Predigt am 24.Mai 2020 - Warum lässt Gott das zu? -Leid, Zweifel und Verzweiflung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Warum lässt Gott das zu? -Leid, Zweifel und Verzweiflung Predigt am 24.Mai 2020
Christus spricht: Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Johannes 12,32) Ja, es ist eine Frage, die viele schon in die Verzweiflung getrieben haben Warum lässt Gott das zu? Mit der sechsten Predigt unserer Reihe "W- Fragen, die weh tun" stelle ich mich den Herausforderungen "Leid, Zweifel und Verzweiflung." Verbunden ist damit die Frage, ob Gott angesichts der vielen Not wirklich gerecht sein kann. Gerade mit diesen Fragen stehen wir vor Gott. Er ist bei uns. Wir feiern im Namen Gottes des Vaters und des Soh- nes und des Heiligen Geistes. Amen. Psalm 13 HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele / und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich er- heben? Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott! Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe, dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden, und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke. Ich traue aber darauf, dass du so gnädig bist; / mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, dass er so wohl an mir tut. Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewig- keit zu Ewigkeit. Amen. Lebendiger Gott, durch Jesus Christus unser Vater, alles scheint so selbstverständlich zu sein: Essen und Trinken, unsere Gesundheit, unser Arbeitsplatz - wenn wir ihn haben, unser Gehalt, unser Wohlstand, unser Glück. Nichts davon wollen wir verlieren. Darum klammem wir uns daran fest, koste es, was es wolle. Doch wir vergessen, daß alle Güter unseres Lebens ein unverdientes Geschenk sind. Und wir vergessen, wie zerbrechlich und vergänglich dies alles ist. Und wir vergessen, daß wir auf Kosten von anderen unser Glück genießen. Wir vergessen das Leid des Nachbarn. Ach Gott, unsere Vergeßlichkeit, unsere Oberflächlichkeit und Raffsucht ist unsere Sünde. Erbarme dich unser, damit wir aufmerksam werden für die Sorge, mit der du unser Leben begleitest und entlastest. Höre uns, wenn wir unsere Sorgen dir in der Stille sagen und miteinander und füreinander beten... Verlass mich nicht Herr, mein Gott sei nicht ferne von mir, Eile mir beizustehen, Herr meine Hilfe (Psalm 38, 22f) Liebe Zuhörer/innen und liebe Gemeinde, ich hatte gerade meine ersten Erfahrungen als junger Pfarrer gesammelt, da erreicht mich ein Anruf aus dem Nach- barort. Können Sie in der nächsten Woche ein Sternenkind beerdigen. Ich kannte den Begriff damals nicht und frag- te nach. Ja, das Kind ist im fünften Monat im Mutterleib verstorben. Ich hatte schon einige Erfahrungen mit Be- stattungen gesammelt, aber diese werde ich nie vergessen. Die Wucht der Trauer und die wirklich ausgesprochene Frage: Warum? Warum hat Gott das zugelassen. Leid, Zweifel und Verzweiflung waren für mich körperlich spürbar. Warum, Gott? Im selben Jahr läutet es an der Pfarrhaustür. Vor mir stehen zwei Beamte der Polizei. „Können Sie uns helfen, eine Todesnachricht zu überbringen?“ 24 Jahre alt ist er gewesen. Auf der gerade neu eröffneten Straße zwischen Böh- ringen und Urach ist er frontal mit einem überholenden Auto aus dem Gegenverkehr zusammengestoßen. Warum? Ich höre den Schrei der Mutter heute noch. Die Frage kommt ja immer wieder. Wir besuchen vor zwei Jahren eine Pygmäen Siedlung in Burundi, Afrika. Hun- derte Kinder begrüßen und. Aber bei einem da sticht es mich ins Herz.
