Arbeit und Gesundheit in der Schwangerschaft - Info-Brief Nr. 03 - Eine Information der

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Info-Brief Nr. 03

Arbeit und Gesundheit
in der Schwangerschaft

                    Eine Information der
Arbeitnehmerkammer Bremen

Info-Brief Nr. 3

Arbeit und Gesundheit in der Schwangerschaft

Eine Information der Arbeitnehmerkammer Bremen

Herausgeberin:
Arbeitnehmerkammer Bremen
Bürgerstr. 1, 28195 Bremen
Tel: (0421) 36301-0
Fax: (0421) 36301-89
www.arbeitnehmerkammer.de
info@arbeitnehmerkammer.de

Redaktion:
Iris Bleyer-Rex, Barbara Reuhl
Arbeitnehmerkammer Bremen
gesund@arbeitnehmerkammer.de
frauenpolitik@arbeitnehmerkammer.de

Juni 2003

Schutzgebühr € 5,50
Mitglieder der Arbeitnehmerkammer erhalten diese Schrift kostenlos.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Vorwort

Dass Arbeitnehmerinnen schwanger werden, ist normal und im besten Sinne des Wortes alltäg-
lich. Gleichzeitig aber - so scheint es - tun sich manche Betriebe schwer damit, diesen Normal-
fall in den betrieblichen Alltag zu integrieren. Dabei ist die Gesetzeslage eindeutig: Es ist die
Pflicht der Arbeitgeber, Mütter und ungeborene Kinder vor Gefahren und Belastungen am
Arbeitsplatz zu schützen. Leider berichten jedoch immer wieder Frauen davon, dass ihre
Schwangerschaft am Arbeitsplatz nicht angemessen berücksichtigt wird und sie deshalb
Konflikte erleben - bis hin zu Mobbing und Kündigungsversuchen.

Die Arbeitnehmerkammer Bremen engagiert sich seit langem in den Themenbereichen, die wer-
dende Mütter beschäftigen und auch für erwerbstätige Väter von Interesse sind. Seit Jahren gibt
sie stets aktualisierte Veröffentlichungen zu den Themen Mutterschutz, Elternzeit und Teilzeit
heraus. Diese werden von den betroffenen Kolleginnen und Kollegen sowie auch Betriebs- und
Personalräten, Frauenbeauftragten und anderen betrieblichen Funktionsträgern stark nachgefragt.
Schwangere Arbeitnehmerinnen können sich mit ihren spezifischen arbeits- und sozialversiche-
rungsrechtlichen Problemen auch direkt an die Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer wen-
den.

In den vergangenen Jahren fanden in unserem Hause mehrere Veranstaltungen zur betrieblichen
Umsetzung des Mutterschutzes statt. Dabei erwies sich gerade das interdisziplinäre Gespräch
der Fachleute, mit denen schwangere Arbeitnehmerinnen zu tun haben, als besonders wertvoll:
Gewerbeaufsichtsamt, betriebsärztlicher Dienst, Interessenvertretungen und Arbeitgeber, Juris-
tinnen und Juristen sowie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Auch bei ihnen besteht ein hoher
Bedarf am gemeinsamen Austausch.

Wir freuen uns, mit dieser Broschüre vielfältige Informationen und Anregungen der verschiedenen
Fachleute vorzulegen und damit einen weiteren Beitrag zur Verbesserung der Situation schwan-
gerer Frauen im Lande Bremen zu leisten.

Im Sommer 2002 gründete die Arbeitnehmerkammer Bremen gemeinsam mit dem DGB, dem
Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, dem Forum zeiten:der:stadt sowie der Bremischen Zentral-
stelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau die „Bremer Initiative für eine fami-
lienfreundliche Stadt“. Wir meinen, dass unterstützende Rahmenbedingungen auch schon für
schwangere Arbeitnehmerinnen vorhanden sein müssen. Familienfreundlichkeit ist schon vor der
Geburt gefragt. Und da ist in Betrieben, neben der Umsetzung der rechtlichen Vorschriften, noch
viel zu tun.

Dr. Hans-L. Endl                                       Heinz Möller
Geschäftsführer der                                    Geschäftsführer der
Arbeitnehmerkammer Bremen                              Arbeitnehmerkammer Bremen

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................................ 1

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... 4
Iris Bleyer-Rex:
Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden ................................................................ 5

Barbara Reuhl:
Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist Chefsache!.......... 7

Barbara Reuhl:
Das Lohnaus gleichsverfahren für Kleinbetriebe - weithin unbekannt................................. 8
Vera Grisar:
Schwangerschaftsbetreuung berufstätiger Frauen, Stress am Arbeitsplatz,
Arbeitsunfähigkeit, Beschäftigungsverbote – ein Praxisbericht ........................................ 9
Ursula Wienberg:
Beschäftigungsverbote auf der Grundlage des Mutterschutzgesetzes .............................. 14
Frank Hittmann:
Infektionsrisiken für schwangere Arbeitnehmerinnen im Gesundheitswesen ..................... 17

Barbara Dennis:
Mein Umgang mit dem Beschäftigungsverbot........................................................... 19

Jost Ebener:
Mutterschutz – Der Informationsbedarf ist groß......................................................... 22
Anne Röhm:
Schwangerschaft und Kindererziehung als gesellschaftliche Verantwortung...................... 30
Silvia Bogena:
Beschreibung von Schwangerenarbeitsplätzen.......................................................... 33

Weitere Informationen zum Thema ........................................................................ 34
Autorinnen und Autoren...................................................................................... 37

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Iris Bleyer-Rex

Wenn Mitarbeiterinnen schwanger werden

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, der Prozess, auf den sich der Begriff „Mutterschutz“
bezieht, ist für Frauen eine Phase des tiefgreifenden Übergangs. Er vollzieht sich im Zusammen-
spiel von körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen und Veränderungen. Der
Wechselwirkung zwischen beruflicher Arbeit und Gesundheit kommt dabei eine wichtige Be-
deutung zu. Zum einen haben Arbeits- und Mutterschutzvorschriften häufig eine Veränderung der
Berufstätigkeit zur Folge, zum anderen beeinflusst die Erwerbsarbeit die Gesundheit - sei es
durch Gefahrstoffe, direkte körperliche Belastungen oder durch psycho-soziale Stressfaktoren.
Ein weiterer Aspekt ist im Hinblick auf die Erwerbsbiographien von Müttern zu beachten: Ver-
mutlich haben die Erfahrungen, die schwangere Arbeitnehmerinnen in Betrieben machen, eine
wichtige Bedeutung für den weiteren Berufsverlauf. Wer in dieser Phase am Arbeitsplatz aner-
kannt und unterstützt wurde, wird nach dem Mutterschutz bzw. der Elternzeit wahrscheinlich
mit besseren Voraussetzungen wieder erwerbstätig werden.

Leitbild Beruf und Familie
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Lebensentwürfe von Frauen entscheidend geändert.
Die meisten jungen Frauen formulieren den Wunsch nach Berufsarbeit und Familie. War in frü-
heren Generationen die Eheschließung oder die Geburt des ersten Kindes häufig Anlass, die Be-
rufstätigkeit zu beenden oder langfristig zu unterbrechen, so wünschen Frauen heute, Berufsar-
beit und das Leben mit Kindern zu verbinden. Die „doppelte Lebensführung" ist für Frauen indi-
viduell wie gesellschaftlich zum neuen normativen Modell, zum Leitbild geworden.

Im Hinblick auf schulische und berufliche Qualifikationen haben Frauen die Männer in den ver-
gangenen 30 Jahren eingeholt bzw. in manchen Bereichen überholt. Es scheint, dass sich die
Lebensführung von jungen Frauen und Männern vor der Familiengründung weitgehend angenä-
hert hat.

Strukturelle Rücksichtslosigkeit?

