B 3 Gen-Editierung und CRISPR/Cas - Expertenkommission ...

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               2021

    B 3 Gen-Editierung und
        CRISPR/Cas
    Download   CRISPR/Cas ist ein Werkzeug zur Gen-Editierung, das u. a. dafür genutzt werden
       Daten
               kann, Ansätze für neue Therapien zu finden und Ursachen von Krankheiten zu
               entschlüsseln. Fachleute schreiben CRISPR/Cas ein hohes Potenzial zu, weil es
               Gen-Editierung vereinfacht und so den Kreis der Forschenden sowie der
               Anwendungsgebiete enorm vergrößert.

B

                                                        1.                      Cas9
                                                             Leit-RNA
                                               2.

                                               3.

                                               4.

                                 1. Die Leit-RNA und ein Protein zum Schneiden der DNA,
                                 wie Cas9, bilden ein CRISPR-System. 2. Das CRISPR/Cas-
                                 System bindet gezielt an einen bestimmten DNA-Abschnitt.
                                 3. Dort wird der DNA-Doppelstrang geschnitten. 4. An der
                                 Schnittstelle kann DNA eingefügt oder entfernt werden.

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Kernthemen 2021                                                                                 B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

                       Forschungs- und Innovationsaktivitäten zu CRISPR/Cas in den Bereichen Gesundheit
                       und Medizin sowie technische Verbesserungen von Deutschland und Großbritannien
                       relativ zu denen der USA 2012–2019

                                                      USA                                                              100%
                                                      GB                  16,7%
                                                      DE                  18,3%
                       Publikationen

                                                      USA                                                              100%
                                                      GB         3,8%
                                                      DE         3,4%
                       Patente

                                                                                                                                     B
                                                      USA                                                              100%

                                                      GB          5,9%
                                                      DE          5,9%
                       Klinische Studien

                                                      USA                                                              100%

                                                      GB             10,4%
                                                      DE           6,7%
                       Unternehmen

                                                                      Deutschland ist in der Forschung zu CRISPR/Cas in
                                                                      den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische
                                                                      Verbesserungen vergleichsweise gut aufgestellt. Für
                                                                      Erfindungen zu CRISPR/Cas, deren Nutzung für Patientinnen
                                                                      und Patienten sowie die Kommerzialisierung durch
                                                                      Unternehmen bestehen in Deutschland allerdings noch
                                                                      unerschlossene Potenziale.

Quellenverzeichnis Infografiken siehe Kapitel D 7.
Quelle: Darstellung der Funktionsweise von CRISPR/Cas: Fröndhoff et al. (2019).
Forschungs- und Innovationsaktivitäten zu CRISPR/Cas: Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
                                                                                                                               69
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    B 3 Gen-Editierung und CRISPR/Cas

                Die Gen-Schere CRISPR/Cas ist ein Werkzeug zur            Mit Hilfe von CRISPR/Cas können Gene238 verändert,
                Gen-Editierung, das u. a. dafür genutzt werden kann,      aus- oder angeschaltet werden. Daraus ergeben sich
                Ansätze für neue Therapien zu finden,232 Ursachen von     neue Möglichkeiten, Erbkrankheiten zu behandeln.
B               Krankheiten zu entschlüsseln,233 genetische Tests zu      Mindestens 3 Prozent der Weltbevölkerung sind von
                entwickeln234 und medizinische Grundlagenforschung        einer Erbkrankheit betroffen, die durch den Fehler
                zu betreiben235 (vgl. Boxen B 3-1 und B 3-2).             eines einzelnen Gens ausgelöst wurde. Eine Korrek-
                                                                          tur dieses fehlerhaften Gens könnte die Krankheit
                Neben dem Einsatz von CRISPR/Cas für medizini-            heilen.239
                sche Zwecke (rote Biotechnologie) kommt CRISPR/
                Cas auch in der Landwirtschaft (grüne Biotechno-          Forscherinnen und Forscher schreiben CRISPR/Cas
                logie) und in industriellen Anwendungen (weiße            ein hohes Potenzial zu, weil es Gen-Editierung ver-
                Biotechnologie) – beispielsweise zur Erzeugung            einfacht und so den Kreis der Forschenden sowie
                gen­t echnisch veränderter Enzyme, Zellen oder            die Anwendungsgebiete enorm vergrößert. Dies hat
                Mikro­organismen – zum Einsatz.236 In diesen Berei-       in den letzten Jahren zu einer starken Zunahme der
                chen bestehen zum Teil hohe Wertschöpfungspoten-          FuE-Aktivitäten in Zusammenhang mit CRISPR/Cas
                ziale.237 Dieses Kapitel fokussiert auf den Einsatz von   geführt. Die meisten derzeitigen Entwicklungsarbei-
                CRISPR/Cas zu medizinischen Zwecken.                      ten zu medizinischen Anwendungen von C    ­ RISPR/
                                                                          Cas gelten als ethisch unbedenklich.244

