"WIR GLAUBEN AN DIESES WUNDER" - DRK Steglitz ...
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WOHNUNGSLOSENHILFE FÜR EU-BÜRGER UND GEFLÜCHTETE. „WIR GLAUBEN AN DIESES WUNDER“ Mit „Wegweiser Wohnen“ und meinschaftsunterkünften. Zu mir Anfang dieses Jahres sind in „ Wo h n r a u m a n m i e t u n g f ü r kommen entweder Einzelper- unserer DRK Berlin Südwest sonen oder sehr große Familien Geflüchtete“ sind bei der DRK zwei neue Wohnungslosen- mit vier bis acht Familienmitglie- projekte gestartet. In unserem Berlin Südwest Anfang des Jahres zwei neue Projekte ge- dern, die nun nach einer Woh- Gespräch stellen Sven Pape, nung suchen, was auf dem Ber- Annette Kaiser, Kerstin Eber- startet, die im Bereich der liner Wohnungsmarkt ziemlich hardt und Alina Dinga (v.l.n.r.) Wohnungslosenhilfe Unterstütz- herausfordernd ist und auch nicht sie ausführlich vor. ung anbieten. Erzählt doch mal: besonders schnell geht. Ich per- Was sind das für Projekte? sönlich finde es spannend. Es Sie haben auch keine eigene sind ganz unterschiedliche Men- Wohnung oder drohen sie zu Annette Kaiser: „Wohnrauman- schen mit zum Teil sehr drama- verlieren? Dann melden Sie mietung für Geflüchtete“ ist tischen Geschichten. Mir macht sich unter wegweiser- hauptsächlich für Menschen ge- es Spaß, die Leute kennenzu- wohnen@drk-berlin.net (EU- dacht, die nicht aus EU-Ländern lernen und ihnen zu helfen. Was Bürger) oder unter kommen und von Wohnungs- ich momentan allerdings als be- kaisera@drk-berlin.net losigkeit bedroht sind. In der Re- belastend empfinde, ist, dass ich (Geflüchtete)! gel leben sie in Not- oder Ge- gar nicht so schnell helfen kann
I n t e r v i e w #2 “ In den meisten Fällen haben die Spürst du bei den Wohnungsbau- gesellschaften Vorbehalte gegen- über geflüchteten Menschen? Oder ist das eine gern gesehene Menschen keinerlei Chance, eine Klientel? Wohnung in Steglitz zu beziehen. Annette Kaiser: Mögliche Vorbe- halte werden natürlich nicht ausge- sprochen, die sind auch nicht nachweisbar. Es ist aber einfach so, dass die Wohnungsbaugesellschaf- lastend empfinde, ist, dass ich sichtigt habe, hatte fünf Zim- ten aufgrund der Vielzahl an Be- gar nicht so schnell helfen mer. Und da liegt genau das werbern eine Vorauswahl treffen kann wie ich möchte, weil der Problem. Die Leute haben können. Mein Eindruck ist, dass es Wohnungsmarkt in Berlin so Wohnberechtigungsscheine für gern gesehen wird, wenn jemand angespannt ist. jedes einzelne Familienmit- dazu verdient und nicht nur ALG II glied. Sie haben also das bezieht. Die Nationalität ist dage- Wenn Du von Wohnungssuche Anrecht, eine Wohnung für so gen zweitrangig. in Berlin sprichst, meinst Du viele Personen zu mieten wie in auch die ganze Stadt? der Familie leben. Doch es gibt diese Wohnungen nicht. Das Gerade fiel das Wort „Voraus- Jobcenter sagt dann, acht wahl“. Wieviele Bewerbungen gibt Annette Kaiser: Definitiv. Die es denn im Schnitt auf eine Woh- meisten Menschen, die zu mir Personen in einer 5-Zimmer- Wohnung, das ist zu eng. Da- nung? kommen, stehen im Leistungs- bei wären sie für eine 4- oder bezug vom Jobcenter. Da gibt 5-Zimmer-Wohnung dankbar. Annette Kaiser: Man sieht das es so genannte Bemessungs- Das sind schon zwei bis drei immer nur, wenn man zu einer grenzen, wie teuer eine Woh- Zimmer mehr als in der Ge- Besichtigung eingeladen wird. Da nung sein darf. In den meisten meinschaftsunterkunft. Es ist ist es dann schon so, dass