Sicherlich auch schon sieben Jahre alt, kommt es auf allen Vieren auf uns zu. Der Rücken ist verkrümmt, es kann nicht laufen, seine traurigen Augen sehen uns vom Boden aus an. Warum? Warum, Gott? Mit diesen drei Erfahrun- gen möchte ich das Thema heute eröffnen. Es ist die Frage nach Gottes Gerechtigkeit. Keine Erörterung am Schreibtisch, sondern aus dem Leben heraus. Und Sie könnten jetzt viele Erfahrungen aus Ihrem Leben mit dazule- gen, bei denen Sie nichts anderes mehr sagen konnten. Warum? Das ist nicht gerecht, Gott? Was hast du dir dabei gedacht? Spannend, dass diese Situationen in der Bibel auch immer wieder erzählt werden. Leid, Zweifel und Verzweiflung, das ist der Stoff aus dem die Geschichte der Menschen geformt wurden. Das sind keine Sagen, das ist wirkliches Leben. Wir im wirklichen Leben geht auch nicht alles auf. Ich mache einmal einen ersten Anlauf und schaue mit Ihnen in eine der ganz alten Geschichten. Ismael war der erste Sohn Abrahams. Sie haben richtig gehört. Gott hat ihm zwar verheißen, dass er Nachkommen ohne Zahl be- kommen würde, aber irgendwie hatte das mit seiner Frau Sara nicht hingehauen. Dann greift Sara zum Mittel der ersten Wahl, das damals moralisch nicht umstritten war und bringt ihre Magd Hagar ins Spiel. Auf Ihrem Schoß soll sie das von Abraham gezeugte Kind zur Welt bringen und so einen rechtmäßigen Nachfolger haben. Eine Art Leih- mutterschaft, schon damals. So weit so schlecht. Hagar bekommt das Kind, Ismael. Sara dann aber auch noch den Isaak, wie von Gott versprochen. Nun ist es ein Kind zu viel. Sara jagt Hagar mit Ismael in die Wüste. Leider reicht das Wasser nicht mehr. So lesen wir. Als nun das Wasser in dem Schlauch ausgegangen war, warf sie den Knaben unter einen Strauch 16 und ging hin und setzte sich gegenüber von ferne, einen Bogenschuss weit; denn sie sprach: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben. Und sie setzte sich gegenüber und erhob ihre Stimme und weinte. (1.Mose 21, 15,16) Mir hat es schon als Kind das Herz zerrissen, dass eine Situation so ausweglos sein kann. Sie bildet das Leid von so vielen Menschen ab. Ich kann es nicht mit ansehen. Halten wir zunächst einmal die Verzweiflung aus. Gott ist ver- borgen, nicht da. Gott zeigt seine dunklen Seiten, nicht mehr greifbar. Martin Luther hat mir der Rede vom verborgenen und offenbaren Gott einen Spagat versucht. Immer wieder hatte er im Lauf seines Lebens erfahren müssen, dass die Rechnung nicht aufging. Kaum hatte der erste Siegeszug der Reformation Deutschland und auch Teile Europas verändert, bricht der Bauernkrieg aus. Eigene Freunde verlassen ihn. Die Bewegung spaltet sich. Das zweite Kind stirbt in seine Armen. Gott hat sich verborgen. Am tiefsten empfinden wir das unter dem Kreuz. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen,“ schreit Jesus. Nun ist es so, dass viele Menschen beim Karfreitag bleiben. Der Zweifel und die Verzweiflung sind so tief, dass sie kein Licht mehr sehen können. Die Dunkelheit lastet so sehr auf der Seele, dass sie gefesselt und eingezwängt ist. „Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben. Und sie setzte sich gegenüber und erhob ihre Stimme und weinte.“ Das wäre nun der zweite Anlauf: Ich will es einmal festhalten. Leid, Zweifel und Verzweiflung haben ihr Recht. Sie widersprechen nicht dem Glauben. Wie lange mag Hagar dort gesessen haben. Wie lange sitzen ihre Schwestern und Brüder im übertragen Sinn an den Betten ihrer sterbenden Kinder, Freunde und Angehörigen? Und in diesen Zeiten war es manchmal gar nicht mehr möglich, bei den Ster- benden zu sein! Gott, warum, fragen wir. Entlassen wir uns nicht zu schnell aus dieser Frage und Situation. Manchmal meinen gutmeinende Mitmenschen und auch Christen: „Auf das Warum gibt es keine Antwort, aber auf das Wozu? Irgendwann wirst du es erfassen, wozu diese Situation im Leben gut war! Für mich gehören solche Tipps in die Kategorie der Ratschläge, die auch Schläge sind. Wenn ein Mensch nach einer Situation zu einer solchen Antwort sich durchringt, ist das etwas ande- res. Aber von außen geht das gar nicht. Ich möchte uns ermutigen, vor Gott ehrlich zu sein. Das zeichnet Hagar aus. In dieser Ehrlichkeit dann auch mein Bild von Gott korrigieren zu lassen. Die namenlosen Schrecken des 20. Jahrhunderts zerstören das traditionelle Bild des allgütigen, allmächtigen, all- weisen Gottes ein für alle Mal. Es verbrennt in den Feueröfen von Auschwitz, krepiert auf den Schlachtfeldern zweier Weltkriege, verdampft im atomaren Inferno von Hiroshima und Nagasaki.
