"Weiter so" ist keine Option - Gen-ethisches Netzwerk

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"Weiter so" ist keine Option - Gen-ethisches Netzwerk
Nr. 207 - August 2011
                                                                                                   6,50 Euro

                                                                                             Informationen und Kritik
                                                                                                   zu Fortpflanzungs-
                                                                                                  und Gentechnologie

                                        Gen-ethischer Informationsdienst

Agrarreform

„Weiter so” ist keine Option

Grüne                                  Fleisch                        Epigenetik: Ende
Wüsten                                 „Ohne GenTechnik“              des Gen-Determinismus?
Esther Leiva, Kleinbäuerin und Akti-   Ein Metzger lässt              Oder ist jetzt jeder
vistin aus Paraguay, berichtet         seine Produkte zertifizieren   selber schuld?
EDITORIAL
                                             Es muss was passieren, sonst passiert nichts!
                                             25 Jahre Gen-ethisches Netzwerk e.V.

                                              Angenommen, ich würde hier jetzt schon seit 1986 sitzen. Ist das Engagement von
                                             GeN und GID im Rückblick ein Erfolg oder nicht? 1986 hatten wir keinen Anbau gen-
                                             technisch veränderter Pflanzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (und auch
                                             sonst nirgendwo), weder kommerziell, noch in Versuchen. Jetzt haben wir ein klitze-
                                             kleines Fleckchen Amflora-Kartoffeln und ein paar Versuchsfreisetzungen, aber auch
                                             einen illegalen Versuch in einem botanischen Garten, permante Kontaminationen mit
                                             gentechnisch veränderten Organismen auf Feldern, in Lebensmitteln und so weiter
                                             und ein erneutes Urteil gegen die FeldbefreierInnen von Gatersleben (siehe Seiten 24
                                             und 40) - Erfolg oder Misserfolg?
                                              Die Abstimmung im Bundestag zur Präimplantationsdiagnostik: Ist der Kompromiss
                                             ein Erfolg oder ein Misserfolg? Wie messen wir eigentlich Erfolge der sozialen Bewe-
                                             gungen? Das war (unter anderem) Thema einer Tagung unlängst in Frankfurt, die von
                                             der Bewegungsstiftung veranstaltet worden war. Wir haben mit Interesse und Freude
                                             teilgenommen. Um es kurz zu machen: Wir haben nicht DIE Antwort gefunden. Es gibt
                                             Erfolge und die sollen und müssen gefeiert werden. In jedem Fall: Es muss was passie-
                                             ren, sonst passiert nichts! Oder, mit dem Titel des aktuellen Schwerpunktes: „Weiter
                                             so” ist keine Option!

                                              Eine letzte Sache liegt mir dann aber doch noch am Herzen: Die GID-Redaktion gra-
                                             tuliert dem GeN zu seinem Jubiläum, dankt allen GeNies für die Unterstüt-
                                             zung - egal ob als Vorstand, Kollege oder Kollegin im Büro, als SpenderIn oder Mit-
                                             glied, als KassenprüferIn oder als jemand der/die vor Ort GIDs unter die Leute bringt -
                                             und wünscht ihm noch viele engagierte (erfolgreiche) Jahre!

                                             Die GID-Redaktion

                                                 Das                               wird 25!
                                                    Und zwar fast auf den Monat genau zu dem Zeitpunkt, wo Sie das neue Heft in
                                                 Händen halten. Ende September 1986, so vermerkt der GID Nr. 19 vom Dezember des-
                                                 selben Jahres, formulierte das „internationale Gen-ethische Netzwerk e.V.“ seine
                                                 Gründungserklärung, in der es „zu einer kritischen, weltanschaulich unabhängigen
                                                 und grenzüberschreitenden Auseinandersetzung über die Ziele der Gentechnik“ auf-
                                                 rief. Schon die Gründungsmitglieder, die unter anderem aus der internationalen Orga-
                                                 nisation gegen Bevölkerungspolitik und für weltweite Frauenrechte FINRRAGE, der Re-
                                                 daktion des GID oder der Partei DIE GRÜNEN kamen, hielten es für notwendig, Ent-
                                                 scheidungen über den „Umgang mit der Gentechnik“ nicht ExpertInnen und Politike-
                                                 rInnen oder gar den „Mechanismen des freien Marktes“ zu überlassen. Stattdessen
                                                 forderten sie einen offenen und demokratischen Dialog. Hindernisse für solche Dialo-
                                                 ge wie etwa mächtige Industrieinteressen existieren zwar nach wie vor. Aber wie stark
                                                 wären sie ohne organisierten Widerstand? Schon allein deshalb bleibt das GeN wohl
                                                 auch in den kommenden 25 Jahren unverzichtbar. Stößchen!

2   Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011
INHALT
25 Jahre GeN
Rückblick und Ausblick
GID-Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4

Titelthema                                                                                   • Landwirtschaft und Lebensmittel
Agrarreform
                                                                                             EU prüft SmartStax zu lasch
                                                                                             Gentechnisch veränderter Mais löst neue Kontroverse aus
„Weiter so” ist keine Option                                                                 Von Christoph Then . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28
Einführung
GID-Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6

Stationen einer Sternfahrt                                                                   • Mensch und Medizin
Bauernsternfahrt „Meine Landwirtschaft - unsere Wahl“
Von Teilnehmern der Sternfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7          Epigenetik: Ende des Gen-Determinismus?
                                                                                             Oder ist jetzt jeder selber schuld?
Grüne Wüsten                                                                                 Interview mit Joachim Bauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
Esther Leiva, Kleinbäuerin und Aktivistin aus Paraguay, berichtet
Von Christof Potthof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10

Fleisch „Ohne GenTechnik“                                                                    • Politik und Wirtschaft
Ein Metzger lässt seine Produkte zertifizieren
Von Christof Potthof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12     Aufgeklärte Vernunft
                                                                                             gegen christlichen Fundamentalismus?
Mitgliedstaaten mit mehr Macht                                                               Die Achillesferse der bioethischen Skeptiker in der PID-Diskussion
Gentechnik-kritische Bewegung in Europa feiert großen Erfolg                                 Von Ulrike Baureithel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41
Von Christof Potthof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14
                                                                                             Feldbefreiung in Belgien
Sozioökonomische Auswirkungen von GVO                                                        Ein Rauswurf sorgt für Diskussion über GVO
Marktzulassung von GVO unter veränderten Vorzeichen                                          Interview mit Barbara van Dyck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43
Von Armin Spök . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

„Solidarische Landwirtschaft“
Ein Netzwerk für Verbraucher und Produzenten
Von Birgit Peuker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19

Forschungsförderung muss
der Gesellschaft dienen
Offener Brief zum Forschungsrahmenprogramm der EU
Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22

• Kurz notiert                                                                               • Magazin
Kurznachrichten aus den Bereichen                                                            Rezensionen, Materialien
Landwirtschaft und Lebensmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24             und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Mensch und Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Politik und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

                                                                                                             Gen-ethischer Informationsdienst          Nr. 207 · August 2011           3
25 Jahre GeN

                                                                                                        Danke!

                                                                                                        In dieser Ausgabe kann man immer wieder
                                                                                                        über die Kampagne „Meine Landwirtschaft -
                                                                                                        Unsere Wahl“ lesen. In ihr sind Vereine und
                                                                                                        Verbände zusammengeschlossen, die in
                                                                                                        Deutschland im Bereich Landwirtschaft enga-
                                                                                                        giert sind. Die Schlussfolgerung des Welta-
                                                                                                        grarberichts „Weiter so ist keine Option!“ tra-
                                                                                                        gen sie als ein Leitmotiv in die Diskussionen
                                                                                                        und Auseinandersetzungen um die zukünftige
                                                                                                        EU-Agrarpolitik. Das GeN gehört zum Träger-
                                                                                                        kreis dieser Kampagne. Denn Agrarpolitik und
                                                                                                        Gentechnik sind nicht zu trennen. Wie zum
                                                                                                        Beispiel dem Text über den Besuch der Bäue-
                                                                                                        rin und Aktivistin Esther Leiva aus Paraguay zu
                                                                                                        entnehmen ist, wirkt sich unsere Landwirt-
                                                                                                        schaft global aus. Koalitionen und Netzwerke
    Die Crew grüßt Mitglieder, Abonnentinnen und Freunde!                                               sind für das GeN Programm. „Meine Land-
                                                                                                        wirtschaft“ ist nur das jüngste Beispiel in ei-
    Die taz hat zum 25-jährigen Jubiläum eu-              eine Bewegungs-Timeline aufzustellen. Alle    ner langen Reihe von Kooperationen. Anläss-
    phorisch über das GeN berichtet. Kein Wun-            Highlights, Daten und Anekdoten aus 25        lich des Jubiläums geht deshalb unser Dank
    der, Gentechnik-Kritik geht in die dritte Ge-         Jahren Gentechnik-Kritik haben wir aber       eben auch an Euch, liebe FreundInnen, Mit-
    neration. Wir wollen das 25-jährige Beste-            nicht mehr auf dem Schirm. Deshalb brau-      streiterInnen und KollegInnen!
    hen des GeN zusammen mit Euch, den Weg-               chen wir Eure Hilfe! Schickt uns Eure Ge-
    begleitern und Freundinnen, feiern. Alle Ter-         schichte:
    mine dazu in der Terminspalte. Geschichts-            www.gen-ethisches-netzwerk.de/25Jahre         Come to Tarrytown!
    bewusst, wie wir sind, haben wir begonnen,            gen@gen-ethisches-netzwerk.de
                                                                                                        Das GeN beim gen-kritischen Vernet-
                                                                                                        zungstreffen in den USA
    Produktiv „Ich erinnere mich, wie wir                                                               Ein globaler Markt für Leihmutterschaft, die
    1986 unter dem Aprikosenbaum in Beatrix Tap-                                                        Wiederkehr von Rassekonzepten in der Gen-
                                                                   25
                                                                         Jahre

