Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war

Die Seite wird erstellt Karl-Stefan Thiele
 
WEITER LESEN
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
1

              Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt
               -- Warum „Gorleben“ die falsche Wahl war --
 -- Geowissenschaftliche Perspektiven, neue Aspekte zum „Titanic“-Untergang
                        und zur Mangroven-Genese --
                                     von
                     Dieter ORTLAM (Achern/Bremen)
                                          mit
                              22 Abbildungen und 1 Tabelle

  Herrn Dr. Richard von WEIZSÄCKER (1920-2015) zum 90. Geburtstag
                   und der Nachwelt als Verpflichtung

 (Vortrag, gehalten am 17. 04. 2010 in Dannenberg anlässlich des „Gorleben“-Hearings
                    der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg e. V.)

    Erst-Publikation: 2010; Fassung: 05/2021 (Copyright, alle Rechte vorbehalten)

Key words: Endlagerung, Salinar, Gorleben, Rambow, Asse, Fukushima, pleistozäne Rinnen,
Genese, Konfiguration, Quartär-Basis, Wasserwirtschaftliche Rahmenplanung, Bremen,
Hamburg, Niedersachsen, Oberrheingraben, Mittelbaden, Alpen, Skandinavien, Gorlebener
Rinne, steiler Zahn, Reeßelner Rinne, Laaser Rinne, Wintermoorer Rinne, Oberrhein-Rinne,
Alpenrhein-Bodensee Rinne, Überlinger Rinne, Teufelstisch, Inn-Rinne, Aare-Rinne, Rhône-
Rinne, Gardasee-Rinne, Kontinentaler Fjord, Ohrid-See, Skutari-See, Van-See, Tertiäre
Platte, Mariner Fjord, tertiärer Ton, Drainage, Grundwasser, Potential, Grundwasser-
Speicherstätte, Nachhaltigkeit, Entnahme, Wasserwerke, Nordheide, Blumenthal, Vegesack,
Bremerhaven, Langen, Leherheide, Wulsdorf, Bexhövede, Inlandeis, Grundwasser-Export,
Verbreitung, Elster-Kaltzeit, Mindel-Kaltzeit, Saale-Kaltzeit, Riss-Kaltzeit, Lößdecken,
Rheinseiten-Rinnen, Heidelberger Loch, Hamburger Loch, Soltauer Becken, Geiswasser
Becken, Rückschmelzphase, Bedières, Gletschertöpfe, Gletscher-Mühlen, Zwickel-Stauseen,
Entleerung, Ice-Surging-Prozess, Märjelen-See, Gorner-See, Meeresspiegelanstieg, Mega-
Muren, Eis-Karst, Eiskarst-Schwamm, Gletscher-Stuben, Rinnen-Tiefgänge, Rinnen-
Stapelung, Siphonen, subglazial, Karst-Rinnen, Blauhöhle, mäandrierend, Achterbahn-artig,
endemische Rinnen-Fauna, Kaspisee-Robbe, Baikalsee-Robbe, Ladogasee-Robbe, Königsee-
Dorsch, Schwarzmeer-Forelle, Walchensee-Waller, Silsersee/Oberengadin, Karst-Grottenolm,
Istrien, Balearen, Grundmoränen, allochthon, Stapelung, Eis-Exaration, EDDA, Fjorde,
marine Fjorde, kontinentale Fjorde, Sunde, Zungenseen, Wostok-See, Lake Ellsworth,
Petermann-Gletscher, Wissard-Projekt, BedMachine, Niflheim, Muspelheim, Archimedisches
Prinzip, Tauchgleichgewicht, DGH-Effekt, Mangrove-Genese, Alte Sau, Old Sow, Fluid-
Tornado, DGH-Quotient, Halokline, Hydraulik, Jojo-Effekt, Amsterdam, Ostfriesische Inseln,
Süßwasserlinse, Titanic-Eisberg, Grönland, dropstones, Ballast-Kiel, Geröllbewehrung,
„Titanic“, Kollision, Schiffskatastrophe, hot spots, mineral spots, Perforation, Treppenhaus-
Leakage-Effekt, Lauenburger Schichten, Bändersedimente, Warwite, Tiefgefrornis,
Permafrost, Rollendes Peilrohr, Gipshut, Caprock, Salzspiegel, Residualton, selbstabdichtend,
Mehrfach-Barrieren-System, Geo-Barrieren, Radiolyse, Bremer Becken, Lesum, Lilienthal,
Delmenhorst-Osterholz, Elbe-Jeetzel-Niederung, Dauer-Laugung, Salzwasser, Extrusion,
Aufstiegswässer, Siel-Wirtschaft, Halophyten, edaphisch, Aussüßung, Grundwasser,
Transfluenz, Lüneburger Heide, Göhrde, Salinartektonik, Erdfälle, Halokinese, Mittelmeer-
Mjösen-Zone, Geest-Insel, Zeugenberg, Höhbeck, Weyerberg, Drenthe II, Verbreitung,
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
2

Hydrosphäre, Salinosphäre, Halokinese, Öl-GAU, Golf von Mexico, Barents-See, Nowaja
Semlja, Rückholbarkeit, Hanford, Tetscha, Majak-Osjorsk, Windscale, Karatschai-See, La
Hague, Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima.

Zusammenfassung: Es werden die umfangreichen hydrogeologischen Arbeiten im Bereich
des Salinars „Gorleben“ in Nordost-Niedersachsen zur Trink- und Brauchwasser-Versorgung
der örtlichen Bevölkerung und der Freien und Hansestadt Hamburg im Zuge der
Wasserwirtschaftliche Rahmenplanung in der Zeit zwischen 1966 und 1974 geschildert. Als
Ergebnis wurde eine der größten Grundwasserspeicherstätten Europas mit einem nutzbaren
Volumen von 125 Mrd m³ nachhaltig im nördlichen Niedersachsen entdeckt. Durch den
Nachweis umfangreicher pleistozäner Rinnensysteme, deren Bremer Entdeckungsgeschichte
(1882) und subglazialer Genese dargelegt wird, und der mächtigen Braunkohlensande der
tertiären Platte in Nord-Niedersachsen können diese Grundwasser-Reserven durch den
vorliegenden natürlichen Drain-Effekt voll genutzt werden. Die Bedeutung dieses wichtigen
Rohstoffs Grundwasser für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland als Exportgut, z. B.
für die Anrainerländer des Mittelmeeres, wird bisher unterschätzt, zumal in Süddeutschland
ähnliche Grundwasser-Potentiale entwickelt werden können. Die weite Verbreitung und die
großen Tiefgänge (bis 1000m) der pleistozänen Rinnensysteme – bedingt durch subglaziale
Mega-Muren bei der Entleerung von Zwickel-Stauseen und des Eis-Karstes bei Ice-Surging-
Prozessen der gewaltigen Inlandeis-Decke -- sind nicht nur für Norddeutschland sondern auch
für Süddeutschland einschließlich der Alpen nachgewiesen. Die elsterzeitlichen Inlandeis-
Decken von Skandinavien und den Alpen prallten im Süden Deutschlands aufeinander und
hinterließen ausgedehnte subglaziale Rinnensysteme während ihrer Rückschmelzphasen,
deren Grundwasser-Potential erheblich und heute noch kaum genutzt ist. Jede Inlandeis-
Decke in der Welt hat ihre tiefen Rinnen und Becken subglazial ausgebildet, einschließlich
Grönland und Antarktis (u. a. Wostoksee-System, Lake Ellsworth, Wissard-Projekt,
BedMachine).
Durch den weltweit bedeutenden DGH-Effekt (= Archimedisches Prinzip) sind die
Grundwasserleiter in Norddeutschland – trotz zahlreicher hoch-aufragender Salinare – bis in
400m Tiefe ausgesüßt. Lediglich an den Salinar-Flanken und in den – gegenüber ihrer
Umgebung – tief liegenden Gebieten des Bremer Beckens und der Elbe-Jeetzel-Niederung
treten aktive Versalzungen der Grundwasserleiter bis zur jeweiligen Geländeoberfläche auf.
Die aktive Dauer-Laugung der örtlich vorliegenden Salinare (z. B. „Gorleben“) vollzieht sich
durch die tief einschneidenden pleistozänen Rinnensysteme in die Salinare (= Salzstöcke und
Salzmauern) durch den Treppenhaus-Leakage-Effekt (= TL-Effekt) und den DGH-Effekt. Die
weltweite Verbreitung beider Effekte wird dargelegt und ihre Bedeutung bei der Endlagerung
hochradioaktiver Stoffe in Salinaren kritisch diskutiert. Alternativen zur Salz-Endlagerung
anhand eines Mehrfach-Barriere-Systems und anderer geologischer Einheiten werden
aufgezeigt. Eine Ergebnis-neutrale Untersuchung von mehreren Geotopen mit vorher
festgelegten notwendigen Bedingungen sollte unverzüglich eingeleitet werden. Dabei kommt
der kostengünstigen und schnellen Geochemischen Kartierung oberflächennaher
Grundwasserleiter mithilfe des Rollenden Peilrohres eine nicht unwichtige Bedeutung zu, um
eine primäre Salzspiegelabdichtung als weitere Geo-Barriere zu testen. Die Genese der
Mangroven in flachen Küstensäumen durch Süßwasserzufuhr per DGH-Effekt wird erkannt.
Einige Informationen aus der Germanischen Edda geben interessante Hinweise zur
geowissenschaftlichen Erklärung von Niflheim, Muspelheim und der tiefen Sunde/Fjorde
sowie der Zungenseen in der Quartärzeit Europas.
Abstract: The numerous hydrogeological investigations in the area of the saltdome of
“Gorleben” (northeastern Lower Saxony, Germany) will discussed under the aspect in
winning groundwater for the local peoples and for the town of Hamburg during the economic
plan for water resources (1966-1974). At the end the biggest groundwater ressources of

