Stadt: Was ist das? Zitate, Bilder und Impressionen

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Stadt: Was ist das?
                     Zitate, Bilder und Impressionen

                     Stichworte
 Handlungsfelder
                     1. Stadt – Was ist das?
der Stadtplanung     • Was macht eine Stadt aus? Eine Befragung
                     • Woher? Wohin? Erfahrungshintergründe und Wünsche
      Begleitblatt
    zur Vorlesung    2. Die Welt der Städte
   bearbeitet von    • Stadt als Lebensraum
       Klaus Selle   • Veränderungen der Stadt
                     • Dimensionen der Stadtentwicklung

                     Fragestellung, Gedankengang
                     Neben der Einführung in das Programm des Studienjahres
                     (insbesondere des Wintersemesters) versuchen wir uns in
                     der Einführungsveranstaltung auf unterschiedliche Weise
                     dem Verständnis von „Stadt“ zu nähern.
                     Die in diesen Begleitblättern zusammengestellten Zitate und
                     Materialien sollen zur Fortsetzung solcher Überlegungen an-
                     regen – und dabei verdeutlichen, wie vielfältig die Dimensi-
                     onen des Städtischen sind.

                     Materialien zur Stadt: Texte, Bilder, Zitate
                     Die Welt der Städte
                     „Am Anfang dieses Buches steht die Stadt als Symbol einer
                     Welt. Es endet bei einer Welt, die in vieler Hinsicht eine Stadt
                     geworden ist.“ (Lewis Mumford 1961 am Beginn seines
                     Buches über „Die Stadt“)

                     „Unsere Welt wird immer stärker durch die Städte geprägt.
                     Der Anteil der Menschen, die in Städten leben, wächst stän-
                     dig. Diese Entwicklung geht mit gravierenden demographi-
                     schen, ökonomischen und sozialen Veränderungen einher.
                     Deshalb sind die Städte die Brennpunkte der Probleme der
                     Gegenwart. Und deshalb entscheidet sich in den Städten die
                     künftige Lebensqualität der Menschheit. Stadtpolitik – als
                     globale, nationale und lokale Aufgabe – erhält damit eine
                     wachsende und entscheidende Bedeutung.“ (der damalige
                     Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen der
                     Bundesrepublik Deutschland, Reinhard Klimmt im Jahr
                     2000)

                     Im Jahr 2000 leben
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• 76 % der Menschen in den Industrieländern
• 41% der Menschen in Entwicklungsländern
in Städten (in der Welt insgesamt sind das 47%).

2020 werden die Anteile weiter gestiegen sein:
• 81% (Industrieländer)
• 52% (Entwicklungsländer)
• 57% (Welt insgesamt)
(nach Hall/Pfeiffer 2000, S. 12)

„Die Welt der Städte in 2025 wird durch vier fundamentale
Kräfte geprägt worden sein: Demographie, Ökonomie, Um-
welt sowie gesellschaftlicher und sozialer Wandel. … Zu-
mindest kurz- und mittelfristig muss die Stadtpolitik diese
Antriebskräfte und Begrenzungen als gegeben akzeptieren;
aber sie kann Einfluss darauf nehmen und sie gestalten, um
sie ihren Zielen anzupassen. Der politische Prozess, der
selbst einer dieser Antriebskräfte ist, kann die Richtung, in
die sich Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Kultur
entwickeln, beeinflussen. (Dies sollte) auf der Grundlage der
Prinzipien der sustainable human development, der nachhalti-
gen Entwicklung der Menschheit geschehen. Sie wird durch
Good Urban Governance, durch eine gute kommunalpolitische
Steuerung, in die Tat umgesetzt.
Kommunalmanagement wird also mit der lokalen Wirtschaft
und mit anderen Kräften interagieren, und die Antriebs-
kräfte selbst werden in sehr komplexen Beziehungen zuein-
ander stehen, was eine gute kommunalpolitische Steuerung
zu einer äußerst vielschichtigen, anspruchsvollen Aufgabe
macht.“ (Hall/Pfeiffer 2000, S. 65)

Leitbild Stadt?
„Das immer wiederkehrende Bemühen, das Leitbild der Stadt
aufzuzeigen, ist für Theorie und Praxis gleichermaßen un-
tauglich: Das Leitbild gibt es nicht.
… denn Frankfurt-Stadtmitte z.B. ist eine extreme Sondersi-
tuation ebenso wie Berlin-Stadtmitte. Solche durchaus aufre-
genden Sondersituationen sind die untauglichen Paradig-
mata für eine allgemeine Perspektive im Städtebau.
… Auf der Suche nach Überformeln tauglicher Art macht es
mehr Sinn, sich nicht-baulichen Grundwerten zuzuwenden:
• Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft,
• Recht auf menschenwürdige Wohnungen,
• solidarische örtliche Gemeinschaften,
• Selbstbestimmung und Selbstentfaltung im ortsnahen Be-
reich,
• Deregulierung, Dezentralisierung und Regionalisierung,
• Individualität und regionale Identität,
• Recht auf Schönheit“ (Karl Ganser 2000, S. 235)
Stadt – Was ist das?                                        3

