PRESS REVIEW Monday, July 19, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Monday, July 19, 2021
PRESS REVIEW Monday, July 19, 2021 Augsburger Allgemeine, DIVAN, DB Schürzenjäger, Holländer, Nero & Co.: Die großen Festspiele gehen an den Start Süddeutsche Zeitung Im neuen Salzburger „Jedermann“ haben die Frauen die Hosen und Lars Eidinger die Unterhosen an Frankfurter Allgemeine Zeitung Das Musikfest in Aix-en-Provence präsentiert Monteverdi und Wagners „Tristan und Isolde“ Die Welt Die Ukrainerin Oksana Lyniv steht als erste Frau in Bayreuth im Graben. Dort dirigiert sie nächste Woche den „Fliegenden Holländer“ Frankfurter Allgemeine Zeitung Die Kissinger Liederwerkstatt huldigt mit Uraufführungen noch einmal auf witzig-kluge Weise Beethoven Die Welt In Berlin öffnet das sagenhaft teure Humboldt Forum. Ist es auch sagenhaft gut? Berliner Zeitung Paul Spies und sein Team haben Berlin als zeitgenössische Welt-Stadt inszeniert Der Tagesspiegel Der Geiger Emmanuel Tjeknavorian gibt sein Debüt als Dirigent mit einem russischen Album Der Tagesspiegel Frank Castorf zum 70. Geburtstag Der Tagesspiegel Brandenburg startet Förderung für kleine Museen
augsburger-allgemeine.de vom 17.07.2021 18:13 Mediengattung: Online News Visits (VpD): 0,392 (in Mio.) ¹ Nummer: 5152522711 Unique Users 0,080 (in Mio.) ² (UUpD): Weblink: https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Klassik-Schuerzenjaeger-Hollaender-Nero-Co-Die-grossen-Festspiele-gehen- an-den-Start-id60112086.html ¹ von PMG gewichtet 12-2019 ² AGOF ddf Ø-Tag 2019-12 vom 02.01.2020, Gesamtbevölkerung 16+ Schürzenjäger, Holländer, Nero & Co.: Die großen Festspiele gehen an den Start PlusOb in Salzburg, Bayreuth oder Bregenz: Der Kultursommer hat wieder berühmte Dirigenten, große Orchester, Star-Solisten - und eine Neuerung im Zentrum des Wagner-Kults. Ein Überblick. Wer hätte im Festspielsommer 2021 werk zu Falun“ (Regie: Jossi Wieler, ab theater noch zu erwähnen: Händels Ora- nicht etwas nachzuholen? Die Opern-, 7. August im Landestheater) sowie torium „Il trionfo del tempo“ als Über- Schauspiel- und Konzertbühnen aller- Schillers „Maria Stuart“, bei der sich in nahme der Pfingstfestspiele (Haus für hand ausgefallene Produktionen von der Regie von Martin Kusej zwei Köni- Mozart, ab 4. August) sowie Puccinis 2020; das Publikum allerhand Vorstel- ginnen bis aufs Blut bekriegen: Bibiana „Tosca“ als Übernahme der Osterfest- lungen, die nur schütter mit Zuhörern Beglau und Birgit Minichmayr (Perner- spiele (Großes Festspielhaus ab 21. besetzt werden durften – beziehungs- Insel Hallein, ab 14. August). Übrigens: August). Konzertant erklingen dazu weise Erwartungen weckend angekün- Hofmannsthals „Bergwerk zu Falun“, Morton Feldmans Oper „Neither“ (Kol- digt wurden und dann abgesagt werden dieses posthum veröffentlichte und legienkirche, 13. August) und Berlioz’ mussten. Betraf und betrifft Bayreuth uraufgeführte Stück mit Märchen- und dramatische Legende „La damnation de wie Bregenz und viele andere Festivals „Faust“-Motivik, basiert auf E.T.A. Faust“ (Großes Festspielhaus, 22. auch. Hoffmanns Erzählung „Die Bergwerke August). Aber in Salzburg fiel 2020 praktisch von Falun“ – und die dokumentierte Auch in der Konzert-Sparte folgen noch etwas aus, das man gerne weltu- Begebenheit, dass eine alte Frau ihren große Dirigenten, große Solisten, marmend, menschheitsverbrüdernd, vor 50 Jahren im Bergwerk tödlich ver- berühmte Orchester Schlag auf Schlag – lachend und lauthals bis in den Morgen unglückten und unverwesten Bräutigam obwohl das Chicago Symphony Orche- gefeiert hätte: 100 Jahre Salzburger wiedererkennt. stra und das City of Birmingham Sym- Festspiele. Gewiss: In viel beachteten Traditionell schwergewichtiger in Salz- phony Orchestra abgesagt haben. Blei- und kritisch beäugten „Test“- statt Fest- burg ist freilich das Musiktheater- und ben vor den Wiener Philharmonikern als spielen gab es ein stark reduziertes Konzertprogramm: Sechs szenische Pro- Dirigenten immer noch: Franz Welser- Ersatzprogramm unter strengen Vorga- duktionen stehen im Jahr 1 nach Möst mit einem Strauss-Programm, ben, aber überschäumender Jubiläums- Corona-Ausbruch zur Debatte: Neben Christian Thielemann mit jubel konnte und durfte sich natürlich den Wiederaufnahmen von Straussens Strauss/Bruckner, Andris Nelsons mit nicht einstellen. Es wurden Festspiele „Elektra“ und Mozarts „Così fan tutte“ Mahlers dritter Sinfonie, Riccardo Muti mit angezogener Handbremse. wird sich Augen- und Ohrenmerk mit Beethovens Missa solemnis und Und so entstand besagter Nachholbe- zunächst vor allem auf den neuen „Don Herbert Blomstedt mit unter anderem darf, gerade in Salzburg mit singulär Giovanni“ richten, der ab 26. Juli im Brahms’ vierter Sinfonie. Daneben sind breit gefächertem Angebot auf ange- Großen Festspielhaus in der Regie von auch zu hören: die Berliner Philharmo- strebtem künstlerischem Spitzenniveau. Romeo Castellucci gegeben wird. Zahl- niker in zwei verschiedenen Program- In diesem Sommer nun soll etliches reiche Frauen wurden im Vorfeld als men unter Kirill Petrenko sowie das davon aufgearbeitet werden, auch der Statistinnen für diese Inszenierung rund West-Eastern Divan Orchestra mit zwei „Jedermann“, mit dem die Festspiele an um den berühmten Schürzenjäger Programmen unter Daniel Barenboim. diesem Samstag in einer überholten gesucht, auch eine schwangere. Am Pult Einige große Künstler über die Opernso- Inszenierung von Michael Sturminger vor Aeterna Orchestra und Choir: Teo- listen Netrebko, Garanca, Bartoli, Mari- mit neuer Besetzung starten – nämlich dor Currentzis. Und „Don Giovanni“ anne Crebassa, Ausrine Stundyte, u.a. mit Lars Eidinger in der Titelrolle folgt dann eine Neuproduktion von Davide Luciano hinaus: Sonya Yon- und Verena Altenberger als Buhlschaft. Luigi Nonos szenischer Aktion „Intol- cheva, Joyce DiDonato, Juan Diego Flo- Der Teufel ist erstmals eine Teufelin: leranza 1960“, diesem humanitären und rez, Christian Gerhaher geben Lieder- Mavie Hörbiger. (sozial-)politischen Musiktheater- abende. Andras Schiff, Daniil Trifonov, Hinzu kommen weitere Schauspiele: Appell. Jan Lauwers inszeniert und stat- Igor Levit, Grigory Sokolov, Arcadi „Richard The Kid & The King“ nach tet aus; Ingo Metzmacher dirigiert – und Volodos, Evgeny Kissin, Maurizio Pol- Shakespeares Königsdrama in der Regie zwar die Wiener Philharmoniker (ab 15. lini, Mitsuko Uchida sind für Klavier- von Karin Henkel (Perner-Insel Hallein August in der Felsenreitschule). Recitals angekündigt. Anne-Sophie ab 25. Juli), Hofmannsthals „Das Berg- Bleiben im Bereich szenisches Musik- Mutter, Thomas Zehetmair werden Vio-