                                                                                           2
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
3

Europe were discovered in northern Lower Saxony with a volume of 125 Bill. m³. The
discovering of the large and big lignitic sands (“Tertiary Plate”) and of a large system of
pleistocene channels of northern Lower Saxony (first discovery 1882 in the area of the town
of Bremen) and their subglacial origin are explained. The exploitation of old groundwater in
the deep pleistocene channels is the result of hydraulic natural draining the fine lignitic sands
of the surrounding Tertiary Plate. The importance of these big groundwater resources using in
Germany or by tansfer-good in other countries around the Mediterranian Sea are undervalued
by discovering new groundwater resources of large pleistocene channels in southern
Germany. The large spreading and the big depth (>1.000m) of the pleistocene channels are
shown in northern and southern germany and the Alps digging by subglacial catastrophic
emptying of glacier bassins and the ice-karst during ice-surging processes. The elsterian big
inland-ices of Scandinavia and the Alps bounded against along the Jura in Switzerland and
southern Germany towards the Bohemian Forest digging the large and deep systems of
subglacial channels by melting ice. These potentals of groundwater resources are not
discovered and not explorated in southern Germany until now. Each inlandice covering the
earth have developped their subglacial channels and basins, including Greenland and
Antarctica (e. g. lake of Wostok and of Ellsworth, Wissard-Project, BedMachine).
Inspite of the numerous uprising saltdomes the groundwater resources of northern Germany
consist of freshwater up to a depth of 400m basing on the DGH-effect, the physical principle
of Archimedes. Only at the deep borders of the saltdomes and the topographic deep basins of
Bremen and the Elbe-Jeetzel active salinizations are observed up to the surface. The active
leaching of the saltdomes (e. g. “Gorleben”) based on the deep pleistocene channel of
Gorleben with the DGH-effect combined with the stairway-leakage-effect. The worldwide
spreading of these effects is shown and the importance for the deposition of radiactive and
other waste materials is discussed. Alternative examples for the deposition in saltdomes are
proposed in other geological formations based on the idea of a multi-barrier-system. An
objective investigation of several geotopes should immediately begin, based on fastened and
necessary conditions. The importance of the fast and cheap method of the geochemical
mapping of the flat groundwater by the “Rolling Water-Gauge” is discussed to prove a
primary tightening (geo-barrier) of the salt mirror at the base of caprock. The origin of
mangroves in the lower coast-sides by freshwater-imput is declared by the DGH-effect.
Some informations of the old German Edda give many interesting geological explanations of
Niflheim, Muspelheim, the deep fjords and the glacio-lakes during the quarternary age of
Europe.

Résumé:

1. Einführung

Die nachfolgenden Betrachtungen sind das Ergebnis eines recht neugierigen und
interdisziplinär denkenden Geowissenschaftlers, der als Hydrogeologe zwischen 1966 und
1974 im Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung (Hannover) und anschließend bis
1997 als Leiter des Amtes für Bodenforschung Bremen (Außenstelle des NLfB; heute:
Geologischer Dienst für Bremen) tätig war. Als eines der ersten Projekte wurde mir im Jahre
1966 die hydrogeologische Erkundung zur Erweiterung der Grundwasserförderung des
Wasserwerkes auf dem Höhbeck -- einer 76m aufragenden Geest-Insel (= Zeugenberg) in der
Elbe-Jeetzel-Niederung auf dem Salzstock (= Salinar) „Gorleben-Rambow“ -- übertragen, um
den in den Sommermonaten dort von unten einbrechenden Versalzungen bei der verstärkten
Grundwasserförderung des dortigen Wasserversorgungsverbandes des Landkreises Lüchow-
Dannenberg nachzugehen. Damals hatten meine hydrogeologischen Kollegen und ich noch
keine Ahnung über eine Störung des sensiblen Tauchgleichgewichts zwischen leichtem

                                                                                                3
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
4

(vadosen) Süßwasser und dem schwereren Salzwasser im Untergrund von Nord-
Niedersachsen, was später dann unter dem Namen DGH-Effekt in die Literatur Eingang fand
(ORTLAM 1984, 1989 und 2000). Es konnte damals lediglich die definitive Aussage gemacht
werden, dass die im Wasserwerk „Höhbeck“ bei den stärkeren (sommerlichen)
Grundwasserentnahmen auftretenden Salzwassereinbrüchen nur von unten vom Salinar
„Gorleben-Rambow“ durch undichte Stellen (Perforationen bindiger Deckschichten des
Tertiärs und Quartärs) stammen können (GROBA & ORTLAM 1966, ORTLAM 1972a). Die
genauen hydraulischen Kontakte waren 1966 jedoch nicht klar und konnten erst Ende der 70er
Jahre des vergangenen Jahrhunderts u. a. im Zuge der umfangreichen geowissenschaftlichen
Untersuchungen in der Elbe-Jeetzel-Niederung (Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan „Obere
Elbe“) und ab 1974 im Bremer Becken sehr detailliert aufgeklärt werden.

2. Geowissenschaftliche Untersuchungen (1966-1974)

Die ursprüngliche Situation änderte sich zuerst durch das umfangreiche Tiefbohrprogramm
der zweiten Wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung in der BRD, dem Gebiet „Obere Elbe“
(Abb. 1), das zusammen mit Mitteln des Landes Niedersachsen, des Bundes und vor allem der
damals nach Grundwasser dürstenden Hamburger Wasserwerke (HWW) finanziert wurde
(GROBA, ORTLAM & VIERHUFF 1969, ORTLAM 1972a, LIERSCH 1972). Die erste
Wasserwirtschaftliche Rahmenplanung fand im Bremer Becken seit dem Jahre 1902 wegen
der zunehmenden Versalzung der Weser durch den aufstrebenden preußischen Kali-Bergbau
statt. Dies führte zu der frühzeitigen Einrichtung einer Außenstelle Bremen der Königlichen
Geologischen Landesanstalt und Bergakademie (Berlin) durch den Bremer Senat statt, um das
Weserwasser als Süßwasser-Ressource weiterhin (u. a. für die vielen Brauereien) nutzen zu
können.
Die Betreuung dieses im Jahre 1966 im Westen der Lüneburger Heide gestarteten
Untersuchungs- und umfangreichen Bohrprogrammes der Wasserwirtschaftlichen Planung
„Obere Elbe“ wurde mir von meinen damaligen Vorgesetzten Dr. R. WAGER und Dr. W.
RICHTER allerdings mit der Vorgabe übertragen, dass „ich kaum tiefer als 100m zu bohren
hätte, weil ab dieser Tiefe nur noch mit Salzwasser wegen den hochaufragenden Salinaren in
der Lüneburger Heide zu rechnen wäre“ (WAGER 1956 und 1957). Außerdem wurde 1968
ein Bohrprogramm östlich der Ilmenau aus Mitteln des Niedersächsischen Zahlenlottos
gestartet, um örtliche hydrogeologische Probleme zur Grundwasserversorgung zu klären
(ORTLAM 1972b).

