PR0GRAMMZEITUNG Das Kulturmagazin für den Raum Basel - Getrübtes Jubiläum: Kultkinos Rabenklänge mit Zehnder & Friends Collage-Meisterin Hannah ...
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PR0GRAMMZEITUNG Das Kulturmagazin für den Raum Basel Januar 2008 Getrübtes Jubiläum: Kultkinos Nr. 225 | 21. Jahrgang | CHF 6.90 | Euro 5 | Abo CHF 69 Rabenklänge mit Zehnder & Friends Collage-Meisterin Hannah Höch
HAUSKULTUR POETISCH INS NEUE JAHR! Editorial db. Was für ein Jahr, dieses 2007! Bescherte ‹Imagine› sang John Lennon 1971 und gab Anregungen für eine bessere Welt, die uns die tollste Überraschung kurz vor Schluss: immer noch gelten. Auch auf lokaler Ebene lässt sich manche Verbesserung vorstellen, den grandiosen Bundesratscoup. Das Bewusst- die sich nicht in neuen Formen erschöpft. Über neue Inhalte machen sich z.B. die sein, einen historischen Moment zu erleben, InitiantInnen von ‹Kulturstadt-Jetzt› Gedanken. Seit fünf Jahren plädieren und kämp- wirkte beflügelnd. Nun ist der Alltag zurück fen sie auch politisch für eine lebendige, menschen-, kultur- und wirtschaftsfreund- und unser verrücktes Jubiläumsjahr vorbei. liche Stadt. Nun wollen sie noch einen Zacken zulegen, nicht nur Missstände auf- Finanziell wird es uns freilich noch eine Weile zeigen, sondern weiterhin Vorschläge ausarbeiten und zu Aktionen anstiften. Jeden beschäftigen ... Monat wird 2008 im Parlament ein neuer Vorstoss in Sachen Kultur deponiert, nach Die Abopreise im Inland bleiben wie bereits angekündigt unverändert, obwohl die Pro- dem Motto: Visionen statt Kritik. Zum Beispiel zum Münsterplatz, einem der schöns- grammZeitung von der drastisch reduzierten ten Orte der Stadt, viel zu lange als Parkplatz missbraucht. Wie kann er bespielt und Presseförderung des Bundes betroffen ist und belebt werden, ohne seine Erhabenheit zu verlieren? dadurch massiv höhere Postgebühren in Kauf ‹Kulturstadt Jetzt› mit seinem Kapitän Tino Krattiger schlägt nun vor, diesem Platz das nehmen muss. Dass jedes Vereinsblatt hier ‹Wort› zu widmen, die Poesie. Denn eigentlich ist dieses Element schon vielgestaltig bessere Chancen hat, ist allerdings ein ärgerli- vorhanden: die Pfalz und der Panoramablick von dort, die Bäume und das historische cher Systemfehler. Ambiente, das Münster und sein Kreuzgang – reine Poesie. Dazu vor Ort die Allge- Neu ist die ProgrammZeitung am Sonntagvor- meine Lesegesellschaft und das Museum der Kulturen und in der Nähe das Erasmus- mittag neben den grossen Sonntagszeitungen haus, das Literaturhaus, die Kulturzeitung der Stadt etc. Genügend Komponenten und des Landes an vier Standplätzen zu erwerben: potenzielle Partner für mehr als ein festliches Wochenende des Wortes. Auch an beim SBB Haupteingang, bei der Heiliggeist- Programmideen fehlt es nicht: Liebesbriefe sollen in den Bäumen hängen, Lyrik von kirche (vor Sutterbegg), beim Schützenhaus (vor dem Kiosk) und am Claraplatz. Die private den Münstertürmen schallen, Verseschmiede und Liedsängerinnen zirkulieren, eine Initiative von Mickael Eriksson, City Hotspot Predigt in Reimen erklingen, Hörspiele, Erzählcafé, Buchtauschbörse, Café Philo, Monitoring, fördert die Tradition des Strassen- Zeitungs-Workshops usw. angeboten werden. Kurz: Kulturelle Belebung statt Deko- verkaufs und die soziale Funktion des Ver- ration heisst die Devise, die natürlich auch für andere öffentliche Plätze, das Rhein- kaufspersonals. bord, das Kasernenareal oder die sogenannten Boulevards gilt. Um solche ‹Feste des Unsere Tramwerbung wird mit neuen Sujets Geistes und der Sinne› würden andere Städte die ‹Wortstadt› Basel beneiden, ist Tino weitergeführt und ist im Baselbiet ebenso zu Krattiger überzeugt. finden wie in der Stadt. Dem Wort, genauer der Lyrik ist auch die aktuelle Ausgabe der ‹Gazzetta› von Pro Lit- Sowohl AbonnentInnen als auch ‹nur› Lesen- teris gewidmet. Zweimal pro Jahr gibt die schweizerische Urheberrechtsgesellschaft de der ProgrammZeitung können an unseren für Literatur und bildende Kunst diese Zeitschrift heraus, die jeweils über die Tätigkeit Verlosungen teilnehmen, es gibt Kinotickets der Organisation informiert sowie Texte und Bilder zu einem speziellen Thema ab- zu Trigon-Filmen und Museums-Jahrespässe zu gewinnen. Beachten Sie bitte S. 71 und un- druckt. Das neue Heft enthält neben einigen Porträts u.a. Artikel zu Schweizer Lyrik sere Website. und Politik, zu SMS-Gedichten, Poesie im Internet, Kinderlyrik und Slam Poetry. Last but not least betreut ab sofort Roman Zudem haben über 40 AutorInnen ihr Lieblingsgedicht mit Kommentar beigesteuert. Benz im Wechsel mit Oliver Lüdi die redaktio- Damit wird ein spannender Einblick in die Lyrik der Gegenwart geboten. nelle Seite ‹Buchbesprechung› (S. 12), derweil Jeden Tag des neuen Jahres poetisch beginnen kann man übrigens mit dem von Corina Lanfranchi an einem Buchprojekt Michael Braun zusammengestellten Lyrikkalender 2008 des Deutschlandfunks ( DLF ), arbeitet. der vor einem Jahr erstmals erschien und reissenden Absatz fand. Es ist eine so ori- Bleibt noch zu danken. Für alle Wertschätzung ginelle wie aufwändige Sammlung; jedes Gedicht ist rückseitig mit erhellenden und Unterstützung, für Anregungen und Kon- Erläuterungen zu Text und AutorIn versehen. Der Mix der (deutschsprachigen) takte. Wir wünschen Ihnen einen guten Start Gedichte ist bunt, Barockes folgt auf Heutiges, Bekanntes auf Entlegenes, Düsteres auf ins neue Jahr! Humoriges. Wer DLF hört, kommt zudem dreimal täglich in den Genuss der von nam- Abb. Foto-Impressionen aus Buenos Aires, er- haften Theaterprofis gesprochenen Texte. Eine Prise Poesie pro Tag macht das Leben scheinen im Frühjahr in Buchform im Verlag La einfach erträglicher! | Dagmar Brunner Marca Editora. Fotos: Daniel Spehr, Kathrin Schulthess, Guido Indij. Infos: www.spehr.ch www.kulturstadt-jetzt.ch, www.prolitteris.ch Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008. Für jeden Tag ein Gedicht, ausgewählt von Michael Braun. Verlag das Wunderhorn, CHF 41 JANUAR 2008 | PROGRAMM ZEITUNG | 3