lin-Kammermusik bringen. hochhängen bei dieser 1978 geborenen überlangen Winterpause ist die hoch- Fürs Publikum in Salzburg gilt: 3-G- Ukrainerin, die den „Fliegenden Hollän- komplexe Bühnentechnik jetzt ebenso Regel, Maskenempfehlung, Vollbeset- der“ bereits schon einmal (in Barcelona) wieder in Bewegung wie der bunte Fes- zung. dirigierte. Asmik Grigorian singt die selballon, der an 28 Aufführungsaben- Letztes Jahr auf dem Grünen Hügel Senta, John Lundgren die Titelrolle und den vor bis zu 7000 Zuschauern in den komplett ausgefallen, finden die Bay- Georg Zeppenfeld den Daland. nächtlichen Himmel steigen soll. reuther Festspiele heuer wieder statt – Ansonsten stehen auf dem Programm Seit viereinhalb Wochen proben Soli- vor gut 900 Zuhörern, platziert im 2021: ab 26. Juli Barrie Koskys sehens- sten und Stuntleute auf der Clowns- Schachbrettmuster. 2020 hätte eigent- werte „Meistersinger“-Inszenierung Bühne. Die Bedingungen waren zuletzt lich ein neuer „Ring des Nibelungen“ (Dirigent: Philippe Jordan) und ab 27. miserabel, doch vom strömenden Regen herauskommen sollen; er ist nun in der Juli der spektakulär-gewagte, szenisch lassen sich die Künstler nicht von den Regie von Valentin Schwarz und mit überbordende, tragikomische „Tannhäu- Proben abhalten. „Sie sind auf diese Pietari Inkinen am Pult auf 2022 ver- ser“ aus der Regiehand Tobias Kratzers Bedingungen eingestellt“, sagt Michael schoben. (Dirigent: Axel Kober). In ihm spielt als Czar, Direktor des künstlerischen Dennoch warten die Festspiele 2021 mit Teil einer Künstlergemeinschaft die Betriebsbüros. Nach monatelangem, einer Art neuem „Ring“ auf – wenn Dragqueen „Le gateau chocolat“ eine erzwungenem Nichtstun herrsche jetzt auch im Festspielhaus selbst ab 29. Juli auf der Bühne stumme, in der Pause im große Euphorie bei Chören, Orchester nur mit einer „Walküre“-Neugestaltung Park vernehmliche Rolle – was bei der und Solisten. „Unser strenges Präventi- durch den Aktionskünstler Hermann Premiere 2019 helles Entzücken hier, onskonzept tragen sie gern mit.“ Alle 48 Nitsch, bekannt durch sein blutiges helles Entsetzen dort hervorrief. Wegen Stunden werden die Festspielbeschäftig- Orgien-Mysterien-Theater, und dirigiert Quarantäne-Vorschriften wird „Le ten getestet, für sie gilt – im Gegensatz vom besagten „Ring“-Dirigenten Pietari gateau chocolat“ heuer nicht dabei sein; zum Publikum – Maskenpflicht. Als Inkinen 2022. seine schräge Rolle übernimmt Kyle „größten Hebel“ der Prävention bezeich- Gerahmt wird diese „Walküre“ durch Patrick. net Czar die Impfung. „Unsere Impf- Auftragswerke, die sich mit den drei Bleiben noch ein konzertanter Parsifal quote ist hoch, in manchen Ensembles anderen Teilen des „Rings“ auseinan- unter Christian Thielemann und zwei über 80 Prozent.“ dersetzen: Die einstündige Komposition (unterschiedliche) Wagner-Konzertpro- Regisseur Stölzl hat seinen Rigoletto „Das Rheingold – Immer noch Loge“ gramme unter Andris Nelsons zu erwäh- nicht nachgebessert. „Wir waren 2019 von Gordon Kampe wird dreimal im nen. so glücklich mit der Aufführung“, sagt Festspielpark mit Puppen gegeben, und Für das Publikum in Bayreuth gilt: 3-G- er. „Zu meinen, man müsste etwas ver- ebenfalls im Festspielpark ist die Instal- Regel, reduziertes Platzangebot, Maske ändern, könnte ein großer Fehler sein.“ lation „Götterdämmerung – The Thread auf dem Weg zum Sitzplatz. Zwei Drittel des Solistenensembles ken- of Fate“ der japanischen Künstlerin Chi- Ein Staatsoberhaupt, ein Kaiser und ein nen die Inszenierung vom ersten Jahr. haru Shiota zu sehen. „Sei Siegfried“ Clown: Sie eröffnen in der kommenden Am Pult der Wiener Symphoniker steht wiederum ist eine VR-Brillen-Produk- Woche die Bregenzer Festspiele. Und indes eine Neue: die britische Dirigen- tion des britischen Regisseurs Jay zwar auf großer Bühne und vor vollen tin Julia Jones, die eigentlich für Scheib, bei der die Zuschauer virtuell Rängen. Österreich setzt auf die Drei-G- Madame Butterfly engagiert war. das Festspielhaus betreten, wo sie ein Regel und erlaubt kulturelle Veranstal- Die Oper „Nero“, an der Arrigo Boito herausfordernder Kampf mit dem Dra- tungen drinnen wie draußen in gewohn- fast sein ganzes Leben lang gearbeitet chen erwartet… Alle drei Auftrags- tem Umfang. Nach eineinhalb Jahren hat, dirigiert Dirk Kaftan, der von 2009 werke sind ebenfalls ab 29. Juli zu erle- weitgehender Stille am Bregenzer bis 2014 in Augsburg als Generalmusik- ben. Bodenseeufer ist bei Künstlerensembles direktor wirkte. Regie führt Olivier Besonders große Spannung indessen und Publikum die Freude riesengroß auf Tambosi. Die beiden arbeiteten in Bre- liegt auf dem Eröffnungsabend der Fest- den Startschuss fürs Festival, den Bun- genz bereits 2014 bei der Oper „Ham- spiele am 25. Juli, wenn Richard Wag- despräsident Alexander van der Bellen let“ von Franco Faccio zusammen. Als ners „Der fliegende Holländer“ Pre- gibt, und auf die folgenden Opernpre- Nero ist der mexikanische Tenor Rafael miere feiert. Weniger vielleicht wegen mieren: „Nero“ von Arrigo Boito am Rojas zu erleben. der Inszenierung von Dmitri Tchernia- Mittwoch im Festspielhaus und „Rigo- Gut 60 Veranstaltungen umfasst das kov, mehr vielleicht, weil erstmals in letto“ von Giuseppe Verdi am Donners- Festspielprogramm bis 22. August, dar- Bayreuth eine Dirigentin eine kom- tag auf der zum Clownskopf umgebau- unter Musiktheater (auch Uraufführun- plette Produktion übernimmt. Im Fach ten Seebühne. gen), Schauspiel, Konzerte. Für alle Regie war Hausherrin Katharina Wag- Eigentlich stünde 2021 „Madame But- Seeopernabende gibt es noch Karten. ner selbst vorausgegangen; nun also terfly“ als Seeoper auf dem Programm. Besucher müssen den Nachweis erbrin- erhält erstmals eine Frau die Gelegen- Sie wurde verschoben, um die 2020 gen, dass sie genesen, getestet oder heit, das Festspielorchester zu einem wegen Corona ausgefallene Wiederauf- geimpft sind. Es empfiehlt sich, die musikalisch hoffentlich starken Abend nahme von Rigoletto zu ermöglichen. aktuellen Vorgaben nachzulesen. zu führen. Oksana Lyniv heißt sie, und Die Inszenierung von Philipp Stölzl als ehemalige Münchner Assistentin von löste vor zwei Jahren bei Gästen wie Kirill Petrenko darf man schon die Latte Kritikern Begeisterung aus. Nach einer Abbildung: Blick auf den neu überarbeiteten „Jedermann“ der Salzburger Festspiele 2021: Lars Eidinger in der Titelrolle sowie Verena Altenberger als Buhlschaft (vorne mittig) kommen sich außerordentlich nahe, ja verhaken sich geradezu. Foto: Matthias Horn, SF.