                                                                                         4
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
5

Abb. 1: Aufschluss-Bohrungen im Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan „Obere Elbe“ (1966-
1971) mit dem Verlauf der neu erkundeten pleistozänen Rinnen (Pfeil = Reeßelner Rinne)
und Becken mit deren Erstbenennung, begrenzt durch die 100m –NN-Tiefenlinie der Quartär-
Basis, und den zahlreichen Salinaren (gestrichelt; aus: JARITZ 1973, ORTLAM 1972a, 1975,
ORTLAM & VIERHUFF 1978). Blaue Farbe: Salzaufstiege im Bereich der Salinare
„Gorleben-Rambow“ und „Gr. Heide-Siemen“ und deren Abstrom (gelbgrün) in der Elbe-
Jeetzel-Marsch.

Bereits die ersten Bohrungen in der Lüneburger Heide ab dem Jahre 1966 südlich von
Hamburg zeigten jedoch, dass bis 250m Tiefe ein komplett ausgesüßter Aquifer sowohl in
den quartären als auch in den miozänen Schichten der Tertiären Platte (nach ORTLAM
1972a) vorhanden war. Ermutigt durch diese total neuen Erkenntnisse konnte ich dann die
nachfolgenden Jahres-Bohrprogramme nach Osten in die Göhrde mit wesentlich größeren
Bohrtiefen und auch mit der Initiative zu umfangreichen paläontologischen Untersuchungen
(Makro-, Mikro- und Nanno-Paläontologie sowie von Pollenanalysen) konzipieren, so dass
die Möglichkeit bestand, den Aufbau der Tertiären Platte und die immer tiefer erkundeten
pleistozänen Rinnen nahezu vollständig auszuloten, wobei geoelektrische Messungen der
NLfB-Geophysik (Hannover) und danach von der TEGTMEYER-Geophysik (Isernhagen)
damals als einzige Vorerkundungsmethode erste vage Hinweise auf diese Rinnensysteme
ergaben. Eine frühere Erkundung der Auswertung der Quartärbasis (1:50.000) in der
Lüneburger Heide anhand vorhandener Archiv-Bohrungen durch K.-D. MEYER als Assessor-
Arbeit (1964) brachte leider keine Hinweise auf die Tiefe und Richtung der pleistozänen
Rinnen. Die Auswertung seismischer Profile der einschlägigen Erdölindustrie erbrachten
damals (1966/67) – im Gegensatz zu heute (Projekt „BurVal“ 2006 mit seismischen
Messungen) – leider auch keine relevanten Ergebnisse zur Identifikation tieferer Rinnen.
Trotz einer nochmalig aufwendigen Vorauswertung vorhandener N.L.f.B.-Archivbohrungen
wusste ich damals noch nicht einmal, in welche Richtung und welche Dimension diese neu
entdeckten Rinnen verliefen und welche Tiefgänge sie erreichen würden (GROBA, ORTLAM
& VIERHUFF 1969, ORTLAM 1972a und 1972b), obwohl deren Existenz zum ersten Mal in

                                                                                       5
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
6

Bremen (FOCKE 1882 und 1886) und danach in Hamburg (GOTTSCHE 1897 und 1901)
erkundet wurde (ORTLAM 2001b).

Abb. 2: Lage der Quartär-Basis (Meter unter NN) in Nordost-Niedersachsen (aus: ORTLAM
1972a, 1975, ORTLAM & VIERHUFF 1978). Pfeil = Reeßelner Rinne mit einer Quartär-
Basis bei 434m unter NN.

In der Reeßeln-Karwitzer Rinne (Abb. 2) östlich von Lüneburg wurde dann 1969 in der 4.
Bohrkampagne eine Rekordmächtigkeit pleistozäner Schichten nördlich der Mittelgebirge mit
insgesamt 502m erbohrt (ORTLAM & VIERHUFF 1978, Tab. 1). Die Fortsetzung der
Reeßelner Rinne unter der Elbe nach Mecklenburg wurde die Hagenower Rinne von W. von
BÜLOW erkundet und durch geophysikalische Methoden auf ~580m Quartärmächtigkeit
vorläufig bestimmt. Das gleiche gilt auch für die Ellerbecker Rinne direkt nördlich von
Hamburg mit ~550m Quartärmächtigkeit und südlich Berlin mit einer Quartärmächtigkeit von
~600m (Abb. 12 nach STACKEBRANDT 2009). Auf noch größere Mächtigkeiten in Europa
komme ich jedoch später noch zurück, weil dieser Punkt ein wesentliches Kriterium zur
Beurteilung der Endlagerung höchst brisanter Stoffe in einem Salinar oder anderen
geologischen Substraten wegen eines nicht erwünschten Kurzschlusses von der Salinosphäre
mit der Hydrosphäre darstellt.
Genau die gleiche Bedeutung für die hydrogeologische Erkundung im Gebiet „Obere Elbe“
hatte im Zuge der ausgedehnten Bohrprogramme die Beobachtung, dass östlich der Göhrde –
mit dem Beginn der tiefliegenden Elbe-Jeetzel-Niederung – sich die geochemischen
Verhältnisse der pleistozänen und tertiären Aquifere schlagartig ändern. Statt Süßwasser
erbrachten die zahlreichen Aufschluss-Bohrungen überwiegend Salzwasser, das z. T. bis zur
Grundwasserspiegel-Fläche reichte. Als einziges Ergebnis zu ihrer Genese stand fest, dass die
dort vorliegenden Salinare „Gr. Heide-Siemen“, „Wustrow“ und „Gorleben“ als Verursacher
dieser hoch-aufragenden Versalzung infrage kamen (Abb. 1). Problem war jedoch, wie
kommt – gegenüber leichtem Süßwasser -- spezifisch schweres Salzwasser der Salinare aus
der Tiefe bis zur Erdoberfläche und welche Dynamik/Hydraulik steckt dahinter?
                                                                                            6
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
7

