Potenziale des Sozialraumkonzepts - Grundlagen Praxisbeispiel Forschungsergebnisse
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Potenziale des Sozialraumkonzepts Grundlagen Praxisbeispiel Forschungsergebnisse Prof. Dr. Michael Noack 1 michael.noack@hs-niederhein.de
Übersicht Was ist ein Sozialraum? Was ist Sozialraumorientierung? Sozialraumorientierung in Graz Evaluationsergebnisse aus Graz 2
Was ist ein Sozialraum? Derselbe Ort kann für verschiedene Menschen mit unter- schiedlichen lebensweltlichen Bedeutungen aufgeladen sein. 3
Was ist ein Sozialraum? Lebenswelten können sich zu Sozialräumen überlappen Lebens- Lebens- raum Sozialraum raum Lebensraum 4
Was ist ein Sozialraum? In einem Planungsraum bzw. einem Stadtteil / einem Bezirk gibt es verschiedene Sozialräume S Lebensraum R Lebens- raum Planungsraum 2 Planungsraum 1 Lebens- raum Planungsraum 3 Planungsraum 4 5
Was ist Sozialraumorientierung? Theoretische Grundlagen des Fachkonzepts Sozialraumorientierung (SRO) 6
Was ist Sozialraumorientierung? Theoretische Grundlagen des Fachkonzepts SRO „Grundsätzlich zielt sozialraumorientierte Soziale Arbeit auf die Veränderung bzw. Gestaltung sozialer Räume und nicht auf die wie auch immer geartete gezielte Beeinflussung psychischer Strukturen von Menschen.“ (Hinte, Treeß 2014: 30) • Prof. Wolfgang Hinte Geistiger Vater der SRO 1. die Feldtheorie (Lewin 1963), 2. die Sozialökologie (Bronfenbrenner 1981) und 3. die non-direktive Pädagogik (vgl. Hinte 1990) 7
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO • Konzeptionelle „Erdung“ personenbezogener und sozialökologischer Ansätze 1. Ausgangspunkt jeglicher Arbeit sind der Wille bzw. die Interessen der Menschen. 2. Aktivierende Arbeit hat grundsätzlich Vorrang vor betreuender Tätigkeit. 3. Bei der Gestaltung der Aktivitäten und Hilfen spielen a) personale und b) sozialräumliche Ressourcen eine wesentliche Rolle. 4. Aktivitäten sind zielgruppen- und bereichsübergreifend angelegt. 5. Vernetzung und Integration der verschiedenen sozialen Dienste sind Grundlage für funktionierende Einzelhilfen. 8
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO 1. Ausgangspunkt jeglicher Arbeit sind der Wille bzw. die Interessen der Menschen. • „Ich bin für euch da“ Profi wird in Bewegung gesetzt. • „Ich möchte mit Dir/euch herausfinden, was Du/ihr ändern möchtet“: Die Menschen werden durch die Aktivierung der ihren Interessen zugrunde liegenden Energie in Bewegung versetzt. Wer mit den Interessen der Menschen arbeitet, arbeitet bedarfsorientiert. 9
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO 1. Ausgangspunkt jeglicher Arbeit sind der Wille bzw. die Interessen der Menschen. Quelle: Früchtel et al. 2013 10
Was ist Sozialraumorientierung? Exkurs: Sozialraumorientierte Fallarbeit 11
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO 2. Aktivierende Arbeit hat grundsätzlich Vorrang vor betreuender Tätigkeit. • „Was kann ich für die Menschen tun?“ Menschen werden passiviert. • „Was können die Menschen selber tun?“ • „Welche Eigenaktivitäten der Menschen kann ich fachlich unterstützen?“ Menschen wird die Erfahrung von Selbstwirksamkeit ermöglicht, wenn ihre Interessen erkundet werden und die Interessensverfolgung soviel wie nötig und so wenig wie möglich professionell unterstützt wird. • Aktivierung bedeutet: soviel Sozialarbeit wie nötig mit so wenig Betreuung wie möglich. 12
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO 3. Bei der Gestaltung der Aktivitäten und Hilfen spielen a) personale und b) sozialräumliche Ressourcen eine wesentliche Rolle. 13