für Fällen haben die Menschen leider schwierig. Wohnungen mit WBS im Schnitt dadurch keinerlei Chance, eine 30-40 Bewerber da sind. Da muss Wohnung in Steglitz oder Auf welchem Wohnungsmarkt man dann schnell sein und eine Schöneberg zu beziehen. Die suchst Du - dem offenen oder komplette Bewerbungsmappe ab- Wohnungen liegen meist weit im geförderten Bereich? geben. Erst dann wird geprüft, ob oberhalb der Bemessungs- die Miete und die Kaution sicher grenze. Das wiederum bedeu- Annette Kaiser: Mit dem För- sind und wie sozialverträglich der tet, dass eine Wohnungsan- potentielle Neumieter ist. mietung in Bezirken wie Mar- dergeber des Projektes ist ver- zahn oder Hellersdorf viel einbart, dass wir auf dem offenen Wohnungsmarkt such- Sven Pape: Wobei 30 Personen wahrscheinlicher ist, gelegent- en - etwa bei den städtischen nicht einmal viel sind. Wir waren ja lich auch mal in Tempelhof. Letzteres ist aber wirklich sel- Wohnungsbaugesellschaften auch oft bei Besichtigungen in oder bei privaten Vermietern Innenstadt-Lagen, da waren es ten der Fall. oder auf Online-Portalen wie dann gerne auch mal 90 Leute, Immoscout oder Immowelt. wenn kein WBS erforderlich war. Du hast zuvor von großen Fa- milien mit teilweise acht Fa- Alina Dinga: Ein konkretes Bei- milienmitgliedern gesprochen. spiel: Letztes Jahr war ich auf einer Gibt es auf dem Berliner Woh- Besichtigung bei der Gewobag. Da nungsmarkt überhaupt ent- wurde mir mitgeteilt, dass es auf sprechende Angebote? ein Inserat 300 Anfragen gab. Annette Kaiser: Die größte Annette Kaiser: Das kenne ich Wohnung, die ich bisher be- auch. Die Anfragen bewegen sich
#3 I n t e r v i e w sicherlich in dieser Höhe. Aber weitervermitteln. Uns ist aufgefallen, dass viele dann wird ja gefiltert. Die geben Leute glauben, es gäbe in Berlin nicht jedem einen Termin zur Be- Annette Kaiser: Bei „Woh- noch ausreichend bezahlbaren sichtigung. Übrig bleiben nach nungsanmietung für Geflüch- Wohnraum. meinen Erfahrungen 30-40 Per- tete“ kommen die meisten Men- sonen. schen aus Syrien. Ansonsten Kerstin Eberhardt: Manchmal ist hatte ich bislang auch Anfragen es auch so, dass die Menschen Macht Ihr bei „Wegweiser Woh- von Menschen aus Georgien, die Erfahrung häufiger Absagen nen“ ähnliche Erfahrungen? dem Libanon oder Libyen. Meist gemacht haben. Dann sehen sie sind die Leute sehr, sehr dank- unseren Flyer und klammern Alina Dinga: Weniger. Das liegt bar für die Hilfe und freuen sich sich daran fest, als wäre es der aber daran, dass wir in unserem über den Austausch. Sie haben letzte Strohhalm. Projekt keine Wohnraumakquise aber natürlich oft auch die große betreiben. Wir beraten woh- Erwartungshaltung, dass ich Welche Herausforderungen be- nungslose und von Wohnungs- eine Wohnung aus der Tasche gegnen Euch sonst noch in Eu- losigkeit bedrohte EU-Bürger und ziehe. So einfach ist das natür- rer alltäglichen Arbeit? unterstützen sie bei der Beantra- lich nicht. gung relevanter Wohnungsun- Sven Pape: Mir scheint die gra- terlagen wie z.B. WBS, Schufa- Teilt Ihr diese Erfahrung auch vierende Schwierigkeit der Man- Auskunft oder Mietschuldenfrei- im Projekt „Wegweiser Woh- gel an bezahlbarem Wohnraum heitsbescheinigung. Wir etablie- nen“? zu sein. Wir haben zwar viele ren aber keine neuen Strukturen. und gute Beratungsangebote, Alina Dinga: Dort nicht. In un- aber die Anzahl der verfügbaren Das bedeutet also, Ihr sucht gar serem Vorgänger-Projekt „Aktion Wohnungen