    pesers Garten in Bonn saßen und über die Grün-                                                      forschung, gerichtliche Auseinandersetzun-
    dung des GeN sprachen. Wir kannten uns aus                                                          gen um Patente, kommerzielle Gentests - all
    der Bundesarbeitsgemeinschaft Gentechnik der                                                        dies sind Themen, die viele Nichtregierungs-
    Grünen. Es war die Zeit der großen Frauenkon-              Fördermitglied werden!                   Organisationen und engagierte Individuen in
    gresse mit Kritik an Gen- und Reproduktions-                                                        den USA umtreiben. Das „Center for Gene-
    technologien. Eine höchst produktive Öffentlich-            Sie wollen uns etwas schenken,          tics and Society“, eine kalifornische Organi-
    keitsarbeit war im Gang. Und es gab damals                   sind aber bereits AbonnentIn           sation, die ähnlich wie das GeN arbeitet, or-
    schon den GID, der von zwei Menschen in Heim-                        oder Mitglied?                 ganisierte deswegen Ende Juli in Tarrytown
    arbeit zusammengebastelt wurde. Es fehlte uns                         Macht nix!                    nahe New York ein Meeting und lud Susan-
    aber die institutionelle Absicherung: Also gründe-         Erhöhen Sie einfach Ihren Beitrag        ne Schultz vom GeN ein, aus Deutschland zu
    ten wir einen Verein.” Helga Satzinger ist                       mit einer freiwilligen             berichten. Manche der US-Themen sind für
    Gründungsmitglied des GeN. Heute lebt und ar-                  Fördermitgliedschaft.                uns zum Glück noch Zukunftsmusik, andere
    beitet sie in London.                                                                               ein Grund, international über gemeinsamen
                                                              25 Jahre GeN ist dafür ein wirklich       Protest nachzudenken. So überlegten wir,
    Einmalig „Als ich für meine Soziologie-                             guter Anlass!                   wie das GeN-Projekt zu polizeilichen DNA-
    Diplomarbeit im GeN-Archiv recherchiert habe,                                                       Datenbanken mit ähnlichen Kampagnen in
    war das Büro des Vereins in der Schöneweider                                                        den USA und Großbritannien zusammenar-
    Straße in Berlin-Neukölln - nach all‘ den Wochen                             und                    beiten kann. Tarrytown soll dafür stehen,
    in der Uni-Bibliothek - für mich ein einmaliger                                                     dass es auch aus linker, menschenrechtlich
    Ort. Das hat mich nicht mehr losgelassen.“ Uta                        sagen Danke!                  motivierter und antirassistischer Perspektive
    Wagenmann, Erstkontakt mit dem GeN im                                                               eine Kritik an neuen Biotechnologien gibt,
    Sommer 1995, heute Mitarbeiterin des Vereins             GeN: Tel.: 030/6857073; Fax. 030/6841183   die anders ist als die von Konservativen und
    im Bereich Gen- und Reproduktionstechnologien            gen@gen-ethisches-netzwerk.de              Lebensschützern - ein Signal, das uns global
    in der Medizin.                                                                                     miteinander verbindet.

4    Gen-ethischer Informationsdienst      Nr. 207 · August 2011
25 Jahre GeN

                                                                            Termine

                                                                            Es wird ein heißer Herbst, das steht fest.           den Anbau von gv-Pflanzen? Patente - wie
                                                                            Alle (bisher feststehenden) Termine rund um          steht’s um den Brokkoli?
Foto: Lutz Wallroth

                                                                            die 25 Jahre-GeN-Feierlichkeiten:                    Wo: Berlin, GeN-Büro, Brunnenstr. 4 (U-Bhf
                                                                                                                                 Rosenthalter Platz, Tram M1, M8, Bus: 240)
                                                                            24. August, 19:30 Uhr, Berlin:
                                                                            Jäger und Sammler. DNA-Sammelwut und                 10. September, 17 Uhr, Berlin:
                                                                            internationale Vernetzung polizeilicher Da-          Wir feiern 25 Jahre GeN! - Dampferfahrt
                                                                            tenbanken. - Vortrags- und Diskussi-                 und Feier: Mit dem Dampfer „Alexander“
                                                                            onsabend mit: Constanze Kurz (Chaos                  stechen wir auf den Gewässern Berlins in
                      Kampagne                                              Computer Club), Eric Töpfer (CI-                     See. Anschließend gemütliches Beisammen-
                      wider die Sammelwut                                   LIP/Bürgerrechte und Polizei), Sönke Hil-            sein in einer Berliner Lokalität.
                                                                            brans (Republikanischer Anwaltsverein), Uta          Treffpunkt in Berlin: Spreetours am Plänter-
                      Hier seht Ihr AktivistInnen des GeN dabei,            Wagenmann (Gen-ethisches Netzwerk)                   wald, Bulgarische Straße/Wasserstr. (S-Bhf
                      wie sie tausende von Wattestäbchen in                 Wo: Familiengarten, Oranienstr. 34 / Hofge-          Plänterwald, Bus: 277, N79 (8 Min. Fußweg).
                      großen Lettern vor das Justizministerium              bäude (U-Bhf. Kottbusser Tor, Bus M 29)              Um Anmeldung wird gebeten: GeN, Brun-
                      kleistern. Sie schreiben: DNA-Sammelwut                                                                    nenstraße 4, 10119 Berlin, gen@gen-ethi-
                      stoppen! Die Aktion begleitete die Über-              26. August, Berlin und europaweit:                   sches-netzwerk.de, Tel: 030/ 685 70 73. Un-
                      gabe eines Offenen Briefes an die Bundes-             DNA-Sammelwut-Stoppen! - Europawei-                  kostenbeitrag erwünscht (Richtwert 15 Eu-
                      justizministerin. Diesen Brief veröffentlich-         ter Aktionstag gegen die Prüm-Ver-                   ro, ermäßigt 8 Euro), niemand soll sich aus
                      te das GeN zusammen mit etlichen Daten-               träge und die internationale Vernetzung              finanziellen Gründen ausgeschlossen fühlen.
                      schutz- und Bürgerrechtsorganisationen,               polizeilicher DNA-Datenbanken. In EU-Euro-
                      unter anderen dem Chaos Computer Club,                pa sollen an diesem Tag die polizeilichen Da-        13.-22. September, Berlin:
                      dem Ak Vorratsdatenspeicherung und der                tenbanken mit Millionen DNA-Profilen zu-             GeN-Jubiläums-Filmabende:
                      Humanistischen Union. Gemeinsam mit                   sammengeschaltet sein. Gegen diese neue              „Der Pannwitzblick“ (Dokumentarfilm
                      diesen Organisationen rufen wir zum Pro-              biologische Dimension staatlicher Überwa-            von 1990, Regie: Didi Danquart) am 13.9.,
                      test gegen die stetige Ausweitung über-               chung protestieren das GeN und überwa-               19 Uhr im Kino Regenbogenfabrik und am
                      wachungsstaatlicher Arsenale auf - und                chungskritische Gruppen in ganz Europa mit           22.9., 18 Uhr in der Brotfabrik.
                      fordern konkrete Einschränkungen der                  einem Aktionstag. Alle Infos auf:                    „Michael Clayton“ (Thriller von 2007, Re-
                      behördlichen Sammelwut. Unterstützt die               www.fingerwegvonmeinerdna.de                         gie Tony Gilroy) am 15.9., 18 Uhr in der Brot-
                      Kampagne mit einer Online-Unterschrift                                                                     fabrik und am 20.9., 19 Uhr im Kino Regen-
                      unter den Offenen Brief!:                             9. September, 19 Uhr, GeN-Büro: Das                  bogenfabrik.
                      www.fingerwegvonmeinerDNA.de                          GeN lädt ein. - Gesprächsabend mit
                                                                            MitarbeiterInnen und Vorstand des                    18. Oktober, 19:30 Uhr, Bonn:
                                                                            GeN bei Brezeln und Wein. Wir berichten              Zu einem Infoabend zur Pflanzenbiotechno-
                      Biotechnologische                                     und sprechen über die laufende Arbeit, ins-          logie-Strategie der BASF lädt das GeN ge-
                      Agrar Science Fiction                                 besondere über die Kampagne „DNA-Sam-                meinsam mit dem Arbeitskreis Gentechno-
                                                                            melwut stoppen!“. Weitere Themen: BASF               logie Bonn, attac Bonn und der BUND Kreis-
                      Die BASF hat sich in den letzten Jahren zu            als Intel der Pflanzenbiotechnologie? Ent-           gruppe Bonn ein. Referent ist Christof Pot-
                      dem wahrscheinlich wichtigsten Agro-                  scheiden bald die EU-Mitgliedsländer über            thof, Mitarbeiter des GeN.
                      Gentechkonzern in Deutschland ent-                                                                         Wo: Migrapolis, Brüdergasse 16-18, 53111
                      wickelt. GeN und GID sind seit Jahren am                                                                   Bonn.
                      Ball. Bestellen Sie das Faltblatt des GeN                25 Probeabos
                      zu BASFs Biotechnologischer Agrar                                                                          27. Oktober, 19:30 Uhr Kirchseeon
                      Science Fiction (GeN, Brunnenstraße 4,                   25 Jahre GeN ergibt 25 Probeabos des              (bei München):
                      10119 Berlin, Fax: 030/6841183, eMail:                   GID. Wir suchen neue Abonnenten und               Zu einem Infoabend zur Pflanzenbiotechno-
                      gen@gen-ethisches-netzwerk.de) oder                      Abonnentinnen. Verschenken Sie für je-            logie-Strategie der BASF lädt das GeN ge-
                      besuchen Sie www.gen-ethisches-netz-                     manden aus Ihrem Umfeld ein Probea-               meinsam mit dem Arbeitskreis Gentechnik
                      werk.de/basf.                                            bo. Telefon Geschenk-Hotline: 030/685             des Bund Naturschutz im Landkreis Ebers-
                      Unterstützen Sie die Arbeit des GeN mit                  70 73. Nicht vergessen: Wir benötigen             berg und der Initiative Kein Patent auf Le-
                      Hinweisen oder auch finanziell!                          Ihre Telefonnummer für Rückruf, ggf. Ih-          ben! ein. Referent ist Christof Potthof, Mit-
                                                                               re Adresse (für ein Dankeschön) und die           arbeiter des GeN.
                      Konto: Gen-ethisches Netzwerk e.V.,                      Adresse von dem oder der Beschenk-                Wo: Landgasthof Brückenwirt, An der Brücke
                      Stichwort: Biotechnologische Agrar Science Fiction,      ten. (gen@gen-ethisches-netzwerk.de)              4, 85614 Kirchseeon.
                      Postbank Berlin, Kto.Nr. 144 99-102, BLZ 100 100 10