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO 4. Aktivitäten sind zielgruppen- und bereichsübergreifend angelegt. • Hilfeleistungen beziehen sich nicht stigmatisierend auf einzelne Gruppen (z.B.: „Frühstückscafé“ für türkische Frauen); es sei denn die Gruppen wollen dies so. • Der zielgruppenübergreifende, kontextbezogene Blick versucht auch die Grenzen des eigenen Hilfesystems zu überschreiten. • Arbeitslose Jugendliche werden zu Babysittern. 14
Was ist Sozialraumorientierung? Methodische Grundlagen des Fachkonzepts SRO 5. Vernetzung und Integration der verschiedenen sozialen Dienste sind Grundlage für funktionierende Einzelhilfen. • Für eine systematische und bedarfsorientierte Angebotsplanung ist die koordinierte Kooperation sozialer Dienste hilfreich. • Soziale Dienste können bspw. eine Immobilie gemeinsam als Hardware nutzen, in der - ausgehend von variierenden Interessen im Sozial- raum - flexibel verschiedene Angebote als Software installiert und de- installiert werden können. 15
Was ist Sozialraumorientierung? 16
Was ist Sozialraumorientierung? Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung 17
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Finanzierung Quelle: Punkenhofer 2012: 20 18
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Finanzierung • Nicht intendierte Nebenfolgen der Einzelfallfinanzierung Die öffentliche Hand finanziert genau das, was verhindert werden soll – nämlich die Entstehung und Bearbeitung von „Fällen“. • Ziele eines Sozialraumbudgets Der Träger setzt unverbrauchtes „Fallgeld“ für fallunspezifische Arbeit ein. Der Träger kann dadurch möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Verhinderung von Fällen ergreifen Dazu wird der Träger seine Angebote flexibilisieren und sie passgenau auf die jeweiligen Ziele der leistungsberechtigten Menschen abstimmen. (vgl.: Stadt Graz 2016: 13) 19
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Organisation • In jedem Planungsraum gibt es: a) Jugendamtsteam = Fachkräfte des öffentlichen Trägers. b) Kernteam = Fachkräfte des Schwerpunktträgers und – falls im Planungsraum vorhanden – der Kernteamträger. c) Sozialraumteam = Jugendamtsteam + Kernteam. (vgl.: Stadt Graz 2016: 16) 20
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Organisation • Sozialraumteams in den Planungsräumen bilden sich im Organigramm ab (vgl.: Stadt Graz 2016: 16) 21
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung 22
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Handlungsebene Quelle: Früchtel et al. 2013 23
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Handlung Quelle: Bestmann 2013 24
Sozialraumorientierung in Graz Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Handlung 25
Sozialraumorientierung in Graz • Der Grazer Weg der Sozialraumorientierung: Kollegiale Fallberatung Quelle: Früchtel et al. 2013 26
Evaluationsergebnisse aus Graz Hauptfrage der Evaluation • „Welche Folgen ergeben sich aus der sozialraumorientierten Hilfegestaltung für die Lebenssituation ehemaliger Adressat*innen der Grazer Kinder- und Jugendhilfe?“ 27
Evaluationsergebnisse aus Graz Teilfragen der Evaluation … • … speisen sich aus den fünf methodischen Handlungsprinzipien 1. „Ausgangspunkt jeglicher Arbeit sind der Wille bzw. die Interessen der Menschen (in Abgrenzung zu Wünschen oder naiv definierten Bedarfen). 2. Aktivierende Arbeit hat grundsätzlich Vorrang vor betreuender Tätigkeit. 3. Bei der Gestaltung der Aktivitäten und Hilfen spielen personale und sozialräumliche Ressourcen eine wesentliche Rolle. 4. Aktivitäten sind immer zielgruppen- und bereichsübergreifend angelegt. 5. Vernetzung und Integration der verschiedenen sozialen Dienste sind Grundlage für funktionierende Einzelhilfen.“ (Hinte 2006) 28