19.7.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/810837/11 Jeder Tusch ein Treffer Im neue n Salzb urg er „Jed erm ann“ hab en die Fraue n die Hos en und Lars Eid ing er die Unt erh o- sen an Salzb urg im Fests piels omm er ist imm er auch ein Wett erwahns inn, das bed eut et entwed er drüc kend e Hitz e oder ein e über dem Mönchsb erg häng end e Reg enf ront. Am Samst aga bend aber schwillt der Nied ers chlag zu ein em une rb ittl ic hen Ext rems chaue r an. Man wird komp lett durchn ässt, kehrt zur ück, föhnt die Schuh e im Hot el und schafft es doch noch zur Vors tell ung, die vom Domp latz ins Fests pielh aus verl egt word en ist. Geht schon mal gut los, das Dram a. Jed e neue Ins zen ier ung des „Jed erm ann“ wird seit jeh er gier ig erwart et, gerad e weil Hofm annsth als Spiel vom Sterb en des reic hen Mann es so erwartb ar ist, das imm erg leic he Ers chrec ken vor dem Tod, der hier mitt en in die ausg el ass en e Fests pielp art y hine ing rätscht und sich holt, was ihm zus teht. Völl ig zu Recht er- wart et sich das Pub lik um ein Star-Ens emb le, nur die best en Theat ers chaus piel er soll en sich mit den höl- zern en Vers en heru mq uäl en. In dies em Jahr aber ist die Spann ung bes ond ers, denn mit Lars Eid ing er steht ein Ext remdars tell er bereit, um im 101. Jahr nach der Salzb urg er Ersta uff ühr ung von 1920 mal so richt ig aufz uräum en mit dem Myst e- rie nm ief. Wer Eid ing er als Haml et, Ric hard III. oder Peer Gyn t kennt, freut sich auf dies es sehr bewegl ic he Ries enk ind, das jetzt mit 45 so langs am erwachs en werd en könnt e. Reg iss eur Mic hae l Sturm ing er hatt e seit 2017 ein e eher kons ervat ive Ins zen ier ung geb ot en, zul etzt mit To- bia s Morett i als Jed erm ann in der Midl ife-Cris is und Carol in e Pet ers als dis tanz iert e Buhls chaft in ein em Amb ie nt e, das fast ein Spieg el der Salzb urg er Festg es ells chaft war, etwas zu dist ing uiert und für manc he, die den Krawall mehr lieb en als das Kamm ers piel, sterb ensl angweil ig. Mit der Neui ns zen ier ung, die jetzt eher zuf äll ig im Laufe der Prob en ents tand en ist, will Sturm ing er das Rud er heru mreiß en. All erd ings gerät schon der Anf ang etwas zu lärm ig, ein ig e Schaus piel er sind kaum zu vers teh en vor laut er Get ramp el und Mus ik. Eid ing ers Jed erm ann trägt dann sein e Gel iebt e auf den Schult ern, sie ist ganz obena uf, er unt er ihrem ro- ten Sat in-Gewand gar nicht zu erkenn en. Mit verb lüffend er Selbsts ic herh eit tritt die neue Buhls chaft Vere- na Alt enb erg er ins Bild, und eig entl ich ist sie es auch, die sich hier als Herr in der Gelds äc ke und Imm ob il i- en präs ent iert, zu Jed erm anns Mon ol og über das schön e Lux usl eb en bewegt sie sync hron die Lipp en. Klar, wer hier die Hos en anh at und ein Int ere ss e dara n, dass die Arm en bloß nicht überm üt ig werd en; die von Je- derm ann eing eford ert e Mildt ät igkeit muss auf ein Min im um beg renzt werd en, dam it das kap it al ist is che Oben-Unt en-Schem a nicht aus den Fug en gerät. So weibl ich war der „Jed erm ann“ noch nie, mit Mav ie Hörb ig er in der Dopp elroll e als Gott und Teufel, An- gel a Winkl er als Jed erm anns Mutt er, Edith Clever als Tod und Kathl ee n Morg en eye r als Glaub e dom in ieren die Fraue n das Ges cheh en. Und dann darf mit Veren a Alt enb erg er die erst e Salzb urg er in in der Fests pielg e- schicht e überh aupt die Buhls chaft spiel en. „Männl ich dom in ant e Denkm ust er“ will Sturm ing er aufb re- chen, desh alb sind ein ig e Fig uren fast schon pen et rant gend erf l ui d, die Männ er stöc keln mit hoh en Abs ät- zen lustvoll heru m, während die Fraue n über Leb en und Tod ents cheid en. Lars Eid ing er ist klug gen ug, sich nicht völl ig dem Spekt akel hinz ug eb en und gel eg entl ich auf die Brems e zu steig en. All erd ings ist sein Jed erm ann anf angs bed rohl ich nah e an der Farc e: Wie ein nicht mehr ganz jung er Glam-Roc ker jagt er in ein er senfg elb en Schlagh os e über die Bühn e, imm er auf der Suc he nach dem nächst en Kick, dem nächst en Opfer. Grand io s ist tats ächl ich der Schauk ampf, den er sich mit dem Schuldk necht (Mirc o Kreib ich) in ein em has- tig hing es tellt en Boxr ing liefert. Jed er Tusch ein Treffer, und das all es mit Mörd era bs ätz en – das Due ll Ei- ding er vs. Kreib ich ist von hinreiß end er, halsb rec her is cher Kom ik. https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/810837/11 1/2
19.7.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/810837/11 Vorg ep länkel ist das all es nur, ein irres Anrenn en geg en die Zeit. Ganz leis e und poet isch dag eg en der Auf- tritt von Ang el a Winkl er als Jed erm anns Mutt er. Dies e will ihren missrat en en Sohn wied er auf den recht en Weg bring en – und für ein en Mom ent sieht es wirkl ich so aus, als könnt e das gel ing en. Eid ing er wird da ganz weich, das Groß m aul zum Kleink ind, das imm er sein en Will en bekomm en hat, seit er aus dem Mut- ters choß gek roc hen ist, wo er jetzt wied er liegt. Im zweit en Teil verl iert die Ins zen ier ung deutl ich an Temp o und Kraft, aber es gibt ja den Tod: die unver- gleichl ic he Edith Clever. Clever schaut, mit ihren nach oben drap iert en Haarh örn ern, ein wen ig aus wie ei- ne bed rohl ic he Fee aus ein er Disn ey-Verf ilm ung. Aber deutl ich und maj est ät isch ruh ig kling en ihre Wort e bis in die letzt en Reih en im ries ig en Schaus pielh aus. Der Tod drängt, ein biss erl was geht ja doch imm er noch, nicht gleich zum Aufb ruch, er lässt dem Jed erm ann sein letzt es Stündc hen, dam it er ein paar Ding e in Ordn ung bring en kann. Es folg en Jamm ern und Zähn ek lapp ern, das groß e Ers chrec ken über das bald ig e End e, das ist der Wend e- punkt in jed er Ins zen ier ung. Ja, der Mann vers teht sowohl was von kränkend en wie von gek ränkt en Män- nern, er beh errscht das Man is che wie das Dep ress ive. Von nun an übern ehm en die Däm on en, die Plag eg eist er der Verg ang enh eit. Imm erh in gewährt die Buhl- schaft ihrem Liebh ab er noch ein e letzt e Rund e Narz isst en-Sex, und all ein daf ür hat sich die Verp flicht ung der beid en Hauptd ars tell er gel ohnt: Wie Veren a Alt enb erg er ihren todg eweiht en Lover in den Schwitzk as- ten nimmt, wie sie ihn noch einm al in best er Tant ra-Man ier zu Höchstl eist ung en treibt, und wie sie ihn schließ l ich sitz en lässt in sein er rot en Unt erh os e, die er forta n trag en wird – all das ist gar nicht mehr ko- misch, sond ern erg reifend. Am Schluss wird’s dann noch mal sehr kat hol isch, und die Ins zen ier ung fällt endg ült ig ause ina nd er. Die gut en Werke sind bel angl os e Geist er in weiß en Gewänd ern, der Teufel (Mav ie Hörb ig er) wirkt wie aus ei- nem Bully-Herb ig-Film entl ieh en. Treul os igkeit, Verrat und dann plötzl ich wied er Hoffn ung, Läut er ung: An dies er Klipp e sind schon viel e Theat erm ac her ges cheit ert. Eid ing er scheint jetzt fast abwes end, er tau- melt etwas zu märt yrerh aft dem End e entg eg en, die Unt erh os e hängt schwer durch. Den „Jed erm ann“ zu ein em würd evoll en End e zu gel eit en, das wäre mal ein e Meist erl eist ung. Groß er Jub el am Schluss, vere inz elt e Buhs. Ein e Salzb urg er in regt sich fürcht erl ich auf, „so viel Kitsch an ein em Abend, wie kann man den Jed erm ann so verh unz en“. Ach Gott, so schlimm war’s nicht.Christ ia n Maye r https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/810837/11 2/2