2.1. Der DGH-Effekt, „Titanic“ und die Alte Sau (Old Sow = Fluid-Tornado)

Das Problem war vom Griechen ARCHIMEDES von Syrakus (285-212 v. Chr.) jedoch
bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. durch die Entdeckung des Gesetzes zur Volumen-
Berechnung von eintauchenden Körpern und zur Schwimmfähigkeit von Schiffen
grundsätzlich gelöst worden und allgemein – vor allem im Schiffbau – weit verbreitet
(„Archimedisches-Prinzip“). Auch waren durch die Inuits und aus der Seeschifffahrt die
Tauchtiefen der grönländischen Eisberge im Meerwasser durchaus bekannt: aufgrund des
geringeren spezifischen Gewichtes von Eis (0,911674g/cm³, ohne etwaige schwerere
Grundmoränenanteile!) gegenüber dem Meerwasser (~1,033g/cm³) ergibt sich rechnerisch
über Wasser nur eine Auftauch-Höhe von ~1/10 (z. B. 10m Höhe), dagegen unter Wasser eine
Eintauch-Tiefe von ~9/10 (z. B. 90m Tiefe). Wegen den landseitig anhaftenden, spezifisch
schwereren Grundmoränen-Anteilen einschließlich der erratischen Blöcke (= den später
abgelagerten Tropfsteinen/dropstones am Meeresgrund) kann sich dieses Verhältnis jedoch
noch etwas verschieben und auch als stabilisierender Ballast-Kiel der Eisberge fungieren.
Beim Entladen dieser Gewichte beim sukzessiven Abschmelzvorgang der nach Süden
driftenden Eisberge (im Atlantik bis auf die Breite der Kanaren nach freundlicher Mitteilung
von Herrn Prof. Dr G. BOHRMANN, Uni Bremen) kann es zu den gefürchteten und
unkontrollierbaren Rollbewegungen der Eisberge mit entsprechenden Klein-Tsunamis
kommen. Darüber hinaus hinterlassen mächtige Eisberge durch ihren Tiefgang (>1.000m) an
den Schwellen der (marinen) Fjord-Ausgänge (u. a. Grönland, Spitzbergen, Island, Alaska,
Norwegen, Neuseeland) oft tiefe Kratz-Furchen von abdriftenden Eisbergen, woraus sich
wiederum der Nachweis von verstärkter Eisschmelze im jeweiligen Inlandeis-Binnenland
ergibt.
Gerade der dunkelfarbige Grundmoränen- bzw. Blockgeröll-Anteil eines weißen Eisberges
(über dem Meeresspiegel) hat im Falle der „Titanic“-Kollision von 04/1912 wegen des
punktuell wirkenden Schmirgel-Effektes und dem fatalem Aufschlitzen bzw. Eindrücken der
seitlichen (rechten) „Titanic“-Bordwand (neueste Erkenntnisse von James DELGADO &
David GALLA Woodshole/USA 2019) durch die zahlreichen Schotts über ~90m Länge zu
deren tragischem Untergang am 14./15. April 1912 geführt (Abb. 3). Die vor dem damaligen
US-Senatsausschuss dokumentierte Zeugenaussage des Matrosen Reginald LEE aus dem
Krähennest der „Titanic“ (HÖGE 2012) bei der Erst-Sichtung des Eisberges etwa 600m direkt
voraus: „Eine dunkle Masse (also mit Moränenmaterial bewehrter Eiskörper, der Verfasser),
die durch den Dunst kam, mit einer weißen Spitze“ (also reines Eis, der Verfasser).
Bezeichnende Zeugenschilderungen von reinem Eis-Abbruch von der Eisbergspitze auf das
Oberdeck der „Titanic“ (>20m über dem Meeresspiegel gelegen) belegen diese o. g.
Vermutungen allzu deutlich. Demnach müsste man am Grunde des Ozeans (in 3.840m Tiefe)
im weiten Trümmerfeld der „Titanic“ mit ihren beiden 600m auseinander liegenden Teilen
(BALLARD 01. 09. 1985, HISTORY CHANNEL 2007) vielleicht noch einige Dropstones
(Fallsteine) vom Crash der „Titanic“ mit dem Moränen-bewehrten Eisberg bei weiteren
Tauchgängen nachweisen können. Bei einer Höhe des Eisberges von mindestens 20m über
dem Meeresspiegel dürfte damit der Eisberg eine Tauchtiefe von >200m erreicht haben (Abb.
3): eine gewaltige Eismasse (>> 100.000to) gegenüber dem Leichtgewicht der „Titanic“
(269m lang, 46.000 BRT), die nur eine Überlebenschance ausgerechnet bei einer direkten
(Frontal-)Kollision gehabt hätte. Beim Vorbeigleiten des Schmirgel-Eisberges an der
vorderen Steuerbordseite der “Titanic“ wurde die rechte Seitenwand nicht nur an mehreren
Stellen eingedrückt und platzten somit die schlechten, Schlacke-haltigen Nieten auf (ARTE
2012), sondern es wurden auch Teile der Seitenwand durch den Eisberg-Schmirgel-Effekt
nach Zeugenaussagen abschnittsweise regelrecht aufgeschlitzt. Die primären Ursachen des
„Titanic“-Crashs sind also sehr vielschichtig.

                                                                                          7
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
8

Fazit: Ein Frontal-Crash mit dem Eisberg hätte sehr wahrscheinlich die Rettung des Schiffes
und der >1500 ertrunkenen Menschen gebracht! Reines Eis hätte nämlich die zahlreichen
Schotts der „angeblich unsinkbaren Titanic“ kaum aufschlitzen können (falls die schlechten
Nieten gehalten hätten), so dass es nicht zum Untergang gekommen wäre. Diese neuen
glazialgeologischen Befunde sind bisher als eigentliche Primär-Ursache – neben den
hauptsächlichen Fehlentscheidungen des Kapitäns SMITH und dessen Offiziere (z. B.
Backbord-Manöver unter Geschwindigkeitsstopp) – für den Untergang der „Titanic“ noch gar
nicht ausreichend diskutiert und gewürdigt worden, auch nicht die Herkunft und Genese des
großen „Titanic“-Eisberges. Er stammte aufgrund seiner Größe entweder vom schnellen
Jakobshaven-Gletscher bei Illulisat oder – weiter nördlich – vom großen Petermann-Gletscher
an der Nordwestküste Grönlands, die aufgrund von zeitweiligen Ice-Surging-Prozessen
gewaltige Eisberge gebären, wie dies beim letzteren am 05. 08. 2010 durch große Flutwellen
(= Tsunamis) und dadurch verursachte Eisabgänge zu beobachten war (ORTLAM 2012).
Eine ähnliche Situation von gewaltigen Ice-Surging-Prozessen droht im Bereich der beiden
großen z. Zt. noch gebremsten Eisablass-Düsen der Antarktis – dem Wedell-Schelfeis und
dem Ross-Schelfeis -- , die beide den innerantarktischen Eisausfluss durch die Rauigkeit der
jeweiligen Schelf-Oberflächen momentan noch gewaltig behindern. Sollten jedoch diese
beiden Schelf-Eiskörper durch endogene (z. B. Erdbeben, submarine Rutschungen, Impakte)
und/oder exogene Ereignisse (z. B. Meerwasser-Erwärmung, Tsunamis) zu Ice-Surging-
Prozessen angeregt werden, dann gäbe es kein Halten mehr für den schlagartigen Ausfluss der
gewaltigen innerantarktischen Eismassen oder Teile davon in den Welten-Ozean (ORTLAM
2012). Hieraus ergeben sich dann gewaltige Meeresspiegelanstiege von mehreren Metern bis
in den Bereich von >15m Höhe, wie dies bereits am Beginn des Atlantikums anhand der
Kartierung von abgetauchten Strand-Terrassen um die Bermudas nachgewiesen werden
konnte (freundliche mündliche Mitteilung Prof. Dr. D. MEISCHNER. und Dr. R.
VOLLBRECHT, Uni Göttingen). Dieses von mir Anfang der 90er Jahre bereits entwickelte
Szenario wurde mehrfach mit Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und
Meeresforschung (AWI, Bremerhaven) diskutiert und bisher von diesen immer abgelehnt,
was auch für die beiden hiesigen Bremischen Deichverbände gilt. Zwischenzeitlich scheint
nun allmählich Bewegung in die Angelegenheit zu kommen, da nun im Filchner-Rönne-
Schelfeis (innerer Teil des Wedell-Schelfeises) ähnliche Szenarien selbst vom AWI angedacht
werden. „Kommt Zeit, kommt Rat!“

                                                                                          8
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
9

Abb. 3: Darstellung eines grönländischen Eisberges mit seinen Eintauch-Dimensionen (1/10
über Wasser und 9/10 unter Wasser) sowie eine vergleichende Darstellung zu einem
(getauchten) Blauwal und der „Titanic“ in Kollision mit dem -- seitlich Geröll-bewehrten –
dunklen Eisberg und seinem verheerenden punktuellen Schmirgel-Effekt (Rechts-/Links-
Situation mit unterschiedlichen Schiffsprofilen)

Was nun das Tauchgleichgewicht betrifft, haben erst die beiden niederländischen
Militäroffiziere DRABBE & GHIJBEN in den Jahren 1887-1889 und der deutsche Baurat
HERZBERG in den Jahren 1885-1900 -- unabhängig voneinander -- im Bereich von
Amsterdam bzw. auf der Insel Norderney und anderen ostfriesischen Inseln sowie auf der
Insel Helgoland die physikalischen Beziehungen zwischen leichtem Süßwasser und dem
darunter liegenden schweren Salzwasser der Nordsee (= 2,9Gw% Salzgehalt), die sich nicht
miteinander im Poren-Aquifer des Untergrundes vermischen, entdeckt und entsprechende
hydraulische Konsequenzen gezogen. Dabei liegt eine so scharfe Grenze zwischen den beiden
Fluiden leichtes Süßwasser und schweres Salzwasser in Form einer Halokline vor, dass selbst
in den offenen Karstgrundwässern der Halbinsel Yucatan (Mittelamerika) von Tauchern von
einer Art Spiegelfläche berichtet wird.