Jedoch - dieses scheinbar glatte Bild hat Risse. Sie zeigen sich häufig erst in der Situation, wenn
eine Arbeitnehmerin schwanger wird (oder werden will). Möglicherweise erlebt sie dann „am
eigenen Leib“, dass die Bedingungen der Erwerbsarbeit mit den eigenen und den kindlichen
Bedürfnissen und Rhythmen kollidieren. So erleben berufstätige Schwangere am Arbeitsplatz
häufig unterschiedliche Reaktionen auf ihre Schwangerschaft: einerseits Freude, andererseits
Vorwurfshaltungen. Denn selten passt die Schwangerschaft einer Kollegin in die betriebliche
Planung und Organisation der Arbeit. Da geraten Zeitpläne und Schichtpläne durcheinander, weil
es spezifische Schutzvorschriften gibt, Schwangere haben Anspruch auf einen anderen Arbeits-
platz, sie fallen für mindestens 14 Wochen aus, womöglich noch länger.... In den Reaktionen
von KollegInnen und Vorgesetzten schwingt häufig der Vorwurf mit, persönliche, das heißt pri-
vate Interessen ohne Rücksicht auf Belange des beruflichen Umfeldes zu verfolgen. Mögli-
cherweise werden dann Zweifel an der beruflichen Motivation und der individuellen Planungs-
kompetenz laut.

Derartige Reaktionen können Schwangere verunsichern und sozialen Druck ausüben, keine
„Schwäche“ zu zeigen. Genau dieser Druck ist es aber, der das Wohlbefinden der Schwangeren
und ihres Kindes empfindlich beeinträchtigen kann. Solche und ähnliche Erfahrungen von
Schwangeren weisen auf einen Mechanismus hin, der hier ebenso wie in anderen beruflichen Si-
tuationen greift: strukturelle Probleme, Versäumnisse und Widersprüche werden individualisiert
und auf die persönliche Ebene - bis hin zum „Mobbing“ - verschoben. Dabei ist die Rechtslage

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Arbeitnehmerkammer Bremen

anders: Mutterschutz sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz sind Aufgabe des Arbeitgebers. Er
hat für schwangerengerechte Arbeitsplätze zu sorgen. Er muss Arbeitsplätze auf mögliche ge-
sundheitliche Gefährdungen der Schwangeren und des ungeborenen Kindes hin beurteilen und
entsprechend gestalten.

Darüberhinaus wirken sich strukturelle Bedingungen wie Einstellungsstopps oder Sparmaßnah-
men zu Lasten der Schwangeren sowie ihrer Kolleginnen und Kollegen aus. Wenn z. B. keine
Vertretungen eingestellt werden, wird die Arbeit noch mehr verdichtet und der soziale Druck auf
Schwangere verstärkt.

Deshalb sind Regelungen notwendig, die Vertretungen sichern und - wie dies bei Kleinbetrieben
der Fall ist - Betriebe von den durch Mutterschutz entstehenden Zusatzkosten entlasten. Davon
profitieren nicht nur die Schwangeren sondern alle Beschäftigten. Gute Personalplanung und
Arbeitsorganisation zeichnen sich dadurch aus, dass sie rechtliche Bedingungen und individuelle
Anforderungen der Beschäftigten angemessen berücksichtigen.

Dazu gehört auch, ausländische bzw. fremdsprachige Arbeitnehmerinnen umfassend über den
Mutterschutz zu informieren, den kulturellen Zusammenhang von Schwangerschaft wahrzuneh-
men und bei Bedarf spezifische Beratungs- und Gesundheitsförderungsangebote zu entwickeln.

Arbeitgeber und betriebliche Interessenvertretungen sind gut beraten, wenn sie dafür sorgen,
dass bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes der Arbeitsschutz schwangerer und stillender
Mütter einbezogen wird – auch wenn vielleicht zur Zeit keine der Arbeitnehmerinnen schwanger
ist oder ihr Kind stillt. In die Arbeitsplatzbeurteilung und in die Planung von Arbeitsplätzen und
Abläufen kann dann gleich mit einbezogen werden, was aus der Perspektive des Mutterschutzes
berücksichtigt werden muss. Wenn ein Arbeitsplatz schwangerengerecht ist, ist er zugleich auch
gesundheitsförderlich und gesundheitsgerecht für alle anderen Beschäftigten, seien sie männlich
oder weiblich, jung oder alt. Für Arbeitsbereiche, in denen beispielsweise durch den Umgang mit
Gefahrstoffen, Blut oder Strahlung eine besondere Gefährdung für das ungeborene Kind gegeben
ist, können Szenarien für eine befristete Vertretung oder Umorganisation von Tätigkeiten ent-
wickelt werden. Schließlich kann ein Betrieb auch besonders ausweisen, welche Arbeitsplätze für
schwangere und stillende Frauen geeignet sind, so dass erforderliche befristete Veränderungen
nicht als regelwidriger Sonderfall erlebt werden müssen. Gerade die Mutterschutzrichtlinienver-
ordnung bietet hier einen besonderen Ansatz, denn über die Gesundheitsgefährdungen an
Arbeitsplätzen für Schwangere und Stillende sind zugleich alle weiblichen Beschäftigten zu
informieren. Auf diesem Wege kann ein Verständnis dafür entwickelt werden, dass Schwanger-
schaft und Mutterschutz keine rein private Angelegenheit sind, sondern eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe darstellen.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Barbara Reuhl

Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist
Chefsache!

Im Zuge der Harmonisierung der Gesetzgebung innerhalb der Länder der Europäischen Union
wurden auch einheitliche Vorgaben für den betrieblichen Arbeitsschutz erlassen. Dazu gehört das
„Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der
Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit“ (Arbeitsschutzgesetz –
ArbSchG), mit dem 1996 die EU-Rahmenrichtlinie von 1989 in deutsches Recht umgesetzt
wurde. Das Arbeitsschutzgesetz verändert die Ausrichtung des Arbeitsschutzes in Deutschland
grundlegend. Ohne Einschränkung ist nun der Arbeitgeber für Sicherheit und Gesundheitsschutz
der bei ihm Beschäftigten verantwortlich. Dies gilt für alle Branchen und in Betrieben jeder
Größe.

Das Arbeitsschutzgesetz gibt dem Arbeitgeber mehrere Grundpflichten auf:

–   Er muss die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der
    Bedingungen treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beein-
    flussen, um diese zu verbessern;

–   Er hat für eine geeignete Arbeitsschutzorganisation zu sorgen und dafür, dass Arbeitsschutz-
    maßnahmen auf jeder betrieblichen Ebene einbezogen und berücksichtigt werden;

–   Er muss die Arbeitsbedingungen an den Arbeitsplätzen untersuchen und danach beurteilen,
    ob hier Gesundheitsgefährdungen für die Beschäftigten bestehen. Sollte dies der Fall sein, so
    muss er Arbeitsschutzmaßnahmen ergreifen, sie auf ihre Wirksamkeit kontrollieren und
    eventuell anpassen, auch wenn sich z. B. durch betriebliche Veränderungen neue Arbeits-
    bedingungen ergeben.

Weiterhin muss der Arbeitgeber nach allgemeinen Grundsätzen gesundheitliche Gefährdungen
verhüten. Dazu zählt z. B. Gefährdungen zu verringern und an ihrer Quelle zu bekämpfen. Er-
kenntnisse aus Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitswissenschaften müssen dabei berücksichtigt
werden. Die Ergebnisse von Gefährdungsbeurteilungen und die ergriffenen Arbeitsschutzmaß-
nahmen sind zu dokumentieren, ebenso die Ergebnisse der Wirksamkeitsüberprüfung.