                                                                                                                    Gen-ethischer Informationsdienst    Nr. 207 · August 2011     5
„Weiter so” ist keine Option
    Die Landwirtschaft steht vor enormen Aufga-                 Pfaffenberger in Partenstein verarbeitet werden. Holger
    ben. Von allen Seiten werden ihre Akteure mit               Pfaffenberger hat - mit Unterstützung seiner Frau Katja -
                                                                die Umstellung auf gentechnikfreie Produktion zu „seinem
    Forderungen und Wünschen konfrontiert.                      Ding” gemacht. Jetzt dürfen sie als erste handwerkliche
    Gleichzeitig wurde in den vergangenen Jahren                Metzgerei in Deutschland das Label „Ohne GenTechnik“
                                                                nutzen. Aus Unterfranken berichtet GID-Redakteur Chri-
    immer deutlicher, dass sie selbst große Proble-             stof Potthof.
    me verursacht.                                                 Um den zukünftigen Anbau gentechnisch veränderter
                                                                Pflanzen in Europa und nicht den aktuellen in Südameri-
    GID-Redaktion                                               ka geht es in Potthofs zweitem Artikel: Das EU-Parlament
                                                                stimmte ab über die Re-Regionalisierung der Entschei-
                                                                dung, ob ein gentechnisch veränderter Organismus in ei-
                                                                nem EU-Mitgliedstaat angebaut werden soll oder nicht -

    D
             ie Internetplattform www.weltagrarbericht.de       eine der zentralen aktuellen Gentechnik-Debatten in
             schreibt „Unser Ernährungs-System ist eine der     Brüssel und so manchem Mitgliedsland.
             wichtigsten Ursachen für den Klimawandel, für         Ein anderes hochbrisantes Thema ist derzeit, inwie-
    das Artensterben, für Umweltvergiftung, Wasserknapp-        weit sozioökonomische Faktoren in die Bewertung von
    heit, vermeidbare Krankheiten, Kinderarbeit, Armut und      gentechnisch veränderten Organismen eingehen kön-
    Ungerechtigkeit. Dieses System ist                                                nen. GVO werden in der EU in ei-
    krank.“ Es ist also kein Wunder, wenn      Unsere Gesellschaft ist mit            nem gemeinschaftlichen Verfahren
    die 400 WissenschaftlerInnen des           großen ökologischen, sozialen          zentral zugelassen. Einer Zulassung
    Weltagrarberichtes, die über einen         und ökonomischen Herausfor-            geht die Risikoabschätzung voraus.
    Zeitraum von vier Jahren nach trag-        derungen konfrontiert.                 Bisher werden - mehr schlecht als
    fähigen Konzepten für die Zukunft                                                 recht - Umwelt und Gesundheit be-
    der globalen Landwirtschaft gesucht haben, 2008 zu dem      treffende Argumente untersucht. Nach Meinung von Ar-
    Schluss kommen: „Weiter so” ist keine Option.               min Spök vom Interuniversitären Forschungszentrum für
       Um auf die zukünftige Agrarpolitik der Europäischen      Technik, Arbeit und Kultur im österreichischen Graz steht
    Union geschlossen Einfluss zu nehmen, haben sich Ver-       die EU noch relativ am Anfang bei der Klärung der Rolle
    bände in der Kampagne „Meine Landwirtschaft - unsere        der sozioökonomischen Aspekte im Zulassungsverfah-
    Wahl“ zusammengeschlossen. Die Schlussfolgerung des         ren.
    Weltagrarberichtes ist eines der Leitmotive der Kampagne.      Eine ganz eigene Sicht auf die Ökonomie landwirt-
    Im Mai und Juni machten sich Bäuerinnen und Bauern -        schaftlicher Produktion hat das neu gegründete Netzwerk
    insbesondere der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche      solidarische Landwirtschaft. Zwischen den Bauern, Bäu-
    Landwirtschaft und des Bundesverbandes Deutscher            erinnen und den AbnehmerInnen knüpfen die Mitglieder
    Milchviehhalter - im Rahmen der Kampagne mit einer          des Netzwerks besonders enge Bande. Birgit Peuker be-
    Bauernsternfahrt auf den Weg nach Berlin. Das Motto:        leuchtet die Gründung und zeigt, dass gerade weil sich
    „Angela, wir müssen reden“. Unterwegs machten sie im-       hier Menschen mit unterschiedlichen politischen Hinter-
    mer wieder Halt, um die regionalen Aspekte kennen zu        gründen wiederfinden können, Potential für eine breite
    lernen und in mehr als 50 Veranstaltungen ihre Vorstel-     Bewegung besteht.
    lungen von Landwirtschaft zu diskutieren. Eindrücke von        Den Abschluss bildet die Dokumentation eines Offenen
    vier Sternfahrern im ersten Beitrag des Schwerpunkts.       Briefes zur Forschungspolitik der EU. Mehr als einhundert
       Thematisch eng mit der Kampagne „Meine Landwirt-         Nichtregierungsorganisationen haben den an EU-Kom-
    schaft“ verknüpft, zeigt der Beitrag über Esther Leiva wel- missionspräsident Manuel Barroso und weitere EU-Offi-
    che Folgen unsere, die europäische Landwirtschaft, am       zielle gerichteten Brief unterstützt. Sie sind der Meinung,
    anderen Ende der Welt hat. Die Kleinbäuerin und Aktivi-     dass die Forschungsförderung in der Union der Gesell-
    stin aus Paraguay besuchte Deutschland für eine Vor-        schaft und nicht der Großindustrie dienen müsse. Da sich
    tragsreise. Sie beschrieb ihre Kämpfe für den Zugang zu     unsere Gesellschaften „mit großen ökologischen, sozialen
    Land für KleinbäuerInnen und Landlose und gegen die         und ökonomischen Herausforderungen konfrontiert“ se-
    permanent wachsende Anbaufläche von gentechnisch            hen, sei im Moment „nicht der richtige Zeitpunkt für ein
    veränderter Soja. Soja, die gerade auch nach Europa ex-     ‚weiter so‘“. Vielmehr fordern sie einen „radikalen“ Wan-
    portiert wird und hier in den Futtertrögen von allzuoft     del in der Gesellschaft, „um diesen Herausforderungen zu
    überdimensionierten Mastanlagen landet.                     begegnen. Forschung und Entwicklung spielen dabei eine
       Nicht jedoch im Futter der Tiere, die in der Metzgerei   entscheidende Rolle“.