                                                                                             9
Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt-Warum "Gorleben" die falsche Wahl war
10

Abb. 4: DGH-Effekt im Bereich einer Insel bzw. einem Kontinent mit Süßwasserablaufröhre
(= freshwater current pipe, FCP). Genese der Mangroven im Küstensaum mit der wichtigen
Süßwasserzufuhr der basalen Mangroven-Wurzeln; ergänzt aus ORTLAM (2000b).

Bei einem Salzgehalt von etwa 2,9% ergibt sich ein Verhältnis bzw. ein Quotient von 1:34,5
(bei Abb. 4 mit 2,7% Salzgehalt ein Quotient jedoch von 1:37), d. h. bei einer angenommenen
Grundwasserspiegelfläche von 2m +NN -- bedingt durch die jahreszeitlich bedingte
Regenwasserregeneration auf einer Insel bzw. einem Kontinent -- liegt die anstehende
Süß-/Salzwassergrenze bei 69m –NN (DGH-Quotient 1:34,5). Wird die ombrogen gestaltete
Grundwasseroberfläche durch eine Grundwasserentnahme mittels eines Brunnens aber nur um
1m abgesenkt, ändert sich sofort das variable Tauchgleichgewicht in der Tiefe. Innerhalb des
vorliegenden Absenktrichters schnellt die Süß-/Salzwassergrenze um 34,5m nach oben, bei
2m Absenkung bereits um 69m nach oben, so dass es dann zu massiven Salzwasser-
Einbrüchen in den Brunnen von unten kommt (= Upconing-Effekt). Stellt man die dadurch
geochemisch überzogene und belastete Grundwasserförderung aber wieder ein, so springt das
System unverzüglich wieder in den ursprünglichen Zustand zurück – jedoch mit leichter
Verzögerung durch den vertikalen Kf-Wert des Aquifers bedingt.
Dieser hydraulische Jojo-Effekt wurde in den 80er Jahren zu Ehren der Entdecker
DRABBE, GHIJBEN und HERZBERG als DGH-Effekt , d. h. dem variablen
Tauchgleichgewicht zweier nicht mischbarer Flüssigkeiten (= Fluide) mit unterschiedlich
spezifischen Gewichten, von mir beschrieben und benannt (ORTLAM 1984, 1989 und 2000).
Dabei ist wichtig, dass der DGH-Quotient bei Brackwasser mit 1,5% (z. B. in der südlichen
Ostsee oder schwach salinaren Wässern) auf 1:66,7 ansteigt, dagegen bei höherer
Salzkonzentration mit 6% (z. B. bei stark salinaren Wässern, Tab. 1) auf einen Wert von
1:16,7 absinkt, wie dies in den Grundwässern des Bremer Beckens mehrfach zu beobachten
ist (ORTLAM 1982, ORTLAM & SAUER 1996). Der DGH-Quotient lässt sich aber bei
weiterer Verdünnung nicht unbegrenzt steigern, weil etwa bei einem Salzgehalt von
11

Diffusion im einem Kluft- oder Porengrundwasserleiter zwischen den beiden bisher nicht
mischbaren Medien Süß- und Salzwasser eintritt, also keine Halokline mehr ausgebildet wird,
und den DGH-Effekt damit endgültig außer Kraft setzt (Abb. 5). Diese grundlegenden
Erkenntnisse zum DGH-Effekt, die weltweit zu beobachten sind und vom Menschen nicht
außer Kraft gesetzt werden können, haben im Binnenland bisher kaum Beachtung gefunden
(u. a. LÖHNERT 1966b und 1968, BGR-Autoren, Beherrschung der Ewigkeitslasten des
Deutschen Bergbaus durch die RAG-Stiftung, Essen) und lassen sich weder in den
Publikationen über das „atomare Versuchs-Endlager“-Salinar „Asse“ östlich von Salzgitter
noch in den 2007 publizierten Abschlussbänden der BGR (= Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover) zum Untersuchungsprogramm des Salinars
„Gorleben“ wiederfinden (KLINGE et al 2007, KÖTHE et al. 2007, BORNEMANN et al.
2007), was übrigens auch für andere Fach-relevante Publikationen und Berichte zutrifft.
Auch bei den Atom-Unfällen in Fukushima – alle ausgelöst durch den erst sekundär
auflaufenden Tsunami, weil die AKW's wegen den geringeren Pumpkosten durch korruptive
Umstände im ehemaligen japanischen Genehmigungsapparat zu nahe und niedrig an die
pazifische Küstenlinie gebaut wurden – ist der DGH-Effekt noch nicht angekommen.
Dadurch könnte nämlich das bisherige Management von Fukushima beim unterirdischen
Übertritt von radioaktiv verseuchtem Grundwasser ins Meer besser und vor allem
kostengünstiger gestaltet werden, anstatt einfach eine nahezu sinnlose und teure Spundwand
an der Küstenlinie einzubauen bzw. die anfallenden radioaktiven Wässer onshore in Behältern
zu lagern und dann – klammheimlich – diese später in den Ozean abzuleiten. Die
Konfiguration des DGH-Effektes an der Küstenlinie mit ihren typischen landseitigen
Grundwasserquellaustritten (Abb. 4) erlaubt eine wesentlich gezieltere Vorgehensweise, um
entlang der Küstenlinie ein Abwehr-Management zu installieren. Das Gleiche gilt für Israel
bei der drastischen Süßwasserentnahme im See Genezareth und den (touristischen) Schäden
am Toten Meer durch die gewaltige Meeresspiegelabsenkung von 390m (1950) bis 430m
unter NN (2020) mit sinkholes und Salzsäulen bei den verstärkten submarinen
Süßwasseraustritten.
Die Grundwasser-Quellaustritte mit sehr niedrigen Grundwasser-Flurabständen erlauben auch
die Ausbildung von ausgedehnten Mangroven-Gebieten in den flachen Küstenabschnitten der
Subtropen und Tropen (Abb. 4) unserer Erde. Sie weisen große ökologische Effekte für den
Küstenschutz und als ökologische Kinderstube auf, die bisher in ihrer Tragweite für die
angrenzenden Meeresgebiete noch nicht richtig erkannt wurden.
Ein – umgekehrter – DGH-Effekt liegt in der bekannten „Alten Sau“ (= Old Sow) bei marinen
Süßwasserquellen – insbesondere bei starken Karstquellen im Küstenbereich – vor, wobei
leichtes Süßwasser unter dem schweren Meerwasser zeitweise zu liegen kommt. Dieses
instabile System wird dann durch mächtige Strudelbewegungen aufgelöst, indem gravitativ
das oben-liegende, schwerere Salzwasser unter das darunter-liegende, leichte Süßwasser
strudelartig verbracht wird (= Fluid-Tornado, hiermit). Diese für kleinere Schiffe
lebensgefährliche Situation führt zu deren plötzlichen Untergang in einem tief-reichenden
Strudel wie bei einem – der bekannten Corioliskraft unterliegenden – Badewannenablauf
beobachtet werden kann. Somit wäre auch dieser alte seemännische Mythos einer
physikalischen Lösung zugeführt – ähnlich jenem Phänomen der wellen-aufbauenden
Kaventsmänner (= Riesenwellen), das lange einer Erklärung harrte. Bei sehr großen
Süßwasser-Einbrüchen von Land ins Meer (z. B. den bekannten HEINRICH-Ereignissen
während der Abschmelz-Phasen am Ende einer Kaltzeit) könnten dabei vorhandene
Meeresströmungen, z. B. der Golfstrom, so stark durch die Effekte der „Alten Sau“ gestört
werden, dass aufgrund neuer Salz-/Süßwasser-Bedingungen in den Ozeantiefen bisherige
Strömungssysteme totlaufen und/oder geblockt werden. Mit der bisher verkannten „Alte Sau“
wird sich die Ozeanographie noch weiter beschäftigen müssen!