Für viele Gläubige, für fromme Juden und nicht minder fromme Christen gibt es angesichts dieser Katastrophen nur noch einen Schluss: Ein Gott, der solche Gräuel zulässt, ist entweder sadistisch, launisch, bösartig, heimtückisch oder schlicht und einfach eine Illusion. Wer diesen Weg der radikalen Abkehr nicht gehen möchte und nicht gehen kann, hat letztlich nur eine Chance: Den Glauben an einen leidenden, mitleidenden, trauernden Gott. Den Glauben an einen Gott, der in seiner Men- schwerdung das Leid nicht aufhebt, sondern mit uns trägt, der die gefallene Schöpfung nicht einfach ein zweites Mal auslöscht und stattdessen den für beide Seiten mühevollen, langsamen Weg der Heilung wählt. Das Leid in der Welt ist sehr konkret. Es ist mit Händen zu greifen, mit allen Sinnen erfahrbar. Es ist zu hören, zu sehen, zu riechen, zu spüren. Und es ist allgegenwärtig. Mit theologischer und philosophischer Gedankengymnastik kommt man gegen die Realität dieses Leidens nicht an. Dazu braucht es eine andere Gewissheit: Die gläubige Er- fahrung der lebendigen Gegenwart Gottes. Eines Gottes, der es trotz allem, was scheinbar gegen ihn spricht, un- endlich gut mit uns meint. Ich vertiefe nun im dritten Anlauf diesen Zusammenhang in einer bekannten Erzählung aus dem Neuen Testa- ment. Verlorener Sohn aus Lukas 15. Ich nehme für unser Thema einen Aspekt heraus, der manchmal vergessen wird. Als der zerlumpte und stinkende Sohn heimkehrt, sieht ihn sein Vater und „es jammerte“ ihn. Am besten übersetzen wir hier: Es ging ihm an die Nieren. Nierenschmerzen sind stechend. Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jam- merte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. (Lk 15,20) Es jammerte ihn. Es war ihm nicht egal. Hier ist für mich der Ansatz, dass ich trotz aller dagegensprechenden Erfah- rungen an einen Gott glauben kann, der es unendlich gut mit mir meint. Ich rede jetzt persönlich, weil ich dies für mich selber durchbuchstabiert habe. Wenn ich auf die schwierigsten Phasen meines Lebens zurückschaue, dann sind es ganz klar diejenigen, in denen Gott verborgen, meilenweit weg war. Das gab und gibt es nichts zu beschöni- gen oder hinzubiegen. Aber das andere gilt eben auch. In dieser tiefen Verborgenheit war er gerade offenbar. So hat er dann den verlorenen Sohn empfangen und ihm seine gute Gegenwart geschenkt Gott ist gegenwärtig lässt sich nicht nur an einem schönen Sonnentag, sondern in der Nacht im Krankenhaus sin- gen. Ich buchstabiere deshalb an einem Gedanken mein Leben lang herum. Der Zweifel, die Verzweiflung sind Geschwister des Glaubens. Und dann nehme ich Gott beim Wort und glaube das einfach: Gott geht es an die Nieren, wenn seine Kinder leiden. So erklärt sich auch der Schluss der Geschichte von Hagar und Ismael. Hagar wird erhört. Gott schenkt ihr Aufmerk- samkeit. Sie findet einen Brunnen. Der Sohn ist gerettet und wie die Geschichte weitererzählt, ist Gott mit dem jungen Ismael. Deshalb möchte sich Sie, Dich und uns ermutigen, mitten in den Zweifeln den Sprung des Glaubens, des Vertrauens zu wagen. Ermutigen kann ich dazu, wagen müssen Sie es selber. Ich tue es mit einem alten und doch aktuellen Einladungslied: Heute will dich Jesus fragen: Bist du ganz für mich bereit? Du verlierst dich sonst im Jagen nach den Gütern dieser Zeit. Wag es mit Jesus, was deine Not auch sei. Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Rühmst dich deiner Kraft und Gaben, nur dich selbst bezwingst du nicht. Mut muß man bei Jesus haben, Menschen- furcht führt zum Verzicht. Wag es mit Jesus, was deine Not auch sei. Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Laß dich nicht von Menschen leiten, Menschen sind wie Laub im Wind. Jesus schafft Persönlichkeiten, die das Salz der Erde sind. Wag es mit Jesus, was deine Not auch sei. Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Einmal fällt die Maskerade, die du vor der Welt beziehst, wenn du durch Gericht und Gnade dich im Lichte Gottes siehst. Wag es mit Jesus, was deine Not auch sei. Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Wag es mit Jesus, er macht dich frei! Amen
Fürbittegebet am 15.9. 2019 Himmlischer Vater, jetzt waren wir beieinander und haben dein Wort gehört. Mitten in unsere Fragen und Zweifel hinein schenkst du uns deine Treue. Mitten in unser Fragen hinein kommst du uns nahe. Mitten in unsere Ver- zweiflungen hinein schenkst du uns neue Hoffnung. So danken wir dir zunächst einmal für unsere Familien, die Menschen die uns begleitet haben und im- mer noch bei uns sind. Wir bringen dir aber auch die Wege , die wir nicht verstehen, wo Unrecht und Verletzungen geschehen sind. Dir legen wir sie hin und bitten dich um beides, die rechte Dankbarkeit und die deine heilende Hand. Du Jesus Christus, Heiland, Retter und Herr, bist deinen Weg gegangen, um für uns da zu sein. Du bist deiner Berufung treu geblieben und hast für uns die Versöhnung gelebt. Du hast den Willen des Vaters, die Gebote, die guten Richtlinien für unser Leben deutlich gemacht. Wir bleiben oft weit dahinter zu- rück, weil wir mutlos und feige sind. Vergib uns und gib uns neue Kraft. Lass uns mit dir als unserm Herrn täglich leben. Heiliger Geist, Kraft von Gott und Tröster, wir bitten dich um gute Impulse für unser Leben. Sei es im Kleinen und privaten, hier in unserem Dort, leite uns in der Liebe und dem Vertrauen auf deine Hilfe. Sei es im Großen, in den Fragen die uns täglich umtreiben, schenke Vernunft, Verstand und Weisheit in den vielen Entscheidungen. Besonders in den Herausforderungen der Coronazeit lehre uns neu auf dich zu hören und mit dir im Ver- trauen zu leben. Begleite unsere Kranken, hilf den Sterbenden, stärke die Ärzte und Pfleger, bewahre vor neuem Unglück. Dreieiniger Gott, wir gehen weiter und wissen, in all dem, was uns umtreibt, du regierst, du leitest, du bringst zurecht. Deshalb beten wir voller Zuversicht gemeinsam mit den Worten Jesu…Vater unser…. Bekanntgabe: Gedruckte Exemplare dieses Gottesdienstes liegen aus. Ein Gesamtausdruck aller Predigten der Reihe wird im Lauf der darauffolgenden Woche fertig gestellt werden und liegt in der Kirche aus. Am kommenden Sonntag ist Pfingsten. Wir feiern wieder auf zwei Weisen. Hier im Internet als Audio- gottesdienst und als Gottesdienst im Grünen vor der Kirche Ich wünsche ihnen eine gesegnete Woche im Frieden unseres Gottes.
Sie können auch lesen