6    Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011
Stationen einer Sternfahrt
Aktuell wird die zukünftige Agrarpolitik der Eu-                   on. Warum ist es aber so schwierig, Forschungsgelder für
ropäischen Union verhandelt. Der zuständige                        diese komplexen Fragestellungen zu bekommen?
                                                                      Die Bundesregierung darf nicht weiter einseitig Risiko-
EU-Kommissar Dacian Ciolos hat dazu einen er-                      technologien fördern. Sie muss diejenigen Forschungs-
sten Vorschlag vorgelegt, der nun in den Gremi-                    richtungen, die sich an den Bedürfnissen der Landwirte
                                                                   und Steuerzahler und den ökologischen Herausforderun-
en der EU, im Rat und im Parlament verhandelt                      gen ausrichten, stärken.
wird. In Deutschland haben sich Organisationen
der Zivilgesellschaft zur Kampagne „Meine
Landwirtschaft - unsere Wahl“ zusammenge-
schlossen. Die Sternfahrt der Kampagne führte
auf vier Strecken zum Kanzleramt nach Berlin:
„Angela, wir müssen reden!“
Teilnehmer der Sternfahrt
                                                                   4./5. und 9. Juni
                                                                   Stig Tanzmann, Evangelischer Entwicklungsdienst

                                                                      Für mich begann die Sternfahrt der Kampagne „Meine
                                                                   Landwirtschaft“ mit dem Weg zum evangelischen Kir-
                                                                   chentag in Dresden. Das ZDF hatte die Ausstellung des
                                                                   Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) „Fleisch in
                                                                   Massen, Fleisch in Maßen“ für seinen Auftaktsbeitrag zum
                                                                   Kirchentag aufgenommen. So wurde ich bereits bei mei-
                                                                   nen Vorbereitungen, beim Einpacken der Ausstellung, für
                                                                   Dresden gefilmt und zur Kampagne interviewt.
2./4. Juni                                                            Dann ging es los nach Dresden. Besonders beein-
Henrik Maaß, junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft   druckend war für mich, wie intensiv sich viele Teilnehmer
                                                                   des Kirchentags mit der Ausstellung auseinandersetzten.
   Auf der Hessenroute der Bauernsternfahrt gab es einige          Sehr positiv wurde aufgenommen, dass die Ausweitung
Erlebnisse, die mich noch nachdenklicher gestimmt ha-              der Massentierhaltung in Deutschland und Europa vor-
ben, als ich es schon zuvor war. In Gießen hielten wir an          nehmlich mit den Auswirkungen auf Afrika und Südame-
der Universität. Dort werden seit vielen Jahren Freiland-          rika verknüpft wurde. Dabei war es offensichtlich wichtig
versuche mit gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen                zu sehen, wie die Soja für die Tierhaltung in Europa ange-
durchgeführt. Das ist möglich durch die verwobenen Be-             baut wird. Über die negativen Konsequenzen des mono-
ziehungen zweier Professoren mit gentechnikfreundlichen            kulturellen Anbaus gentechnisch veränderter Soja auf die
Instituten. Hier werden für eine minimalistische Techno-           Landbevölkerung und gerade auf die Kleinbauern waren
logie in der Pflanzenzüchtung große Summen an For-                 viele Besucher schockiert.
schungsgeldern aus Bundesmitteln eingesetzt. Das hat ei-              Klarer Höhepunkt des Kirchentags war die Ankunft der
nen einfachen Grund: Das Bundesforschungsministerium               Sternfahrer in Dresden am Freitag, den 3. Juni. Endlich
will Projekte fördern, aus denen letztendlich Produkte ent-        konnten die Teilnehmer des Kirchentags mit Bäuerinnen
stehen. Die glaubt es hier zu bekommen.                            und Bauern aus Deutschland diskutieren. Zu der Diskus-
   Einen ganz anderen Ansatz haben wir in Witzenhausen             sion über die Ausstellung kamen weit über 1.000 Zuhörer.
erlebt. An dem Agrarstandort der Uni Kassel wird ökologi-          Hier griffen die Sternfahrer mit einer kurzen, aber kraftvol-
sche Landwirtschaft gelehrt und erforscht. Dabei wird              len Demonstration ein, um ihrem Anliegen Gehör zu ver-
nicht die eine Lösung gesucht. Durch einen ganzheitlichen          schaffen. Für mich besonders ergreifend war die Solidari-
Ansatz wird von den Wissenschaftlerinnen und Wissen-               sierung von Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft
schaftler ein Verständnis für die Zusammenhänge der viel-          bäuerliche Landwirtschaft mit unserem EED-Projektpart-
fältigen Ökosysteme angestrebt. Das wird gemeinsam mit             ner und Kirchentags-Gast King-David Amoah, einem Ver-
Bäuerinnen und Bauern erarbeitet und zur Optimierung               treter des ghanaischen Bauernverbandes. Die Bäuerinnen
der Praktiken von diesen eingesetzt - eine echte Innovati-         und Bauern in Ghana sind massiv von den mit Gen-Soja

                                                                                Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011   7
Titelthema Agrarreform EU-Agrarpolitik

                      erzeugten europäischen Billig-Geflügelfleisch-Exporten
                      betroffen und in ihrer Existenz bedroht. Für King-David
                      war die Sternfahrt ein wichtiges Zeichen, dass die Bauern
                      weltweit zusammenstehen.
                        Einfach beeindruckend war die Abschlusskundgebung
                      der Sternfahrer am 9. Juni vor dem Kanzleramt in Berlin. Es
                      war eine wunderschöne Aufbruchstimmung. Jeder konnte
                      die ganze Energie spüren, die die Sternfahrer auf ihrem
                      weiten Weg gesammelt hatten. Ich hoffe, dass wir diesen           7. Juni
                      Schwung in den heißen Herbst mitnehmen, wenn es bei               Phillip Brändle, junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
                      der EU-Agrarreform in die entscheidende Phase geht.
                                                                                           In der Tat - es war ein ungewöhnliches Szenario, mit
                                                                                        dem die Sternfahrer in Üplingen empfangen wurden: me-
                                                                                        terhohe Wachtürme, schwarz gekleidete Wachleute einer
                                                                                        privaten Sicherheitsfirma und ein beachtliches Aufgebot
                                                                                        von Polizisten, angerückt mit Räumpanzer. Doch auch
                                                                                        wenn das gegenseitige „Kennenlernen“ nicht gerade opti-
                                                                                        mal verlaufen war, wir machten uns neugierig auf den Weg
                                                                                        durch den Gentechnik-Schaugarten. Wir wollten uns die
                                                                                        neuen und alten Errungenschaften der Biotechnikindu-
                                                                                        strie vorführen lassen! Was uns vor Ort dann gezeigt und
                                                                                        erklärt wurde, war an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Es
                      7. Juni 2011                                                      wurde behauptet, die genmanipulierten Zellen eines Bt-
                      Jan Wendel, junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft   Mais würden sich nach der Nutzung in einer Biogasanla-
                                                                                        ge nicht mehr im Biogas-Substrat nachweisen lassen. Nur
                         Auch im Nachhinein lässt mich eine Veranstaltung nicht         ein Beispiel für die Vielzahl haltloser Behauptungen, mit
                      zur Ruhe kommen: „Massentierhaltung contra bäuerliche             denen uns die Geschäftsführerin des Schaugartens, Ker-
                      Landwirtschaft“ lautete der provozierende Titel der Dis-          stin Schmidt, im Laufe der Führung konfrontierte. Doch
                      kussionveranstaltung in Mühlberg/Elbe in Brandenburg.             nicht nur die inhaltliche Auseinandersetzung war ein
                      Anlass dafür bot eine kürzlich genehmigte Hähnchen-               Trauerspiel - auch der Versuchsaufbau war mehr als frag-
                      mastanlage in der Nähe.                                           würdig. Das Feld mit den gentechnisch veränderten, her-
                         Wir als SternfahrerInnen kamen mit unserem Treck erst          bizidtoleranten Rüben der KWS Saat AG werden - selbst
                      kurz vor der Veranstaltung in Mühlberg/Elbe an. Vor dem           frisch gespritzt und ohne einen einzigen Halm Unkraut -
                      Pfarramt auf dem Boden sitzend, aßen wir aus Wam Kats             mit einer Nullparzelle verglichen - also einem Stück ohne
                      vegetarischer Demoküche, während die Besucher an uns              jede Unkrautregulierung. Ein anderes Beispiel: Ein insek-
                      vorbei in den Saal strömten. Der hatte sich bis zu Beginn         tengiftiger Bt-Mais wird mit einer konventionellen Sorte
                      der Veranstaltung gut gefüllt. Von den umliegenden Groß-          verglichen. Letztere wurde aber vier Wochen später gesät,
                      betrieben waren einige Betriebsleiter gekommen, die sich          der Bt-Mais ist aus diesem Grund deutlich größer.
                      gegen eine pauschale Verurteilung durch den Begriff Mas-             Fakt ist: Diese Eindrücke trugen nicht dazu bei, die Ak-
                      sentierhaltung vehement zur Wehr setzten. Besonders hef-          zeptanz des Schaugartens bei uns zu erhöhen - im Gegen-
                      tig meldete sich die Leiterin einer Agrargenossenschaft zu        teil, wir wurden in unserer bisherigen Meinung nach-
                      Wort, in deren Betrieb nach eigenen Angaben fünfzig Per-          drücklich bestätigt: Der Schaugarten in Üplingen dient
                      sonen beschäftigt sind und die versucht, einen hohen An-          einzig und allein der Propaganda für eine Technologie, die
                      teil ihrer Eiweißfuttermittel aus betriebseigenen Körner-         in der Forschung bereits Unmengen an Geld verschlungen
                      leguminosen zu decken.                                            hat, aber in der Praxis keinerlei Erfolge vorweisen kann.
                         Aber genau das sind zwei Kernforderungen an die neue           Verständlich wäre dieses Projekt, würde es sich um eine
                      gemeinsame europäische Agrarpolitik: Ein verpflichten-            Initiative handeln, die einzig durch die Industrie getragen
                      der Körnerleguminosenanteil von 20 Prozent der Acker-             wird. Aber bereits im Eingangsbereich des Schaugartens
                      fruchtfolge und eine Berücksichtigung der Lohnkosten bei          wird deutlich sichtbar: Die besondere Zierde des Geländes
                      Großbetrieben, deren Gesamtbetriebsprämie die Ober-               - die Flaggen Europas, Deutschlands und Sachsen-Anhalts
                      grenze von 150.000 Euro überschreitet.(1)                         - wehen im Winde der Politik. Es sind nicht zuletzt staatli-
                         Forderungen, die meiner Meinung nach allen Men-                che Institutionen, die europaweit den Üplinger Gentech-
  Fotos: C. Potthof