    Box B 3-1        CRISPR/Cas

                     CRISPR/Cas wurde als Teil des adaptiven bakteri-     machen. Die ­Fähigkeit, DNA zu schneiden, macht
                     ellen Immunsystems entdeckt.240 Erkennt dieses       man sich für die Gen-Editierung zunutze.
                     Immun­system eine Infektion durch Viren, schnei-
                     det es die Desoxyribonukleinsäure (DNA) der Viren,   Zum Schneiden von DNA benötigt ein CRISPR-­System
                     um sie unschädlich zu machen. Die ausgeschnitte-     zwei Komponenten: eine Leit-Ribonukleinsäure
                     nen Teile der Viren-DNA werden dann in die DNA       (­Leit-RNA) und ein Protein, das die DNA schneidet.242
                     des Bakteriums eingefügt. Innerhalb der DNA des      Das am häufigsten verwendete Protein ist das Cas9-
                     Bakteriums befinden sich die Teile der Viren-DNA     Protein aus dem Scharlacherreger (Streptococcus
                     zwischen flankierenden konstanten Regionen der       pyogenes) – spCas9. Allerdings kann es passieren,
                     Bakterien-DNA. Der Wechsel von sich wiederholen-     dass die DNA nicht nur an der beabsichtigten Stelle
                     den flankierenden DNA-Sequenzen und variablen        geschnitten wird. In diesem Fall spricht man von
                     DNA-Sequenzen in der DNA von Bakterien erhielt       sogenannten Off-Target-Effekten. Diese können im
                     den Namen CRISPR (Clustered Regularly Interspaced    schlimmsten Fall eine Entartung der betroffenen
                     Short Palindromic Repeats 241). Diese CRISPR-        Zelle und somit die Ausbildung eines Tumors zur
                     Sequenzen wiederum helfen dem Immunsystem des        Folge haben.243 Off-Target-Effekte zu reduzieren ist
                     Bakteriums, die Viren-DNA beim nächsten Eindrin-     ein zentraler Gegenstand der aktuellen Forschung.
                     gen zu erkennen, zu schneiden und unschädlich zu

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Kernthemen 2021                                                                  B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

      Forscherinnen und Forscher in Deutschland bringen         hinaus lässt sich mit CRISPR/Cas leichter eine hohe
      sich aktiv in die Weiterentwicklung von CRISPR/           Effektivität erreichen als mit anderen Werkzeugen
      Cas ein. Zwar spielt Deutschland in der CRISPR/           zur Gen-Editierung. Das bedeutet, dass sich leich-
      Cas-Forschung – gemessen an der Anzahl von Pub-           ter ein passendes CRISPR/Cas-Werkzeug entwi-
      likationen in Fachzeitschriften – mit Rang drei im        ckeln lässt, mit dem die beabsichtigte Veränderung
      Ländervergleich eine bedeutende Rolle, bleibt jedoch      des Genoms in einem großen Anteil der Ziel­zellen
      mit großem Abstand hinter den USA und China               erfolgreich durchgeführt werden kann. Zusätzlich
      zurück. Zudem treten in Deutschland Schwächen in          lässt sich CRISPR/Cas einfacher an neue Anwendun-
      der Translation von Forschungsergebnissen in die          gen anpassen, als dies bei früheren Gen-Editierungs-
      ­Anwendung zutage.                                        werkzeugen der Fall war.247