Durch das Arbeitsschutzgesetz werden die Beteiligungsrechte der Beschäftigten erweitert.
Betriebs- bzw. Personalrat sind zu informieren; in Betrieben ohne Interessenvertretung sind die
Beschäftigten direkt bei allen Maßnahmen anzuhören, die sich auf ihre Sicherheit und Gesund-
heit auswirken können. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über
gesundheitliche Gefährdungen und die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen zu unterrichten
und sie darin zu unterweisen, wie sie vorhandene Schutzvorkehrungen am Arbeitsplatz richtig
nutzen. Die Beschäftigten wiederum sind aufgefordert, aktiv am betrieblichen Arbeitsschutz mit-
zuwirken. D. h., sie haben den Anweisungen des Arbeitgebers hierzu Folge zu leisten, sie haben
jedoch auch das Recht, ihn auf gesundheitliche Risiken und Gefährdungen hinzuweisen, damit
sie beseitigt werden.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Barbara Reuhl

Das Lohnausgleichsverfahren für Kleinbetriebe – weithin unbekannt

In vielen Betrieben hat es sich immer noch nicht herumgesprochen: Die Ausgleichskasse erstat-
tet die betrieblichen Aufwendungen von Kleinbetrieben, wenn eine schwangere Arbeitnehmerin
ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz erhält. Sie kommt auch für den Arbeit-
geberzuschuss zum Mutterschaftsgeld und die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung auf.

Diese weithin unbekannte Regelung begründet sich auf § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes. Da-
nach nehmen Arbeitgeber, die in der Regel nicht mehr als zwanzig Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer einschließlich Auszubildende, Schwerbehinderte, Beschäftigte unter 10 Wochen-
stunden und HeimarbeiterInnen beschäftigen, an einem Lohnausgleichsverfahren teil. Sie zahlen
einen geringen Beitrag in die bei der AOK bzw. der Innungskrankenkasse geführte Ausgleichs-
kasse für Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit. Dafür hat der Arbeitgeber Anspruch auf
Erstattung der entstehenden Aufwendungen, wenn für eine schwangere Arbeitnehmerin ein
Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz ausgesprochen wird. Wenn absehbar ist,
dass eine schwangere Arbeitnehmerin für einen großen Teil der Schwangerschaft ein
Beschäftigungsverbot bekommt, könnte der Arbeitgeber ohne Mehrkosten während dieser Zeit
eine Ersatzkraft einstellen.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Vera Grisar

Schwangerschaftsbetreuung berufstätiger Frauen, Stress am Arbeitsplatz,
Arbeitsunfähigkeit, Beschäftigungsverbote – ein Praxisbericht.

Das Thema „Arbeit und Gesundheit in der Schwangerschaft“ ist aus verschiedenen Blickwinkeln
zu beleuchten: mein Blickwinkel ist der der ärztlichen Schwangerschaftsbetreuung.

Ich möchte als Einführung über die Erfahrungen mit berufstätigen Schwangeren berichten, dabei
typische Probleme und immer wiederkehrende „Stolpersteine“ aufzeigen.

Ich bin seit mehreren Jahren zusammen mit einer Kollegin in Bremerhaven als Frauenärztin
niedergelassen. Während dieser Zeit haben wir schon zahlreiche Schwangere ärztlich betreut.
Natürlich wissen wir, dass die Schwangerschaft als solche keinen Krankheitszustand darstellt,
aber doch einen Zustand erhöhter Gefährdung von Mutter und Ungeborenem, der eine konti-
nuierliche fachkundige Begleitung durch Ärztin/Arzt oder Hebamme notwendig macht.

In den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen steht dazu
folgendes:
„Durch die ärztliche Betreuung sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter
oder Kind abgewendet sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung
zugeführt werden. Vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerenvorsorge ist die frühzeitige Er-
kennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten“.

Das Erleben der Schwangerschaft

Nun wäre die „ideale Schwangerschaft“ eine erwünschte und komplikationslos verlaufende
Schwangerschaft, die für die Frau selbst und deren persönliches Umfeld ein freudiges Ereignis
darstellt und dementsprechend mit Zuneigung und Aufmerksamkeit begleitet wird – und in der
alle Bezugspersonen auf körperliche und seelische Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Frau
Rücksicht nehmen.

Die Realität sieht allerdings, wie wir z. T. aus eigener Erfahrung, aber auch aus dem beruflichen
Zusammenhang wissen, meist leider ganz anders aus. Besonders für Erstschwangere und Erst-
gebärende stellt die Schwangerschaft eine besondere Schwellensituation in ihrem Leben dar.

Dazu kommen schon in der Frühschwangerschaft körperliche Veränderungen der Befindlichkeit.
Individuelle Reaktionen auf solche Zeichen wie morgendliche Übelkeit oder Brustspannen fallen
ganz unterschiedlich aus: Was eine Frau als Zeichen des beginnenden neuen Lebens neugierig
und teilweise sogar freudig wahrnimmt, kann für eine andere Frau zur großen psychischen Be-
lastung werden, viele Frauen nehmen sich z. B. die geringere körperliche Leistungsfähigkeit oder
Stimmungsschwankungen selbst übel. Erleben und Verlauf einer Schwangerschaft sind in hohem
Maß abhängig vom persönlichen Umfeld (Partnerbeziehung, Wohnsituation, andere soziale
Beziehungen, beispielsweise zur Herkunftsfamilie oder zu Freunden, finanzielle Situation). Sie
sind andererseits natürlich abhängig von Persönlichkeitsfaktoren wie der Fähigkeit, mit Belastun-
gen und Konflikten umzugehen, der grundsätzlichen Einstellung zu Schwangerschaft und Mutter-
schaft – und nicht zuletzt vom vorbestehenden individuellen Gesundheitszustand. Zum persönli-
chen Umfeld einer Schwangerschaft zählt als Quelle für mögliche Belastungen neben all dem
genannten die berufliche Situation.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Belastungen am Arbeitsplatz

Hierzu beispielhaft eine Auflistung typischer Klagen und Aussagen von durch uns betreuten
Frauen, die meine Kollegin und ich im Laufe unserer Tätigkeit „gesammelt“ haben:

-   „Ich habe Angst, die Schwangerschaft meinem Arbeitgeber mitzuteilen. Wir sind schon so
    knapp besetzt und ich bin die dritte Schwangere in der Abteilung.“

-   „Ich kann es mir nicht leisten, auf die Schwangerschaft Rücksicht zu nehmen, da sonst mein
    Friseursalon nicht läuft (bzw. ich mir meine Karriere verbaue... bzw. ich wichtigen Unterricht
    verpasse... etc.).“

-   „Ich mache mir Sorgen um mein Kind, da ich im Labor mit giftigen Stoffen arbeite“ - oder
    aber: „da ich als KFZ-Mechanikerin Auspuffgase einatmen muss...ich traue mich aber nicht
    zu fragen, was das für mein Kind und mich bedeutet, um nicht als überempfindlich zu
    gelten.“

-   „Ich fühle mich als Sozialpädagogin z. Zt. kaum in der Lage, meine Arbeit mit behinderten
    Kindern auszuhalten - bis ich weiß, ob das Ergebnis meiner Fruchtwasseruntersuchung in
    Ordnung ist.“

-   „Ich habe das Gefühl, dass ich meinem Beruf als Lehrerin derzeit nicht gerecht werden kann,
    weil in meiner Klasse so anstrengende Kinder sind, dass ich abends völlig erschöpft bin,
    gedanklich nicht abschalten kann und auch so dem ungeborenen Kind nicht gerecht werde,
    ihm vielleicht sogar schade.“

-   „Ich fühle mich eigentlich ganz gut, aber sobald ich zur Arbeit gehe, wird mir übel, ich bin
    nämlich Köchin und kann z. Zt. die Gerüche nicht aushalten, habe aber ein schlechtes
    Gewissen deswegen.“

Der letzte Satz, das „schlechte Gewissen“ über Leistungseinschränkungen, begegnet uns in
Variationen immer wieder und führt uns zu einem wichtigen Sachverhalt.