                      schen zu Gute kommen, die eine vernünftige Landwirt-              nik-Schaugarten mit erheblichen Mitteln fördern und un-
                      schaft betreiben wollen. Forderungen, die unabhängig              terstützen. Und dies trotz der Tatsache, dass eine deutli-
                      von Lagerdenken und Betriebsgrößen betrachtet werden              che Mehrheit der Bevölkerung Produkte aus dem Gen-La-
                      sollten.                                                          bor auf ihren Feldern und Tellern ablehnt - absurd!

 8                     Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011
EU-Agrarpolitik Titelthema Agrarreform

Kernforderungen der Kampagne „Meine Landwirtschaft - Unsere Wahl”

  Landwirtschaft soll sich lohnen                                           Das Menschenrecht auf gesunde
  - für Bäuerinnen, Bauern und                                              Nahrung weltweit durchsetzen
  VerbraucherInnen
                                                                            Eine Milliarde Menschen hungern, ebenso viele
  Nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft und                                 sind fehlernährt und übergewichtig. Oberstes
  gute Qualität brauchen kostendeckende Preise.                             Ziel der EU-Agrarpolitik muss es sein, alle Bür-
  Dazu muss die Marktmacht der Landwirte und                                ger gut und gesund mit den Ressourcen zu
  Verbraucher gestärkt werden. Eine bedarfsori-                             ernähren, die jedem der sieben Milliarden Er-
  entierte, möglichst regionale Produktion und                              denbürger nachhaltig zur Verfügung stehen.
  Verarbeitung von Lebensmitteln ist zum Errei-                             Europa muss seinen Bedarf an landwirtschaftli-
  chen dieses Ziels von großer Bedeutung. Kein                              chen Produkten auf der eigenen Fläche decken.
  weiterer Hof soll mehr die Produktion aufge-                              Durch Import von Lebens- und Futtermitteln
  ben müssen.                                                               und anderen Produkten hat die EU heute ein
                                                                            Netto-Defizit von 35 Millionen Hektar. Subven-
                                                                            tionierte Exporte bedrohen in armen Länder die
                                                                            Selbstversorgung und Existenz von Kleinbauern.
  Gesunde Tiere für gesunde Ernährung

  Tierschutz, Klimawandel und Ressourcenknapp-
  heit zwingen zur Umkehr in der Tierhaltung                                Vielfalt statt Monokulturen
  und beim Fleischkonsum. Die Produktion muss
  sich an der verfügbaren Fläche und der Würde                              Die Vielfalt der Kulturlandschaften Europas, un-
  der Tiere orientieren. Davon profitiert auch ei-                          serer Kulturpflanzen und Nutztierrassen zu er-
  ne gesunde Ernährung.                                                     halten und das Artensterben zu stoppen ist eine
                                                                            Überlebensfrage in Zeiten des Klimawandels.
                                                                            Dafür ist die Verbesserung der Artenvielfalt
                                                                            vonnöten. Grünland sollte auf allen Betrieben
  Klimaschutz                                                               erhalten werden. Der Einsatz synthetischer
                                                                            Dünge- und Pflanzenschutzmittel muss systema-
  Klimagas-Emissionen (insbesondere Kohlendio-                              tisch reduziert, agrarökologische Lösungen und
  xid und Methan) müssen um 80 Prozent redu-                                ökologische Landwirtschaft gezielt gefördert
  ziert werden, wenn der globale Klimawandel                                werden.
  gestoppt werden soll. Das gilt auch für die
  Landwirtschaft. Dazu muss vor allem die Ab-
  hängigkeit unserer Ernährung von Öl und Mi-
  neraldünger überwunden, die Fleischprodukti-                             Innovation statt
  on umgestellt und die Speicherung von Kohlen-                            Risiko- und Monopoltechnologien
  stoff durch Humusbildung im Acker- und Grün-
  land gesteigert werden. Großflächiger Ersatz                             Risikotechnologien wie die Agro-Gentechnik
  fossiler Energie durch Sprit- und Energiepflan-                          lehnen wir ab. Bäuerliche Kompetenz und
  zen vom Acker ist keine Alternative. Landwirt-                           ganzheitliche Forschung ist die Grundlage der
  schaft muss im Wesentlichen mit solarer Energie                          Innovation. Die Natur als „Bio“-Fabrik ist keine
  versorgt werden.                                                         Zukunftsstrategie.

Die Kampagne „Meine Landwirtschaft - unsere Wahl” findet sich im Internet unter www.meine-landwirtschaft.de.
Dort gibt es eine ausführliche Version der Forderungen und viele weitere Informationen.

Fußnote:
(1) Körnerleguminosen [Hülsenfrüchte] besitzen die Fähigkeit, mit den        (www.oekolandbau.de). Bisher werden Prämien je Hektar gezahlt, was
    Knöllchenbakterien Stickstoff zu sammeln und im Boden anzurei-           große Betriebe fördert. Wird zusätzlich auf die Arbeitskräfte Bezug ge-
    chern; zum anderen „bringen sie eine eiweißreiche Frucht hervor“         nommen, ergibt sich im Regelfall eine Stärkung kleinerer Höfe.

                                                                                      Gen-ethischer Informationsdienst     Nr. 207 · August 2011       9
Grüne Wüsten
     In Paraguay, im Herzen Südamerikas, spielt sich                    Frauen stehen am Rand
     das jüngste Kapitel der Ausweitung des Anbaus
                                                                           Neben dem Kampf um Land, dem Kampf um gerechte
     gentechnisch veränderter Soja ab. Esther Leiva,                    Bedingungen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, dem
     Kleinbäuerin und Aktivistin, berichtete im Rah-                    Kampf um das Recht, nicht vergiftet zu werden, ist Leivas
                                                                        politische Arbeit in einer vom Machismo geprägten Ge-
     men einer Vortragsreise von Kämpfen um Land,                       sellschaft immer auch ein Kampf für die Emanzipation
     Gerechtigkeit und Emanzipation.                                    von Frauen. Leiva versucht verstärkt, Frauen zu aktivieren,
                                                                        zu stärken und zu ermutigen. Dazu organisiert sie Treffen,
     Von Christof Potthof                                               die sich zum Beispiel mit Bildungsangeboten speziell an
                                                                        die Frauen wenden.
                                                                           Zurück nach Deutschland: Um auch hier dieses Thema
                                                                        aufzugreifen, trifft sich Leiva am Nachmittag zum Kaffee-