IMPRESSUM Herausgeberin ProgrammZeitung Nr. 225 ProgrammZeitung Verlags AG Januar 2008, 21. Jahrgang, ISSN 1422-6898 Gerbergasse 30, Postfach 312, 4001 Basel Auflage: 5000, erscheint 11 Mal pro Jahr T 061 262 20 40, F 061 262 20 39 Abonnemente info@programmzeitung.ch Jahresabo (1 1 Ausgaben inkl. ‹kuppler›): www.programmzeitung.ch CHF 69, Ausland CHF 79 Ausbildungsabo: CHF 49 (mit Ausweiskopie) Verlagsleitung Förderabo: ab CHF 169 * Roland Strub, strub@programmzeitung.ch abo@programmzeitung.ch Redaktionsleitung Abobestelltalon ÞS. 40 Dagmar Brunner, brunner@programmzeitung.ch Online-Tagesagenda gratis Redaktion | Korrektur Redaktionsschluss Februar 2008 Christopher Zimmer, zimmer@programmzeitung.ch Veranstalter-Beiträge ‹Kultur-Szene›: Mi 2.1. Redaktionelle Beiträge: Mo 7.1. Kultur-Szene Agenda: Do 10.1. Barbara Helfer, helfer@programmzeitung.ch Inserate: Mo 14.1. Agenda Erscheinungstermin: Do 31.1. Ursula Correia, agenda@programmzeitung.ch Verkaufsstellen ProgrammZeitung Inserate Ausgewählte Kioske, Buchhandlungen und Claudia Schweizer, schweizer@programmzeitung.ch Kulturhäuser im Raum Basel Cover: Ökomedien Abo | Administration Für unverlangt eingesandte Manuskripte und db. Klimaerwärmung, Luftverschmutzung, Was- Philipp Brugger, brugger@programmzeitung.ch Fotos übernimmt die Redaktion keine Haftung; serknappheit etc. sind globale Bedrohungen ge- für Fehlinformationen ist sie nicht verantwort- Projekte lich. Textkürzungen und Bildveränderungen worden. Eine zweiteilige Ausstellung im Plug-in Roman Benz, benz@programmzeitung.ch behält sie sich vor. Die AutorInnen verantworten zeigt, wie MedienkünstlerInnen mit den bren- Gestaltung den Inhalt ihrer Beiträge selbst. Abos verlängern nenden Umweltfragen umgehen. Sie präsentiert sich nach Ablauf eines Jahres automatisch. Anke Häckell, haeckell@programmzeitung.ch Projekte, die auf progressiven Vorstellungen Livie Davatz, liviedavatz@gmx.ch * Die ProgrammZeitung ist als gemeinnützig von Ökologie beruhen und dabei utopische Hori- anerkannter Kulturbetrieb auf finanzielle zonte entwerfen. Sie wird von zahlreichen Ver- Druck Unterstützung angewiesen. Beiträge von mindes- anstaltungen begleitet. Schwabe AG, Farnsburgerstrasse 8, Muttenz tens CHF 100 über den Abo-Betrag hinaus : ab Fr 18.1., 18.00, bis So 23.3., T 061 467 85 85, www.schwabe.ch sind als Spenden vom steuerbaren Einkommen www.iplugin.org. Projekt: Insa Winkler, Eichel- Visuelles Konzept abziehbar. Helfen auch Sie uns durch ein Förder- schweinrennen, 2007. Foto: Bernd Eylers Susan Knapp, Karo Grafik und Verlag abo (ab CHF 169). 4OP (yRB~CHER 5NSER (yRBUCH 4IPP #HOCOLAT ,IEBE 3ABINE $AS MEHR ODER *OANNE (ARRIS -AUD !CKERMANN GELESEN WENIGER TRAGISCHE %NDE -IN \ 'EK~RZTE ,ESUNG \ #(& EINER TOTAL TOLLEN "EZIEHUNG *AN 7EILER !NNETTE &RIER 5NVERGiSSLICHI 'SCHICHTE U! GELESEN %MIL 3TEINBERGER -IN \ (yRSPIEL \ #(& -IN \ +ABARETT \ #(& ¯ )3". $IE 7iCHTER ¦,IEBE 3ABINE§ WURDE VON *AN 7EILER EIGENS ALS (yR $AVID "ALDACCI + $IETER +LEBSCH GELESEN SPIEL KONZIPIERT &ORM UND )NHALT HARMONIEREN AUF -IN \ 'EK~RZTE ,ESUNG \ #(& BESONDERE 7EISE 7AS -ANAGER 5WE INS $IKTAPHON SPRICHT HiTTE EIGENTLICH NUR IN DER GEK~RZTEN "RIEFFORM $ER WUNDE 0UNKT AN %X &REUNDIN 3ABINE GELANGEN SOLLEN 3EINE MITF~H -ARK (ADDON *OACHIM +RvL GELESEN LENDE 3EKRETiRIN SCHICKT 3ABINE ABER GLEICH DAS GANZE -IN \ 'EK~RZTE ,ESUNG \ #(& "AND MIT 'EMEINSAM MIT 3ABINE LAUSCHEN DIE (yRER )NNEN DANACH 5WES UNZENSIERTEN 7UT UND 'EF~HLS AUSBR~CHEN UNTERBROCHEN VON 3ABINES BISSIGEN 7ASHINGTON 3QUARE BIS REUIGEN +OMMENTAREN 'EWITZTE 5NTERHALTUNG ¯ (ENRY *AMES 'ERT 7ESTPHAL GELESEN NUR SCHADE DASS DAMIT 3CHLUSS IST SOBALD 3ABINE DAS -IN \ 5NGEK~RZTE ,ESUNG \ #(& ¯ "AND AUS DEM !BSPIELGERiT NIMMT !NITA -~LLER 'UTSCHEIN AUF ALLE (yRB~CHER "IDER 4ANNER !M "ANKENPLATZ !ESCHENVORSTADT "ASEL 4 & WWWBIDERUNDTANNERCH 'UTSCHEIN NICHT KUMULIERBAR MIT WEITEREN 6ERG~NSTIGUNGEN '~LTIG BIS *ANUAR 4 | PROGRAMM ZEITUNG | JANUAR 2008
INHALT REDAKTION Warum ist Basel ein hartes Kinopflaster? Zum Jubiläum und zur (Schief-)Lage der Kultkinos | Alfred Schlienger 8|9 Klangvolles Krächzen Christian Zehnder präsentiert mit Freunden seine neue Produktion | Alfred Ziltener 11 Ein Höchstmass an Freiheit Die Collage-Meisterin Hannah Höch im Museum Tinguely | Sibylle Ryser 16 Solider Einstieg in die zweite Spielzeit Schauspiel am Theater Basel – ein Rück- und Ausblick | Dominique Spirgi 7 Notizen Kurzmeldungen, Tipps und Hinweise | Dagmar Brunner (db), Christopher Zimmer (cz), Pia Zeugin (pz) 8—19 Emotionen pur Michael Fingers erster Film erzählt vom Umgang mit Verlusten | Alfred Schlienger 9 Intime Grösse Der Bird’s Eye Jazz Club startet mit vielseitigem Programm ins neue Jahr | Christopher Zimmer 10 Geheimnisvoll Die Basel Sinfonietta führt eine Komposition von A.L. Scartazzini auf | Alfred Ziltener 11 Ménage à trois Arnold Stadlers neuer (Liebes-)Roman | Roman Benz 12 Wiederverzauberte Welt Rüdiger Safranski stellt sein reichhaltiges Buch über die Romantik vor | Alexandra Stäheli 13 Reisen in Kopf und Welt Die -Lesungen berichten vom Unterwegssein | Christopher Zimmer 14 Mit realistischem Blick Die US-amerikanische Jugendbuchautorin Coe Booth gastiert im Laurenz-Haus | Martin Zingg 15 Verbarium Kleine Ausflüge ins Wesen der Verben, z.B. | Adrian Portmann 15 Attraktive Archive An der 8. Basler Museumsnacht geben über 30 Häuser Einblick in ihre Schätze | Pia Zeugin 17 Humor hilft! Die Ausstellung im Karikatur & Cartoon Museum thematisiert Tabus | Dagmar Brunner 18 Patente Schwestern und Tanten Wie lebten ledige Frauen vor 50 bis 100 Jahren in der Schweiz? | Dagmar Brunner 19 Rocknews Newsletter des RFV, Rockfördervereins der Region Basel | Lisa Mathys 20 | 21 KULTURSZENE Gastseiten der Veranstaltenden 22—48 Off Beat & Jazzschule Basel 31 Plattform.bl 33—40 Parterre 30 Bally Schuhfabrik A.G., Schönenwerd, um 1920/30 Ausstellung ‹Che Bandoneón›, Tangoschuhe, Paul Giger | Uraufführung 32 Film Kultkino Atelier | Camera | Club | Movie 43 Kunst Landkino 37 Aargauer Kunsthaus Aarau 46 Stadtkino Basel 42 Ausstellungsraum Klingental 47 Fondation Beyeler 44 Theater | Tanz Karikatur- und Cartoon Museum Basel 48 Galli Theater Basel 24 Kunsthalle Basel 47 Goetheanum-Bühne 34 Kunsthalle Palazzo Liestal 38 Neues Theater am Bhf Dornach | NTaB 34 Kunsthaus Baselland 47 Theater auf dem Lande 33 Kunstmuseum Basel 44 Theater Basel 23 Museum Tinguely 45 Theater Roxy 35 Theater im Teufelhof 24 Kinder Vorstadttheater Basel 22 Basler Marionetten Theater 33 K-Werk — Bildschule bis 16 27 Literatur Lyrik im Od-Theater 25 Diverse Wintergäste 2008 36 | 37 Burghof Lörrach 25 Feldenkrais — Bewegung — Raum 29 Musik Forum für Zeitfragen 27 Asasello Quartett 41 Imprimerie Basel 46 Basel Sinfonietta 39 Kaserne Basel 23 The Bird’s Eye Jazz Club 30 Kulturforum Laufen 38 Ensemble Erzsebet Basel 32 Kulturraum Marabu Gelterkinden 38 Gare du Nord 39 Kulturscheune Liestal 38 Heiliggeistkirche Basel 41 Naturhistorisches Museum Basel 48 Kammermusik Basel 42 Nellie Nashorn 24 Kammermusik um halb acht 42 Offene Kirche Elisabethen 32 Kuppel 30 Théâtre La Coupole St-Louis 25 Mimiko 30 Theater Palazzo Liestal 33 Music Now & All Blues 31 Unternehmen Mitte 28 | 29 Musique des Lumières 07—08 39 Volkshochschule beider Basel 29 Werkraum Warteck pp 26 AGENDA 49—63 Mehr Kulturanlässe in der kostenlosen Tagesagenda SERVICE Abobestellung 40 www.programmzeitung.ch|heute Verlosung Kultkinos 71 Museen | Kunsträume 64—67 Veranstalteradressen 68 | 69 Restaurants, Bars & Cafés 70 JANUAR 2008 | PROGRAMM ZEITUNG | 5