Entwicklungen: Städte verändern sich…

                                  Monteriggioni/Toscana

                                  Wien 1873

                                  Essen Katernberg (1990)
Stadt – Was ist das?                                                  4

Dimensionen
Die Stadt…
„…( ist )Mittelpunkt von Gewerbe, Handel und Verkehr und
(hat) oft zentrale Aufgaben (Markt, Verw.). Man unterschei-
det: Klein- (5 000 bis 20000 Ew.), Mittel- (20000 bis 100000
Ew.), Groß- (100000 bis 1 Mio. Ew.), Welt-S. (über 1 Mio.
Ew.). Die dt. S. entstanden im Anschluss an röm. Gründun-
gen (z. B. Köln, Mainz, Regensburg, Trier), an Marktorten,
Bischofssitzen, neben Pfalzen und Burgen. Die S. hatten im
MA. meist eigene Verw., Gerichtsbarkeit, Marktrecht. Das
Stadtrecht einiger dt. S. breitete sich bes. in O-Europa weit
aus. Im 13. Jh. entstanden mächtige S.-Bünde, deren größter
die Hanse war. Später verloren die meisten S. ihre Selbst-
ständigkeit an die Landesherren. Seit der S.-Ordnung des
Freiherrn vom und zum Stein (1808) erhielten die S. wieder
größere Selbstverwaltung. Einen großen Aufschwung erleb-
ten die S. im 19. Jh. durch die Industrialisierung.
(Der Brockhaus in einem Band, 9. vollständig überarbeitete und aktuali-
sierte Auflage. Leipzig – Mannheim 2001.
http://www.xipolis.net/suche/suche_treffer_detail.php?lemma=Stadt&
werk_id=3&artikel_id=40305200)

„…ist das Ergebnis von Marktkräften und politischem Ges-
taltungswillen. Vielfältige Standortentscheidungen unter-
schiedlichster Akteure verändern das Stadtbild immer wie-
der aufs Neue.“ (Bundesamt… 2000, S. 3)

 „…ist unsichtbar. Unsere Umwelt, die Stadt … besteht nicht
aus Mauern und Türmen, nicht aus Beton und Asphalt, son-
dern aus unsichtbaren Strukturen: aus Besitzverhältnissen,
aus Bauvorschriften, aus Servituten, aus Mietzinsen, aus Hy-
potheken, Steuern, Vereinbarungen, Verboten und Geboten.
Dieses ist die Stadt, die der Bürger ‚sieht‘: vermittels einer
Hypothek könnte er jene Parzelle arrondieren; sie ist dreige-
schossig, an der Ecke sogar viergeschossig überbaubar, je-
doch mit einem Gewerbeverbot belegt, wobei abzuklären
wäre, ob eine Einstellgarage Gewerbe sei; würde diese zu-
gelassen, so könnte die Differenz zwischen den Passivzinsen
und den zu erwartenden Mietpreisen selbst angesichts der
erhöhten Steuern, noch einen Gewinn bringen… Was dann
sichtbar wird an Gebäuden ist nichts als der Abguss dieser
unsichtbaren Bedingungen.“ (Lucius Burckhardt)

„…ist eine Siedlungsform […], die die Begegnung einander
fremder Menschen wahrscheinlich macht.“ (Richard Sennett)

„… ist der Ort, an dem Fremde wohnen... In der Stadt sind
fremde Gesichter das Normale, nur die vertrauten fallen auf.
Auf dem Dorf ist es umgekehrt. Auf den Straßen einer Stadt
bewegt sich jeder, auch der Einheimische, als ein Fremder
unter Fremden“ (Walter Siebel)
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„… wird vor allem auch durch die Polarisierung des Alltags
in eine öffentliche und eine private Sphäre charakterisiert.
Dieser Polarisierung des Alltagslebens des Städters ent-
spricht einer Polarisierung des städtischen Raums in öffentli-
che und private Räume. Sie unterscheiden sich in drei Di-
mensionen: einmal juristisch: der öffentliche Raum steht un-
ter öffentlichem Recht, der private unter Eigentumsrecht und
privatem Hausrecht. Zum zweiten funktional: dem öffentli-
chen Raum der Stadt sind die Marktfunktion, Freizeit, kultu-
relle und politische Funktionen zugeordnet; dagegen sind
Produktion und Reproduktion den privaten Orten, Betrieb
und Wohnung vorbehalten. Schließlich drittens ist die Diffe-
renz zwischen öffentlichen und privaten Räumen auch sozial
definiert. Der öffentliche Raum ist Ort ritualisierter Anony-
mität, eines stilisierten, distanzierten Verhaltens. Der private
Raum dagegen ist Ort von Intimität, Körperlichkeit und E-
motionalität.“ (Walter Siebel)