     E
             sther Leiva ist für vier Wochen auf Vortragstour in        klatsch mit Frauen, die in der Landwirtschaft beschäftigt
             Deutschland und ich habe die Gelegenheit, zwei Ta-         sind: Eine hält eine Herde mit Mutterkühen, eine andere
             ge mit ihr zu verbringen. Sie ist 38 Jahre alt, hat vier   ist Imkerin. Zwei Frauen arbeiten in der Gärtnerei und die
     Kinder, ist Kleinbäuerin und Aktivistin und erste weibli-          fünfte ist Agrarsoziologin. Dazwischen Esther Leiva, die
     che Vorsitzende der „Organisazión Lucha por la tierra“,            Bauernführerin aus Paraguay und Steffi Holz, ihre Beglei-
     welche 15.000 Mitglieder zählt. Seit mehr als 20 Jahren            terin und Übersetzerin. Die Frauen sprechen über Land-
     engagiert sie sich bei der Besetzung von Feldern, in der           wirtschaft, über dies und das. Zum Beispiel, dass es in
     landesweiten politischen Aufklärung und der Aktivierung            Deutschland wie in Paraguay immer schwieriger wird,
     ihrer Kolleginnen und Kollegen, in ständigem Kampf für             beim Erwerb von Land gegen Investmentgesellschaften zu
     die Rechte von Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und Land-              bieten. Sichtliche Freude bereitet es der Runde, als zwi-
     losen. Der Kampf um die Rechte der Landlosen ist von               schenzeitlich ein Schwarm Bienen gefangen werden muss.
     immenser Bedeutung, denn in Paraguay steht der Kon-
     flikt um den Grund und Boden im Zentrum aller Kon-                 Nichts, nur Soja
     flikte in der Landwirtschaft. Daher auch der Name von
     Leivas Organisation: Organización Lucha por la tierra -               Wenn Esther Leiva Bilder von den „Grünen Wüsten“, wie
     OLT, was soviel bedeutet wie „Organisation für den                 die Einheimischen die schier endlosen Soja-Felder nen-
     Kampf für Land“.                                                   nen, zeigt, dann ist auf diesen Bildern nichts anderes als
        Esther Leiva steckt voller Energie. Sie lacht gerne und         Soja - bis zum Horizont: Kein Baum, kein Strauch, kein
     laut. Sie greift kräftig zu, hat einen Händedruck, der die-        Haus. Nichts, nur Soja. Die Ausweitung der Soja-Anbau-
     sen Namen verdient: Druck. Ihre Antworten sprudeln nur             flächen in Südamerika ist immens. Zunächst beschränkt
     so aus ihr heraus. Immer wieder muss man sie unterbre-             auf Argentinien, haben sich die Felder wie eine Epidemie
     chen, weil sie vergessen hat, dass ihre Worte übersetzt wer-       auch in den anderen Ländern ausgebreitet: Zum Beispiel
     den müssen.                                                        in Brasilien und eben auch in Paraguay. In der Liste der So-
        Die Menschen hören ihr fasziniert zu. Ungläubig schau-          ja exportierenden Länder nimmt Paraguay mittlerweile
     en viele auf diese Frau und wundern sich, woher sie diese          Platz vier ein, hinter den USA, Brasilien und Argentinien.
     Kraft nimmt. Politischer Kampf - Leiva spricht nicht von           In Paraguay hat sich die Fläche, auf der Soja angebaut
     „Diskussionen“ oder „politischen Auseinandersetzungen“,            wird, seit Anfang der 1990er Jahre etwa verfünffacht und
     Leiva spricht von Kampf - bedeutet in Paraguay, dass man           lag 2008 bei etwa zweieinhalb Millionen Hektar. Neun von
     sterben kann, zum Beispiel, wenn Polizei oder parami-              zehn Sojapflanzen in Paraguay sind gentechnisch verän-
     litärische Einheiten der Großgrundbesitzer es auf dich ab-         dert (gv). Mit dem Anbau der gentechnisch veränderten
     gesehen haben. Es bedeutet, dass man zeitweise abtau-              Sorten ist der obligatorische Einsatz von Unkrautvernich-
     chen muss. Esther Leiva ist bedroht worden und hat selbst          tungsmitteln verbunden: Das gv-Soja ist tolerant gegen
     schon im Untergrund gelebt.                                        diese Mittel. Wegen zunehmender Resistenzen bei den zu
        In ihrem politischen Kampf ist es Alltag, dass Frauen bei       bekämpfenden Beikräutern muss immer mehr Gift einge-
     Versammlungen am Rand sitzen, wenn sie überhaupt Zu-               setzt werden. Gleichzeitig haben sich die Felder ausgewei-
     tritt bekommen. Es kann bedeuten, dass sie nur durchs              tet, das Gift wird zum Teil mit Flugzeugen ausgebracht,
     Fenster schauen können oder im Türrahmen stehen müs-               nicht selten wird es über deren Grenzen hinausgetragen.
     sen, um zumindest das ein oder andere Wort aufschnap-                 Campesinos, die am Rand der Grünen Wüsten leben,
     pen zu können.                                                     leiden unter Vergiftungserscheinungen. Es besteht der be-
                                                                        gründete Verdacht, dass sie nicht nur zufällig und aus Ver-

10    Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011
Paraguay Titelthema Agrarreform

                                                                                                                                          Foto: C. Potthof
                                    Esther Leiva (rechts) im Gespräch mit Steffi Holz.

sehen in Kontakt mit den Unkrautvernichtungsmitteln ge-         ren für lokale Posten. Aber bisher bleiben die Erfolge be-
kommen sind. Gezielte Vergiftungen von Menschen, Tie-           scheiden. Das erklärt sich nicht zuletzt auch an dem stetig
ren, Feldern und Gärten sind in Paraguay (wie in den an-        und weltweit steigenden Bedarf nach Soja, dieser öl- und
deren südamerikanischen „Soja-Ländern”), an der Tages-          proteinreichen Pflanze.
ordnung.
   Die Bilder muten absurd an: Stellen Sie sich eine Sied-      Export von Soja = Export von Land
lung der Campesinos vor, die so groß ist wie ein Fußball-
feld. Das entspricht etwa einem Hektar. Eine solche Sied-         Zwei Drittel des Soja-Exports Paraguays findet seinen
lung kann auch größer sein, zwei, drei oder vier Hektar.        Weg in die Europäische Union. Der abschließende Teil der
Die Sojafelder, die diese Siedlung umgeben, können dem-         Vorträge ist konsequenterweise der Frage, was das alles
gegenüber die hunderfache Größe haben. Da „kann es              mit uns, den Bäuerinnen und Bauern, den Konsumentin-
schon mal passieren”, dass ein Flugzeug, das die Gifte auf      nen und Konsumenten in Deutschland und Europa zu tun
die Grünen Wüsten ausbringt, nicht früh genug abdreht           hat. Diesen Teil übernimmt Steffi Holz, die Organisatorin
oder der Pilot „vergisst“, den Giftverteiler rechtzeitig zu     und Übersetzerin der Reise.
schließen. Die Folge: Es kommt in der Bevölkerung zu              Anhand der Zahlen des Soja-Exports lässt sich eine Ana-
Frühgeburten und Missbildungen, Menschen bekommen               logie entwickeln: Der Export von landwirtschaftlichen
Ausschläge und andere Krankheiten, Tiere sterben und die        Flächen. Die Zahlen zeigen, dass jedeR EinwohnerIn
Ernten in den Gärten und auf den kleinen Feldern werden         Deutschlands in den Soja-produzierenden Ländern eine
zerstört. So ist auch die Lebensgrundlage in Gefahr: Viele      Fläche von etwa 350 Quadratmetern verbraucht, die der
Familien haben sich dazu entschlossen, die Landwirt-            dortigen lokalen Bevölkerung nicht zur Verfügung steht.
schaft aufzugeben und in die Städte zu ziehen. Leiva be-           Zu guter Letzt betont Leiva, wie wichtig es ist, das land-
richtet davon, dass allein im Verlauf des letzten Jahrzehnts    wirtschaftliche System in Europa, wie es in den letzten
90.000 Familien gezwungen waren, diesen Weg einzu-              Jahren und Jahrzehnten entstanden ist, zu verändern. In
schlagen. Sie konnten die Belastung durch die Pestizide         diesem Sinne sei die Kampagne „Meine Landwirt-
nicht mehr ertragen oder hatten keine Chance, mit den           schaft“,(1) die sich in die Debatten um die EU-Agrarre-
Sojafarmern zu konkurrieren.                                    form einmischt, ein wichtiger Schritt, in dem auch Esther
   Der Landkonflikt in Paraguay lässt sich nur unbefriedi-      Leiva ihre Interessen vertreten sieht.
gend mit reinen Zahlen beschreiben: Vier Prozent der Be-
völkerung verfügen über fast neunzig Prozent der Acker-
flächen. Die OLT und andere versuchen, sich den Gift aus-       Christof Potthof ist Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerk und Re-
bringenden Großgrundbesitzern mit Demonstrationen               dakteur des GID.
und Landbesetzungen als lebende Mauern entgegenzu-
stellen. Leiva und ihre KollegInnen bemühen sich zusätz-        Fußnote:
                                                                (1) Siehe auch „Stationen einer Sternfahrt” auf Seite 7 in diesem Heft.
lich auf politischem Wege Einfluss zu nehmen, kandidie-