                                                                Diese Vorteile gegenüber früheren Methoden haben
B 3-1 Die Gen-Schere CRISPR/Cas als neues                       dazu geführt, dass CRISPR/Cas in der Grundlagen-
      Werkzeug für die Medizin                                  forschung bereits breit genutzt wird. Daneben haben
                                                                die Prinzipien von Open Science die weitere Ver­
      Das Erbgut hat einen maßgeblichen Einfluss auf den        breitung von CRISPR/Cas begünstigt (vgl. Box B                      B
      Aufbau und die Funktionsweise von Organismen.             3-3). Aufgrund ­seiner Vorteile gegenüber früheren
      Demnach kann eine Veränderung des Erbguts eine            Methoden zur Gen-Editierung hat CRISPR/Cas das
      Änderung des Aufbaus oder der Funktionsweise              Potenzial, zu neuen Therapieansätzen beizutragen
      von Organismen zur Folge haben. Beim Menschen             (vgl. Box B 3-2).
      treten solche Veränderungen ganz natürlich durch
      ­Fortpflanzung und Mutation auf. Diese Veränderun-        Um diese individuellen und zielgerichteten neuen
       gen können positive oder negative Auswirkungen           Therapieansätze auch Patientinnen und Patienten in
       haben oder können folgenlos bleiben. Zu den nega-        Deutschland zugänglich zu machen, muss die nötige
       tiven Auswirkungen gehört eine Vielzahl von Erb-         Expertise für die Entwicklung und Anwendung dieser
       krankheiten.                                             Therapien allerdings in Deutschland vorhanden sein.
                                                                Dafür bedarf es der Kapazität und der Mechanismen,
      Ein Anwendungsbereich für CRISPR/Cas ist die              Forschungsergebnisse in Anwendungen zu über-
      Heilung solcher Erbkrankheiten durch die gezielte         führen und damit auch für Unternehmen neue Wert-
      Veränderung des Erbguts. Bei Anwendungen am               schöpfungspotenziale zu eröffnen.248
      Menschen wird zwischen Anwendungen unterschie-
      den, bei denen die dadurch ausgelöste genetische
      ­Veränderung weitervererbt wird (Keimbahnthe-             Deutschlands Leistungsstand im                              B 3–2
       rapie,245 vgl. Box B 3-13), und Anwendungen, bei         internationalen Vergleich
      denen die Veränderung nicht weitervererbt wird, die
      also nur das thera­pierte Individuum betreffen (soma-      Deutschlands Leistungsstand bei der Weiterent-
      tische Therapie).246 CRISPR/Cas ist nicht das erste        wicklung und Anwendung von CRISPR/Cas lässt
       Werkzeug, das zur Gen-Editierung genutzt wird (vgl.       sich durch die Betrachtung verschiedener Indika-
       Box B 3-2). ­Allerdings weist es gegenüber ­anderen       toren ermitteln. Dazu gehören Indikatoren zu wis-
       Werkzeugen zur Gen-Editierung entscheidende               senschaftlichen Publikationen, Patentanmeldungen,
       ­Vorteile auf. So ist CRISPR/Cas deutlich einfacher       Anzahl an Unternehmen und klinischen Studien. Im
        anzuwenden als frühere Werkzeuge zur Gen-Editie-         Folgenden werden insbesondere Daten betrachtet,
        rung und bietet dabei trotzdem eine hohe Präzision       die die Anwendung von CRISPR/Cas im Bereich
        und Effektivität. Eine hohe Präzision bedeutet dabei,    Medizin und Gesundheit249 betreffen, sowie Daten
        dass sich Bestandteile des Erbguts genau schnei-         zu technischen Verbesserungen von CRISPR/Cas,250
        den lassen und unerwünschte Veränderungen des           die der Weiterentwicklung von CRISPR/Cas all-
        Erbguts an anderen Stellen, sogenannte Off-Target-      gemein dienen und deshalb keinem bestimmten
        Effekte, besser adressiert werden können. Darüber       ­Anwendungsbereich zugeordnet werden.

                                                                                                                      71
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    Box B 3-2        Entdeckung von CRISPR/Cas und Anwendungen in der medizinischen Forschung

                     Die ersten gezielten Veränderungen des bestehen-      Therapien zur Heilung von Krankheiten zu entwickeln.
                     den genetischen Materials von Organismen mit Zell-    Genetische Krankheiten werden häufig durch die
                     kern, zu denen auch der Mensch gehört, erfolgten      Mutation eines einzelnen Gens verursacht. Welt-
                     1979 bei Hefen. Später wurden mit Zinkfingernukle-    weit sind ca. 250 Millionen Menschen von einer
                     asen und sogenannten Transcription Activator-Like     solchen monogenetischen Krankheit betroffen.253
                     ­Effector Nucleases (TALENs) bessere Werkzeuge zur    Beispiele für Krankheiten, die von einem einzel-
                      Gen-Editierung entwickelt.                           nen fehlerhaften Gen ausgelöst werden, sind die
                                                                           Beta-Thalassämie und die Sichelzellanämie,254 die
                     Dass CRISPR/Cas9 als einfach zu programmier­          mit Blutarmut einhergehen, die Lebersche Konge-
                     en­des Werkzeug zum Schneiden beliebiger DNA-         nitale Amaurose,255 die zur Erblindung führt, sowie
                     Sequenzen benutzt werden kann, zeigte 2012 eine       die Huntington-Krankheit,256 die mit Symptomen
B                    Forschungsgruppe um Jennifer Doudna und Emma-         wie Muskelschwund und Demenz einhergeht und zu
                     nuelle Charpentier,251 die für ihre Entdeckung 2020   frühzeitigem Tod führt.257 Für einige dieser Krank-
                     den ­Nobelpreis für Chemie erhielten. Kurz nach der   heiten werden Therapien auf Basis von CRISPR/Cas
                     Entdeckung zeigten Forschungsgruppen um Feng          bereits in klinischen Studien erprobt.
                     Zhang und George Church, dass CRISPR/Cas9 nicht
                     nur in Bakterien, sondern auch an tierischen Zellen   Neben der Behandlung von Erbkrankheiten kann
                     funktio­niert und dort genomische DNA schneiden       CRISPR/Cas auch für die Behandlung von Infek­
                     kann.252                                              tionskrankheiten wie etwa chronischen Erkrankun-
                                                                           gen mit dem Humanen Immundefizienzvirus (HIV)
                     Die Entwicklung von CRISPR/Cas als Werkzeug, das      eingesetzt werden. Ziel der Therapie ist es, die Zel-
                     Gene verändern, aus- oder anschalten kann, hat das    len des Immunsystems durch gezieltes Inaktivieren
                     Editieren der in Zellen vorhandenen genetischen       bestimmter Gene gegen den Erreger resistent zu
                     Informationen einer größeren Gruppe von Wissen-       machen.258
                     schaftlerinnen und Wissenschaftlern zugänglich
                     gemacht. Durch CRISPR/Cas ist es nun praktisch        Außerdem sollen zukünftig Immunzelltherapien
                     jedem mole­kularbiologischen Labor möglich, in        ­gegen Krebs mit CRISPR/Cas effektiver gemacht
                     nahezu jeder beliebigen Zelle gezielt Gene zu ver-     werden, indem die krebsbekämpfenden Zellen des
                     ändern. Somit wurden Arbeitsschritte, die vorher       Immunsystems so editiert werden, dass sie gegen
                     für die meisten Forschenden unmöglich waren, zu        die immunhemmende Wirkung der Tumorzellen
                     Routineauf­gaben. Neben medizinischer Grundlagen-      resistent werden.259
                     forschung wird CRISPR/Cas auch genutzt, um neue