Evaluationsergebnisse aus Graz Teilfragen der Evaluation … • … speisen sich aus den fünf methodischen Handlungsprinzipien 1. Ausgangspunkt jeglicher Arbeit sind der Wille bzw. die Interessen der Menschen (in Abgrenzung zu Wünschen oder naiv definierten Bedarfen). • Beispiel: Evaluationsteilfragen zum ersten Handlungsprinzip: 1.a) Wurden die Adressat/innen durch die fallzuständigen Fachkräfte dabei unterstützt, ihren Willen zu reflektieren und ihre Interessen zu benennen, um daraus Hilfeplanziele zu entwickeln? 1.b) Wie wurden die Adressat/innen durch die fallzuständigen Fachkräfte dabei unterstützt, ihre Interessen zu reflektieren und zu benennen, um daraus Hilfeplanziele zu entwickeln? 29
Evaluationsergebnisse aus Graz Evaluationsmethoden • Quantitativer Baustein: Standardisierte Befragung Evaluationsteilfragen wie diese …. Wurden die Adressat/innen durch die fallzuständigen Fachkräfte dabei unterstützt, ihren Willen zu reflektieren und ihre Interessen zu benennen, um daraus Hilfeplanziele zu entwickeln? …. wurden operationalisiert: Wenn Du auf den Hilfebeginn zurückblickst, wie stark sind Deine Ideen und Vorstellungen in die Hilfegestaltung eingeflossen? 30
Evaluationsergebnisse aus Graz Evaluationsmethoden • Quantitativer Baustein: Standardisierte Befragung Verbalisierte Antwortskala 31
Evaluationsergebnisse aus Graz Evaluationsmethoden • Quantitativer Baustein: Standardisierte Befragung Verbalisierte Antwortskala 32
Evaluationsergebnisse aus Graz Evaluationsmethoden • Qualitativer Baustein: Expert*innen-Interviews Interviewer: Bei dieser Frage kannst Du eine Zahl dafür vergeben, wie stark Du die Hilfe mitgestaltet hast. Eins bedeutet, Du hast die Hilfe gar nicht mitgestaltet und neun bedeutet, stärker hättest Du nicht mitgestalten können. Befragter: Da würde ich die Sechs vergeben. Interviewer: Kannst Du mir erklären, warum Du die Sechs vergeben hast? 33
Evaluationsergebnisse aus Graz Stichprobenbeschreibung • Anschreiben 34
Evaluationsergebnisse aus Graz Stichprobenbeschreibung • Ausschöpfung 35
Evaluationsergebnisse aus Graz Stichprobenbeschreibung • Ausschöpfung 36
Evaluationsergebnisse aus Graz Mehrperspektivische Deutung der Ergebnisse • Beispiel: Familie Stangl „Der Martin hat seine Probleme ja schon seit der vierten Klasse, da hat es begonnen, eben mit dem Streit mit einem Mitschüler. Und da hatten wir Polizei und das ganze Tari-Tara. Seit damals bis jetzt ist der Martin meiner Meinung instabil; instabil mit sich selber, dass er nicht richtig Selbstbewusstsein entwickelt. Er zieht sich stark zurück. Und deswegen Frau Stangl habe ich mir Hilfe geholt.“ 37
Evaluationsergebnisse aus Graz Mehrperspektivische Deutung der Ergebnisse • Beispiel: Familie Stangl „(…) weil ich bin eher so ein, naja, also von Haus aus jetzt, nicht nur weil es mir jetzt irgendwie schlecht geht oder so, sondern einfach weil ich so bin, bin ich eher der, der zu Hause bleibt mehr.“ Martin, 14 Jahre 38
Evaluationsergebnisse aus Graz Mehrperspektivische Deutung der Ergebnisse • Beispiel: Familie Stangl „Es war eher wichtig für meine Mutter. Sie hat glaube ich mehr Probleme mit ihm als umgekehrt. Er ist ziemlich steif und meine Mutter leidet darunter.“ Ilja, 16 Jahre 39
Evaluationsergebnisse aus Graz Mehrperspektivische Deutung der Ergebnisse • Beispiel: Familie Stangl „Ich hätte aber lieber gehabt, dass sie nicht mit mir arbeiten. Ich bin nicht so wichtig, habe ich mir gedacht; Martin ist wichtig.“ Frau Stangl 40
Evaluationsergebnisse aus Graz Mehrperspektivische Deutung der Ergebnisse • Beispiel: Familie Stangl „Da sind immer zwei gekommen, eine Frau und ein Mann. Ich war einmal kurz dabei- Ich bin mir nicht sicher, manchmal hat es so gewirkt, als würden sie eine Seite bevorzugen. Ich glaube das hätte man irgendwie anders lösen können. Die waren nicht immer neutral, hatte ich das Gefühl.“ Ilja, 16 Jahre 41