                                                                              Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011       11
Foto: C. Potthof

                    Fleisch „Ohne GenTechnik“
                    Seit 2008 gibt es die novellierte Verordnung für die           Bullen und der dritte liefert die Kälber. Dazu kommt die
                    Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“. Ein Metzger-                  regionale Presse, MitarbeiterInnen der Firma Intertek (mit
                                                                                   der Urkunde im Gepäck) und noch ein paar andere.
                    meister aus Unterfranken ist mit seinen Bauern
                    den Weg durch die Zertifizierung gegangen.                     Die Pfaffenberger‘sche Nachhaltigkeit ...
                    Von Christof Potthof                                              Während der Feierstunde erklärt Pfaffenberger seine
                                                                                   Motive. Nachhaltigkeit ist dabei eines von seinen Lieb-
                                                                                   lingswörtern. Nachhaltig ist für ihn zum Beispiel, wenn wir
                                                                                   etwas auch in zehn oder zwanzig Jahren noch so machen

                    F
                           amilie Pfaffenberger darf als erster handwerklich ar-   können, wie wir es jetzt tun. Nicht nachhaltig ist dagegen,
                           beitender Metzgereibetrieb in Deutschland ihre          wenn in Südamerika Kleinbauernfamilien und Landar-
                           Produkte mit dem „Ohne GenTechnik“-Label kenn-          beiter mit Glyphosat vergiftet werden. Der Anbau des So-
                    zeichnen. Am Ende eines fast zweijährigen Prozesses be-        jafutters ist obligatorisch mit dem Einsatz des Unkraut-
                    kam sie im Juli die Urkunde für die Zertifizierung durch       vernichtungsmittels Roundup - oder eines anderen Mit-
                    die Firma Intertek überreicht. Aus diesem Anlass hatten        tels mit dem Wirkstoff Glyphosat - verbunden. Unzählige
                    Holger und Katja Pfaffenberger zu einer kleinen Feier-         Berichte sind in den letzten Jahren bekannt geworden, wo-
                    stunde ins Rathaus von Partenstein in Unterfranken ein-        nach dieser Anbau und dieser Pestizideinsatz die Lebens-
                    geladen. Dort versammelte sich ein Großteil der Men-           grundlagen vieler Campesinos und die Umwelt in Süda-
                    schen, die in den beiden vergangenen Jahren an diesem          merika zerstört.(1) „Das kann uns nicht egal sein“, sagt
                    Prozess beteiligt waren. Ich selbst kam in den Genuss der      Holger Pfaffenberger dazu.
                    Einladung - und später auch in den Genuss der Produkte
                    der Metzgerei -, weil wir, Holger Pfaffenberger und ich, vor   ... umfasst auch Vertrauen
                    etwa einem Jahr über sein Vorhaben telefonierten. Diese
                    Zertifizierung ist derzeit „das Ding” von Holger Pfaffen-         Seine Vorstellungen von Nachhaltigkeit machen aber an
                    berger, seine Frau unterstützt das Ganze gerne. In einer für   dieser Stelle nicht halt: In seinem Konzept ist zum Beispiel
                    ihn typischen Art hatte er mich damals angerufen: „Herr        auch Platz für die Bauern. Die Beziehung zu „seinen” Bau-
                    Potthof, ich möchte die Produkte meines Betriebes „Ohne        ern ist ihm wichtig, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass
                    GenTechnik“ kennzeichnen - was muss ich tun?“ Pfaffen-         er mit ihnen beziehungsweise deren Familien schon seit
                    berger redet nicht um den heißen Brei herum. Wenn er           bis zu vierzig Jahren Geschäfte macht. Deshalb ist er mit
                    Fragen hat, dann greift er zum Telefon. So kommt es, dass      seiner Idee auch zuerst zu ihnen, den Bauern, gegangen.
                    hier im Ratssitzungssaal von Partenstein eine illustre Run-    Man hat sich zusammengesetzt und geschaut, was für ei-
                    de zusammen gekommen ist: Ein Vertreter des Bund Na-           ne gentechnikfreie Fütterung notwendig ist. Die Bauern,
                    turschutz, eine Frau von der Metzgerei-Fachpresse, die In-     Armin Bandella (Kälber), Gerhard Sachs (Bullen) und Mar-
                    nung, die Handwerkskammer und natürlich die Bauern -           tin Stamm (Schweine) begannen bereits 2009 die Fütte-
                    drei an der Zahl. Einer mästet Schweine, der zweite mästet     rung nach dem „Ohne Gentechnik“-Standard umzustellen.

12                   Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011
Lebensmittel-Kennzeichnung Titelthema Agrarreform

  Martin Stamm hatte tatsächlich in der Vergangenheit           Fleisch- und Milchprodukte, ist nicht ersichtlich, ob gen-
gentechnisch verändertes (gv) Sojaschrot an seine Schwei-       technisch veränderte Bestandteile als Futtermittel in ihre
ne verfüttert. Pfaffenberger bat ihn, auszurechnen, was es      Produktion eingegangen sind oder nicht. Bei den Produkten
kosten würde, auf gentechnikfreie Ware umzustellen. Die         in der Metzgerei der Familie Pfaffenberg ist das jetzt anders.
Ferkel werden mit 12 bis 13 Wochen beim ihm angeliefert,
wo sie in mindestens 17 Wochen von etwa 25 auf über 100         Allergien waren der Startpunkt
Kilogramm Schlachtgewicht wachsen. Herausgekommen
sind zwei Cent Futtermehrkosten je Kilo Schweinefleisch.           Spekuliert man über die Motive des Holger Pfaffenber-
  Ein halbes Jahr später wusste Pfaffenberger, was er an        ger, dann liegt es scheinbar nahe, dass man in Kitzingen
seinem Lieferanten hat. In einem Vortrag des Futtermit-         landet. Ebenfalls in Unterfranken gelegen, war es in den
telhändlers Josef Feilmeier nannte dieser exakt jene zwei       Jahren 2006 bis 2008 praktisch der einzige Landkreis in
Cent Aufpreis je Kilo Schweinefleisch, die die teuereren        Bayern beziehungsweise Südwestdeutschland, in dem
Futtermittel ausmachen würden. Pfaffenberger freut sich:        gentechnisch veränderter Mais kommerziell angebaut
„Es geht doch nichts über ein vertrauensvolles Miteinan-        wurde. Kitzingen ist weniger als 100 Kilometer von Pfaf-
der auch im Geschäftsleben. Der Martin hätte ja auch            fenbergers Heimatort Partenstein entfernt, aber es liegt
zwanzig oder fünfzig Cent Mehrkosten ‚ausrechnen’ kön-          scheinbar am Rande des Wahrnehmungs-Radars der lo-
nen - er weiß ja, dass ich ihn an dieser Stelle nicht kon-      kalen Öffentlichkeit - oder knapp dahinter. In den regio-
trolliere.“ Langfristige Lieferverträge und die Tatsache,       nalen Diskussionen und auch für ihn selbst habe diese
dass Stamm jetzt in einen neuen Stall investiert, sind für      konkrete Anbausituation bei seiner Entscheidung, in die
Pfaffenberger ein gutes Zeichen - nachhaltig eben. Leicht       ‚non GMO‘-Zertifizierung für seine Produkte zu investie-
zu erkennen, dass der gentechnikfreie Standard für die          ren keine Rolle gespielt. Vielmehr kamen immer häufiger
Kunden tragbar wäre - „wäre“, denn tatsächlich gibt Pfaf-       KundInnen, die von irgendeiner Art von Lebensmittel-Al-
fenberger diesen Aufpreis nicht an seine Kunden weiter.         lergie beziehungsweise -Unverträglichkeit geplagt waren.
Diesen Aufpreis und auch den für das teuerere Futter be-        Das hat irgendwann dazu geführt, dass er ins Grübeln kam.
zahlt der Metzger. Auch die Bauern sollten nicht ausbaden       So wurde Nachhaltigkeit zu seinem Thema.
müssen, was Pfaffenberger sich in den Kopf gesetzt hatte.
                                                                ... „nicht nur Luft getestet“
„Mir geht es um die Ethik.“
                                                                   Das Besondere an der Metzgerei wie an dem Zertifizie-
  „Ob ich dann am Ende mehr oder weniger Kunden ha-             rungsprozess ist, dass Pfaffenberger vier verschiedene
be, wissen Sie, um ehrlich zu sein, ist mir das gar nicht so    Fleischsorten im Angebot hat, die alle mit dem „Ohne
wichtig. - Ich will morgens in den Spiegel schauen kön-         GenTechnik“-Label gekennzeichnet werden sollen: Vier-
nen.“ Pfaffenberger vertritt nicht die Ansicht, dass seine      zig Schweine, zwei Bullen und je ein Kalb und ein Rind
Produkte unbedingt besser sind als die seiner Berufskolle-      sind das im Monat. Wesentliche Teile der Zertifizierung
gen. Nur sind sie eben nachhaltiger produziert, das steht       werden über die Papiere erledigt: ausgehend von den Re-
außer Frage. Strom vom Dach oder aus regionaler Wasser-         zepturen der Produkte werden die Lieferscheine kontrol-
kraft, regionale Lieferanten, Wasser aus dem eigenen            liert. Bei den Bauern werden zusätzlich Proben genom-
Brunnen und so weiter und so fort. Hier ist jedoch nicht        men und an ein Labor geschickt.
die Rede von einem Bio-Metzger. Da hört es mit der Pfaf-           Der Prozess beim Lamm ist in den letzten Monaten ins
fenbergerschen Logik von Nachhaltigkeit auf: Weil sich die      Stocken geraten und konnte „leider“, wie Pfaffenberger
meisten Kunden dies nicht leisten können, erreichen die         versichert, nicht pünktlich bis zum Festakt im Rathaus ab-
Bio-Fleisch-Produzenten keine großen KäuferInnen-               geschlossen werden. In einer Futterprobe ist gentechnisch
schichten - und genau aus diesem Grund öffnet sich hier         verändertes Material gefunden worden. Aber: „Immerhin
eine Tür für konventionelle Metzger, wie er selbst einer ist.   zeigt das auch, dass hier nicht nur Luft getestet wurde“.
                                                                Metzger Paffenberger hat jetzt einen neuen Lieferanten für
Zwischen billig-konventionell und Bio                           das Lammfleisch. Dessen Zertifizierung ist noch nicht ab-
                                                                geschlossen, aber auf gutem Weg.
   Als handwerklich arbeitender Betrieb mit regionaler
Verortung und direktem Kontakt zu Lieferanten und
KundInnen kann er sehr gute Qualität liefern. Und von der
Ohne-GenTechnik-Zertifizierung profitiert ja insbesonde-        Christof Potthof ist Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerk und Re-
re auch die Kundschaft. „Jetzt können die Kunden endlich        dakteur des GID.
wählen.“ Bis zu achtzig Prozent der Verbraucherinnen und
Verbraucher in Deutschland wollen Umfragen zufolge keine        Fußnote:
                                                                (1) Siehe dazu auch den Beitrag „Grüne Wüsten“ auf Seite 10.
Agro-Gentechnik, nicht auf dem Acker und nicht auf dem
Teller. Aber bei dem Gros der tierischen Produkte, Eier,        Internet: www.metzgerei-pfaffenberger.de; www.intertek.de