THIERRY LANG LYOBA LYOBA Traditionelle Musik aus Freiburg – arrangiert von Thierry Lang Le Ranz des vaches (J. Bovet) Thierry Lang, Piano (Steinway Modell D) Nouthra Dona di Maortsè (J. Bovet) Matthieu Michel, Jagdhorn, Trompete Heiri Känzig, Kontrabass, Perkussion Chante en mon cœur pays aimé (P. Kaelin) Daniel Pezzotti, Violoncello Adyu mon bi payi (P. Kaelin) Andy Plattner, Violoncello L’Immortelle de Jean (J. Bovet) Daniel Schaerer, Violoncello Nan (T. Lang) Ambrosius Huber, Violoncello www.musiques-suisses.ch Weiterbildung, die bewegt! Wo Kreativität Wo Kultur Kultur bleibt – Gestalt annimmt. und Management der Sache dient: Lernen Sie unser Studienangebot (Bachelor of Arts) an einer Informations- Masterprogramm veranstaltung kennen: Kulturmanagement Studienort Basel Kunst | HyperWerk | Innenarchitektur Informationsveranstaltung und Szenografie | Lehrberufe für Studiengang 2008 - 2010: Beginn Oktober 2008 Gestaltung und Kunst | Mode-Design Visuelle Kommunikation Donnerstag, 24. Januar 2008, 18.30 bis 20 Uhr Mittwoch, 16. Januar 2008, 19.00 Uhr Dienstag, 19. Februar 2008, 19.00 Uhr Die Studienleitung informiert über das berufsbe- in der Aula, Vogelsangstrasse 15, 4058 Basel gleitende Weiterbildungsangebot: Ziele, Studieninhalte, Dozierende, Methoden, Studienort Aarau Zulassung, Arbeitsaufwand, Zertifizierung usw. Industrial Design | Medienkunst Anmeldung nicht erforderlich. Freitag, 22. Februar 2008, 16.00 Uhr im Vortragssaal, 3. Stock, www.kulturmanagement.org Bahnhofstrasse 102, 5000 Aarau SKM Studienzentrum Rheinsprung 9 Kulturmanagement CH-4051 Basel Universität Basel Tel. ++41 61 267 34 74 Weitere Informationen über uns finden Sie auf www.fhnw.ch/hgk
KULTURPOLITIK GBK GENOSSENSCHAFT BASLER KLEINTHEATER SOLIDER EINSTIEG IN DIE ZWEITE SPIELZEIT Theater-Rück- und Ausblick WWW.BASLERKLEINTHEATER.CH Ein Jugend- und ein Kinderstück sind die zwei vorläufigen Höhepunkte der Schau- spielsaison am Theater Basel. Nicht grade wenig Druck lastete nach der ersten Spielzeit auf den Schultern der neuen Mannschaft des Theater Basel. Mit weniger Geld in der Kasse sollten Georges Delnon WIR BIETEN NICHT und seine Crew das grösste Dreispartenhaus der Schweiz auf Erfolgskurs trimmen NUR SPANNENDE ohne dabei das internationale Renomee aufs Spiel zu setzen. Ein Beginn unter schwie- rigen Vorzeichen: Die neue Theatermannschaft probierte einerseits aus, wagte Bühnen- KULTUR, experimente, wie die Saisoneröffnung mit Anna Viebrocks Laederach-Projekt, und scheiterte auf hohem Niveau; sie biederte sich auf der anderen Seite z.B. mit einer SONDERN AUCH banalen Musicalproduktion an, was ebenfalls nicht gelang. Alles in allem hinterliessen die Neuen am Theater Basel inhaltlich aber keinen ÜBER 100 VOLL- schlechten Eindruck, was auf die zweite Spielzeit hoffen liess. Diese ist nun knapp vier ZEITSTELLEN. Monate alt und weist bislang keine gescheiterten Experimente und keine anbiedern- den Grossproduktionen vor. Es ist ein relativ mutiger Spielplan mit wenig vorder- gründig ‹sicheren› Spielplanwerten – sogar beim obligaten Shakespeare hat man mit dem selten gespielten Stück ‹Antonius und Cleopatra› tief in die Mottenkiste gegriffen IHRE BASLER – und mit vielen Ur- und Erstaufführungen. Der Auftakt im Schauspiel war bezeichnend für den bisherigen Eindruck: Auf die im KLEINTHEATER. deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannte, aber leichtfüssig inszenierte End- zeit-Tragikomödie ‹Ein Morgen gibt es nicht› von Julien Green folgten mit dem sperri- gen ‹Bambiland›-Text von Elfriede Jelinek und einer leider nur halbwegs mutigen Interpretation von Lessings ‹Minna von Barnhelm› zwei markante Kontraste. Junges Publikum ernst genommen Am meisten zu überzeugen vermochte Schauspielchef Perrig, der mit seiner Inszenie- FAUTEUIL & N EUES TABOURETTLI rung von ‹Ein Morgen gibt es nicht› einmal mehr seine Fähigkeiten als ausserordent- WWW.FAUTEUIL.CH lich präziser Meister der Schauspieler-Führung mit einem feinen Sensorium für das BASLER MARIONETTEN THEATER richtige Timing und für bildstarke Bühnenmomente unter Beweis stellen konnte. Per- WWW.BMTHEATER.CH rig und das beherzt aufspielende Ensemble holten aus dem Stoff, der im dramatur- BASELDYTSCHI BIHNI WWW.BASELDYTSCHIBIHNI.CH gischen Aufbau irgendwo zwischen Ibsen und Goldoni liegt, das Beste heraus – ein BASLER KINDERTHEATER vergnüglicher Abend, nicht weniger, aber auch nicht mehr. WWW.BASLERKINDERTHEATER.CH Die oben angeführten Adjektive treffen auch für Perrigs zweite aktuelle Inszenierung VORSTADTTHEATER BASEL zu, die Kinderproduktion ‹Die Brüder Löwenherz› nach dem gleichnamigen Roman WWW.VORSTADTTHEATERBASEL.CH T H E A T E R IM T E U F E L H O F von Astrid Lindgren, die mit ihrer poetischen und bildlichen Kraft das ältere Publikum WWW.TEUFELHOF.COM beinahe noch mehr begeistert(e) als das ganz junge. Hier wird das Kinderstück ein- A T E L I E R -T T HEATER RIEHEN deutig als A-Produktion behandelt – ein Beweis dafür, dass es den Theaterleuten WWW.ATERLIERTHEATER.CH wirklich ernst ist mit der erklärten Absicht, alles dafür zu tun, um mehr Jungvolk ins JUNGES THEATER BASEL WWW.JUNGESTHEATERBASEL.CH Haus zu locken. Dies gelingt auch mit ‹Next Level Parzival› von Tim Staffel, mit dem FIGURENTHEATER VAGABU Sebastian Nübling sein in Basel bereits hinlänglich bekanntes Talent als Brückenbauer WWW.THEATER.CH/VAGABU.HTML zwischen jugendlichen Laien und erwachsenen Profis beweisen konnte. Die Kopro- KASERNE BASEL duktion mit der Ruhr-Triennale und dem Jungen Theater Basel führt auf mitreissend WWW.KASERNE-BASEL.CH rasant-fetzige Art und Weise in eine ebenso hippe wie geheimnisvolle Aura zwischen H A E B S E -T T HEATER WWW.HAEBSE-THEATER.CH realer und virtueller Existenz. D IE K U P P E L Solide, aber wenig aufregend WWW.KUPPEL.CH S U D H A U S W A R T E C K PP Weniger geglückt als die Eröffnungsproduktion waren die Folgestücke: Regieneuling WWW.SUDHAUS.CH Marie Bues hat sich mit dem sperrigen Jelinek-Textungetüm ‹Bambiland› etwas gar KLEINKUNSTBÜHNE RAMPE viel vorgenommen. Ihre Inszenierung beginnt ungemein stark, flacht dann aber rasch WWW.RAMPE-BASEL.CH ab. Vielversprechend ist auch der Einstieg in Alexander Nerlichs Inszenierung von PARTERRE WWW.PARTERRE.NET Lessings ‹Minna von Barnhelm›, der die Bühnenfiguren als völlig kaputte Existenzen THEATER ARLECCHINO präsentiert, die vom langen Krieg zu brutalen Untoten entstellt sind. Leider vermag WWW.THEATER-ARLECCHINO.CH das Ensemble diesen Mut zur Hässlichkeit nicht lange genug zu halten, so dass der R A U M 33 Theaterabend mit der Zeit etwas holprig und papieren wird. WWW.RAUM33.CH Das bislang Gezeigte und ein Blick auf den restlichen Spielplan lassen weiter hoffen – THEATERFALLE BASEL WWW.THEATERFALLE.CH darauf, dass die neue Schauspielcrew einen Weg finden wird, der über den soliden und vordergründig befriedigenden Stadttheaterhorizont hinausreicht. | Dominique Spirgi SEKRETARIAT: RHEINGASSE 13 Programm Theater Basel ÞS. 23 4058 BASEL | 061 683 28 28 BASLERKLEINTHEATER@BLUEWIN.CH JANUAR 2008 | PROGRAMM ZEITUNG | 7