19.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467327/14 F.A.Z. - Feuilleton Montag, 19.07.2021 Mild und leise aus der Métro Zweierlei Nachtstücke: Das Musikfest in Aix-en-Provence präsentiert Monteverdi und Wagners „Tristan und Isolde“ Von Anja-Rosa Thöming, Aix-en-Provence Nun, da Himmel und Erde und Wind schweigen / Und Schlaf die wilden Tiere und Vögel beru- higt, / führt die Nacht ihren bestirnten Wagen auf die Bahn ...“ Die Verse von Francesco Petrarca hat Claudio Monteverdi im sechsstimmigen Madrigal mit Instrumenten zu einem Gesang tiefer Sehnsucht geformt. Er bildet den Auftakt für ein Nachtstück, das dem diesjährigen Musikfest von Aix-en-Provence eine aparte Facette hinzufügte; von einem anderen Nachtstück, Richard Wagners „Tristan und Isolde“, soll später die Rede sein. Vor dem reizenden Theaterchen Jeu de Paume aus dem achtzehnten Jahrhundert sammeln sich Connaisseure (männlich, weiblich, divers) der Alten Musik, um Werke von Monteverdi, Cavalli, Rossi, Merula aus einer wahrhaft blühenden Phase musikalischer Lyrik und Dramatik zu hören. Die Thematik „Nacht, Tod und Trauer“ bedeutet keine Eintönigkeit der Affekte, ganz im Gegen- teil. Der musikalische Leiter der Montage, Sébastien Daucé, hat aus reichhaltiger barocker Litera- tur vielfältige Kostbarkeiten zusammengestellt. Da ist die große Szene „Il Combattimento di Tancredi e Clorinda“ nach Torquato Tassos „Das befreite Jerusalem“, ein Parforceritt großer Emotionen in der Musik Monteverdis (1624, gedruckt 1638). Der Kampf des Kreuzritters Tankred mit der in männlicher Rüstung verborgenen Heidin – und Geliebten – Clorinda rührte einst das humanistisch gebildete Publikum zu Tränen. Dem Berichterstatter (Testo) kommt die herausragende Rolle zu, den Instrumenten aber die herzer- greifende Gestaltung des Zorns, des Kampfes, des Erschreckens, des endlich gefundenen Frie- dens. Mit lebhafter Diktion und klangvoll dunkler Stimme erobert sich der Tenor Valerio Contaldo die Rolle des Testo. Zuerst die feindselige Gegenüberstellung der Kontrahenten, dann ein magisches Innehalten beim Beschwören der Nacht: „O Nacht, die du im tief dunklen Innern die Heldentat mit Vergessen zudecktest“, einem verzierten Gesang, der in seiner Intensität an Orfeos Singen im Angesicht der Unterwelt erinnert. Ihm folgt die gestische Schilderung wütender Schwerthiebe, in harten Schlägen und schnellsten Tonrepetitionen. Erstmals in der Musikgeschichte setzt Monte- verdi zur Steigerung der Dramatik heftige Pizzicati und Tremoli ein. In der wunderbaren Akustik des kleinen Theaters ist einem das Ensemble Correspondances körperhaft nahe. Dem unerbittlichen Kampf folgt die überraschende Wendung: Clorinda erbittet sterbend von Tancredi das Sakrament der Taufe, woraufhin sie vor Freude lacht und Frieden findet. Für eine säkulare Weltsicht mag dies ein Skandalon sein, daher bietet die Regisseurin Silvia Costa einen modernen Überbau an: Black Swan Theory. So bezeichnet die Wirtschaftswissenschaft das Vorkommen extrem unwahrscheinlicher, auch katastrophaler Ereignisse, die zu zeitweisen Para- lysen führen. Doch lässt sich solch eine Metaebene auf der Theaterbühne kaum einlösen. Jeden- falls nicht begleitet von Requisiten wie Urnen, Kindersärgen, Laserschwertern. Die kommen gegen die extreme innere Spannung nicht an, die so viele Werke des siebzehnten Jahrhunderts kennzeichnet. Viel besser funktioniert szenisch ein schlichtes Tableau, in dem die Madrigalisten in schwarzem Habit mit altertümlichen weißen Kragen singen. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467327/14 1/2
19.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467327/14 Die Spannung zwischen Tod auf der einen und Hoffnung auf Erlösung auf der anderen Seite ist nicht „historisch“, sondern den Werken immanent. Tarquinio Merulas geistliches Wiegenlied „Hor ch’è tempo di dormire“ ist äußerlich ein Schlaflied über einem wiegenden Bass aus den zwei Tönen einer kleinen Sekunde. Doch trägt es den ganzen Schmerz Marias über das Schicksal ihres Kindes, des Erlösers, in sich. Wie die Sopranistin Caroline Weynants das singt, ist hoch musika- lisch und zugleich ergreifend schlicht. Als Pierre Audi vor zwei Jahren die Intendanz in Aix übernahm, sprach er: „Das Publikum sollte sich darauf einstellen, dass das Festival ein Ereignis ist und nicht die Verlängerung eines Abend- essens auf einer Landhaus-Terrasse.“ Stehende Ovationen und rhythmisches Klatschen nach der Aufführung von „Tristan und Isolde“ im Grand Théâtre de Provence bekräftigen, dass das Publi- kum sogar bereit war, Richard Wagners Ereignis anstelle des Abendessens zu schlucken. Und das lag nicht zuletzt an einer intelligenten, zuweilen ironischen Regie, die mit allem Mythenhaften, allem Pathos brach. Dafür bot die Inszenierung des australischen Teams – Simon Stone (Regie), Ralph Myers (Bühne), Mel Page (Kostüme) – ein Konzept filmischer Bewegung, das frappierend gut zu Wagners durchkomponiertem Sehnen und Wähnen passte (Filmkünstler Luke Halls). Schon während des Vorspiels läuft auf der Bühne eine Rahmenhandlung; Schauplatz ist eine Penthouse- Wohnung mit riesigen Fenstern und Blick auf die nächtliche Großstadt. Nach einer ausgelassenen Party bemerkt Isolde, dass Tristan sich für eine andere Frau interessiert. Mit Beginn der Hand- lung suggerieren aufgewühlte graue Nordseewellen einen Ortswechsel auf ein Schiff und zugleich den Blick in Isoldes erregtes Inneres. Das Meer ist fantastisch fotografiert. Später fliegen Seevögel durchs Bild, der verhasste Hafen mit König Marke kommt näher und nach dem Trinken des Liebestranks die blassen Lichter der Mole. Auch im zweiten, dem Liebes-Akt, große Atelier-Fenster mit stürmischen Wolken, glühendem Abendlicht, dann fliegende nächtliche Wolken im Mondlicht, später die Morgendämmerung. „O sink hernieder, Nacht der Liebe“ – die von Wagner vorgegebene zeitliche Bewegung findet ihre Entsprechung im filmischen Vergehen von Zeit. Die Bewegung fürs Auge tut wohl, sie stellt sich den sängerischen und orchestralen Aufschwüngen zur Seite. Der Clou kommt im dritten Akt mit dem Wechsel ins Innere eines Pariser Métro-Waggons. Dunkelheit rast vorbei, dann eine Halte- stelle „Porte des Lilas“. Ein Straßenmusiker kommt herein, spielt die traurige Weise auf dem Englischhorn. Die anderen Passagiere kümmern sich nicht um den delirierenden Tristan. Bei der Station „Hôpital St. Louis“ steigt Isolde ein, etwas Neues bahnt sich an: Mit dem Abge- sang „Mild und leise, wie er lächelt“ entlässt sie Tristan aus der Beziehung und verlässt bei „Châtelet“ gelöst die Métro. Das großartige London Symphony Orchestra spielte unter der Leitung von Simon Rattle etwas zu laut; Isoldes Liebestod geriet ein wenig zu breit, so dass die herrliche Nina Stemme mehr stemmen musste, weniger „schlürfen“ konnte als gewünscht. Stuart Skelton schlug sich als Tristan bravourös. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467327/14 2/2