„… ist sinnlich. Die schönste Straße ist die, in der ein gelieb-
ter Mensch wohnt. In den Straßen und Plätzen leben Erinne-
rungen und Geister der Vergangenheit, böse und gute. Man
sieht Stadt nicht nur. Man spürt sie, riecht sie, fühlt sie, hört
sie. Steine strahlen Wärme ab oder sind kalt und nass. Leute
wollen andere Leute sehen, direkt, nicht nur auf dem Screen.
Sinnlichkeit ist die Überlebensgarantie der realen Stadt ge-
genüber der virtuellen.“ (Hanns Adrian)

„… gibt es heute nicht mehr. Da die Vorstellung von dem,
was eine Stadt ist, in beispielloser Weise verändert und er-
weitert wird, führt jedes Beharren auf ihrem Urzustand – im
Hinblick auf Bilder, Regeln und Bauweise – unwiderruflich
über Nostalgie in die Belanglosigkeit.“ (Rem Koolhaas in:
Kursbuch Stadt 1999 S. 8)

Berthold Brecht
DIE STÄDTE SIND FÜR DICH GEBAUT. Sie erwarten dich
freudig.
Die Türen der Häuser sind weit geöffnet. Das Essen
Steht schon auf dem Tisch.

Da die Städte sehr groß sind
Gibt es für die, welche nicht wissen, was gespielt wird,
Pläne
Angefertigt von denen, die sich auskennen
Aus denen leicht zu ersehen ist, wie man auf dem schnellsten
Wege
Zum Ziel kommt.

Da man eure Wünsche nicht genauer kannte
Erwartet man natürlich noch eure Verbesserungsvorschläge.
Hier und dort Ist etwas vielleicht noch nicht ganz nach eurem Ge-
schmack
Stadt – Was ist das?                                          6

Aber das wird schleunigst geändert
Ohne daß ihr euch einen Fuß ausreißen müßt.

Kurz: ihr kommt
In die besten Hände. Alles ist seit langem vorbereitet. Ihr
Braucht nur zu kommen.

Kurt Tucholsky
Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst
Am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.
Stadt – Was ist das?                                 7

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hasts gefunden,
nur für Sekunden ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück...
Vorbei, vergessen, nie wieder.

Du musst auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, vergessen, nie wieder.

ERICH KÄSTNER
Die Zeit fährt Auto

Die Städte wachsen. Und die Kurse steigen.
Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit.
Die Konten reden. Die Bilanzen schweigen.
Die Menschen sperren aus. Die Menschen streiken.
Der Globus dreht sich. Und wir drehn uns mit.

Die Zeit fährt Auto. Doch kein Mensch kann lenken.
Das Leben fliegt wie ein Gehöft vorbei.
Minister sprechen oft vom Steuersenken.
Wer weiß, ob sie im Ernste daran denken?
Der Globus dreht sich und geht nicht entzwei.

Die Käufer kaufen. Und die Händler werben.
Das Geld kursiert, als sei das seine Pflicht.
Fabriken wachsen. Und Fabriken sterben.
Was gestern war, geht heute schon in Scherben.
Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht.
Stadt – Was ist das?                                             8

Lese-Hinweise

Stefan Βollmann (Red.): Kursbuch Stadt. Stadtleben und
Stadtkultur an der Jahrtausendwende. Stuttgart-München
[DVA] 1999
Βundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hg.): Stadt-
entwicklung und Städtebau in Deutschland. Ein Überblick.
Berichte Bd. 5. Bonn 2000
Eine gute, knappe Einführung
Jean Dethier, Alain Guiheux (1994): La ville, art et architec-
ture en Europe 1870-1993. Katalog zur gleichnamigen Aus-
stellung. Paris [Editions du Centre Pompidou]
Zum Blättern bestens geeignet – mit vielen Beispielen für die Aus-
einandersetzung der bildenden Künstler mit der Stadt.
Karl Ganser: Perspektiven für den Städtebau – die Realität
zur Kenntnis nehmen. In: Irene Kistella u.a. (Hg.) Städte-
bau… dem Ort, der Zeit, den Menschen verpflichtet. Dort-
mund 2000 S. 234 ff.
Peter Hall und Ulrich Pfeiffer: Urban 21. Der Expertenbe-
richt zur Zukunft der Städte. Stuttgart-München [DVA] 2000

Die Zitate von Adrian, Sennett, Siebel u.a. entstammen der Text-
sammlung „Was ist los mit den öffentlichen Räumen?“ herausge-
geben von Klaus Selle, 2. Auflage Dortmund 2003
Für Studierende ist dieser Band am Lehrstuhl zu reduzierten Prei-
sen zu erwerben

Gedichte, Literaturzitate und Cartoons wurden von den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls für Planungstheorie und
Stadtplanung gesammelt.
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