FILM Team Kultkinos WARUM IST BASEL EIN HARTES KINOPFLASTER? NOTIZEN 30 Jahre Kultkino Ein Gespräch zur aktuellen Lage mit den beiden Geschäftsleiterinnen Romy Gysin und Heimisches Filmschaffen Suzanne Schweizer. db. Zum 43. Mal zeigen die Solothurner Film- Natürlich, ein Jubiläumsjahr würde man gerne anders feiern. Aber das erfahrene tage eine repräsentative Auswahl neuer Frauen-Duo, das die Geschicke der Kultkinos nun seit über 17 Jahren gemeinsam Schweizer Produktionen verschiedener Gen- lenkt, macht keine langen Umschweife: Das vergangene Jahr ist finanziell das schlech- res und Längen. Die Werkschau 2007 wird mit teste ihrer ganzen dreissigjährigen Geschichte. Nachdem schon 2006 ein Rückgang dem Animationsfilm ‹Max & Co.› eröffnet, der zu verzeichnen war, werden für 2007 nochmals um die 18 Prozent weniger Einnahmen als teuerster Schweizer Film aller Zeiten schon vor seiner Fertigstellung Lorbeeren kassierte. in der Kasse erwartet. Das geht ans Lebendige. Und natürlich hat man nach Gründen Insgesamt sind rund 300 Filme zu sehen, gesucht. Liegts am zu schönen Wetter? Am vor einem Jahr eröffneten Multiplex? Am darunter auch Musikclips, die zudem speziell Konkurrenten DVD -Heimkino? Oder doch vor allem an den fehlenden Zugpferden im juriert und an einem Podium diskutiert wer- 2007, mit denen man sonst die vielen kleineren Filme querfinanzieren konnte? Es den. Die Retrospektive ist dem Zuger Theater- spielt wohl alles zusammen, darin sind sich die beiden Geschäftsführerinnen einig. und Filmschauspieler Walo Lüönd gewidmet. Unklarheit herrscht aber darüber, ob der massive Rückgang als momentane Baisse Im Programm sind auch etliche aktuelle Filme oder als genereller, mit den bisherigen Mitteln nicht aufzuhaltender Abwärtstrend zu aus dem benachbarten Ausland, und alle interpretieren ist. Begleitveranstaltungen finden erstmals im Stadttheater Solothurn statt. Es werden zahl- Mehr Brainstream reiche Preise und Auszeichnungen verliehen. 2007 war für die ganze Kinobranche ein miserables Jahr. Das kann man aus den 43. Solothurner Filmtage: Mo 21. bis So 27.1., wöchentlich veröffentlichten Publikumszahlen aller Filme leicht ablesen. Aber anders Programm: www.solothurnerfilmtage.ch als die übrigen Kinobetreiber auf dem Platz Basel, die gern geschönte Berichte ver- breiten, sich ganz bedeckt halten oder ihren Hauptumsatz mit Barbetrieb und Popcorn Wissen weitergeben machen, spielen Romy Gysin und Suzanne Schweizer auch hier mit offenen Karten. db. Filme können die Welt verändern, davon Sie überlegen sich konkret zwei gegensätzliche Strategien. Die eine nennen sie augen- ist jedenfalls der Verein ‹Filme für die Erde› zwinkernd ‹Glaube, Liebe, Hoffnung!›, will sagen: Geduld, das ist eine Durststrecke, überzeugt. Der Ableger eines erfolgreichen wie wir sie früher auch schon erlebt haben; die Leute kommen wieder, wenn die richti- Projektes der Winterthurer Klimabewegung ‹myblueplanet› macht ausgewählte Dokumen- gen Filme kommen! Die andere Strategie heisst ‹Klein, aber fein!› und bedeutet im tarfilme, die sich mit globalen Problemen be- Klartext, dass man ein bis zwei Säle zumacht. Schliessungskandidat Nummer eins: fassen und zu nachhaltigem Handeln inspirie- Das Kino Movie am Claraplatz. Kandidat Nummer zwei: Das Kino Club am Marktplatz. ren, einem breiteren Publikum zugänglich, Filmfans blutet das Herz. indem er in Kampagnen gesponserte DVD s Eines aber ist klar: So oder so wird es bei den Kultkinos keinerlei inhaltliche Abstriche verteilt, die zum Weitergeben bestimmt sind. geben. Man hat schliesslich – als wohl einzige Kinobetreiberin in der Schweiz – ein Damit wird Wissen in Umlauf gebracht und Leitbild, das besagt, dass Kulturmaximierung vor Profitmaximierung kommt. Kult- Engagement gefördert. Von der Volkart-Stif- kino-Filme müssen bestimmten inhaltlichen und ästhetischen Kriterien genügen und tung anschubfinanziert und von viel Goodwill sollen auf sinnliche Weise zur Reflexion anregen: Brainstream statt Mainstream eben. unterstützt, hat die Idee bereits in verschiede- «Und Pausenunterbrechungen, nur um mehr Snacks zu verkaufen, kämen uns nie in nen Städten Verbündete gefunden. In Basel den Sinn», sagt Suzanne Schweizer lachend, «auch wenn das Lokalblatt behauptet, ich etwa sind das Jugendnetzwerk Idem und Mit- glieder des Unternehmens Mitte aktiv, wo nun hätte dies gesagt.» In den letzten Jahren haben die Kultkinos in ihren sieben Sälen regelmässige Filmabende geplant sind. Nach jeweils zwischen 150 und 180 Filme pro Jahr gezeigt. Bei der Teilschliessungsvariante dem ersten Abend mit ‹The Oil Crash› des Bas- würde dieses breite Angebot drastisch reduziert. Es wäre der sichere Tod für zahlreiche lers Basil Gelpke ist als Nächstes ‹We Feed The kleinere Filmperlen, die auf dem Platz Basel nie ins Kino kämen. Þ World› zu sehen. Abb. Romy Gysin, Olaf Kollodzinski, Ruth Grünenfelder, Suzanne Schweizer, Tobias Faust, Roman ‹We Feed The World›: Sa 5.2., 20.30, Mitte Weiss (v.l.n.r.), Foto: Verena Moser 8 | PROGRAMM ZEITUNG | JANUAR 2008