                                                                             Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011   13
Mitgliedstaaten mit mehr Macht
     Die Gentechnik-Regulierung in der Europäischen                 In diesem Zusammenhang betont das Parlament ergänzend
     Union steht vor einem radikalen Wandel: Geht                   den freien Zugang zu den GVO, um damit eigene Untersu-
                                                                    chungen durchführen zu können. Bisher ist dieses Material
     es nach Parlament und Kommission der EU, dann                  weder für die EU-Behörden noch für die Regierungen der
     haben die Mitgliedstaaten in Zukunft deutlich                  EU-Mitgliedstaaten uneingeschränkt verfügbar.
                                                                       Um den Anbau von GVO auf ihrem jeweiligen Hoheitsge-
     erweiterte Möglichkeiten zu entscheiden, ob                    biet einzuschränken beziehungsweise zu verbieten, dürfen
     gentechnisch veränderte Organismen (GVO) auf                   die Mitgliedstaaten in Zukunft ökologische Argumente nut-
                                                                    zen, die über die in dem gemeinschaftlichen Zulassungs-
     ihrem Territorium angebaut werden oder nicht.                  verfahren genannten hinausgehen. Besteht zum Beispiel die
     Von Christof Potthof                                           Gefahr, dass der Einsatz der GVO zu „einer Resistenzbildung
                                                                    bei schädlichen Pflanzen und Tieren gegenüber Pestiziden“
                                                                    führt, dürften diese GVO verboten werden. Ein weiterer
                                                                    Aspekt könnte der Schutz der „lokalen biologischen Vielfalt,

     I
         n seiner Sitzung am 5. Juli hat das Europäische Parla-     einschließlich bestimmter Lebensräume und Ökosysteme,
         ment (EP) einen Vorschlag der Kommission für die           sowie bestimmter Natur- und Landschaftselemente“ oder
         Re-Regionalisierung der Anbau-Entscheidung für GVO         „fehlende oder unzureichende Daten zu den potenziellen
     mit weitreichenden Änderungen angenommen. Das wurde            schädlichen Auswirkungen auf die lokale oder regionale
     insbesondere von Verbänden, die sich für eine ökologische      Umwelt (...) eines Mitgliedstaats“ sein.
     und nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, einhellig be-           Auch sozioökonomische Gründe sollen von den Mitglied-
     grüßt. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des    staaten genutzt werden können.(4) Hier stehen erweiterte
     Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft: „Mit der Ent-         Möglichkeiten zum Schutz vor Kontaminationen konven-
     scheidung hat das Parlament den lückenhaften Vorschlag         tioneller und ökologischer Produkte mit GVO im Zentrum
     der EU-Kommission zu nationalen Anbauverboten von              der Stellungnahme des Parlaments. Stellt sich für bestimm-
     Gentech-Pflanzen deutlich verbessert. Die Mitgliedstaaten      te GVO zum Beispiel heraus, „dass Koexistenzmaßnahmen
     erhalten endlich Rechtssicherheit“.                            undurchführbar oder mit hohen Kosten verbunden sind“,
       Die Entscheidung gegen den Anbau wird - sollten sich die     können diese verboten werden.
     Vorstellungen des Parlaments durchsetzen - auch in Zukunft        In den Tagen vor der Abstimmung hatte sich ein gutes Dut-
     nicht völlig frei sein. Die Mitgliedstaaten werden ihre Ein-   zend von Umweltorganisationen, landwirtschaftlichen Ver-
     schränkungen oder Verbote auch weiterhin gegenüber der         bänden und anderen Gentechnik-kritischen Gruppen mit ei-
     Europäischen Kommission begründen müssen. Die Spiel-           nem Offenen Brief an die Abgeordneten des EP gewandt, um
     räume dafür sollen sich jedoch deutlich erweitern. Bisher      sie über Lepages Argumente und Vorstellungen zu informie-
     war den Mitgliedstaaten das Verbot eines in der EU für den     ren.(5) Auch mobilisierten sie Bürgerinnen und Bürger, ihren
     Anbau zugelassenen GVO in den eigenen Grenzen nur über         Abgeordneten zu schreiben. Allein aus Deutschland wurden
     den Umweg der so genannten Schutzklausel der Freiset-          mehr als 60.000 eMails an Abgeordnete geschickt.
     zungsrichtlinie möglich.(1) Diesen Umweg hatte zum Bei-
     spiel Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU)
     2009 bei ihrem Verbot des gv-Mais MON810 gewählt.(2)           Christof Potthof ist Mitarbeiter des GeN und Redakteur des GID.

                                                                    Quelle:
     Ökologische Argumente haben Gewicht
                                                                    Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen und die vom Parlament in
                                                                    erster Lesung angenommenen Texte finden sich im Netz unter:
        Die wichtigste vom Parlament vorgenomme Änderung an
                                                                    www.kurzlink.de/gid207_c
     dem Vorschlag der EU-Kommission besteht darin, dass
     mögliche Verbote und Einschränkungen in Zukunft auf die
                                                                    Fußnoten:
     Artikel 191 und 192 des Lissabon-Vertrages gestützt werden
                                                                    (1) Artikel 23 der Freisetzungsrichtline 2001/18/EG.
     sollen.(3) So sollen Umweltaspekte einen wesentlich höhe-      (2) Siehe zum Beispiel „Der Teufel steckt im Detail”, GID 205, April 2011.
     ren Stellenwert bekommen. Bisher ist die Basis für die Frei-   (3) In Artikel 191 heißt es zum Beispiel: „Die Umweltpolitik der Union (...)
     setzung von GVO der freie Warenaustausch zwischen ver-             beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung“. Im Netz
     schiedenen Regionen oder Ländern der EU (Artikel 114).             unter: www.dejure.org/gesetze/AEUV/191.html.
                                                                    (4) Die in dem Beitrag von Armin Spök in diesem Heft dargestellten Dis-
        Grundsätzlich soll das System der gemeinschaftlichen Zu-
                                                                        kussionen zu den sozioökonomischen Aspekten bezieht sich im Ge-
     lassung von GVO beibehalten bleiben. Es soll aber nach Mei-        gensatz zu den hier genannten Plänen auf deren Berücksichtigung bei
     nung der EU-Kommission verbessert werden. Das hatte der            der gemeinschaftlichen Zulassung von GVO.
     EU-Umweltministerrat bereits im Dezember 2008 gefordert.       (5) Der Offene Brief im Netz unter: www.kurzlink.de/gid207_d.

14    Gen-ethischer Informationsdienst   Nr. 207 · August 2011
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