                Gute Position bei der Anzahl der Publikationen             5.585 Publikationen auf den Bereich Gesundheit und
                                                                           Medizin, 4.719 Publikationen auf den Bereich tech-
                Als Indikator für die Forschung im Bereich CRISPR/         nische Verbesserungen, 962 Publikationen auf den
                Cas können Publikationen herangezogen werden. Im           Bereich Landwirtschaft sowie 286 Publikationen auf
                Folgenden werden wissenschaftliche Publikationen           den Bereich industrielle Anwendungen.262 Die fol-
                ab Juli 2012 betrachtet, dem Zeitpunkt der bedeuten-       gende Analyse bezieht sich auf die Bereiche Gesund-
                den CRISPR/Cas-Veröffentlichung durch Doudna               heit und Medizin sowie technische Verbesserungen.
                und Charpentier.260 Der Betrachtungszeitraum endet
                Ende Dezember 2019. Publikationen zu CRISPR/Cas            Die Anzahl der Publikationen pro Jahr ist seit
                können den Bereichen Gesundheit und Medizin, tech-         2012 stark gestiegen (vgl. Abbildung B 3-4).263 Die
                nische Verbesserungen, Landwirtschaft sowie indus-         höchste Anzahl an Publikationen in den Bereichen
                trielle Anwendungen zugeordnet werden.261 Von den          Gesundheit und Medizin sowie technische Verbes-
                insgesamt 11.552 erfassten Publikationen e­ ntfallen       serungen weisen im Ländervergleich die USA mit

                72
Kernthemen 2021                                                                                      B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

   Die Bedeutung von Open Science für die CRISPR/Cas-Forschung                                                                            Box B 3-3

   Seit der Entdeckung von CRISPR/Cas als Werkzeug                       von Plasmiden, um bei Anfragen zur Bereitstellung
   zur Gen-Editierung im Jahr 2012 erschienen dazu                       von Plasmiden auf deren effi­zienten, weltweiten
   über 11.000 wissenschaftliche Publika­tionen (bis                     Zusendeprozess zurückgreifen zu können. Das spart
   Dezember 2019) und es wurden über 4.000 Patent-                       Zeit und Geld. Zudem erhöht die Hinterlegung von
   familien angemeldet (bis Dezember 2018).264                           Plasmiden die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen
                                                                         und Wissenschaftlern, was sich in erhöhten Zitatio-
    Ein wichtiger Faktor in der Verbreitung von C­ RISPR/                nen ihrer Publikationen niederschlagen kann.266
    Cas unter Forschenden sind Dienstleistungen wie
    die des gemeinnützigen Unternehmens Addgene.265                      Daneben ist die rasante Entwicklung der Forschung
   Als Repositorium sammelt, teilt und verwahrt Add-                     zu CRISPR/Cas auch darauf zurückzu­führen, dass das
   gene Plasmide (kleine DNA-Moleküle), die von Wis-                     Broad Institute,267 das die Rechte an Feng Zhangs
   senschaftlerinnen und Wissenschaftlern u. a. zur                      grundlegendem CRISPR-Patent hält, die Technologie                            B
   ­Forschung mit CRISPR genutzt werden können. Damit                    kostenfrei für wissenschaftliche Forschung lizenziert.
    ist es Forschenden möglich, direkt auf die Arbeit                    Allerdings wird die kommerzielle Verwendung durch
    anderer Forschungsgruppen aufzubauen, ohne deren                     einen andauernden Patentstreit und die damit ein-
    Arbeitsaufwand duplizieren zu müssen. Forschende                     hergehenden Unsicherheiten gelähmt.268
    nutzen Repositorien wie Addgene zum Hinterlegen