FILM Filmstill aus ‹Bersten› EMOTIONEN PUR Michael Fingers Film ‹Bersten› Achtung: Anschnallen! Nicht physisch, son- dern psychisch. Denn dieser Film ist eine emo- tionale Geiselnahme. Michael Finger, bekannt als vielfach ausgezeichneter Hauptdarsteller in ‹Utopia Blues›, erzählt in seinem Regie- Erstling drei Verlustgeschichten. Die allein- erziehende Mutter Elena (Doro Müggler) ver- Mehr Hindernisse liert bei einem Verkehrsunfall ihren Freund. Warum aber ist die Kulturstadt Basel für Studiofilme ein derart hartes Pflaster? Zürich Die Ärztin Biela (Sonja Grüntzig) erleidet eine Fehlgeburt. Und der junge Bauer Leachim und Bern etwa melden seit Jahren auch in den Arthouse-Kinos bessere Zahlen. Da (Kenneth Huber) findet seinen Vater von einem spielt vieles zusammen. Im Vergleich zu Bern etwa bietet Basel ein bedeutend grösse- Herzinfarkt niedergestreckt im Stall. Alle rea- res Gesamtkulturangebot. Ein Überangebot? Zudem spielen die Studiokinos in Zürich gieren sie äusserst heftig auf den schmerz- und Bern auch ausgesprochene Mainstream-Filme. In Basel ist der Trend umgekehrt, lichen Verlust. Und auch als ZuschauerIn wird hier schnappen die gewinnorientierten Kinoketten den Kultkinos erfolgversprechende man von der emotionalen Wucht dieser paral- Filme weg, die klar im Studiokinobereich zu positionieren wären. Jüngstes Beispiel: lel erzählten Eingangssequenz förmlich über- der rumänische Cannes-Sieger ‹4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage›. Andere Filme wie rollt. Für die restlichen 80 Minuten hat man ‹Babel› von Alejandro Gonzales Inarritu muss man, im Gegensatz zum früheren (und den Würgegriff um den Hals. eindringlicheren) ‹Amores perros› des gleichen Regisseurs, mit den Grosskinos teilen Finger lässt die drei Erzählstränge nebenein- – und macht deshalb kaum die halbe Kasse. Ähnliches wird wohl mit den neuen Fil- ander herlaufen, sich manchmal streifen, men von Ang Lee, Wong Kar-Wai oder Sofia Coppola (‹Lost in Translation›) passieren, manchmal überschneiden und wieder aus- einanderlaufen. Das erinnert in der Anlage alles alte Freunde im Studiokinobereich. und auch in der Emotionalität durchaus an Hinzu kommt in Basel eine demografische Struktur, die Statistiker mit den sogenann- ‹Amores perros› des Mexikaners Alejandro ten vier A’s umschreiben: mehr Alte, Arme, AusländerInnen und Arbeitslose, die nicht Gonzales Inarritu, allerdings ohne dessen dra- unbedingt den Weg in ein Studiokino finden. Kein Vorteil für Basel ist unter dem maturgische Stringenz zu erreichen. Fast Kino-Aspekt auch die Grenzlage: Der Radius des Einzugsgebiets halbiert sich prak- ausschliesslich in langen Plansequenzen ver- tisch, und auch die GrenzgängerInnen gehen wohl eher bei sich zuhause zum Halb- folgt Finger die Dialogpartien seiner Prota- preis ins Kino. Und nicht zu vergessen: Zürich und Bern besitzen immer noch mindes- gonistInnen und zeigt, wie sie mit ihrem Ver- tens zwei grosse Tageszeitungen, in denen die Filmkultur ausführlich, kompetent und lust nicht fertig werden. Das hat etwas manchmal eben auch kontrovers besprochen wird. Allein schon die Existenz eines Obsessives. Der Regisseur gönnt weder den zweiten Blattes sorgt oft bereits für mehr Seriosität. Figuren noch dem Publikum eine Atempause. Jedes Messer, das einer in die Hand nimmt, Mehr Leidenschaft auch wenn er damit nur schnitzen will, lässt Was hat sich, mit Blick auf die letzten Jahrzehnte, in der Kinobranche verändert? «Das uns das Schlimmste befürchten. Geschäft ist härter, hektischer, oberflächlicher geworden», betonen Romy Gysin und Von der Intensität und Authentizität des Suzanne Schweizer übereinstimmend. Die Verleiher verhalten sich immer gieriger, Spiels her gelingen einige Szenen schlicht kaufen Filme vermehrt schon ab Drehbuch, überbieten Konkurrenten oft mit horren- grandios. Michael Finger entwickelte die Dia- den Summen, um an einen erst auf dem Papier existierenden Stoff heranzukommen. loge gemeinsam mit den theatererfahrenen Das muss dann natürlich alles mit harten Marketingmethoden an der Kinokasse wie- SchauspielerInnen aus Improvisationen her- der eingespielt werden. aus. Manchmal holperts, manchmal brennts lichterloh. Trotz einiger erzähllogischer Unge- Aber die beiden Frauen wollen alles andere als jammern. Sie sind verliebt ins Kino, in reimtheiten liefert der Jungregisseur mit sei- ihren Beruf wie am ersten Tag. Ein Grossteil des Gesprächs dreht sich um Neugier, um nem Erstlingswerk, das er ganz ohne Beiträge Leidenschaften, um Lieblingsfilme. «Alles von Kaurismäki und Kusturica!», strahlt der öffentlichen Filmförderungsgremien reali- Romy Gysin. Da ist sie, diese so gegensätzliche, so persönlich gestützte Spannbreite, siert hat, deutlich mehr als nur eine Talent- die das Programm der Kultkinos ausmacht. Suzanne Schweizer ergänzt: «Ich hab ein- probe. Seine Weltpremiere erlebte der wir- fach eine unbändige Lust auf Inhalte, auf Auseinandersetzung. Und dazu braucht es kungsvoll in die toggenburgische Landschaft wahrscheinlich auch so etwas wie eine gesellschaftliche Sehnsucht.» um Lichtensteig eingebettete Film am World Wie sieht er denn aus, der ideale Zuschauer, die Wunschzuschauerin? «Jemand, der Film Festival in Montreal. ‹Bersten› ist auch sich berühren lässt, der schauen kann, ohne sofort einzuordnen. Jemand, der neugie- für den Schweizer Filmpreis 2008 nominiert. rig ist, auch im visuellen Bereich Ungewöhnliches und Vielschichtiges zu entdecken. | Alfred Schlienger Letztlich geht es immer um Offenheit und Emotion!» | Alfred Schlienger Der Film läuft ab Januar in einem der Kultkinos Programm Kultkinos ÞS. 43 JANUAR 2008 | PROGRAMM ZEITUNG | 9
MUSIK Bandonion, Alfred Band, Krefeld, Anfang 20. Jh. ‹Kraah›, Fotos: Muriel Steiner, Artwork: Benedikt Fürst INTIME GRÖSSE Jahresbeginn im Bird’s Eye den selten gespielten Songbooks von Bill Evans und Enrico Pier- anunzi, ungewohnt klingenden Standards des Great Amercian Man kann klein sein und dennoch Grosses bewirken – der Songbooks oder den Jazztunes eines Wayne Shorter. Basler Jazz Club Bird’s Eye macht es vor. Seit seiner Gründung Neben diesem lokalen Stimmungsbild startet das Bird’s Eye im Jahre 1994 wird hier die Liebe zum Jazz und die regionale Anfang Jahr eine Zusammenarbeit mit dem Musikmuseum. wie internationale Szene gepflegt, beharrlich und erfolgreich. Anlässlich der Ausstellung ‹Che Bandoneón! – Ein Instrument Kein Wunder also, sondern ein Verdienst, dass das Musiklokal tanzt Tango› begibt sich der Jazzclub auf die ‹Spuren von Akkor- im März 2007 vom Szenemagazin Easy Jet an die erste Stelle der deon und Bandoneón im Jazz und jazzverwandter Musik› – mit drei besten Jazzclubs Europas gesetzt wurde. Dazu beigetragen 16 Konzerten von Januar bis Juni, die hörbar machen, was haben die einmalige, bei den MusikerInnen und dem Publikum im Musikmuseum zu sehen ist. Neu sind im Club auch die gleichermassen beliebte Atmosphäre, die kontinuierliche Anfangszeiten: Auf vielfachen Wunsch beginnen die Abende Lobbyarbeit für den Jazz, die Vernetzung im Basler Kulturleben bereits um 20.30 Uhr, das zweite Set jeweils um 21.45 Uhr. Und und natürlich die Vielfalt