Viele Frauen haben insgesamt einen sehr hohen Anspruch an sich selbst; sie wollen sich als
Ehefrau und Geliebte beweisen, als gute Mutter und zusätzlich als vollwertige Arbeitskraft – die
Ansprüche werden im allgemeinen auch von ihrer Umgebung an sie herangetragen.

Jedes Eingeständnis einer Frau, dass sie damit überfordert ist, wird als individuelles Versagen
interpretiert. So ist es nur logisch, dass Krankheitssymptome wie übermäßiges Erbrechen, vor-
zeitige Wehen, Schmerzen, Blutdruckanstieg selten als Zeichen einer krankmachenden Umge-
bung gesehen werden, sondern als individuelle körperliche Schwäche – die dann meist „nur“ mit
einer Krankschreibung beantwortet wird.

Es ist aber gut erforscht, dass berufstätige Schwangere gegenüber solchen Frauen, die nur im
Haushalt tätig sind, ein erhöhtes Risiko für Früh- und Mangelgeburten haben. Dieses Risiko
steigt dann noch erheblich an, wenn Arbeiten im Stehen oder Gehen verrichtet werden. Verant-
wortlich für die Risikoerhöhung ist sicher einerseits die körperliche Mehrbelastung (z. B. durch
anstrengende und einseitige Tätigkeiten) – aber andererseits sicher auch der vermehrte
psychische Druck, unter dem die Berufstätige steht.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Nach unseren Beobachtungen reagieren Schwangere auf arbeitsbedingte Stressfaktoren häufig
mit folgenden körperlichen Reaktionen:

-   Kreislaufprobleme
-   Schlafstörungen
-   Schmerzen
-   vermehrte Übelkeit, vermehrtes Erbrechen
-   Erschöpfungszustände.

Krankschreibungen und Beschäftigungsverbote

In unserer Praxis haben wir viel mit Frauen zu tun, die wegen eines Symptomes oder einer Be-
findlichkeitsstörung eine Krankschreibung „erwarten“, auch wenn wir den Eindruck haben, dass
eine Frau eigentlich gesund ist und die Schwangerschaft ungestört verläuft – das betreffende
Krankheitssymptom dagegen mit einer beruflichen Überlastung zu tun hat.

Tatsächlich erscheinen die Frauen i. d. R. auch erst, wenn sich bereits Krankheitssymptome
herausgebildet haben, die eine Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen. So ist es für uns oft auch der
erste Schritt, die betreffende Frau krankzuschreiben, um erst einmal Entlastung zu schaffen.

In jedem Fall sondieren wir mit der Frau die Lage, ob als längerfristige Alternative nicht ein Be-
schäftigungsverbot infrage kommt – falls deutlich wird, dass eine eigentlich gesunde Frau durch
ihre berufliche Belastung krank wird bzw. dass durch die Berufstätigkeit eine Gefahr für die
ungestörte Fortsetzung der Schwangerschaft entsteht. Es gibt klar umrissene Richtlinien, was
eine Frau während der Schwangerschaft darf und was nicht: das Mutterschutzgesetz bietet eine
Fülle von Bestimmungen wie z. B. das Verbot von Tätigkeiten mit ionisierenden Strahlen, mit
giftigen Substanzen, das Verbot in Nässe, Kälte oder Zugluft zu arbeiten, schwere Gegenstände
von über 10 kg zu heben und vieles mehr.

Darüber hinaus können aber ärztlich begründete zusätzliche Beschäftigungsverbote greifen, wenn
schon „erlaubte“ Tätigkeiten für eine individuelle Schwangere zuviel sind oder zu lange dauern.
In einigen Fällen schalten die Schwangere oder wir auch das Gewerbeaufsichtsamt ein; im
Zweifel erfolgt eine Arbeitsplatzbegehung, dann die Entscheidung. Auch hierzu ein Beispiel: eine
Malerin und Lackiererin erhielt ein absolutes Beschäftigungsverbot, nachdem sich herausgestellt
hatte, dass keine der bisher von ihr verrichteten Tätigkeiten mit dem Mutterschutzgesetz zu ver-
einbaren war und der Arbeitgeber keinen „ungefährlichen“ Ersatzarbeitsplatz anbieten konnte.

Klar ist: Jede Frau, die krank ist, wird arbeitsunfähig geschrieben und dies, solange die Krank-
heit besteht. Oft ist diese nach wenigen Tagen behoben – dann stellt sich die Frage: ist eine Frau
wieder voll in ihrem Beruf belastbar – oder nur zeitlich eingeschränkt? Sollen bestimmte Tätig-
keiten, die diese spezielle Frau und ihr Kind gefährden, verboten werden?

Konflikte

Man könnte nun meinen, mit diesen Vorgaben sei alles geregelt, formal mag das auch stimmen,
aber nach meiner Beobachtung melden sich im Zusammenhang mit Beschäftigungsverboten bei
vielen Frauen erhebliche Ängste, die mit mangelnder Information, Vorurteilen und negativer Er-
fahrung zu tun haben. Schon das bloße Bestehen auf Mutterschutzbestimmungen führt oft genug
zu verletzenden Aussagen von Arbeitgebern und auch Kolleginnen/Kollegen.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Hierzu wieder ein paar Zitate:

-   „Ich weiß zwar, dass ich dies und das in der Schwangerschaft nicht darf, aber mein Arbeit-
    geber sagt, andere Schwangere hätten dasselbe gemacht und gesunde Kinder geboren.“

-   „Ich will kein Beschäftigungsverbot, dann sagen die anderen, ich würde die Schwangerschaft
    dazu benutzen, um mich vor der Arbeit zu drücken.“

-   „Ich habe Angst, dass ich als erste wegrationalisiert werde, wenn ich jetzt in der Schwanger-
    schaft sage, dass ich nicht ständig ins Kühlhaus laufen will.“

-   „Ich weiß zwar, dass ich die und die Rechte habe, aber ich traue mich nicht, sie anzu-
    sprechen, weil mich dann alle fertigmachen würden (bzw. es dann für die Kolleginnen mit
    der Arbeit so schwierig wird).“

-   „Ich habe zwar inzwischen als Bäckereifachverkäuferin mein Recht durchgesetzt, das ich
    mich zwischendurch hinsetzen darf, aber meine Kolleginnen reagieren so darauf, dass sie
    sich seither demonstrativ auch hinsetzen und sagen: So jetzt sind wir dran mit Sitzen....
    sodass ich lieber durchgehend stehe.“

-   „Mein Arbeitgeber (Apotheker) sagt, ich soll Sie bitten, mich für den Rest der noch
    verbleibenden 12 Schwangerschaftswochen krankzuschreiben, dann könnte er besser mit
    leistungsfähigen Vertretungen planen, falls ich nochmal krank werde. Eigentlich will ich aber
    arbeiten!“

Hohe Ansprüche an sich selbst, Pflichtbewusstsein und ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl
sowie häufig genug erhebliche hierarchische Strukturen in Betrieben machen es Frauen oft
schwer, sich als Gesunde zu sehen, die Schaden abwenden wollen: sie übernehmen oft die Vor-
urteile der Vorgesetzten und kommen sich schäbig vor, wenn sie sich ihre begrenzte Belastbar-
keit eingestehen. Die Krankschreibung ist in ihren Augen oft der einzig legitime Weg, der Arbeit
fernzubleiben. Ein Beschäftigungsverbot bedeutet in der Vorstellung dagegen häufig ein Kämpfen
gegen übermächtige Institutionen, denen sich die Schwangeren nicht gewachsen fühlen.

Die letzten der o. g. Zitate sind einige Jahre alt – bis vor kurzem war ich eigentlich fest davon
überzeugt, dass sich in den letzten Jahren nicht nur im Bewusstsein der Schwangeren, sondern
auch der Arbeitgeber einiges zum Guten gewendet habe. Allerdings fielen uns im praxisinternen
Gespräch doch wieder einige „frische“ Beispiele ein, die aufzeigen, dass es doch noch ein langer
Weg ist, bis Schwangere problemlos berufstätig sein können.