                                                                                        11
12

Salzgehalt (in Gw%) spezif. Gewicht (g/cm³)   DGH-Quotient, H2, (m)
13

geowissenschaftlich betreute Aufschluss-Bohrungen neben den vorhandenen Archivdaten
ausgewertet und berichtet werden. Die hydrogeologische Erkundung des Gebietes zwischen
Elbe im Norden und Weser-Aller im Süden erbrachte anschließend den Nachweis der größten
zusammenhängenden Grundwasserspeicherstätte Europas mit einem Gesamt-
Grundwasservorrat von insgesamt 125 Mrd. m³ (2500km² Fläche x 200m Aquifer-
Mächtigkeit x 0,25 Porenvolumen) -- dem Oberrheingraben und dem Alpen-Vorland. Diese
jungfräuliche Grundwasser-Ressourcen liegen in den miozänen und quartären
Grundwasserleitern der Tertiären Platte bzw. der tiefen pleistozänen Rinnensysteme vor, wobei
letztere als natürliche, lange Drainstränge für die optimale Drainage der mächtigen feinsandig-
schluffigen Abschnitte des Miozäns im natürlichen Zustand und – noch besser – bei einer
aktiven Grundwasserentnahme (z. B. Brunnenbau) fungieren (Abb. 6, 8 und 11). Diese von mir
mir gegen viele Widerstände im N.L.f.B. (Hannover) bereits 1967 aufgestellte These wurde
dann bei der Installation des Wasserwerkes „Nordheide“ der Hamburger Wasserwerke unter
Nutzung der Wintermoorer und der Hanstedter Rinne in den 70er Jahren erfolgreich getestet
und praxisnah umgesetzt, so dass auch meine ursprünglich stark angezweifelte These der
Aussüßung tieferer Aquifers in der Tertiären Platte belegt werden konnte. Die jährliche
Grundwasser-Regeneration beträgt in diesem ~2500km² großen Gebiet aufgrund der geringen
Niederschläge (etwa 700mm/a) nur ~200mm/a, so dass sich hieraus eine nachhaltige
Grundwasserentnahme von gut 50 Mio m³/a ableiten lässt. Deutschland ist somit ein
Grundwasser-reiches Land und könnte mit seinen großen Vorkommen in Süddeutschland
(quartäre Rinnensysteme im Oberrheingraben und im bayrisch-schwäbischen Voralpenland)
zum nachhaltigen Export für einige Mittelmeerländer im Rahmen der Europäischen Union
zukünftig infrage kommen. Die sonnenreichen Mittelmeerländer könnten dafür den Norden
Europas mit Strom aus regenerativen Energien versorgen, um deren finanziellen Probleme
abzuschwächen. Noch besser wäre allerdings den Sonnenstrom aus Nordafrika mittels HGÜ-
Übertragungsleitungen zu beziehen (ehemaliges Projekt „DESERTEC“), um entsprechende
Hilfe zur Selbsthilfe für diese noch unterentwickelten und Länder zu leisten: eine dringend
notwendige strategische Partnerschaft zwischen Afrika und Europa, die der negativ
ökologischen Entwicklung (u. a. Abholzung, Desertifikation) dieser Länder und deren
Migrationspotential für Europa entgegenwirken könnte. Das hoffnungsvolle Projekt „Desertec“
wurde m. E. aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen sowohl von der industriellen als
auch von der politischen Seite eingestellt, obwohl unser ehemaliger (sehr weitsichtiger)
Bundespräsident Prof. Dr. H. KÖHLER mahnend bereits Ende des 20. Jahrhunderts zu einer
verbesserten Afrika-Politik aufrief. Nun werden wir die Flüchtlingswellen aus Afrika in
Zukunft ertragen müssen d. h. „Wer zu spät kommt, bestraft das Leben“ (= 1 GOR, ORTLAM
2000a): Bräsiges Deutschland (ORTLAM 2021a).

Abb. 6: Schematischer geologischer Schnitt von Hamburg im Norden bis nach Soltau im
Süden (aus: ORTLAM & VIERHUFF 1978) mit den tiefen Hamburger (HH) und Soltauer
Tertiär-Becken (hiermit).

                                                                                           13
14

2.3.Die pleistozänen Rinnen

Meine sich daran anschließende, langjährige geowissenschaftliche Tätigkeit in der Freien
Hansestadt Bremen eröffnete ab dem Jahre 1974 für mich dann nicht nur ein interessantes
Tätigkeitsfeld im tief-liegenden Bremer Becken und den umliegenden Geestgebieten sowie
den Marsch- und Geest-Bereichen von Bremerhaven, sondern auch die Berührung mit der
Geschichte der Entdeckung der pleistozänen Rinnen durch den Bremer Forscher W. O.
FOCKE. Im Zuge der ersten Erdölerkundungen im Bremer Raum durch die langwierigen
ersten Tiefbohrungen des bekannten Bremer Erdölmagnaten Karl SCHÜTTE ab dem Jahre
1880 erbrachten damals bereits überraschende Bohrergebnisse mit über 250m mächtigen
pleistozänen, allerdings hoch-versalzten Grundwasserleitern (bis 7 Gew% Salzgehalt in HB-
Hemelingen). Diese wurden von W. O. FOCKE bereits 1882 zum ersten Mal beschrieben und
publiziert (FOCKE 1882 und 1896). Dem ersten Bremer Landesgeologen Dr. W. WOLFF
(vom Bremer Senat im Jahre 1902 bereits vertraglich verpflichtet und dazu nach Bremen von
der ehemaligen Kgl. Preußischen Geologischen Landesanstalt und Bergakademie, Berlin,
abgeordnet) wurde dann im Jahre 1903 -- wegen der zunehmenden Weser-Versalzung durch
die stark aufkommende Preußischen Kaliindustrie im Einzugsgebiet der Weser -- ein großes
hydrogeologisches, hydraulisches und geochemisches Untersuchungsprogramm „Bremer
Becken und Syker Geest“ vom Bremer Senat übertragen, übrigens der weltweit ersten
bekannten Wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung – inszeniert durch den Bremer
Senatsbeschluss vom 10. 12. 1902 (ORTLAM 2001b). Dabei fand er durch die bis zum ersten
Weltkrieg und danach laufenden Bohrprogramme weitere tiefe Rinnen-Systeme im Bremer
Umfeld (Abb. 13) mit Mächtigkeiten des Pleistozäns bis 300m in verschiedenen Rinnen
(WOLFF 1903 und 1907, STADTWERKE BREMEN 1939, OHL 1973). Durch den
damaligen wissenschaftlichen Austausch mit seinem Hamburger Kollegen Dr. C.
GOTTSCHE wurden diese tiefen pleistozänen Rinnen dann später an der Wende zum 20.
Jahrhundert auch in Hamburg („Billstedter Rinne“) entdeckt und bestätigt (GOTTSCHE 1897
und 1901). Die recht komplizierte Genese dieser Rinnen blieb jedoch jahrzehntelang im
Dunkeln und wird selbst in rezenten Publikationen (LÖHNERT 1966a, LINKE 1983,
EISSMANN 1987, KUPETZ et al. 1987, EHLERS & LINKE 1989, EHLERS 1990, BurVal
Working Group 2006, KELLER 2009) immer noch kontrovers diskutiert. Auch nach den
vorliegenden Fakten zahlreicher Bohrprogramme Norddeutschlands werden die erkundeten
Fakten in ihrer Gesamtheit noch lange nicht richtig interpretiert.
Bereits 1970 konnte ich anhand von mehreren Aufschluss-Bohrungen im östlichsten Teil des
Rahmenplanungsraumes „Obere Elbe“, die übrigens in der Abschlusspublikation der BGR
(KLINGE et al. 2007, KÖTHE et al. 2007) leider nicht dargestellt sind, den erstmaligen
Nachweis der Gorlebener und der Laaser Rinne mit hoch-aufsteigenden Salzwasser-
Extrusionen führen (ORTLAM 1972a, 1972b und 1975, ORTLAM & VIERHUFF 1978).
Damals bestand bereits ein konkreter Verdacht, dass beide Rinnen mit ihrer Basis mindestens
in den Gipshut (= Caprock) des Salinars „Gorleben“ einschneiden, wie ich später in einem
hydrogeologischen Schnitt noch aufzeigen werde (Abb. 19). Die Lage der Bohrung mit der
damals größten Mächtigkeit pleistozäner Schichten nördlich der Mittelgebirge mit 502m --
entsprechend einer Tiefe der Quartär-Basis von 434m unter NN -- in der Reeßeln-Karwitzer
Rinne bei Neu-Darchau/Elbe ist ebenfalls dargestellt (Abb. 2). Diese Rinne unterquert die
Elbe nach Mecklenburg und erreicht in der dortigen Hagenower Rinne eine inzwischen
(bisher nur seismisch) neu erkundete Mächtigkeit quartärer Schichten von etwa 585m –
entsprechend einer Tiefe der Quartär-Basis von etwa 550m unter NN. Dies ist -- bis heute --
die größte Mächtigkeit quartärer Schichten nördlich der deutschen Mittelgebirge. Allerdings
werden in der Nordsee durch vorhandene Tiefbohrungen nach Kohlenwasserstoffen Quartär-
Mächtigkeiten von >1.000m nördlich der Zuider-See schon nachgewiesen (CASTON 1979).