   Anzahl der CRISPR/Cas-Publikationen ausgewählter Länder und Regionen in den                                                            Abb B 3-4

   Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen Q3 2012–2019
                                                                                                                                          Download
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     Publikationen
             1.400

             1.200

             1.000

              800

              600

              400

              200

                  0
             Jahr       2012          2013          2014          2015             2016       2017        2018           2019
                                    USA          EU           China             Deutschland      Japan           Großbritannien
     technische Verbesserungen
     Gesundheit und Medizin

   Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
   © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

                                                                                                                                    73
EFI GUTACHTEN
                2021

                5.151 ­Publi­kationen auf, gefolgt von China (2.402),                          auf technische Verbesserungen. Im Zeitverlauf hat der
                Deutschland (944), Japan (877) und Großbritannien                              Anteil der Publikationen im Bereich Gesundheit und
                (860) (vgl. Abbildung B 3-5). Die Europäische Union                            Medizin in allen betrachteten Ländern und Regionen
                (EU) weist mit 3.003 Publikationen in diesen Berei-                            zugenommen (vgl. Abbildung B 3-4).
                chen mehr Publikationen auf als China, aber weni-
                ger als die USA. In den letzten Jahren hat China den                           Die absolute Zahl der Publikationen in hochzitierten
                Abstand zur EU allerdings verringern können. Der                               wissenschaftlichen Zeitschriften kann als Indikator
                Anteil der Publikationen von Forscherinnen und For-                            für die Qualität der Forschungsarbeit herangezogen
                schern in Deutschland in den Bereichen Gesundheit                              werden. Hier liegen die USA mit 2.283 dieser Top-
                und Medizin sowie technische Verbesserungen an                                 Publikationen auf Rang eins, gefolgt von China (587),
                allen Publikationen in diesen Bereichen beträgt 9,2                            Großbritannien (377), Deutschland (369)269 und Japan
                Prozent.                                                                       (219). Auf die EU insgesamt entfallen 1.146 Top-
                                                                                               Publikationen.
                Forschende in den betrachteten Ländern und Regio-
                nen sind sowohl im Bereich Gesundheit und Medi-                                Betrachtet man den Anteil der Publikationen von
B               zin als auch im Bereich technische Verbesserungen                              Forscherinnen und Forschern an deutschen Institu­
                tätig. In den ersten Jahren der Forschungsarbeit nach                          tionen, der auf hochzitierte Zeitschriften entfällt (vgl.
                Entdeckung von CRISPR/Cas als Werkzeug zur Gen-                                Abbildung B 3-6),270 befindet sich ­Deutschland mit
                Editierung entfiel ein großer Anteil der Publikationen                         39,1 Prozent der Publikationen nur noch im dicht

    Abb B 3-5        Anzahl der CRISPR/Cas-Publikationen der Top-25-Länder und Regionen in den Bereichen
                     Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen Q3 2012–2019
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       Daten
                       USA                                                                                                                          2.839|2.312
                       EU                                                                                    1.587|1.416
                       China                                                                  1.427|975
                       Deutschland                                 489|455
                       Japan                                      499|378
                       Großbritannien                            504|356
                       Kanada                          276|172
                       Frankreich                     227|197
                       Niederlande                   210 |163
                       Südkorea                      186|170
                       Australien                   179|117
                       Schweiz                  144|127
                       Spanien                 145|90
                       Dänemark                156|65
                       Italien                 88|133
                       Schweden               112|70
                       Russland              57|91
                       Israel                78|54
                       Österreich            51|64
                       Indien                65|47
                       Singapur             65|41
                       Brasilien            69|37
                       Belgien              72|28
                       Taiwan (China)       51|33
                       Finnland             41|28

                                        0            500         1.000       1.500   2.000   2.500        3.000     3.500   4.000   4.500   5.000      5.500
                       technische Verbesserungen
                       Gesundheit und Medizin

                     Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
                     © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

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   Anteil von Publikationen zu CRISPR/Cas der Top-25-Länder und Regionen in den                                                                      Abb B 3-6

   Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen in hochzitierten
                                                                                                                                                     Download
   Zeitschriften Q3 2012–2019                                                                                                                        Daten

     Schweiz                                                                                                                            52,4%
     Österreich                                                                                                                     50,4%
     Niederlande                                                                                                            47,7%
     Israel                                                                                                         44,7%
     Schweden                                                                                                       44,5%
     USA                                                                                                            44,3%
     Großbritannien                                                                                              43,8%
     Singapur                                                                                                42,5%
     Finnland                                                                                               42,0%
     Kanada                                                                                                 42,0%
     Russland                                                                                               41,9%
     Frankreich                                                                                             41,7%                                                B
     Spanien                                                                                             40,9%
     Deutschland                                                                                    39,1%
     Italien                                                                                    38,5%
     EU                                                                                         38,2%
     Belgien                                                                                   38,0%
     Dänemark                                                                                  37,6%
     Australien                                                                             36,1%
     Südkorea                                                                       31,2%
     Taiwan (China)                                                         28,6%
     Indien                                                         25,0%
     Japan                                                          25,0%
     Brasilien                                                     24,5%
     China                                                         24,4%

