseur, wohnungsnah erledigt werden können. Die Infrastruktur muss also bereits stehen, wenn die ersten Mieter einziehen. Abzuwarten bleibt noch, wie sich die bestehenden Projekte in der Zukunft entwickeln, wenn sich die Familien- und Alterstrukturen verändern. Das betrifft insbesondere die Projekte, in denen eine absolute Verpflichtung zur Autofreiheit geleistet werden musste. Eine gewisse Anzahl an angeschafften Autos liegt bereits im Toleranzbereich der Projekte. Generell sind die Rückmeldungen aus bestehenden Projekten sehr positiv und die Ergebnisse aus den Erfahrungen, die in bestehenden Projekten gemacht wurden, fließen bei der Konzeption neuer ein. Text: TexteSatt, 2005. -5-
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