der Programme. Der erste Monat im wer das alte Jahr mit Wehmut verabschiedet, dem sei die neue neuen Jahr stellt dies an nicht weniger als 20 Abenden ein- CD ‹Live at the Bird’s Eye› Vol. 9 mit wunderschönen Jazzballa- drücklich unter Beweis. den ans wunde Herz gelegt. | Christopher Zimmer The Bird’s Eye Jazz Club, Kohlenberg 20, Programm ÞS. 30 Den Januar-Schwerpunkt bildet die vierte Auflage einer Rund- umschau auf die Basler Jazz Tradition: In zehn Konzerten span- CD Live at Bird’s Eye Vol. 9, ‹Ballads›, CHF 30 nen hiesige Formationen den Bogen vom Swing der Vierziger- Ausstellung ‹Che Bandoneón! — Ein Instrument tanzt Tango›: und Fünfzigerjahre über den New Yorker Sound der Sechziger Fr 18.1., 18.30, bis So 13.7., Musikmuseum, Im Lohnhof 9 bis zu Eigenkompositionen. Begegnen kann man dabei auch NOTIZEN Schlager & Chansons Kammermusik Fantastischer Held db. Seit über sechs Jahren macht die Kultur- db. Aus Rumänien, Russland und der Schweiz db. Er ist eine literarische Figur, die weltbe- scheune in Liestal regelmässig mit kleinen, bzw. Basel stammen die MusikerInnen des kannt wurde und zahlreiche Künstler, Film- feinen Veranstaltungen von sich reden und er- Nathan (Streich-)Quartetts aus Hamburg, die schaffende und Komponisten zu eigenen Wer- freut sich grossen Zuspruchs. In der sorgfältig u.a. regelmässig in Basel auftreten. Die Pflege ken angeregt hat: Don Quixote de la Mancha. modernisierten ehemaligen Kornscheune sind der Kammermusik, auch im Zusammenhang Der zweiteilige Roman von Miguel de Cervan- Konzerte verschiedener Stilrichtungen sowie mit anderen Künsten (Malerei, Literatur), ist tes erzählt von einem verschrobenen kleinen Theater-, Tanz- und Kabarettdarbietungen zu ihnen ein besonderes Anliegen. Sie spielen Landadligen in Spanien, der sich nach der Lek- erleben, und zweimal jährlich gibt es eine ein vielfältiges Repertoire in gelegentlich un- türe von Ritterromanen selber als fahrender Kunstausstellung; zudem wird der Raum für terschiedlicher Besetzung, bestreiten eine ei- Ritter ausgibt und mit seinem Gaul Rosinante Privatanlässe vermietet. Um Programm und gene Konzertreihe und erteilen zudem an ver- sowie dem ‹Schildknappen› Sancho Panza für Organisation kümmern sich engagiert Esther schiedenen Orten Kammermusikkurse. Unter seine imaginierte Herzdame Dulcinea angebli- und Werner Leupin-Walther. Das Jahr beginnt dem Titel ‹Klangwelten – Worträume› gastie- che Heldentaten und Abenteuer besteht. Das bei ihnen mit leichter Muse: Franziska Badert- ren sie in dieser Saison fünfmal in Basel und Buch erschien 1605, wurde als ironische Zeit- scher (Stimme) und David Wohnlich (Klavier) führen im Januar sogar ein kleines Kammer- kritik aufgefasst und zu einem Klassiker, der treten mit Schlagern aus den Zwanziger- und musikfestival durch. An drei Abenden sind heute noch zu inspirieren vermag. So hat etwa Dreissigerjahren auf. Die Idee eines gemein- vorwiegend bekanntere Stücke von Haydn, der in Basel wohnende Komponist José Javier samen Chansonabends entstand, als die Profi- Mozart, Schubert, Smetana und Brahms zu Navarro zehn junge, in der Schweiz lebende Flötistin Badertscher sich beim Opernsänger hören, u.a. mit dem elfjährigen Namensgeber BerufskollegInnen verschiedener Nationalitä- und Komponisten Wohnlich weiterbildete. Die Nathan Matchin. Einführungen stimmen je- ten beauftragt, je ein Kapitel des Romans zu Lieder werden ohne Genre-Attitüden und mit weils auf die Konzerte ein. vertonen. Die Resultate sind nun mit Sänger, eigenwilliger Klavierbegleitung präsentiert. Kammermusik-Festival: Fr 11. bis So 13.1., Gitarre, Kontrabass und Elektronik zu hören. ‹Benjamin, ich hab’ nichts anzuziehn›: Sa 5.1., Zunftsaal Schmiedenhof, Rümelinsplatz. ‹Don Qvixote — readymade›: Do 17. bis So 20.1., 20.30, Kulturscheune Liestal ÞS. 38 Weitere Infos: www.nathanquartett.de Gare du Nord ÞS. 39 10 | PROGRAMM ZEITUNG | JANUAR 2008
MUSIK GEHEIMNISVOLL Uraufführung Scartazzini-Komposition Zwischen der zweiten Sinfonie von Karl Ama- deus Hartmann und Alexander von Zemlins- kys ‹Lyrischer Sinfonie› spielt die Basel Sin- fonietta in ihrem nächsten Konzert eine Uraufführung für hohen Sopran und grosses Orchester: ‹Siegel› des jungen Basler Kompo- nisten Andrea Lorenzo Scartazzini. Mit die- sem Werk setzt das Orchester einen Zyklus von Auftragswerken fort, der seine laufende Spielzeit prägt. Zunächst sollte Scartazzini ein reines Orches- terstück schreiben; als er jedoch erfuhr, dass die Sopranistin Claudia Barainsky in der ‹Lyri- schen Sinfonie› mitwirken würde, entschloss KLANGVOLLES KRÄCHZEN er sich, einen Vokalpart einzufügen. Seit er ‹Kraah› in der Kaserne die Sängerin im Konzert gehört hat, ist er begeistert von ihrem Können und ihrer «ab- Christian Zehnder geht mit Michael Pfeuti, Thomas Weiss und Gästen auf Tournee mit solut schwerelosen, unendlichen Höhe». Sie seiner neuen Musikproduktion. eröffnet seine Komposition; mit wenigen Mit einem nachgeahmten Rabenschrei beginnt Christian Zehnders aktuelle Compact gesungenen Takten stösst sie das musika- Disc, und ‹kraah› ist denn auch der Titel des Albums. Seit Ende August ist es auf dem lische Geschehen an – «ihr Gesang ist wie ein Markt, wird von der Kritik gelobt und vom Publikum gekauft. Nun startet in Basel die Zauberspruch», sagt Scartazzini. Konzertournee mit Musik der CD und weiteren neuen Stücken. Zwar gab es zur CD - Das Stück besteht aus zwei sehr unterschied- Veröffentlichung zwei Vorpremieren, eine beim Festival ‹Alpentöne› in Altdorf und lichen, nur durch eine Generalpause getrenn- ten Teilen. Der erste ist schrundig und rau, mit eine beim Zürcher Theaterspektakel, doch die Tourneevorbereitungen waren damals gewaltigen Klangeruptionen. Er soll an archai- noch nicht abgeschlossen. sche, schamanische Rituale erinnern. Bei der Warum ein Rabe als Leitfigur? Zehnder war fasziniert vom Symbolgehalt des Tiers. Komposition habe er immer wieder an Bilder Der Rabe wird als Unglücks- und Todesvogel gesehen, früher dagegen hatte er eine po- aus Pasolinis ‹Medea›-Verfilmung gedacht, er- sitive Bedeutung, etwa als Vogel des Gottes Odin und als Zeichen der Treue: Rabenpär- zählt der Komponist. Der zweite Teil ist dem- chen bleiben ein Leben lang zusammen. Unter OrnithologInnen gilt das Tier als der gegenüber durchsichtig instrumentiert und am höchsten entwickelte Singvogel. Wir hören in der Regel bloss sein monotones von fast intimer Zartheit. Instrumente, die im Krächzen, doch z.B. in der Paarungszeit zeigt es sich, dass er ein sehr differenziertes ersten Teil nur geräuschhaft