Da ist z. B. die Textilverkäuferin, die nach zähem Ringen und unter zynischen Bemerkungen
ihres Chefs die vorgeschriebene Sitzgelegenheit im Laden erhält, dafür vom Arbeitgeber aber
schließlich auf andere Weise schikaniert wird... wegen zunehmender Belastung durch die
Schwangerschaft wird die tägliche Arbeitszeit nach § 3 Mutterschutzgesetz auf 6 Stunden redu-
ziert. Die Frau arbeitet normalerweise 5 Tage pro Woche – bei der Abrechnung zu Beginn des
Beschäftigungsverbotes 6 Wochen vor der Geburt werden ihr 6 Stunden für einen 6. Arbeitstag
abgezogen; ohne vorheriges Gespräch, sodass schließlich ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird,
das Verfahren schwebt noch. Die arbeitgeberseitige Begründung für das Vorgehen ist der Vor-
wurf, sie habe eine schlechte Arbeitsmoral, denn wenn sie nur noch 6 Stunden am Tag arbeiten
dürfe, sei es doch selbstverständlich, dass sie zum Ausgleich an ihrem bisher freien Tag arbeite.

Die Durchführung der Mutterschutzgesetze scheint besonders in den Krankenhäusern im Argen
zu liegen. Möglicherweise erhöhter Arbeitsdruck und zunehmendes Tempo, Personalabbau und

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Arbeitnehmerkammer Bremen

kürzere Liegezeiten verstärken die Konkurrenz unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,
sodass Schikanen von „oben“ nicht in wünschenswertem Maß auf geschlossenen Widerstand der
überwiegend weiblichen Belegschaft stoßen.

Wir erleben also weiterhin, dass trotz einzelner positiver Ansätze in den letzten Jahren immer
noch für viele berufstätige Frauen der Eintritt einer Schwangerschaft keine ungetrübte Freude
bedeutet – dies wird wahrscheinlich erst dann der Fall sein, wenn die Bestimmungen des
Mutterschutzgesetzes fest im Bewusstsein der Gesamtbevölkerung verankert sind, wenn es z. B.
in Betrieben Schwangerenarbeitsplätze mit klar umrissenen Aufgaben gibt, wenn eine wirklich
geregelte Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern, Gewerbeaufsicht und betreuenden Ärzten und
Ärztinnen eine Selbstverständlichkeit ist.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Ursula Wienberg

Beschäftigungsverbote auf der Grundlage des Mutterschutzgesetzes

Das Mutterschutzgesetz regelt den Schutz der werdenden und stillenden Mutter wie auch des
werdenden Kindes. Es gehört zum sozialen Arbeitsschutz, der einen Schwerpunkt der Tätigkeit
des Gewerbeaufsichtsamtes Bremerhaven darstellt.

Eine Veranstaltung der Arbeitnehmerkammer Bremen trug den ganz richtigen Titel „Schwanger-
schaft ist keine Krankheit!“ Hieran muss man jedoch manchmal zweifeln, wenn man erlebt, wie
mit Schwangeren am Arbeitsplatz umgegangen wird.

Das oberste Ziel des Mutterschutzes ist, Überforderungen der Schwangeren am Arbeitsplatz zu
vermeiden. Wie kann das erreicht werden und vor allem durch wen? Als gesetzliche Grundlage
müssen das Mutterschutzgesetz und die Mutterschutzverordnung herangezogen werden. Sie
geben die Bedingungen für die Beschäftigung von Schwangeren vor. Dass die Paragraphen
erläuterungsbedürftig sind, zeigt die tägliche Praxis. Häufig gehen dazu Anrufe von Arbeitgebern,
betroffenen Frauen und behandelnden Ärzten im Gewerbeaufsichtsamt ein. Arbeitgeber haben
von einer Mitarbeiterin eine Schwangerschaftsmeldung erhalten und sind unsicher, ob sie die
Frau mit den bisherigen Tätigkeiten weiter beschäftigen dürfen. Die Frauen informieren sich über
ihre Rechte und Pflichten als schwangere Arbeitnehmerin, wobei immer ein wenig Angst heraus-
klingt, ob der Arbeitgeber denn die Vorschriften alle kenne und auch beachten werde.

                       Verordnung zum Schutz der Mütter am Arbeitsplatz
                           (Mutterschutzrichtlinienverordnung-MuSchRiV)

 §1     Beurteilung der Arbeitsbedingungen, um ggf. erforderliche Schutzmaßnahmen
        bestimmen zu können

 §2     Unterrichtung von Betriebs-/Personalräten, werdenden, stillenden Müttern und
        übrigen beschäftigten Arbeitnehmerinnen

 §3     Umgestaltung von Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzwechsel

 §4     Beschäftigungsverbot

 §5     Besondere Beschäftigungsverbote für

        -   giftige, gesundheitsschädliche oder in sonstiger Weise den Menschen chronisch
            schädigende Gefahrstoffe, wenn der Grenzwert überschritten wird,

        -   Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die ihrer Art nach erfahrungsgemäß
            Krankheitserreger übertragen können,

        -   krebserregende, fruchtschädigende oder erbgutverändernde Gefahrstoffe (für
            stillende Mütter nur bei Grenzwertüberschreitung)

        -   Arbeiten in Druckluft (> 0,1 bar)

        -   Umgang mit Gefahrstoffen, die Blei oder Quecksilberalkyle enthalten (für gebärfähige
            Arbeitnehmerinnen und bei Grenzwertüberschreitung)

                                                  14
Arbeitnehmerkammer Bremen

Auffallend viele Ärztinnen und Ärzte fragen gezielt nach der Abgrenzung von Beschäftigungs-
verbot und Arbeitsunfähigkeit, die häufig dicht beieinander liegen oder auch ineinander über-
gehen können. Diese beiden Schutzmaßnahmen werden von unterschiedlichen Instanzen ausge-
sprochen und haben eine große Bedeutung im Hinblick auf die Dauer und Höhe der Entgeltfort-
zahlung. Eine Arbeitsunfähigkeit1 (AU) kann nur vom Arzt ausgesprochen werden, Beschäfti-
gungsverbote dagegen von Arzt, Arbeitgeber und auch vom Gewerbeaufsichtsamt. Während die
AU im Regelfall eine 6-wöchige Lohnfortzahlung zur Folge hat, besteht bei Beschäftigungsver-
boten grundsätzlich das Recht auf vollen Lohn, der weiterhin vom Arbeitgeber zu zahlen ist.

Was regelt das Mutterschutzgesetz?

Wer sich schon einmal mit dem Mutterschutzgesetz befasst hat - gleich ob als verantwortlicher
Arbeitgeber oder betroffene Frau - kennt § 2 des Mutterschutzgesetzes mit seiner einleitenden
Forderung:

        „Wer eine werdende oder stillende Mutter beschäftigt, hat bei der Einrichtung und der Unter-
        haltung des Arbeitsplatzes einschließlich der Maschinen, Werkzeuge und Geräte und bei der
        Regelung der Beschäftigung die erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz
        von Leben und Gesundheit der werdenden oder stillenden Mutter zu treffen.“

                                    Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit
    Gemäß § 8 MuSchG gilt für werdende und stillende Mütter:
    Nachtarbeit zwischen 20.00 und 06.00 Uhr ist verboten.
        Ausnahmen für die ersten vier Schwangerschaftsmonate:
    -   in Gastronomie und im Beherbergungswesen                              bis    22.00 Uhr
    -   als Künstlerinnen bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen
        und ähnlichen Aufführungen                                            bis    23.00 Uhr
    -   in der Landwirtschaft mit dem Melken von Vieh                         ab     05.00 Uhr
    Sonn- und Feiertagsarbeit ist grundsätzlich verboten.
        Ausnahmen für folgende Branchen:
    -   Verkehrswesen
    -   Gast- und Schankwirtschaften
    -   Beherbergungswesen
    -   Familienhaushalt
    -   Krankenpflege- und Badeanstalten
    -   Musik- und Theateraufführungen
    -   Schaustellungen, Darbietungen, Lustbarkeiten
    Mehrarbeit ist grundsätzlich verboten, d. h.
    - Frauen über 18 Jahren dürfen nicht mehr als 8 ½ Stunden täglich oder 90 Stunden in der
      Doppelwoche
    - Frauen unter 18 Jahren dürfen nicht mehr als 8 Stunden täglich
       oder 80 Stunden in der Doppelwoche
       arbeiten.