                   % 0                10                 20                  30                     40                         50

   Für die Betrachtung sind die Publikationen aus den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen
   zusammengefasst.
   Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
   © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

g­ edrängten Mittelfeld und knapp über dem EU-                         det.271 Davon entfielen 1.192 Patentfamilien auf den
 Durchschnitt von 38,2 Prozent. Die Schweiz, Öster-                   Bereich Gesundheit und Medizin, 1.800 Patent­
 reich und die Niederlande weisen die größten Anteile                 familien auf den Bereich technische Verbesserungen,
 an Publikationen in hochzitierten Zeitschriften auf.                 536 Patentfamilien auf den Bereich Landwirtschaft
 Darüber hinaus zeigt sich, dass trotz der großen                     sowie 124 Patentfamilien auf den Bereich industri-
 Anzahl chinesischer Publikationen mit 24,4 Prozent                   elle Anwendungen. Einige dieser Patentfamilien sind
 nur ein relativ geringer Anteil in hochrangigen Zeit-                einem Jahr vor 2012, dem Jahr der ersten Publika-
 schriften erscheint. Auch Forscherinnen und For­                     tion zu CRISPR/Cas als Werkzeug zur Gen-Editie-
 scher in Japan veröffentlichen mit 25,0 Prozent der                  rung, zugeordnet. Dabei handelt es sich um Patente,
 Publikationen vergleichsweise wenig in hochzitier-                   die bereits vor der ersten wissenschaftlichen Veröf-
 ten Zeitschriften.                                                   fentlichung angemeldet wurden, um Patentschutz
                                                                      zu erhalten. Daneben werden Patentfamilien dem
                                                                      ­frühesten Jahr der in ihr enthaltenen Patente zuge-
Rückstand bei Patenten                                                 ordnet. Das kann dazu führen, dass CRISPR/Cas-
                                                                       Patentfamilien einem Jahr vor 2012 zugeordnet wer-
Bis Ende des Jahres 2018 wurden Patente in insge-                      den, da zu d­ iesem Zeitpunkt wichtige Vorarbeiten
samt 3.652 CRISPR/Cas-Patentfamilien angemel-                          patentiert wurden.

                                                                                                                                                75
EFI GUTACHTEN
                2021

    Abb B 3-7        Anzahl der CRISPR/Cas-Patentfamilien ausgewählter Länder und Regionen in den
                     Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen 1999–2018
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       Daten
                       Patente
                                  450

                                  400

                                  350

                                  300

                                  250

                                  200

                                  150

                                  100

                                    50
B

                                     0
                                  Jahr   1999–2011                  2012             2013          2014            2015             2016           2017         2018
                                                                   USA             China          EU            Japan             Großbritannien          Deutschland
                       technische Verbesserungen
                       Gesundheit und Medizin
                     Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
                     © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

    Abb B 3-8        Anzahl der CRISPR/Cas-Patentfamilien der Top-20-Länder und der EU in den Bereichen
                     Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen 1999–2018
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       Daten
                       USA                                                                                                                                      548|973
                       China                                                                                            431|511
                       EU                                           66|164
                       Südkorea                            48|63
                       Schweiz                        56|29
                       Japan                        17|53
                       Großbritannien               14|44
                       Deutschland                 16|35
                       Frankreich              16|20
                       Kanada                  15|16
                       Israel                 11|14
                       Niederlande            2|22
                       Dänemark               6|17
                       Russland              8|6
                       Singapur               7|5
                       Australien            3|5
                       Italien               3|5
                       Österreich            2|5
                       Spanien               3|2
                       Litauen               1|4
                       Schweden              0|5

                                         0         100       200     300     400     500    600   700     800    900      1.000 1.100 1.200 1.300 1.400 1.500 1.600
                       technische Verbesserungen
                       Gesundheit und Medizin
                     Betrachtet werden Länder mit insgesamt mindestens fünf Patentfamilien in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie
                     technische Verbesserungen.
                     Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
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Kernthemen 2021                                                                                               B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

   Anteil von CRISPR/Cas-Patentfamilien, die in mindestens drei Jurisdiktionen angemeldet                                                                 Abb B 3-9

   wurden, in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen für
                                                                                                                                                          Download
   ausgewählte Länder und Regionen 1999-2018                                                                                                              Daten