zu hören waren, Laut-Repertoire hat, das er aber selten einsetzt. Das verbindet ihn mit dem Menschen, beginnen nun zu klingen. Das Orchester berei- der nur einen Bruchteil seiner enormen vokalen Möglichkeiten nutzt. So ist der Rabe tet quasi den Boden für den zweiten Auftritt quasi eine Gegenfigur zu Zehnder selbst, der auch diesmal seine Stimme bis in ihre der Sängerin mit der Vertonung des letzten von Rilkes ‹Sonetten an Orpheus›. Dieser her- hintersten Winkel auslotet. metische Text hat dem Werk den Namen gege- Volksmusik, Theatermusik, Musiktheater ben. Er schliesst es ab wie ein Siegel, das ein ‹Kraah› ist ein sehr persönliches Album. Einerseits greifen die im Lauf der letzten Geheimnis andeutet, aber nicht preisgibt. Jahre entstandenen Lieder subtil und durchaus autobiografisch die Thematik von Seine rätselhaften Bilder verweisen über das Liebe, Trennung und Neubeginn auf. Anderseits hat sich Zehnder dafür mit befreun- Stück hinaus und sollen nach der Aufführung deten und bewunderten MusikerInnen zusammengetan, darunter Christoph Martha- weiterwirken. ler, der in einer Nummer als Blockflötist auftritt. Der Bogen spannt sich von Vertretern Die beiden Teile des Werks sind zwar ge- gensätzlich, doch motivisch untereinander avancierter Schweizer Volksmusik, wie dem Geiger Noldi Alder, über den Jazz-Klari- verbunden. Die Wiederholung – nicht als nettisten Don Li bis zum ‹casalQuartett›. So ist ‹kraah› ein stilistisch vielfältiges Pro- plumpe Repetition, sondern als Aufscheinen gramm geworden, eine Reise durch unterschiedliche Klanglandschaften. des Vergangenen, bereits Gehörten, in neuer Mit dem vielseitigen Casal-Streichquartett will Zehnder künftig öfter zusammenarbei- Gestalt – fasziniert Scartazzini zunehmend. ten. Geplant ist eine Weiterführung von ‹kraah›, die beim nächsten ‹Stimmen›-Festi- Zudem nutzt er differenziert die Klangmög- val Premiere haben soll. Überhaupt will sich Zehnder stärker mit der ‹klassischen› lichkeiten eines gross besetzten Orchesters Musik beschäftigen: «Ich will meinen Bariton wieder mehr pflegen», meint er selbst- mit reichem Schlagzeug. «Und bei der Sinfo- ironisch. Sein Traum ist, einmal Schuberts ‹Winterreise› zu singen – in einer eigenen nietta», fügt er an, «weiss ich, dass sie spielen Bearbeitung, versteht sich. kann, was ich schreibe. Das gibt beim Kompo- Die Tournee bestreitet Zehnder mit zwei Basler Musikern: Der Perkussionist Thomas nieren Sicherheit.» | Alfred Ziltener Weiss ist wie er selber ein Klangtüftler und Instrumentenerfinder; der Bassist Michael Konzert der Basel Sinfonietta mit Scartazzinis Pfeuti fungiert als Motor und Rückgrat des Trios. Bei einzelnen Auftritten werden ‹Siegel› (Uraufführung): So 20.1., 19.00, Stadt- casino Basel ÞS. 39 Gäste dazukommen: In der Kaserne sind das Don Li und Anton Bruhin. Bruhin ist bildender Künstler und ein Virtuose auf dem Trümpi, der Schweizer Maultrommel, die er – noch ein Tüftler! – eigenständig weiterentwickelt hat. Und mit einem Ausschnitt aus der ‹Winterreise› wird auch Schubert präsent sein. | Alfred Ziltener ‹kraah› live mit Christian Zehnder, Michael Pfeuti, Thomas Weiss und Gästen: Do 3. und Sa 5.1., 20.00, Kaserne Basel CD ‹kraah›, Label Alpentöne, Vertrieb Phonag Records AG. Weitere Infos: www.zehndermusic.ch JANUAR 2008 | PROGRAMM ZEITUNG | 11
LI TE R A TU R MENAGE A TROIS Buchbesprechung August 1978. Roland und Rosemarie, die in Freiburg i.Br. Philosophie respektive LITERA-PUR Mediz in studieren, verbringen ihre vorgezogene Hochzeitsreise auf Capri. I hr Ent- Enz iloc h schluss, im November zu heiraten, gerät arg ins Wanken, als am Nacktbadestrand Jim Dem Toni sein Blut habe sie nicht, sagt sie, sie aus den Fluten steigt. Beide verlieben sich auf den ersten Blick in den gutaussehenden sei froh, so komme sie für die Spende nicht in Italo-Amerikaner, doch nach der ersten Liebesnacht zu dritt bahnt sich eine Zweier- Frage. Möge er sterben oder leben, aber leben beziehung ohne Roland an. Nachdem sie noch gemeinsam auf dem Petersplatz in Rom nicht wegen ihr. die Wahl des neuen Papstes, Johannes Pauls 1., miterlebt haben, reist Roland allein zur Ruedi säuft und seine Nase rotzt, wenn er uns Beerdigung seines Grossvaters in die alemannische Provinz zurück. I m Schmerz des einen Luzerner Kafi anbietet. Er mag den Kafi Verlassenseins beginnt er mit Tagebuchaufzeichnungen. lieber durchsichtig, sagt er, und trink t direk t Jim und Rosemarie fahren nach einem Aufenthalt in Florenz ebenfalls nach Deutsch- von der Flasche. land. I n Freiburg k ommt es z um Wiedersehen und zu einer kurzen I\Unage ä trois. Du hast doch nicht etwa Angst, sagt mir dem Tagsüber, wenn Rosemarie an der Uni ihre medizinischen Experimente an Labor- Ruedi sein Sohn, die Enzilochmanne gibt es mäusen durchführt, schlafen im bereits angeschafften Ehebett Jim und Roland mitein- nicht wirk lic h, die stellt man sich nur vor mit ander, in der Nacht Jim und Rosemarie. Nach dreiunddreissig Tagen endet g l e i c h - ihren Reisiggewändern und den bösen Frat- zen. zeitig mit dem kurzen Pontifikat Johannes Pauls d i e rauschhafte Liebe Rosemaries Erwin haute ab, als meine Mutter noch Nonne zu Jim. Auf Capri schwanger geworden, erklärt sie Roland zum Vater des ungeborenen war, wahrscheinlich war er schwul. Kindes. Jim kehrt in die USA zurück, Rosemarie macht eine akademische Karriere, Der Kuno, als Kind ein herziger Blondschopf, und Roland, der gescheiterte Philosophiestudent, wird Schriftsteller. zupfte früher noch die Hasen an den Ohren, Am Beispiel der drei Haupt - sowie zahlreicher Nebenf iguren beschreibt Arnold heute zwickt er mic h in den Arsch. So macht Stadler i m Roman die Liebe i n ihren homo-, bi- und hetero- man das dort, wo sie herk ommen, mit Tierli sexuellen Erscheinungsformen, ihr glückliches Gelingen ebenso wie die Schmerzen, und Frauen. die sie bereitet und wie sie manchmal gar zur Schriftstellerei führen kann. Er umkreist Und der gmögigste ist bereits tot, die holts im- das grosse Thema der Liebe unermüdlic h, ohne sich je auf endgültige Erklärungen mer zuerst, der Seppi, verunfallt mit 17 Jahren festzulegen, und stellt vielfältige Beziehungen zu bekannten Liebesgeschichten aus Li- im Hohigen Rank, Gott hab ih n s elig, sagt teratur und Film wie beispielsweise Julien Greens oder Pasolinis meine Mutter. Angefasst hat er sie nicht. Und alles nur, weil mein Grossvater seine Kin- her, dessen Hauptdarsteller Jim zum Verwechseln ähnlich sieht. der nicht mochte, nur die Kühe und Kätzli. Trotz aller Unbes t immt heit wird deutlich, dass die katholische