                                                                                         14
15

Wesentlich größere Quartär-Mächtigkeiten (bis 1.500m) sind jedoch auch südlich der
deutschen Mittelgebirge und besonders im Bereich des Alpenkörpers zu beobachten, was
nicht erstaunlich ist, da gerade hier große subglaziale Energie-Potentiale vorhanden sind und
subglaziale Erosionen auslösten. Ähnliche Bedingungen liegen sehr wahrscheinlich auch
heute in Grönland (u. a. die tiefe Petermann-Rinne in Nord-Grönland) und in der Antarktis
vor (z. B. die 3.500m unter NN hinabreichende Rinne unter dem Denman-Gletscher in der
Ostantarktis, NASA-Programm BedMachine, MORLIGHEM, RIGNOT et al. 2019), wie der
zunehmende Nachweis zahlreicher subglazialer Gewässer (Seen und Rinnensysteme) in der
Antarktis belegt.

                                                                                            15
16

     Abb. 7: Mächtigkeit quartärer Schichten im
     Oberrheingraben (aus: ANDERLE 1968,
     BARTZ 1974 und 1982, ELLWANGER et al.
     2008, FRECHEN et al. 2008) und der Verlauf
     der neuen Oberrhein-Rinne mit seitlichen
     Zulauf-Rinnen aus Schwarzwald und
     Vogesen, ergänzt auf den heutigen Stand (Mai
     2010)

                                             16
17

Das erste Gebiet (Oberrheingraben) liegt in einem Bereich mit aktiver Neotektonik, so dass
diese bisher als naheliegende und alleinige Erklärung für die lokal ungewöhnlichen Quartär-
Mächtigkeiten herhalten musste: im nördlichen Oberrheingraben bei Heidelberg
(„Heidelberger Loch“) mit geschätzten 750m und einer geschätzten Quartär-Basis bei 650m
unter NN (SALOMON 1927, ANDERLE 1968, BARTZ 1974 und 1982, FEZER 1998,
LEHNÉ et al. 2013). Bisher sind durch die rezente Forschungsbohrung Heidelberg >500m
Quartär nachgewiesen (ELLWANGER et al. 2008). Die Neotektonik im Bereich Heidelberg
verstärkt sicher die Quartär-Mächtigkeiten, jedoch ist das „Heidelberger Loch“ (bisher)
tiefster Bestandteil einer mäandrierenden und Achterbahn-artigen pleistozänen Oberrhein-
Rinne (hiermit), mit ihrem bisherigen Ursprung im Bereich der Burgundischen Pforte und
am Hochrhein mit der Mühlhausener bzw. der Basler Rinne hat (heutiges Rheinfelder Loch
mit 28m Tiefgang der Rheinsohle!) und über das Süd-Elsass („Geiswasser Becken“ nach
FRECHEN et al. 2008), die Ichenheimer Rinne (südwestlich von Offenburg) und Karlsruhe-
Heidelberg-Mannheim-Ludwigshafen-Pfungstadt: die neuere Erdölbohrung Stockstadt aus
dem Jahre 2013 der Firma Rheinpetrol (Heidelberg) erbrachte eine Quartär-Basis von ~510m
u. G.O.F. = ~420m unter NN, unter Anwendung der norddeutschen Methode zur Festlegung
der Quartär-Basis mit Hilfe von auftretenden in den Kaltzeiten erhaltenen Feldspäten (nach
ORTLAM & VIERHUFF 1978 und MARTINI & ORTLAM 2005) und mit einer (typischen)
Endschwelle im Rheingau (heutiges Binger Loch, mit anschließendem Tiefgang der heutigen
Mittelrhein-Sohle bis 30m an der Lore-Ley = Brüllender Felsen) bis in die Niederrheinische
Bucht und Holland in die Nordsee (Abb. 7). Auch dort treten tiefe pleistozäne Rinnen mit
Quartär-Basen von >1.000m unter NN auf, wobei auch hier eine bimodale Genese durch die
Aktivität des Niederrheingrabens (CASTON 1979, ORTLAM 1980) nahe gelegt wird, also
ein Parallel-Fall zum „Heidelberger Loch“. Die Oberrhein-Rinne weist dabei zahlreiche
seitliche z. T. neu entdeckte Zulauf-Rinnen (= Oberrhein-Seitenrinnen) der Mindel-Kaltzeit (=
Elster-Kaltzeit) oder älter auf, u. a. von Norden nach Süden: die Neckar-, die Murg-, die
Acher-, die Rench-, die Kinzig-, die Schutter-, die Elz- und die Dreisam-Rinne aus dem
Odenwald/Schwarzwald sowie die Breusch-Rinne aus den Vogesen. Der Nachweis dieser
Oberrhein-Rinne mit ihren Gebirgszuläufen belegt meine frühere These, dass jede
geschlossene Inlandeis-Decke auf der Erde ihre subglazialen Rinnensysteme in den
Abschmelzphasen ausgebildet hat (ORTLAM 1991). In Europa und Nordamerika gibt es dazu
genügend Beispiele. Grönland sowie die Antarktis sind aktuogeologische Beispiele dafür
(Nordwest-Grönland: Jakobshaven-Gletscher/-Rinne, Petermann-Gletscher/-Rinne mit Ice-
surging-event einschließlich Flutwelle und Eisabdrift im August 2010). Der Nachweis einer
~1000m mächtigen Inlandeis-Decke aus Skandinavien im Oberrheingraben gelang jedoch
zuerst mittels der Erkennung und Kartierung ausgedehnter Gletschertopf-Felder (MEHLIS
1886, CZUDEK et al. 1964, ORTLAM 1994, 1998, 2001a, 2012) sowie von elster- bzw.
mindelzeitlichen Grundmoränen in Mittelbaden unter den beiden würm- und risszeitlichen
Lößdecken (ORTLAM 2003 und 2004). Auch LIEDTKE (1968) und BARTZ (1982)
konstatierten bereits in der Mindel-Kaltzeit die größten Aufschotterungsbeträge im
Oberrheingraben, ohne allerdings deren subglazialer Genese zu erahnen. Durch meine
vorläufige Vorort-Auswertung der quartären Schichtenfolge der südwestlich von Crumstadt
gelegenen Erdöl-Bohrungen Stockstadt 2001 und Allmend (Fa. Rheinpetrol, Herr de HAAN)
im Jahre 2013 ergibt sich nun ein >500m mächtiges quartäres Rinnenprofil mit feinsandig-
schluffigen Lauenburger Schichten (Elster/Mindel-Kaltzeit) am Rinnenhals über gröberen
Abschnitten an der Rinnen-Basis der neuen Oberrhein-Rinne.
Sogar im Bereich des Alpenkörpers unter Innsbruck mit 600m erbohrter Quartär-Mächtigkeit
(Inn-Rinne; entsprechende Quartär-Basis, freundliche mündliche Mitteilungen Prof. Dr. H.
MILLER, AWI Bremerhaven und Prof. Dr. G. PATZELT, Innsbruck/A) mit einer Quartär-
Basis um 0m NN, der tiefen Alpenrhein-Bodensee Rinne oberhalb von Bregenz mit einer