     Schweiz                                                                                                                            64,7%
     Australien                                                                                                                      62,5%
     Frankreich                                                                                                              58,3%
     Österreich                                                                                                            57,1%
     Niederlande                                                                                                   54,2%
     EU                                                                                           45,7%
     Kanada                                                                                      45,2%
     Südkorea                                                                                 43,2%
     Großbritannien                                                                           43,1%
     USA                                                                                      43,1%
     Singapur                                                                           41,7%
     Japan                                                                              41,4%                                                                         B
     Deutschland                                                                        41,2%
     Schweden                                                                         40,0%
     Spanien                                                                          40,0%
     Israel                                                                           40,0%
     Dänemark                                                                     39,1%
     Italien                                                                   37,5%
     Litauen                                             20,0%

     Russland                               14,3%
     China                     5,7%

                   % 0                10            20           30              40                      50                  60                 70

   Betrachtet werden Länder mit insgesamt mindestens fünf Patentfamilien in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie
   technische Verbesserungen. Für die Betrachtung sind die Patentfamilien aus den Bereichen Gesundheit und Medizin
   sowie technische Verbesserungen zusammengefasst. Große CRISPR/Cas-Patentfamilien sind solche, die in mindestens drei
   Jurisdiktionen angemeldet sind.
   Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
   © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

Die Anzahl von CRISPR/Cas-Patentfamilien aus den                      e­ ntsprechenden weltweiten CRISPR/Cas-Patentfami-
Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische                      lien.273 Darüber hinaus weisen Großbritannien, Japan,
Verbesserungen hat in den betrachteten Ländern und                    die Schweiz und Südkorea zwar weniger Publikati-
Regionen nach 2012 stark zugenommen (vgl. Abbil-                      onen auf als Deutschland,274 die Erfinderinnen und
dung B 3-7).272 Der Anteil, der auf technische Verbes-                 Erfinder in diesen Ländern melden aber mehr Patente
serungen entfällt, ist deutlich höher als der Anteil des               an als diejenigen in Deutschland (vgl. Abbildung
Bereichs Gesundheit und Medizin. Im Vergleich zu                       B 3-8).
CRISPR/Cas-Publikationen fällt die EU bei CRISPR/
Cas-Patentfamilien hingegen weit hinter die USA und                   Als ein Maß für die Qualität von Patenten kann die
auch China zurück.                                                    Anzahl an Jurisdiktionen herangezogen werden, in
                                                                      denen ein Patent angemeldet wird. Von Erfinderinnen
Deutschland weist bei CRISPR/Cas-Patentfami-                          und Erfindern in der Schweiz wurden 64,7 Prozent
lien eine deutlich schwächere Position auf als bei                    der Patentfamilien in mindestens drei Jurisdiktio­nen
CRISPR/Cas-Publikationen. Während auf Forsche-                        angemeldet (vgl. Abbildung B 3-9). Damit liegt die
rinnen und Forscher in Deutschland 9,2 Prozent                        Schweiz deutlich über dem EU-Durchschnitt mit 45,7
aller Publikationen auf die Bereiche Gesundheit und                   Prozent, Großbritannien und den USA mit jeweils
Medizin sowie technische Verbesserungen entfallen,                    43,1 Prozent, Japan mit 41,4 Prozent und Deutsch-
liegt der Anteil von Patentfamilien von Erfinderin-                   land mit 41,2 Prozent. Von Erfinderinnen und Erfin-
nen und Erfindern in Deutschland im Betrachtungs-                     dern aus China werden gar nur 5,7 Prozent der Patent-
zeitraum (1999 bis 2018) nur bei 1,7 Prozent der                      familien in drei oder mehr Jurisdiktionen angemeldet.

                                                                                                                                                     77
EFI GUTACHTEN
                 2021

    Abb B 3-10        Anzahl der CRISPR/Cas-Unternehmen in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie
                      technische Verbesserungen für ausgewählte Länder und Regionen Q2 2020
     Download
        Daten
                        USA                                                                                                                                                                                               75|59
                        EU                                                               13|18
                        Großbritannien                                     7|7
                        Deutschland                               4|5
                        Japan                                     2|6
                        Kanada                               4|3
                        Südkorea                             4|3
                        China                                3|4
                        Frankreich                           3|4
                        Schweiz                        3|1
                        Israel                         1|3
                        Dänemark                      2|1

B                       Niederlande                   0|3
                        Irland                    1|0
                        Italien                  1|0
                        Singapur                  1|0
                        Litauen                   0|1
                        Österreich                0|1
                        Taiwan (China)            0|1

                                             0              10               20    30              40               50   60              70             80   90         100              110     120          130                140
                        technische Verbesserungen
                        Gesundheit und Medizin

                      Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
                      © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

    Abb B 3-11        Anzahl von CRISPR/Cas-Unternehmen in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie
                      technische Verbesserungen nach Anzahl von Mitarbeitenden für ausgewählte Länder und
     Download
        Daten         Regionen Q2 2020

                                                 53
                             50

                             40

                             30
                                                         26         25

                             20

                                      11                                                  11
                             10                                                    9                9       10

                                                                                                                                                                        4        5
                                                                                                                          2      2         3        2             2                       2                     2
                              0                                                                                                                                                                         1                1         1