Evaluationsergebnisse aus Graz Mehrperspektivische Deutung der Ergebnisse • Beispiel: Familie Stangl „Also, bei den ersten paar Malen war das Kennenlernen und so und weil es mir da noch nicht so gut ging, da war ich eher so, ja auch zurückhaltend alles, weil ich eben- Ich war auch nicht so gut zu sprechen mit anderen Leuten, auch mit fremden Leuten und das hat, das haben die auch glaube ich gemerkt und deshalb haben die auch mich auch also- Sehr vorsichtig herangegangen an die ganze Sache und Martin, 14 Jahre alles. Deshalb war das dann auch sehr angenehm mit denen zu reden und so und dass die das dann immer so Stück für Stück gemacht haben und so.“ 42
Evaluationsergebnisse aus Graz Hilfebeginn „Also, bei den ersten paar Malen war das Kennenlernen und so und weil es mir da noch nicht so gut ging, da war ich eher so, ja auch urückhaltend alles, weil ich eben- Ich war auch nicht so gut zu sprechen mit anderen Leuten, auch mit fremden Leuten und das hat, das haben die auch glaube ich gemerkt und deshalb haben die auch mich auch also- Sehr vorsichtig herangegangen an die ganze Sache und alles. Deshalb war das dann auch sehr angenehm mit denen zu reden und so und dass das dann immer so Stück für Stück gesagt haben und so.“ 43
Evaluationsergebnisse aus Graz Hilfeverlauf „Also, bei den ersten paar Malen war das Kennenlernen und so und weil es mir da noch nicht so gut ging, da war ich eher so, ja auch urückhaltend alles, weil ich eben- Ich war auch nicht so gut zu sprechen mit anderen Leuten, auch mit fremden Leuten und das hat, das haben die auch glaube ich gemerkt und deshalb haben die auch mich auch also- Sehr vorsichtig herangegangen an die ganze Sache und alles. Deshalb war das dann auch sehr angenehm mit denen zu reden und so und dass das dann immer so Stück für Stück gesagt haben und so.“ 44
Evaluationsergebnisse aus Graz Hilfebeendigung 45
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: michael.noack@hs-niederrhein.de Sozialraumorientierte Sozialraumorientierte Effekte und Wirkungen Jugendwohlfahrt Altenarbeit Sozialraumorientierter Arbeit 46
Interessante Links Prof. Dr. Hinte über Sozialraumorientierung https://www.youtube.com/watch?v=RTS5EQ7-qyY Beteiligungsorientiertes Sozialraumteam Stuttgart https://www.youtube.com/watch?v=zJFzJDOeiQc Kartierung fallunspezifischer Ressourcen in Mönchengladbach https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=1NolJJbAITiFS1OIRLHJjHa4c23jAc Q_s&ll=51.18462225013827%2C6.413342999999941&z=14 47
Literatur- und Quellenangaben Bestmann, S. (2013): Finden ohne zu suchen. Einzelfallunspezifische Arbeit in der sozial- räumlichen Kinder- und Jugendhilfe. Wiesbaden: Springer VS. Bronfenbrenner, U. (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Natürliche und geplante Experimente. Herausgegeben von Kurt Lüscher. Stuttgart: Ernst Klett Verlag. Früchtel, F.; Cyprian, G.; Budde, W. (2013): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Textbook: Theoretische Grundlagen. 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage. Hinte, W.; Treeß, H. (2014): Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ-integrativen Pädagogik. Weinheim [u.a.]: Juventa. Hinte, W. (1990): Non-direktive Pädagogik. Eine Einführung in Grundlagen und Praxis des selbstbestimmten Lernens. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. S.: 114. Lewin, K. (1963): Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Ausgewählte theoretische Schriften. Herausgegeben von Dorwin Cartwright. Berlin und Stuttgart: Verlag Hans Huber. Noack, M. (2015a): Kompendium Sozialraumorientierung. Geschichte, Theoretische Grundlagen und Methoden. Weinheim [u.a.]: Juventa. Stadt Graz (2016): Grundlagenpapier Sozialraumorientierung. Graz 48
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