1
  Nach den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen liegt
Arbeitsunfähigkeit dann „vor, wenn ein Versicherter aufgrund von Krankheit seine ausgeübte Tätigkeit
nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann...
Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein
noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die
Gesundheit oder die Genesung abträglich Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar
hervorrufen. Zwischen der Krankheit und der dadurch bedingten Unfähigkeit zur Fortsetzung der
ausgeübten Tätigkeit muss ein kausaler Zusammenhang erkennbar sein.“ (Zit. nach:
Begutachtungsanleitung „Arbeitsunfähigkeit“, Hrsg. Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der
Krankenkassen, Essen 1997)

                                                       15
Arbeitnehmerkammer Bremen

Das heißt: Der Arbeitgeber allein ist verantwortlich, er kann sich da nicht herausreden oder die
Verantwortung auf die schwangere Frau abwälzen, egal in welcher Position die Mitarbeiterin bei
ihm eingesetzt ist. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber Beschäftigungsverbote zu beachten und
einzuhalten.

                                  Individuelle Beschäftigungsverbote

 § 3 Abs. 1 MuSchG:

 Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit
 von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.

 § 6 Abs. 2 MuSchG:

 Frauen, die in den ersten Monaten nach der Entbindung nach ärztlichem Zeugnis nicht voll leistungsfähig
 sind, dürfen nicht zu einer ihre Leistungsfä higkeit übersteigenden Arbeit herangezogen werden.

Das Mutterschutzgesetz unterscheidet individuelle und generelle Beschäftigungsverbote. Bei den
individuellen Verboten wird - wie der Name schon sagt - auf die persönliche Verfassung der
schwangeren Frau abgestellt. Generelle Verbote müssen unabhängig von Zustand und Belastbar-
keit der Frau eingehalten werden.

Welche Beschäftigungsverbote im einzelnen ausgesprochen werden können, verdeutlicht die
folgende Übersicht.

                                      Generelle Beschäftigungsverbote

 § 4 Abs. 1 MuSchG:
 Werdende Mütter dürfen nicht mit schweren körperlichen Arbeiten und nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei
 denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Staub, Gasen
 oder Dämpfen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind.

 § 4 Abs. 2 MuSchG:
 Werdende Mütter dürfen insbesondere nicht beschäftigt werden
 -   mit Arbeiten, bei denen regelmäßig Lasten von mehr als 5 kg Gewicht oder gelegentlich Lasten von mehr als
     10 kg Gewicht ohne mechanische Hilfsmittel von Hand gehoben, bewegt oder befördert werden,
 -   nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats mit ständigen Arbeiten im Stehen über vier Stunden
     täglich,
 -   mit Arbeiten, die häufiges erhebliches Strecken oder Beugen s owie dauerndes Hocken oder gebücktes
     Halten erfordert,
 -   mit der Bedienung von Geräten und Maschinen mit hoher Fußbeanspruchung (Fußantrieb),
 -   mit dem Schälen von Holz,
 -   mit Arbeiten, bei denen die erhöhte Gefahr einer Berufskrankheit besteht,
 -   nach Ablauf des dritten Schwangerschaftsmonats mit Arbeiten auf Beförderungsmitteln,
 -   mit Arbeiten, bei denen sie erhöhter Unfallgefahr (Fallen, Stürzen, Ausgleiten) ausgesetzt sind.
 -
 § 4 Abs. 3 MuSchG:

 Verboten ist werdenden Müttern
 -   Akkordarbeit und sonstige Arbeiten, bei denen durch ein gesteigertes Arbeitstempo ein höheres Entgelt
     erzielt werden kann,
 -   Fließbandarbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo.

                                                    16
Arbeitnehmerkammer Bremen

Frank Hittmann

Infektionsrisiken für schwangere Arbeitnehmerinnen im Gesundheitswesen *)

Immer wieder wird die Notwendigkeit in Zweifel gezogen, dass werdende Mütter von Tätigkeiten
mit besonderer Infektionsgefährdung durch Schneiden und Stechen, zum Beispiel bei der Blut-
abnahme, ferngehalten werden müssen.

Zur Auseinandersetzung mit der Aussage, eine berufserfahrene Krankenschwester oder Ärztin
würde ein besonderes Infektionsrisiko bei diesen Tätigkeiten nicht eingehen, weil sie durch die
                                                                                             langjährige Übung keine Fehler
     120
                                                                                             mehr mache und Stichverletzun-
               Lebensalter bei BK-Anerkennung wegen Hepatitis B oder C oder HIV,
                        1994-1998, nur gewerbliche Berufsgenossenschaften
                                                                                             gen vermeiden könne, wurden
     100
                                     91        92
                                                      101      98
                                                                                             Zahlen des Hauptverbandes der
                                                                                             gewerblichen Berufsgenossen-
                                                      87
      80                                                       79      78
                                     73        76

      60
                                                                       67                    schaften ausgewertet. Diese
                              48        Gesamt                                               Zahlen werden jährlich von den
                                                                              43
      40
                     33
                     30
                              39        davon Gesundheitsdienst
                                                                              35
                                                                                          30
                                                                                             Einzel-Berufsgenossenschaften
                                                                                             gemeldet. Der Hauptverband
                                        davon Ärzte                                 25    27
      20                                                                            21
                                                                       18
                                                                                          15
       0
             7
             0       1        0
                                     8         8      10       12             10    9        erfasst die angezeigten und aner-
         unter   unter    unter  unter unter unter         unter   unter  unter unter  über  kannten Berufskrankheiten sowie
                                                                                             weitere Daten. Die Auswertung
          20      25       30     35        40      45      50      55     60    65     65

                                   Alterstufen (Zahlen: ZIGUV, 2000)
                                                                                             des Datenmaterials (Abb. 1)
  Abb.1                                                                                      zeigt, dass für die Hepatitis B
                                                                                             und C gemeinsam für alle Er-
krankten die größte Zahl der Anerkennungen im Lebensalter von 40 Jahren und darüber ausge-
sprochen wird. Es kann nicht aus diesen Zahlen abgeleitet werden, dass überwiegend Jüngere
frisch an Hepatitis erkrankten. Unter den über 40-jährigen sind nur wenige Berufsanfänger zu
vermuten, damit werden sich viele schon Berufserfahrene infiziert haben, und zwar in der Regel
nach einer Stichverletzung.