Erziehung Roland Am Flughafen, sagt meine Mutter, w i l l s ie daran hindert, seine homosexuellen Neigungen ungehemmt auszuleben. Als die Ehe eben doch, dass jemand da is t vom gleichen mit Rosemarie scheitert, heiratet er zum zweiten Mal, sucht aber weiterhin Männer- Blut. Wer fliegt, will eine Familie. Meine Tante bekanntschaften. Das Buch endet damit, dass Roland im November 1989 zum ersten käme, käme sie nic ht zu spät. Dem Flugzeug Mal zu Jim in die USA fliegt. Er wird den Mauerfall in Miami verschlafen. wink t sie nach, sie sagt, der Alz heimerueli sei Gewagte Metaphern wie «Die Schmetterlinge im Bauch verliehen ihm Flügel» und die jetzt übrigens in der Psychi. Und meine Mut- häufige Verwendung von wohlklingenden, zugleich aber seichten Redensarten («Aus ter würde sagen, sollen sie leben oder sterben, solchen Augenblicken, die bald vergessen waren, setzte sich das Leben zusammen») die Enzilochmannenbrüder. schmälern den Lesegenuss ebenso wie die bemüht wirkenden , dass Rose- I M ich a e la Frie m e l marie und Jim sich genau während des Pontifikats lieben oder die Berliner Mauer zeit- Pu b liku m s-Sie g e rt e xt a m Fin a le d e s Sch re ib - gleich mit Rolands Amerikabesuch fällt. Versucht der Autor die Unmöglic hk eit der wettbewerbs
LITERATUR | KULTURGESCHICHTE Lesestoff zu einer Produktionswut, in der bald alles verarbeitet wird, was man jemals gedacht und vor allem auch gelebt hat: Die RomantikerInnen der ersten Stunde betreiben nichts Geringe- res als die Verwandlung von Kunst in Leben und Leben in Kunst – ein Projekt, an dem sich im 20. Jahrhundert nicht nur unzäh- lige Kunstströmungen, sondern auch politische Bewegungen wie die Studentenrevolten 1968 von Neuem abarbeiten werden. Zwischen Entfremdung und Transzendenz Der deutsche Philosoph und Schriftsteller Rüdiger Safranski zeichnet in seinem neuen Buch ‹Romantik. Eine deutsche Affäre› – nach Biografien von Schiller und Nietzsche und Mono- grafien über den deutschen Idealismus und über das Böse – ein- mal mehr lustvoll und plastisch die Gedankenlinien einer Epo- che nach, ergründet ihre Sehnsüchte, Befindlichkeiten und Erschütterungen und verfolgt deren Nachbeben bis in unsere Zeit. Dabei flicht Safranski elegant verschiedene thematische Stränge ineinander, von denen in jedem Kapitel jeweils einer näher beleuchtet wird, während die anderen im Hintergrund immer spürbar bleiben. Das in die beiden Teile ‹Die Romantik› und ‹Das Romantische› gegliederte Buch erzählt so zum einen vom Aufbruch und Erkal- ten einer energiegeladenen, schöpferischen Bewegung zwi- schen Französischer Revolution und Restauration, zum anderen aber auch die Geschichte einer ‹Geisteshaltung›. Die- ses Prinzip des Romantischen beschreibt Safranski als eine nicht zuletzt auch fatale Mischung aus Weltfremdheit, der Entrückung eines vergeistigten Ichs aus jedem konkreten (politischen) Handlungszusammenhang, und Weltfrömmig- WIEDERVERZAUBERTE WELT keit, dem schwärmerischen Aufladen aller Lebensbereiche Buchbesprechung mit quasi-religiösem Mystizismus. Es ist diese unheilige Der Philosoph Rüdiger Safranski stellt seinen literarischen Allianz zwischen Entfremdung und Suche nach Transzendenz, Überflug ‹Romantik. Eine deutsche Affäre› vor. die nach Safranski den mentalen Boden für das NS-Regime Als der Philosoph Johann Gottlieb Fichte nach einem märchen- gelegt hat, weshalb die Romantik eben ‹eine deutsche Affäre› haften Aufstieg vom Viehhirt zum Kant-Spezialisten 1794 an die geblieben ist. Universität Jena berufen wird, ist es, als würde das bis dahin Auch wenn nun all diese Thesen und Gedankenstränge inner- verschlafene Städtchen von einem geistigen Blitz getroffen: Mit halb der Geistesgeschichte nicht unbedingt revolutionär dem 32-jährigen energischen Philosophen und seinem Prinzip klingen mögen, so ist es doch das Verdienst von Safranskis eines unendlich tätigen, weltschaffenden Ich schlägt die Eupho- Buch, dass es sie leichtfüssig und sehr anschaulich auf den rie in Jena ein. Für kurze Zeit versammeln sich hier alle, die mit Punkt bringt. Wie Goethe misstrauisch und auch etwas gries- ihrem Ich hoch hinaus wollen: August Wilhelm Schlegel, der in grämig das immer leicht überspannte Treiben von Schlegels Jena Literatur lehrt und für Schillers Zeitschrift ‹Die Horen› Kreativ-Kommune beobachtet; wie der Höhenflug der zarten schreibt, empfängt in seinem Haus eine illustre Gesellschaft, Seelen, ihre schöpferische Risikolust bald schon in Traditio- die viel später unter dem Namen ‹Jenaer Romantik› in die nalismus und Katholizismus umschlagen – das alles ist nicht Literaturgeschichte eingehen wird. Ludwig Tieck, Clemens nur sehr flüssig zu lesen, vielmehr erzeugt Safranskis (selbst Brentano, Novalis und der Naturphilosoph Friedrich Schelling zutiefst romantischer) Text auch einen Sog, der die versunkene sind da, die Dichterinnen Caroline Schlegel, Dorothea Veit und Leserin von jener Lesesucht kosten lässt, welche die Fantasie Sophie Mereau; Friedrich Hölderlin, noch voller Hoffnung, der Jenaer Wohngemeinschaft zu unzähligen Geschichten kommt, um Fichte zu hören – und über allen schwebt August beflügelt hatte. | Alexandra Stäheli Wilhelms genialischer Bruder Friedrich Schlegel. Rüdiger Safranski, ‹Romantik. Eine deutsche Affäre›. Carl Hanser Die täglichen Treffen der Runde werden bald schon zu einem Verlag, München, 2007. 415 S., gb., CHF 44.50 legendären Ritual. Man liest sich vor, diskutiert aufs Intensivste Der Autor liest: Fr 25.1., 20.00, Vortragssaal Kunstmuseum Basel. und lüftet die heiss gewordenen Köpfe bei gemeinsamen Begrüssung Ueli Mäder, Musikbegleitung Isora Maria Castilla Rocha Spaziergängen durch die Landschaft aus; man erforscht die (Klavier) und Anders Miolin (13-saitige Gitarre) Wechselwirkung zwischen Vernunft und Sinnlichkeit – und Romantische Literatur- und Gourmetreise: Sa 26.1., 11.00—14.00, Grand- verliebt sich variantenreich ineinander. Man weigert sich, die hotel les Trois Rois. Worte (Safranski), Musik (Miolin). Reservation von der Aufklärung entzauberte Welt als einzig mögliche an- erforderlich: Buchhandlungen Bider & Tanner und Kunstmuseum. zuerkennen – und stachelt sich gegenseitig zu immer neuen Organisation: Beat Toniolo spielerischen, fantastischen und spekulativen Gedanken über Abb. Philipp Otto Runge (1777—1810): Der Morgen, 1809. Kunsthalle, die grossen Themen des Menschengeschlechts an. Dabei führt Hamburg die plötzlich um sich greifende Sucht nach neuem Denk- und JANUAR 2008 | PROGRAMM ZEITUNG | 13
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