hält mit dem Bedarf nicht nach Wohnungen? Wohnen“ haben wir diese Er- nicht Schritt. fahrung aber auch gemacht. Da Alina Dinga: Richtig. Wir zeigen lag der Schwerpunkt eben auch Alina Dinga: Ich glaube, die Klienten aber, auf welchen On- in der Wohnraumakquise und Herausforderung an unserer Ar- line-Portalen sie selbst nach die Menschen hatten oft die beit ist, die Leute wirklich zu Wohnungen suchen können, Hoffnung oder Erwartung, dass motivieren, ihnen immer wieder worauf aus Vermietersicht ge- wir Ihnen ganz schnell eine Woh- zu sagen: „Ey, bleib am Ball! achtet wird, wie ein Bewer- nung vermitteln können. Wenn du wirklich dran bleibst, bungsschreiben auszusehen hat, dann kriegst du auch eine Woh- wie man sich bei dem Vermieter Ist das so, weil sie den Woh- nung.“ vorstellt usw. nungsmarkt nicht kennen? Oder ist der Wunsch der Vater Annette Kaiser: Bei mir sind Welche Menschen nehmen Eu- des Gedankens? außerdem Sprachbarrieren und re Hilfe in Anspruch? Krankheitsfälle in der Familie Alina Dinga: Es ist auf jeden Fall zentrale Schwierigkeiten. Die sehr viel Unkenntnis im Spiel. Wohnung muss dann eben bar- Sven Pape: „Wegweiser Woh- nen“ läuft gerade erst so richtig “ an. Bislang hatten wir aber schon Menschen aus Rumänien oder aus Notunterkünften. Gele- gentlich müssen wir sie dann ablehnen, da sie nicht der Ziel- Die Leute sind sehr, sehr dankbar. Sie gruppe entsprechen, die laut Förderung durch die EU vorge- haben aber natürlich auch die sehen ist. Erwartung, dass ich eine Wohnung Kerstin Eberhardt: In solchen aus der Tasche ziehe. Fällen können wir leider nur an ein anderes Beratungsangebot
I n t e r v i e w #4 rierefrei sein oder sie kann nicht im siebten Stock ohne Aufzug liegen. Noch eine letzte Frage: Stellt Euch vor, Ihr hättet einen Wun- sch frei! Was würdet Ihr verän- dern? Sven Pape: Gut wäre, wenn wir bezahlbare Wohnungen hätten, die wir vermitteln können. Wir brauchen einfach mehr bezahl- bare Wohnungen. Annette Kaiser: Ich würde mir wünschen, dass Entscheidungen schneller getroffen werden und Behördengänge weniger lange dauern. Ich hatte schon zweimal die Situation, dass meine beiden Kollegen eine Wohnung vermittelt hatten und ich sehr, sehr hart da- rum kämpfen musste, dass die nicht wieder verloren geht. Weil zugesagte Zahlungen nicht ge- leistet wurden - was echt drama- tisch ist, weil die ganze Suche dann wieder von vorne losgeht. Kerstin Eberhardt: Ich würde mir mehr Transparenz im An- tragsdschungel wünschen. Ganz oft ist es so, dass Klienten von einer Stelle zur nächsten ge- schickt werden. Und ich finde, das macht die Verzweiflung ein- fach noch größer. Und wenn die Verzweiflung mal groß genug ist, Impressum tritt eine Lähmung ein und dann Herausgeber: DRK in Berlin Steglitz-Zehlendorf geht gar nichts mehr. Obwohl es in Berlin ohnehin an ein Wunder Düppelstr. 36 | 12163 Berlin grenzt, eine bezahlbare Wohnung Redaktion, Layout & Fotos: Thomas Luthmann zu finden. Doch wir glauben an dieses Wunder. Urheberrecht: Die Inhalte, Fotos und Grafiken in diesem Artikel sind urheber- rechtlich geschützt. Alle Rechte liegen beim DRK in Berlin Steglitz-Zehlendorf. Die Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung sowie Einspeicherung und Ganz herzlichen Dank für den Verarbeitung in elektronischen Systemen bedürfen der vorherigen Zustimmung Einblick in Eure Arbeit! Euch des Urhebers. weiterhin viel Erfolg!
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