Eine Auseinandersetzung mit Infektionskrankheiten ohne Krankheitszeichen, die mit lebenslanger
                                                                               Immunität endet, ist nicht selten
    60          Lebensalter bei BK-Anerkennung Hepatitis C, 1994 - 1998,
                                                                               zu beobachten. In den letzten
                        nur gewerbliche Berufsgenossenschaften                 Jahren wurden verstärkt Meldun-
    50                                50
                                      47
                                                                               gen erstattet, wenn bei Vorsorge-
    40
                              45
                              41                     42                        untersuchungen positive Antikör-
                                             37
                                             34      35                        perbestimmungen auf Hepati-
    30
                                  Gesamt
                                                          31
                                                          28                   tis B gelangen, obwohl keine
    20                            davon                          21            Krankheitszeichen bestanden.
                                                                               Um dem Einwand begegnen zu
                                                                 19
                                  Gesundheitsdienst                      16
                                                                         15 15
                      13          davon Ärzte
                                                                               können, wegen dieser vorsorgli-
                      12
    10
                                      6              6    7              6  6
     0    0
                5
                0     0
                              5              4                   5
                                                                               chen Meldungen sei es zu einer
       unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter über 65     nicht berechtigten Häufung von
        20    25    30      35      40     45      50   55     60     65
                                                                               Anerkennungen oberhalb des
                                                                               vierzigsten Lebensjahres gekom-
                           Altersstufen, Zahlen: ZIGUV,
                           2000

                                                                               men, wurde zusätzlich das
  Abb. 2                                                                       Krankheitsgeschehen für die
                                                                               Hepatitis C ausgewertet (Abb. 2).

*) Quelle: Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Hrsg.); Jahresbericht 1999 der
Gewerbeaufsicht der Freien Hansestadt Bremen, S. 196 ff.

                                                             17
Arbeitnehmerkammer Bremen

Die Altersverteilung ist nahezu deckungsgleich mit der Hepatitis B. Zusätzlich ist zu bemerken,
dass eine Berufskrankheiten-Anerkennung nur dann erfolgen kann, wenn tatsächlich Behand-
lungsbedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der
Erkrankung bestanden hat.

                                                                              Für die auswert-
                                                                              baren Erkrankun-
                   Erkrankungsalter Hepatitis A,B, non AB,                    gen in Bremen
                            Bremen 1989 - 1998
                                                                              zeigt sich eben-
        9                                                                     falls, dass die
        8                             8                                       Mehrzahl der
        7                    7                                                Infektionen im
        6                                                                     Alter zwischen
        5                                      5                              35 und 40 Jah-
        4                                                                     ren auftritt
        3                                                    3                Abb. 3.
        2     2      2                                  2         2
        1                                                                       Die neu einge-
        0
                                                                                tretenen Infekti-
             bis 25 bis 30 bis 35     bis 40     bis 45    bis 50 bis 55 bis 60
                                                                                onskrankheiten
                                 Lebensalter bei Erkrankung
                                                                                bei den Älteren
  Abb. 3                                                                        zeigen ein erheb-
                                                                                liches Risiko
auch für Berufserfahrene. So wird deutlich, dass sich auch eine hohe Zahl von älteren Versi-
cherten mit langer Berufspraxis infizieren. Ein Einsatz Schwangerer bei Tätigkeiten mit einer
Verletzungsgefahr an infektiösen Gegenständen ist eindeutig den Beschäftigungsverboten des
Mutterschutzgesetzes und der Mutterschutzrichtlinienverordnung zuzuordnen. Wer seine Mitar-
beiterinnen während der Schwangerschaft bei Tätigkeiten einsetzt, für die ein Beschäftigungs-
verbot gilt, handelt ordnungswidrig.

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Arbeitnehmerkammer Bremen

Barbara Dennis

Mein Umgang mit dem Beschäftigungsverbot

Auf den ersten Blick scheint alles eindeutig zu sein. Nach § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz liegen
die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot vor, wenn „Leben oder Gesundheit von Mutter
und Kind durch Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist“.

Eine Arbeitsunfähigkeit ist dagegen gegeben, wenn die Arbeitnehmerin infolge Krankheit ihrer
vertragsmäßig geschuldeten Arbeit nicht nachkommen kann. Ein krankhafter Zustand liegt vor,
wenn „ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand“ die Arbeitnehmerin außerstande setzt, ihre
Arbeit zu verrichten, d. h. man könnte auch sagen, wenn Leben von Mutter oder Kind nicht
durch die Fortdauer der Beschäftigung, sondern durch die Krankheit an sich gefährdet wird. Und
diese Erkrankung wird lediglich in ihrer Symptomatik gesehen, nicht in ihrem Bezug auf even-
tuelle in der Schwangerschaft liegende Ursachen.

Und das ist genau, was uns Gynäkologen Probleme macht; die Abgrenzungsschwierigkeiten
zwischen Gesundheits- und Lebensgefährdung einerseits und dem krankhaften Zustand anderer-
seits, z. B. in dem Fall, in dem die Gefährdung auf einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung
beruht, wie es meistens der Fall ist.

Als Beispiel möchte ich den Fall eines Kollegen vorstellen, der einer Schwangeren ein Beschäfti-
gungsverbot über drei Wochen ausstellte aufgrund einer Hyperemesis, d. h. eines Schwanger-
schaftserbrechens, in diesem Fall zusätzlich zu einer Überforderungsproblematik. Die Frau
arbeitete in einer sehr hektischen Drogerieabteilung eines größeren Unternehmens, und was sie
ohne schwanger zu sein noch gerade geschafft hatte, brachte sie jetzt an den Rand eines Ner-
venzusammenbruchs. Das Beschäftigungsverbot wurde vom Arbeitgeber angefochten und er
bekam Recht, denn: ein Beschäftigungsverbot darf nur ausgesprochen werden, wenn zum
Schutze des Lebens und der Gesundheit, ohne dass eine Krankheit vorliegt, eine weitere
Beschäftigung nicht geboten ist. Ein ähnlicher Fall wurde 1992 anders beschieden.

Nach meiner früheren Auslegung hätte ich ebenfalls befürwortet, dass die Schwangere nur krank
war, weil sie die Bedingungen in diesem Laden aus Schwangerschaftsgründen nicht erfüllen
konnte. D. h. wenn es keinen anderen Arbeitsplatz gibt, muss man sie vor dem krankmachenden
Stress genauso schützen wie vor Strahlen oder Gasen, sobald sie raus ist aus dem Betrieb, ist sie
ja auch gesund, also Beschäftigungsverbot. Das Erbrechen wird jedoch eindeutig als Symptom
an sich gesehen, d. h. auch eine nichtschwangere Frau, die aufgrund irgendeiner Ursache wie
Infekt erbricht, wäre arbeitsunfähig.

1995 wurde eine entscheidende Aussage in dieser Auseinandersetzung getroffen, nämlich, dass
ein Beschäftigungsverbot nur verfügt werden darf, wenn allein die Fortdauer der Beschäftigung
Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet. Eine Schwangerschaft ist im arbeits-
rechtlichen Sinne erst dann eine Krankheit, wenn ein anormaler Verlauf eintritt, so z. B.
Erbrechen, Erschöpfungszustand, Blutungen. Haben die Beschwerden keinen Krankheitswert
oder führen sie nicht zur Arbeitsunfähigkeit, gibt es ein Beschäftigungsverbot. Beides zugleich ist
nicht möglich, schließt sich aus, bzw. der Arbeitsunfähigkeit muss, wenn beides zutrifft, der
Vorzug gegeben werden.

                                                19
Arbeitnehmerkammer Bremen

Eigentlich beschränkt sich somit das Beschäftigungsverbot auf die gesunde Schwangerschaft und
dient lediglich der Prophylaxe. Auch diese ist nicht eindeutig definiert. So ist mir der Fall einer
Arzthelferinnen-Auszubildenden bekannt, die aufgrund der Ängste ihres Arbeitgebers für die
gesamte Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot erhielt. Die Ängste gründeten sich auf einen
Artikel im Ärzteblatt, in dem der Medizinaloberrat eines Gewerbeaufsichtsamts das Schutzziel in
einer Arztpraxis so beschreibt: u. a. kein Kontakt zu offensichtlich infektiösen Patienten, d. h.
solchen mit Husten, Fieber, starkem Schwitzen oder Durchfall. Wie bitte soll ein Arzt das
gewährleisten? Auch bei Ärztinnen im Angestelltenverhältnis ist das Mutterschutzgesetz um-
stritten, wenn ihnen außer Arztbriefen und Gesprächen mit eindeutig nicht infektiösen Pati-
enten/Patientinnen während Schwangerschaft und Stillzeit nichts zu tun bleibt.