48 KULTUR K WELT AM SONNTAG NR. 29 18. JULI 2021 BRIEF AUS DEM FEUILLETON Aus dem eep calm and play Wag- – theoretisch – diesen Beruf ausüben DER HOLLYWOODSTAR ner Tuba.“ Wer ein T- können, legte sie los. Ehrgeiz hat sie, Shirt mit dieser Auf- auch wenn man hier ohne Sicherheits- LÄDT ZUM MITTAGESSEN Handgelenk schrift trägt, hat die bügel Klangachterbahn fahren muss. Ruhe noch lange nicht Und dabei auch noch Fernsehkameras verloren. So wie Oksa- zuschauenzuschauen. Der Druck ist rie- na Lyniv. Die 43-jährige sengroß. Sie kann das aushalten. So, wie Lieber Ukrainerin wird dieses Jahr am traditio- sie sich bisher in die Belle Etage des nellen Premierentag, dem 25. Juli, als Musikbetriebs dirigiert hat. Obwohl sie O Debütantin bei den Bayreuther Fest- in der postsowjetischen, bankrotten, George spielen im bis zu 40 Grad heißen Gra- depressiven Ukraine nicht die besten Die Ukrainerin Oksana Lyniv steht als erste Frau in Bayreuth ben antreten und zweieinhalb Stunden Startchancen hatte. den „Fliegenden Holländer“ dirigieren, Clooney, im Graben. Dort dirigiert sie nächste Woche den „Fliegenden vor ihr die Streicher mit FFP2-Masken. ksana Lyniv wurde 1978 als Mu- sikerkind in der Kleinstadt Bro- Holländer“. Ein Porträt VON MANUEL BRUG dy geboren, übte sich in Ge- sang, Flöte, Klavier und Geige, wurde Coronabedingt ist diesen Sommer ausgebildet in Lemberg, heute Lviv, wo auch bei den Wagner-Festspielen, die sie jetzt mit einem dem hier gestorbe- letztes Jahr komplett abgesagt wurden, nen Mozart-Sohn Franz Xaver gewid- einiges anders. „Es gibt dieses Jahr zwei meten Festival samt Nachwuchsorches- Orchester, die jeweils separat einen Teil ter alljährlich etwas zurückgeben will. der Werke spielen“, erklärt Lyniv. „Und Sie hat ihre Chancen genutzt – und sich PICTURE ALLIANCE/DPA/PA WIRE/IAN WEST ich muss in dieser besonderen Akustik gen Westen orientiert. Was trotzdem mit ihrem ganz eigenen Nachhall nicht dauerte, doch hat sie im Osten alles mit- nur meine tollen Musiker aus 40 ver- genommen, was wichtig war, besonders schiedenen Orchestern, die alle ihren die Jahre als Ballettdirigentin an der Wagner wie im Schlaf draufhaben, mit Oper in Odessa. den Sängern koordinieren, sondern 2004 gewann sie den dritten Preis auch mit dem Chor, der diesmal aus beim ersten Bamberger Mahler-Diri- dem Probenraum zugespielt wird.“ Auf gierwettbewerb. Von dem Preisgeld hat der Bühne seien zwar auch Choristen, sie sich nicht Partituren, sondern einen aber die agierten nur stumm. Die ande- Computer gekauft. Im Westen hat Ok- re Hälfte sitze im surreal anmutenden, sana Lyniv nach einer Assistenzzeit in man weiß einiges von Ihnen: Sie mit Plexiglaswänden käfigartig unter- Bamberg in Dresden mit einem DAAD- wollten mal Baseball-Profi werden, teilten Übungsraum: „Das funktioniert Stipendium weiterstudiert. Und zu über Ihren Cousin fünften Grades erstaunlich gut.“ Hause dirigiert. Später hat sie sich be- sind Sie mit Abraham Lincoln ver- Sie hatte „Schlimmstes befürchtet“. wusst und klug, obwohl längst Profi, wandt, und Sie haben als Journalist Und fühlt sich nun ausgesprochen ge- nochmals zurückgenommen, und ergat- angefangen. Ihr Lieblingsessen aber löst. „Ich habe so viele bekannte Ge- terte ab 2013 den Assistenzposten bei ist ein Rätsel. Das könnte sich bald sichter aus verschiedenen Klangkör- Kirill Petrenko an der Bayerischen ändern. pern getroffen. Meine drei Assistenten Staatsoper. Denn zurzeit gehen Sie bei Face- und Studienleiter sind super, deren Er- Hier konnte sie sich an einem ersten book und Instagram mit dem Ange- fahrung vertraue ich.“ So seltsam es Haus bewähren, wo sie später auch für bot hausieren, den Gewinner einer klinge, es habe sich ausgezahlt, in den Premieren wieder eingeladen wurde. Online-Tombola in Ihre Villa am Co- letzten zwei Jahren als freie Dirigentin 2017 wurde sie Generalmusikdirektorin mer See einzuladen und mit ihm ihre verstärkt sinfonische Werke gespielt zu in Graz, aber nur für drei Jahre, längst „liebsten lokalen Spezialitäten“ zu haben. Bei Gastkonzerten müsse man rief die große Opern- und Orchester- I kosten. Abends muss der Gast aber sich schnell finden, sagt Lyniv, man ha- welt nach ihr. Petrenko hat Lyniv auch schon wieder gehen, in sein eigenes be viel weniger Verständigungszeit als in dessen Bayreuther „Ring“-Jahren be- Viersternehotel, in dem es, nebst in der Oper. sucht. Sie durfte damals auch im Or- Flug, eine Übernachtung zu gewin- chestergraben mithören. So, wie sie nen gibt. Das wirkt, ehrlich gesagt, n Bayreuth ist die Probenzeit für eine jetzt in den „Walküre“-Proben bei Pie- wie ein kleiner Makel in Ihrer Gast- Premiere knapp bemessen. Einmal tari Inkinen lauscht, dem anderen, letz- freundschaft. Denn Ihre Villa Olean- hat Oksana Lyniv bisher Richard tes Jahr pandemisch ausgebremsten Di- dra in Laglio am Westufer des Sees Wagners erste, von ihm selbst in den rigierdebütanten. hat 25 Zimmer. Da sollte doch neben Werkkanon aufgenommene Oper diri- „Ich musiziere in größeren Abschnit- Ihrer Frau Amal und den Zwillingen giert, an der spanischen Wagner-Hoch- ten durch“, sagt sie, „auch wenn ich (gerade vier geworden) noch irgend- burg, dem Teatro de Liceu in Barcelona: manchmal selbst noch das Tempo ver- ein Heini Platz finden, der in der On- „Da hatte ich Angst, die Sänger zuzude- fehle, um diese Partitur mit ihren Um- line-Lotterie das große Los gezogen cken, hier muss ich aufpassen, dass ich schwüngen und Tempowechseln in den hat. Aber gut, Ihr Spiel, Ihre Regeln. nicht schleppe, dass alle zusammen Griff zu bekommen. Als Frühwerk ist Auf den Kampagnenfotos halten sind, obwohl ich es selbst da unten, am der ,Holländer‘ ja besonders schwer Sie zwei selbstgemalte Schilder in Zentralpunkt des musikalischen Ge- hier.“ Sie lese gerade die Heine-Vorlage, der Hand: „Lasst uns feiern!“, steht tümmels, gar nicht richtig hören kann.“ die sei sehr humorvoll. Auch Wagner drauf, und: „Besucht uns in Italien!“ Da unten, im mystischen, weil nicht habe einiges von diesem Humor dem VIKTOR ANDRIICHENKO Dabei tragen Sie Lederjacke und bli- einsichtigen Abgrund, wo es stickig und düsteren Stück beigemischt. „Es geht cken etwas ratlos drein – noch nicht schwitzig ist. Das war bisher eine abso- wie Wasser, aber es braucht Feuer, um gerade Dolce Vita, wenn Sie mich lute Männerdomäne. Nur wenige Frau- pointierte Akzente setzen zu können. fragen. Aber das kann ja noch kom- en spielen im Orchester, obwohl das Es gibt keine Götter, keinen mystischen men. Die Erlöse der Tombola mit Ih- ausdrücklich erwünscht ist. Bayreuth, Klang. Es geht um Menschen, in allen nen und Amal als Hauptpreis gehen in der Leitung durchaus ein Hort der möglichen Facetten, bis hin zum Volks- an Ihre eigene Stiftung für Men- willensstarken Damen und Walküren- Gute Nerven und feines tümlichen. Ich will das nahe ans Leben schenrechte. felsen, von Meisterwitwe Cosima über Gespür: Oksana Lyniv hinführen.