                                                                                          17
18

Quartär-Basis bei 200m unter NN (nach seismischen Messungen und Bohrungen in
Vorarlberg, freundliche mündliche Mitteilung von Herrn Dr. D. ELLWANGER,
Freiburg/Brsg.) sowie der steilwandigen, pleistozänen Bodensee Rinne (sedimentäre qp-Basis
bei ~250m unter NN) und mit dem Überlinger See (= kontinentaler Fjord, hiermit, ähnlich
dem Vierwaldstätter See und den oberitalienischen Seen) mit ihrem markanten steilem
Sandstein-Zahn – dem Teufelstisch – als subglazialer Harkenfelsen (identisch dem steilen
Gips-Zahn in der Gorlebener Rinne im Wendland), der Limmat-Rinne oberhalb von Zürich
(Quartär-Basis bei 100m NN im Zürichsee bei 136m Wassertiefe, freundliche mündliche
Mitteilung von Prof. Dr. R. HANTKE, Stäfa/Ch), die Aare-Rinne oberhalb von Bern mit
400m erbohrter Quartär-Mächtigkeit (entsprechend 150m NN Quartär-Basis) und der Rhône-
Rinne oberhalb von Genf mit 1.000m Quartär-Mächtigkeit (einschließlich Wassertiefe von
300m; entsprechend 200m unter NN; freundliche schriftliche Mitteilungen von Herrn Dr. R.
GEES, Bern-Gümlingen/CH) sowie unter den großen Seen auf der Alpen-Südrampe mit bis
zu 1.000m (z. B. Lago Maggiore, Comer See, Luganer See, Gardasee einschließlich Seetiefe
(300m): entsprechende Quartär-Basis bei ~900m unter NN (= Gardasee-Rinne, Kontinentaler
Fjord): ein abgesenkter Meeresspiegels des Mittelmeeres war in der Elster-Kaltzeit nicht mehr
gegeben, da das Mittelmeer bereits seit 5,3 Mio Jahren über die Straße von Gibraltar vom
Ozean geflutet ist!) lassen sich ungewöhnlich mächtige und tiefe pleistozäne Rinnensysteme
erkennen. Auch die >700m mächtige quartäre Sediment-Serie des Ohrid-Sees (Mazedonien)
zeigt eine pleistozäne Rinne im neotektonischen Umfeld (ähnlich dem Heidelberger Loch) in
einem -- heute kontinentalen – Fjord (WAGNER et al. 2009, dort siehe Fig.3). Letzteres gilt
auch für den Fjord-ähnlichen und tiefen Skutari-See an der albanischen Grenze. Selbst der
350m tiefe Van-See in der Ost-Türkei südwestlich des Berges Ararats weist eine Quartär-
Basis von ~600m unter G.O.F. (= Geländeoberfläche) auf, was auf eine ehemalige
kaukasisch-anatolische Inlandeis-Decke hinweist (ORTLAM 1991). Schließlich erreichen die
größten norwegischen Fjorde (z. B. Sogne- und Hardanger-Fjord = Marine Fjorde, hiermit)
im Verbund mit der Norwegischen Rinne südlich von Norwegen ebenso beeindruckende
Tiefgänge pleistozäner Erosionsvorgänge bis zu 1.500m unter NN. Vermutlich werden deren
Dimensionen durch ähnliche marine Fjorde in Grönland (z. B. Scoresby-Fjord), Neuseeland
(z. B. Milford Sound) und in der Antarktis (z. B. Denman-Glacier) noch weit übertroffen
Diese Tiefen sind aber keineswegs ausschließlich mit Gletscher-Exaration zu erklären, da der
damalige Meeresspiegel maximal auf ein Niveau von 200m unter NN abgesenkt war und das
mächtige Gletschereis abschnittsweise aufgeschwommen wäre, also nicht überall exarativ
wirken konnte. Auch ist die immer zu beobachtende, typische und flachere Abschluss-
Schwelle am Ende der Fjorde hin zum Ozean mit reiner Eis-Exaration nicht zu erklären,
obwohl dort Eisdrift-Furchen zu beobachten sind. So dürfte auch hier eine subglaziale Muren-
Erosion durch Katarakt-artige Entleerungen des mächtigen Eiskarst-Schmelzwasservolumens
in Verbindung mit jener von Zwickel-Stauseen (z. B. Alpen, Himalaya) im Spiele gewesen
sein. Andererseits entspricht eine Eismächtigkeit oberhalb des Meeresspiegels von 200m
bereits einer submarinen Eintauchtiefe des Eises von 1.800m per Tauchgleichgewicht (=
DGH-Effekt), so dass abschnittsweise auch Eis-Exarationen an der Fjord-Basis möglich sind.
Als Fazit bleibt für zukünftige Kaltzeiten daher festzuhalten, dass subglaziale Erosionen bis
zu 1.500m Tiefe selbst in einem sehr harten Festgesteinsuntergrund möglich sind. Diese
Tiefgänge lassen sich auch in anderen Bereichen der Erde (z. B. Rocky Mountains, südliche
Anden, Neuseeland, Alaska, Grönland, Antarktis: Wostok, Ellsworth und Wissard) unter
entsprechend mächtigen Eisschilden beobachten (ORTLAM 1991). Bei einer geringeren
Härte des geologischen Substratums unter dem Inlandeis wie z. B. in Norddeutschland mit
tertiären Locker- und Kreide-Sedimenten muss entsprechend mit größeren Tiefgängen der
pleistozänen, subglazialen Erosionsbasen in quartäre Rinnensystemen bis zu 2.000m
gerechnet werden. Eine Kenntiefe um 1.500m unter NN ist daher grundsätzlich als
Sicherheitsabstand von der lokalen Geländeoberfläche im Auge zu behalten, um

                                                                                          18
19

sicherheitsrelevante Überlegungen für die Endlagerung hochbrisanter Stoffe z. B. in
Salinaren auf Dauer (= 1 Mio Jahre) zu bedienen.
Darüber hinaus muss aber daraus geschlossen werden, dass quartäre Rinnensysteme nicht nur
subglazial bis zur damaligen Gesteinsoberfläche eingetieft wurden, sondern diese auch die im
Jungtertiär (Mio-Pliozän) verkarsteten Gesteine und vorhandenen Karst-Höhlensysteme
nutzten, um unterirdische Abflüsse zu bedienen (= quartäre Karst-Rinnen mit ursprünglich
marinen Fischfaunen-Besatz u. a. Gardasee-Sardine, Walchensee-Waller, Dorsch-
Abkömmlinge im Königssee, Grottenolm im Istrischen und Balearischen Karst;
Schwarzmeerforelle im Silser See/Oberengadin; neue Höhlenschmerle im Donau-Aach-
System (KÄSS 2020); die endemischen Robben im Ladogasee, im Baikalsee und im
südlichen Kaspischen Meer; Karstrinnen-Stockwerk nach ORTLAM 2014). Hinweise dazu
gibt es in Vorkommen von kiesigen quartären Ablagerungen z. B. im Blauhöhlen-System
(freundliche mündliche Mitteilung von Jochen HASENMAYER, Bad Herrenalb) und im
Buntsandstein-Schichthöhlen-System oberhalb von Neumühle zwischen Pirmasens und
Landstuhl (Pfälzer Wald). Letztere stellen primär subglaziale Kluftablauf-Systeme der
zahlreichen Dachgletschertöpfe (= Gletschermühlen) im Pfälzer Wald dar (ORTLAM 1994)
dar, die dann auf Schichtflächen-Höhlen (mit vereinzelten quartären Geröllablagerungen,
Abb. 8) im höheren mittleren Buntsandstein subglazial mit gewaltigen Wassermassen der
Bedières („Wasserstoßorgeln“; Abb. 9) in die U-förmigen Talhänge weit oberhalb der
heutigen Talsohle ausmündeten (KLOSE 1982). Bei den zukünftigen Höhlenerkundungen
sollte daher auf diese quartären Ablagerungen besonders geachtet werden, auch wenn diese
durch die gewaltigen Düseneffekte durch recht hohe Durchflussgeschwindigkeiten in diesen
Karst-Höhlensystemen relativ unwahrscheinlich sind, was auch für die Erhaltung der
Rollsteine der vielen Dach-Gletschertöpfe (= DGT) ausgesagt werden kann.

Abb. 8: Pleistozäne Geröll-Sand-Ablagerungen in einem subglazialen Seiten-Gletschertopf (=
SGT) der Schicht-Höhlen des höheren mittleren Buntsandsteins oberhalb von Neumühle
(Pfälzer Wald) nördlich Pirmasens am Eis-beschliffenen Kanten-gerundeten Talhang (Foto:
Prof. Dr. D. Ortlam, Bremen).

                                                                                          19
Sie können auch lesen