Das wiederum kann Folgen für die Einstellungs- und Weiterbildungspraxis haben. Die Sorge ist,
dass etwas, was Frauen und Kinder schützen soll, sich letztendlich als benachteiligend erweist.

Für die meisten Arbeitgeber ist es eher leicht geworden, ein Beschäftigungsverbot zu akzeptieren,
da bei Betrieben mit bis zu 20 Angestellten der Arbeitgeber seinen finanziellen Ausfall erstattet
bekommt (Lohnfortzahlungsversicherung). Bei einer Arbeitsunfähigkeit zahlt nach 6 Wochen die
Krankenkasse, was bei Betrieben mit über 20 Angestellten von Vorteil ist. Für die Schwangere ist
auf jeden Fall das Beschäftigungsverbot von Vorteil, da sie Lohnfortzahlung von 100% erhält.

Welche Probleme aber bestehen für die Schwangeren und welche Auswirkungen hat das Gesetz
auf sie? Frauen, die einen Arbeitsplatz haben, auf dem sie sich wohl fühlen, an dem ihre Arbeit
anerkannt wird, an dem ein gutes kollegiales Verhältnis herrscht, arbeiten fast immer bis zu der
gesetzlich vorgegebenen Mutterschutzfrist von sechs Wochen vor dem Entbindungstermin. Hier
ist es auch möglich, dass sie unterstützt wird beim Pause machen, dass ein eventuelles langsa-
meres Tempo akzeptiert wird und die Tatsache, dass sie öfter auf die Toilette muss.

In einem Betrieb, in dem es vorher schon Spannungen und Probleme gab, wird die Schwangere
diese als wesentlich belastender empfinden. Was vorher noch verdrängt werden konnte, Kon-
flikte, die früher weggeschoben wurden, was vor der Schwangerschaft noch unter Aufbietung
aller mentalen und psychischen Kräfte geleugnet oder unterdrückt wurde, wirkt in der Schwan-
gerschaft wie eine Zeitbombe.

Genau wie eine schwangere Frau eine empfindlichere Nase und einen geschmacksintensiveren
Gaumen hat, ist auch ihr Gespür für untergründige Aggressionen und Neidgefühle um ein Vielfa-
ches sensibilisiert. Neben dem anstrengenden Prozess des fast immer ambivalenten Schwanger-
schaftserlebens, der Neustrukturierung von Zukunftsplänen und Beziehungsmustern, des Erstau-
nens über neue Körpererfahrungen, kann der Druck auf der Arbeitsstelle, der vorwurfsvolle Blick
des Chefs und die neidisch-schnippische Haltung der Kollegin (die man auch noch bitten muss,
nicht mehr zu rauchen) das i-Tüpfelchen auf dem Gefühl sein: ich kann nicht mehr, ich breche
zusammen, alles tut mir weh, und ich mache alles falsch.

In dieser Situation auch noch die Überstunden abzulehnen, die der Chef gewohnheitsmäßig ver-
langt und ihm zu sagen: „Aber es steht doch im Mutterschutzgesetz!“ ist Frau dann oft nicht
mehr zuzumuten. Und der frauensolidarische Rat der Gynäkologin, die da sagt „Das müssen Sie
ihrem Chef doch klar machen, sonst hat ja jede Schwangere nach Ihnen wieder das Problem“,
kann eigentlich nur auf müdes Achselzucken stoßen. Für Revolution, Kampf und Auseinanderset-
zung ist eine Schwangerschaft nicht die richtige Lebensphase. Bleiben also nur Arbeitsunfähig-
keit oder Beschäftigungsverbot? Bisher habe ich eher ein Beschäftigungsverbot attestiert, denn
eigentlich ist die Frau ja nicht krank. Sie kann nur aufgrund der spezifischen Konstellation im
Betrieb und in ihr zu dieser Zeit nicht arbeiten, auf der anderen Seite ist ein physio-psychischer
Erschöpfungszustand auch ohne Schwangerschaft eine krankschreibungswürdige Lage.

                                               20
Arbeitnehmerkammer Bremen

Ein Beschäftigungsverbot stellt lediglich eine präventive Maßnahme dar. Um also z. B. vorzeitige
Wehen aufgrund der täglichen psychischen Belastungen im Betrieb zu vermeiden, was deutlich
gesundheitliche Nachteile für Mutter und Kind hätte, schreibe ich die Schwangere nicht arbeits-
unfähig, sondern gebe ihr ein Beschäftigungsverbot, ebenso selbstverständlich bei vorhersehba-
ren Belastungen durch Strahlen oder Gase. Maßgeblich nach der Rechtsprechung ist nur, dass
die Schwangerschaftsbeschwerden noch nicht oder nicht mehr einem krankhaften Zustand ent-
sprechen.

Es besteht hier ein glitschiger Boden der Rechtsunsicherheit; eigentlich muss eine Gynäkologin,
sobald Beschwerden eintreten, eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Das verkürzt jedoch sowohl
den Entgeltfortzahlungsanspruch für die Schwangere, als es auch die öffentliche Kontrolle des
Gewerbeaufsichtsamtes verhindert.

Zum Schluss möchte ich noch eine andere Dimension bewusst machen, die für mich das
Beschäftigungsverbot gegenüber der Arbeitsunfähigkeit hat. Frau hat oft ein schlechtes
Gewissen, wenn sie schwanger und nicht mehr so leistungsfähig ist wie vorher. Irgendwer bringt
sicherlich den Spruch: Schwangerschaft ist keine Krankheit, früher haben die Frauen auch bis
zur Entbindung auf dem Kartoffelfeld gearbeitet. Unmut der KollegInnen, weil sie Arbeitsbereiche
übernehmen müssen oder herablassende Bemerkungen, in denen Frau auf die „hilflose Weib-
chenschiene“ geschoben wird, bewirken, dass oft mühsam erworbene Identitätsbilder zu Bruch
gehen. Dabei haben es gerade die Frauen schwer, die sich in männlichen Bereichen zu behaup-
ten gelernt haben und deren mitleidloser Anspruch an sich selber unvereinbar ist mit dem, was
sie empfinden und was die anderen erwarten.

In dieser Situation wird eine Arbeitsunfähigkeit die Rolle der Frau, die eben doch versagt und im
entscheidenden Moment krank wird, weiter zementieren. Ein Beschäftigungsverbot hingegen
könnte die Funktion haben, einen schutzwürdigen und sensiblen Zustand per Mutterschutzgesetz
anzuerkennen und der Schwangeren somit keine Kraft zu nehmen, sondern ihr besondere Rück-
sicht und Aufmerksamkeit zuzugestehen. Vielleicht könnte der Gesetzgeber bei einer Ausweitung
der Möglichkeiten des Beschäftigungsverbotes auch ein allmähliches gesellschaftliches Umden-
ken erwirken. Zumindest in großen Betrieben könnten dann Arbeitsplätze für Schwangere
geschaffen werden, die sie eher als Anerkennung denn als Strafversetzung empfinden.

Von der Rechtsprechung wünsche ich mir klare und überschaubare Kriterien, die dem/der
behandelnden Arzt/Ärztin nicht Abgrenzungsleistungen auferlegen, die schon im Regelfall
schwierig, im Grenzfall aber nicht zu leisten sind. Schließlich drohen uns durchaus haftungs-
rechtliche Konsequenzen für den Fall, dass dem Arbeitgeber finanzieller Schaden entsteht. Am
sinnvollsten erscheint mir eine Ausweitung des Beschäftigungsverbotes auf alle schwanger-
schaftsbedingten Erkrankungen, um gerade die besonders gefährdeten Schwangeren umfassend,
finanziell und mutterschutzrechtlich abzusichern.

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