“ Gewinnen kann im Prinzip jeder, Hitler-Freundin Winifred bis zu den will. Und die jetzt in Bayreuth zeigen ter, in jeweils eigenen Blasen mit je spe- Oksana Lyniv hat gute Nerven und nur Kanadier müssen eine knifflige beiden halb schwesterlichen Urenkelin- will, dass sie es im Handgelenk hat. ziellen Garderoben, Auftrittswegen ein feines musikalisches Gespür, über- Matheaufgabe lösen, weil ihre Regie- nen Eva und Katharina, von denen seit Egal, ob das weiblich oder männlich ist. fanden keinen Draht zum Orchester, und Aufenthaltsräumen vonstattenge- zeugt mit Charme, kann sich notfalls rung reine Glücksspiele verbietet. 2015 nur noch Katharina über den Hügel Denn auf diesem Ticket wollte sie noch das durchaus mit sicherer Hand geführt hen muss: „Uns vereint vor allem die aber auch mit anderen Mitteln durch- Merke: Auch der Weg zu einem Vitel- herrscht, hat nun – das auch noch und nie reisen. werden will. Ihr Repertoire kennen die- Musik“, sagt Lyniv. setzen. Sie ist eine zupackende, dabei lo tonnato (mein Tipp!) kann zuwei- endlich – nach 145 Festspieljahren erst- Selbst Größen wie Georg Solti, se Musiker, sie wollen gefordert werden Bayreuth ist der Ritterschlag im stets gekonnt gliedernde Dirigentin, die len steinig sein. mals eine Dirigentin am Pult. Christoph Eschenbach, Thomas Hen- und gleichzeitig eine gute Ferienzeit Opernbetrieb. Oksana Lyniv will Ritte- dabei immer auch die Sänger atmend Und auch das ist eben nun diese zier- gelbrock oder Valery Gergiev sind an haben. Das muss man ausbalancieren rin werden. Früher dachte sie: Dirigie- unterstützt. So bewahrt sie die Ruhe, Schönen Sommer, liche, aber sehr zähe, durchsetzungsfä- diesen extrem speziellen Klangmi- können. Besonders diesen Sommer, wo ren, das ist wie Armeedienst, nur für trotz Wagner-Wahn. Und natürlich Ihr Jan Küveler hige Ukrainerin, die genau weiß, was sie schungsverhältnissen gescheitert. Oder hier alles viel weniger familiär, isolier- Männer. Als sie hörte, dass auch Frauen auch ohne Tuba. ANZEIGE KLASSIK EINE KLASSIK FÜR SICH KRYSTIAN ZIMERMAN BOMSORI ALBRECHT MAYER SIMON RATTLE · LONDON SYMPHONY ORCHESTRA VIOLIN ON STAGE MOZART BEETHOVEN: COMPLETE ORIGINALWERKE UND ARRANGEMENTS »WAS »W WAS MAY A E ER R AN TO T NS NSCH CHÖN CH ÖNNHE H ITT, PIANO CONCERTOS FÜR VIOLINE UND ORCHESTER MUUSI S IK KAALLIISC SCHE CHE H R GE G ST STAL ALLTU A T NG NGSKSK KRA AFT FT U D TE UN TECH C NI CH N SC SCHE HE H ER PE P RF RFEK K TI T ON O HÖR Ö ENE »HISTORY IN THE MAKING« VON TCHAIKOWSKY, GLUCK, MASSENET, L ÄSS LÄ SST, SST,T, IS STT EIN NFA FACH CH UMW CH M ER RFE F NDND.« .« THE TIMES SAINT-SAËNS, WIENIAWSKI STE EREO R O RE WWW.KRYSTIAN-ZIMERMAN.DE WWW.BOMSORI.DE WWW W W.AL .A BRE BRECHT CHT-MA CH CHT M AYE MA YER YER.DE E .DE DE D E JETZT ÜBERALL IM HANDEL — ALS CD / DOWNLOAD / STREAM © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten (einschl. 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19.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467317/12 F.A.Z. - Feuilleton Samstag, 17.07.2021 Rebhühner kommen auch drin vor Die Kissinger Liederwerkstatt huldigt mit Uraufführungen noch einmal auf witzig-kluge Weise Beethoven Es sei „ein freundliches, sehr artiges Liedchen, äußerst leicht und gefällig für zwei Singstimmen und das Pianoforte gesetzt“, heißt es 1817 in einer Anzeige in der Allgemeinen Musikzeitung über Ludwig van Beethovens „Merkenstein“ op. 100. Dass dieses Liedchen heute kaum mehr bekannt ist, verwundert nicht – schließlich haben Beethovens Lieder, von Ausnahmen wie dem Zyklus „An die ferne Geliebte“ oder „Adelaide“ einmal abgesehen, ohnehin einen schweren Stand. Wer es nicht besser weiß, könnte auf die etwas verwegene Idee kommen, es wäre für die Liederwerkstatt des Kissinger Sommers ergiebiger gewesen, wenn 2020 ein Schubert- oder immerhin ein Schu- mann-Jahr gewesen wäre. Dann hätte man problemlos aus dem Vollen schöpfen können. Doch auch Bad Kissingen möchte Beethoven noch gratulieren, nachdem im vergangenen Jahr die Pandemie alle Feierlichkeiten verhindert hatte. Im Gegensatz zu vielen anderen Klassikfestivals setzt man im unterfränkischen Kurort ganz aufs analoge Kunst-Erleben, das in diesem Jahr wieder vor Publikum möglich war, und verzichtete auf digitalen Ersatz. Auch wenn die Lieder- werkstatt 2021 kleiner ausfiel als in den Jahren zuvor, brachte sie doch fünf stilistisch vielfältige Uraufführungen von zeitgenössischen Komponisten: Manfred Trojahn, Alexandra Filonenko, José María Sánchez-Verdú, Ann Cleare und Steffen Schleiermacher. Wie schon 2019 geht es um das Verhältnis von Kunst und Natur. „In der wahren Kunst ist auch immer die Natur hervorstechend“, schrieb Beethoven im Jahr 1825 dem Fürsten Nikolaus Galit- zin, was man in „Adelaide“ oder dem „Wachtelschlag“ auch zu hören bekommt. In „Merkenstein“ wird die namensgebende Ruine einer niederösterreichischen Burg in der Nähe von Bad Vöslau besungen, der Beethoven zwei Lieder zudachte. Die beteiligten Sänger der Liederwerkstatt flöten das Eingangsmotiv, wie es im Text heißt, „wie hell im Busch die Amsel“. Allein für sich ist das Lied kaum mehr als eine etwas schrullige Rarität, man sollte die Rechnung aber nicht ohne Stef- fen Schleiermacher machen. In „Besichtigung nur von außen möglich“, das Lied als Vorlage nutzend, bröckelt das Idyll wie eine Ruine, und mystische Schwaden legen sich über das in neuem Kontext doch nicht mehr so friedvolle Liedchen. Historische Texte werden dabei kunst- wie humorvoll in das neue Ganze hineingewebt. Was man aus „Merkenstein“ alles herausholen kann! Während Schleiermacher Beethoven weiterkomponierte, suchte sich Alexandra Filonenko für den Zyklus „Zu Ferne Hermine/Zeit der Gezeiten“ ihre Texte selbst zusammen. Im rhythmisch getrie- benen Sprechgesang gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen Sprechen und Singen. Einzelne Momente werden zu dramatischen Höhepunkten, das Klavier spricht schroff dazu. Den Beetho- ven-Bezug stellt ein Zitat aus dem langsamen Satz einer Klaviersonate her, was irritierenderweise mit einem schlagartigen Wechsel der Klangsprache ins Tonale einhergeht. Im Gegensatz zu Schleiermacher und Filonenko lässt sich in José María Sánchez-Verdús „Y siempre después el viento“ (Und immer nach dem Wind) nach Texten von Hugo Mujica kaum ein Beethoven-Bezug ausmachen. Die fünf dichten Miniaturen geben ein gutes Beispiel dafür, wie man mit wenig Material viel zum Ausdruck bringen kann. Axel Bauni, künstlerischer Leiter der Liederwerkstatt und gemeinsam mit Jan Philip Schulze für die Klavierbegleitung zuständig, hat sichtlich Freude daran, die komplexen Variationsstrukturen hörbar zu machen. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467317/12 1/2
19.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467317/12 Wie schon in den vergangenen Jahren zeigten sich mit Sarah Aristidou, Ekaterina Chayka-Rubin- stein und Julian Freibott junge Stimmen, die die von Bauni kunstvoll geschneiderten, mit inter- textuellen Bezügen und Leitmotiven gespickten Programme bei sehr wenig Vorlaufzeit und in gemeinsamer Arbeit mit den Komponisten einstudierten. Freibott schlüpft mit seinem bewegli- chen, schlanken Tenor als wandelbarer Geschichtenerzähler vielfältig in Rollen, erweckt etwa Beethovens Lied „Der Kuss“ aus zwei Blickwinkeln spielerisch zum Leben. Aristidou singt Beetho- vens „Wachtelschlag“ wie eine kleine Opernszene, rezitativisch vom Klavier begleitet. Und Chayka-Rubinstein bringt Ann Cleares skurril in irischer Mythologie zwischen Rebhühnern und Moormedizin mäanderndes „Tintrí“ mit starken Klangbildern zur Uraufführung. Trojahn, neben Schleiermacher der zweite Stammgast auf Komponistenseite, präsentierte sich mit „Rufe von Amseln im Schnee“ – beschleunigend, dann in Pausen zurückfallend – als klangstilsicherer Atmosphärenschöpfer. In „Vorabend“ tropfen die Töne nur so aus dem Klavier. Seit nunmehr fünfzehn Jahren ist die Liederwerkstatt eine erfreuliche Konstante im Kissinger Festivalprogramm, weil hier, in aller Beschaulichkeit und gefördert von der Anton und Katharina Schick Stiftung, dem zeitgenössischen Kunstlied eine kleine, aber exzellente Bühne bereitet wird – etwas überraschend zwischen den vielen Stars der Klassikwelt, die im benachbarten Max-Litt- mann-Saal gastieren. Jahr für Jahr liefert man so Vorbilder und Inspirationen für einen moder- nen Liederabend, bei dem neue Erzählzusammenhänge geschaffen werden. Nach dem letzten Festivaljahr unter der Intendanz von Tilman Schlömp, dessen Vertrag nicht verlängert wurde und dem Alexander Steinbeis folgt, wird sich künftig zeigen, wie sehr in Bad Kissingen dem massen- tauglicheren Schönen und Gefälligen weiterhin das Besondere entgegengehalten wird. Das findet man verlässlich bei der Liederwerkstatt. Jesper Klein https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467317/12 2/2
46 KULTUR WELT AM SONNTAG NR. 29 18. JULI 2021 Trumm mit Tapetentür BILDBETRACHTUNG In Berlin öffnet das sagenhaft teure Humboldt N Forum. Ist es auch sagenhaft gut? ach gut acht Jahren Bauzeit Beinahe alles in „Berlin Global“ ist ir- und immer neuen Verzöge- gendwie interaktiv, es gibt viele Bild- rungen ist Berlin vom 20. Juli schirmsäulen und kleine, schlaue Arm- an um eine Kulturinstitution reicher. bänder, die die eigenen Entscheidun- Das Humboldt Forum öffnet seine Tü- gen für oder gegen bestimmte Phrasen ren für Besucher. Sechs Ausstellungen innerhalb der Ausstellung archivieren auf zwei von drei Etagen, die übrigen und auswerten (ohne jeden Erkennt- folgen im September. Soll man sich nisgewinn). Man erfährt viel, manches freuen? Klares Jein. ist gelungen, aber vor lauter Gimmicks weiß man am Ende nicht, worüber man VON BORIS POFALLA nun eigentlich nachdenken soll. Das ist ein Grundproblem des Abgesehen von den penibel rekon- Humboldt Forums. Der Kaiser musste struierten Barockfassaden Andreas in seinem Schloss ja bloß wohnen, wir Schlüters, besitzt das Trumm an der sollen in dessen Nachbau ständig die Spree den Charme eines verkehrs- Welt hinterfragen. Den europäischen günstig gelegenen Kettenhotels. Seine Kolonialismus etwa, dessen Beute hier Errichtung hat 680 Millionen Euro ge- versammelt wird. Die ethnologischen kostet – mit dieser Summe hätte man Sammlungen mit ihren Südseebooten 70 Jahre lang den Ausstellungsetat der und Benin-Bronzen öffnen wie gesagt Staatlichen Museen zu Berlin verdop- erst im Herbst, debattiert wird aber peln können. Der Eintritt wird die ers- längst, die Akteure hinken dem Dis- ten 100 Tage lang frei sein – dieses kurs seit Jahren hinterher. Mit spendable Angebot wird andere Berli- „Schrecklich schön“, einer Schau über ner Häuser noch viele Besucher kos- Elfenbein, soll jetzt der Paukenschlag ten, und das in Krisenzeiten. Da hilft gelingen. Wie dieser Paukenschlag es auch nicht, dass sie einen Sonntag aussieht, darüber darf man am Sonn- im Monat ebenfalls freien Eintritt an- tag vorher nichts schreiben. Eine so- bieten. genannte Sperrfrist gilt, obwohl der zugehörige Katalog mit allen Informa- tionen seit Wochen im Buchhandel liegt. Es ist ein Sinnbild für den Kampf des Forums um seine eigene Deutung. HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN/PHILIPP PLUM Das Problem ist: Bisher hat sich das Warten nicht gelohnt. Im Inneren wurde es ja auch nicht besser, als Fran- co Stellas zeitgenössische Fassade zum Alexanderplatz hin versprach. Der Barock strahlt, doch alles Zeit- genössische erscheint kantig und seri- ell, „leblose Schematik“ attestiert ein am Projekt Beteiligter. Aber es hilft nichts, man muss den Kasten mit Le- ben füllen. Am besten gelingt das bis- Die Humboldts hätten das Humboldt lang der Humboldt-Universität, die Labor geliebt gerade mal zweieinhalb Prozent der Flächen nutzt. Das sogenannte „Hum- Nein, das Humboldt Forum löst boldt Labor“ aktiviert die enormen kein einziges Problem in der deut- Sammlungen der Universität, um zu schen Hauptstadt. In Berlin wird gern vermitteln, worum es bei den namens- mit Welterbe und Neubauten ge- gebenden Humboldt-Brüdern Wil- protzt, aber die operativen Museums- helm und Alexander denn eigentlich etats sind lächerlich, Ausstellungen ging und in der Wissenschaft heute Der Regisseur Wes Anderson ist dafür Meme, dem mit ironischen Bildunterschrif- Benveniste verglich sie mit „Williamsburg, von Weltrang finden kaum mehr statt, auch immer noch geht: um Erkennt- berühmt, dass in seinen Filmen fast jede ten jeweils neue Bedeutungen unterlegt Upper West Side, Upper East Side, New wie es der Wissenschaftsrat erst kürz- nis, nicht um Repräsentation. Die Einstellung aussieht wie ein Wimmelbild, wurden. Am naheliegendsten war noch, die Jersey.“ Journalisten dürfte besonders lich bestätigte. Die hoch qualifizierten Ideenwerkstatt mit ihren völlig unter- ein Gemälde oder eine surrealistische Fo- Kleidung verschiedenen Stilen sozialer deprimiert haben, was dem amerikanischen Kuratoren, die in Berlins Museen die schiedlichen Exponaten aus Kunst, tografie. Beim Filmfestival in Cannes ha- Netzwerke zuzuordnen: „TikTok, LinkedIn, Tech-Reporter Jon Chrstian dazu einfiel: inhaltliche Arbeit tun, vergeuden ihre Natur und Wissenschaft hat etwas von ben er und seine Darsteller jetzt bewiesen, Instagram, Facebook.“ Ein Fan der legendä- „Fünf Jahre im Journalismus, zehn Jahre Zeit mit sechsfachen Angebotseinho- der feudalen Kunstkammer, die einst dass sie spielend solche ikonischen Effekte ren Westernserie „Bonanza“ schrieb: im Journalismus, 15 Jahre im Journalismus, lungen für jede Vitrine und anderem im alten Schloss existierte, und ist auch abseits der Kinoleinwand erzielen „Adam Cartwright, Joe Cartwrigth, Ben 20 Jahre im Journalismus.“ Das Beste an Papierkram, für den es anderswo pro- doch ganz zeitgenössisch und flexibel. können – einfach, indem sie sich neben- Cartwright, Hoss Cartwright.“ Manche Twitter & Co ist dann aber doch immer der fessionelles Personal gibt. Wie man Bei Bedarf verschwinden die Acryl- einanderstellen. Das Foto, auf dem Timot- setzte die vier Abgebildeten mit evangeli- nerdige Spezialistenhumor. Beispielhaft hört, wird es nicht besser, sondern im- glas-Vitrinen motorisiert an der De- hee Chalamet, Anderson, Tilda Swinton schen Theologen gleich, andere mit ver- dafür der Experte für seltene Bücher, der mer schlimmer. cke, um Veranstaltungen Platz zu ma- und Bill Murray in recht unterschiedlichen schiedenen Fraktionen der britischen To- den Twitter-Account „Incunabula“ betreibt Aber das sind die Mühen der Ebene. chen. Studenten sind an der sich ver- Outfits (auf Englisch war von „mismat- ries. Ein Geschichtskenner ordnete sie den und der die vier mit Schriften des Mittel- Das Humboldt Forum ist von Anfang ändernden Schau ebenso beteiligt wie ched“ die Rede) nebeneinanderstehen, ist Alliierten im Zweiten Weltkrieg zu: „De alters verglich: „Humanistische Schrift, an Chefsache gewesen, ein Prestige- internationale Forscher, die auf einer in dieser Woche im Internet geradezu ex- Gaulle, Roosevelt, Stalin, Churchill“. Die langobardische Schrift, karolingische Mi- projekt des deutschen Staates und das Videowand von ihrer Arbeit berichten. plodiert. Es wurde ganz schnell zu einem New Yorker Wirtschaftsjournalistin Alexis nuskel, merowingische Schrift“. mh Lieblingskind seiner Kulturstaatsmi- Die Öffnungszeiten des Gesamtfo- STEPHANE CARDINALE - CORBIS/CORBIS VIA GETTY IMAGES nisterin Monika Grütters. Erst kam rums, erklärt der verantwortliche Ku- die Hülle, dann der Zweck, ein fataler rator Gorch Pieken, flexibilisiert man Fehler bei jedem Neubau. Vier Nutzer durch einen separaten Nebeneingang. arbeiten nun nebeneinander her: die Anstatt durch das pompöse Eosander- Stiftung Humboldt Forum als Haus- Portal unter der Kuppel zu schreiten, herrin, Berlins Stadtmuseum, die wird man als Humboldt-Labor-Besu- Humboldt-Universität und die Staatli- cher auch spätabends noch durch ei- chen zu Museen zu Berlin mit ihren nen bescheideneren Eingang schlüp- ethnologischen Sammlungen. fen können, um etwa live einen Satelli- „Berlin Global“ nennt sich der Bei- tenstart zu verfolgen oder eine Dis- trag des Stadtmuseums. Er beginnt kussion unter Molekularbiologen. Ale- mit einem bunten, hässlichen Wandge- xander und Wilhelm, so viel ist sicher, mälde voller postkolonialem Kitsch. hätten die Tapetentür gewählt. KURZKRITIKEN „FAST AND FURIOUS 9“ „ALLAHS KARAWANE“ „LIEDER“ „MORDCLUB“ „FOR FREE“ „VOM GEHEN IM KARST“ FILM SACHBUCH KLASSIK KRIMI FOLKROCK LANDSCHAFTSKUNDE Je mehr PS, desto länger der Brems- Dass bei Islam viele nur an Salafis- Brände haben ja in Thüringen apoka- Wie Krimiautoren ihr Spitzenperso- Im August wird David Crosby 80. Es Endlich gibt es bei Matthes & Seitz weg. Diese Faustregel von der Straße mus, Kopftuch und Scharia denken, lyptische Tradition. Manchmal ver- nal aussuchen, grenzt ja schon an Al- werden zurzeit viele Musiker seiner auch ein ultimatives Buch über porö- gilt auch in Hollywood. Nach dem Tod liegt an der Macht eines rigiden Is- wischten sie die Spur von einem Gro- tersdiskriminierung. Wer Verbrecher Generation so alt, wie sie es, als sie ses Gestein. Essayistisch verträumt von Paul Walker ging der Franchise lam, der sich weltweit immer weiter ßen war, der heute noch ein Großer jagt, muss restmobil sein. Das sind jung waren, nie werden wollten. durchstreift Jan Röhnert Kalkland- „Fast & Furious“ mit Highspeed wei- verbreitet. Susanne Schröter, Eth- sein könnte. Philipp Heinrich Erle- Joyce, Ibrahim, Ron und Elizabeth in Crosby hat selbst nicht wenig dafür schaften in Europa. Von den Stein- ter. Kritiker raufen sich die Haare, nologin an der Uni Frankfurt, lenkt bach ist einer von ihnen. Könnte Cooper Chase, „Englands erstem Lu- getan. Aber der ganze Sündenstolz, brüchen seiner Thüringer Kindheit doch der sensationelle Erfolg gibt den in ihrer 200-seitigen Reise durch das heute sein, was Telemann ist. Mehr xus-Resort für Senioren“ gerade der Drogenheroismus und die Rebel- führt die Reise über die Südharzklip- Asphaltjunkies recht. Insgesamt spiel- islamische Multiversum (C.H. Beck) als tausend Werke hat der gebürtige noch so. Sie treffen sich donnerstags lionen des vergangenen Jahrhun- pen und das französische Zentral- te die Reihe knapp vier Millarden Dol- den Blick auf eine Vielfalt, die es zu Ostfriese hinterlassen, nach 56 Le- bei Cracker und Gin Tonic und lösen derts sind längst Folklore. Und so massiv bis zum Küstenkarst bei lar ein. Jetzt läuft in den Kinos der kennen und zu würdigen gilt. Fazit bens- und 33 Arbeitsjahren am Hof im Puzzle-Zimmer Cold Cases. Bis singt er auch, als hätte es die Byrds Triest. Unterwegs treten auf: Petrar- neunte Teil – langsam lohnt sich das ihres Buches: Es gibt nicht den einen, von Rudolstadt. Dann brannte 1735 ihnen eine fast noch warme Leiche und seine Supergruppen nie gege- ca, Dante, Rilke – und immer wieder Mitzählen nicht mehr. Es geht um wahren Islam, das Schloss. Was noch da ist, sieben vor die Rollato- ben: David Crosby klingt noch im- Handke. „Wie Daddy- und Brother-Issues. Regie sondern musli- Prozent, macht einen ganz wehmü- ren gelegt wird. mer wie der Junge aus dem Knaben- steingeworde- führt Justin Lin, ein Taiwanese, der mische Tradi- tig. Damien Guillon nahm sich jetzt Ein großartig chor. „For Free“, der Titel seines ner Schweizer das erste Mal bei der Ausgabe in Tokio tionen von Bos- der Lieder an, für die Erlebach hoch- klassischer Kri- neuen Albums, ist nicht nur ein schö- Käse wirken die hinters Steuer durfte. Vin Diesel sieht nien bis Indone- berühmt war. Der vielleicht franzö- mi von Richard nes Wortspiel, sondern auch ein Lied bizarren Lö- immer noch so sien, vom Matri- sischste aller Osman. Dame von Joni Mit- cher, Furchen, aus, als habe er archat in Malay- deutschen Ba- Agatha hätte er chell. Sie haben Rillen“, gerade eine sia bis zur Re- rockgranden gefallen. Wurde die Sechziger- schwärmt Röh- 2021 UNIVERSAL STUDIOS MATTHES & SEITZ BERLIN Zapfsäule leer formtheologie steht plötzlich zum Bestseller, und Siebziger- nert über den getrunken. Und in Los Angeles. vor einem. Ein als die Senioren jahre überlebt. Karst. Und Bremsen ist im- Ein wichtiges, melancholi- vor Corona Jetzt fühlen sie macht Appetit C.H. BECK mer noch was aufklärerisches scher Feingeist. weggesperrt sich wieder jung auf eigene Expe- ALPHA für Verlierer. küv Buch. rei elk wurden. elk und weise. mp ditionen. rei LIST PR © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten (einschl. Text und Data Mining gem. § 44 b UrhG) - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung
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