                        Anzahl
                                      1-10
                                             11-100
                                                        101-500
                                                                   > 500

                                                                                  1-10

                                                                                                  101-500

                                                                                                                                                              1-10
                                                                                                                                                                      11-100
                                                                                                                                                                               101-500
                                                                                                                                                                                         > 500

                                                                                                                                                                                                       1-10
                                                                                                                                                                                                              11-100

                                                                                                                                                                                                                                  > 500
                                                                                         11-100

                                                                                                            > 500

                                                                                                                                                                                                                       101-500
                                                                                                                         1-10
                                                                                                                                11-100
                                                                                                                                         101-500
                                                                                                                                                   > 500

                        Mitarbei-
                        tende
                                                  USA                                          EU                          Deutschland                        Großbritannien                                   Japan

                      Für die Betrachtung sind Unternehmen aus den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie technische Verbesserungen zusammengefasst.
                      Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
                      © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

                 78
Kernthemen 2021                                                                                B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

Geringe Anzahl deutscher CRISPR/Cas-Unternehmen                         ­deutlich höher als in Deutschland mit einem aus acht
                                                                       ­Unternehmen.280 Trotz der geringen Beobachtungs-
Unternehmen, die CRISPR/Cas kommerzialisie-                             zahl für deutsche Unternehmen deutet sich an, dass
ren, wurden über Patentanmeldungen und Unter-                           die CRISPR/Cas-Technologie in den USA stärker
nehmenswebseiten identifiziert. 275 Grundlage für                       durch junge Unternehmen kommerzialisiert wird, als
die Analyse sind diejenigen Unternehmen, zu denen                       das in Deutschland der Fall ist.281
neben ihren CRISPR/Cas-Patenten auch weiterge-
hende Informatio­nen verfügbar sind.276 Für das zweite
Quartal 2020 können so 278 CRISPR/Cas-Unterneh-                        Aufholbedarf bei klinischen Studien
men identifiziert werden, die teilweise in mehreren
Bereichen aktiv sind.277 Die meisten dieser Unter-                     Im Bereich Gesundheit und Medizin spielen klinische
nehmen sind im Bereich Gesundheit und Medizin                          Studien in der Überführung von Forschungsergeb­
tätig (111 Unternehmen), gefolgt von den Bereichen                     nissen in die Anwendung eine entscheidende Rolle.
technische Verbesserungen (102 Unternehmen), For-                      Sie kommen u. a. zum Einsatz, um zu gewährleisten,
schungsdienstleistungen (101 Unternehmen), Land-                       dass Therapien und Medikamente sicher und wirksam
wirtschaft (42 Unternehmen) und industrielle Anwen-                    sind.                                                                     B
dungen (22 Unternehmen).278
                                                                       Klinische Studien, bei denen CRISPR/Cas zum Ein-
Die mit Abstand meisten CRISPR/Cas-­Unternehmen,                       satz kommt, werden seit 2015 durchgeführt. Bei den
die den Bereichen Gesundheit und Medizin ­sowie                        meisten registrierten282 klinischen Studien (32 von 48
technische Verbesserungen zugeordnet werden kön­                       Studien weltweit) haben mit CRISPR/Cas veränderte
nen, entfallen mit 134 Unternehmen auf die USA. In                     Zellen therapeutische Zwecke. In acht Studien dient
Großbritannien sind 14 und in Deutschland neun sol-                    CRISPR/Cas dazu, Zelllinien zu kreieren, in sechs
cher Unternehmen ansässig (vgl. Abbildung B 3-10).                     Fällen dient es der Genomsequenzierung und in zwei
                                                                       Fällen handelt es sich um Übersichtsarbeiten.
Im Ländervergleich unterscheiden sich auch die
­Charakteristika der Unternehmen, die mit CRISPR/                      Die meisten registrierten klinischen Studien wer-
 Cas arbeiten. Der Anteil der Unternehmen mit über                     den in China (27) und den USA (17) durchgeführt
 100 Mitarbeitenden ist in Deutschland mit fünf                        (vgl. Abbildung B 3-12). In Deutschland ist nur eine
 von neun Unternehmen höher als in den USA, wo                         ­klinische Studie registriert, in der CRISPR/Cas zum
 dies auf 51 von 115 Unternehmen279 zutrifft (vgl.                      Einsatz kommt.283 In der Schweiz sind fünf klinische
 Abbildung B 3-11). Gleichzeitig ist der Anteil von                     ­Studien registriert, die alle auf CRISPR Therapeu-
 jungen, ab 2010 gegründeten CRISPR/Cas-Unter-                           tics, ein von Emmanuelle Charpentier gegründetes
 nehmen in den USA mit 77 von 124 Unternehmen                            Unternehmen, zurückgehen.

   Anzahl registrierter klinischer Studien unter Verwendung von CRISPR/Cas nach Ländern                                             Abb B 3-12

                                                                                                                                    Download
     China                                                                                                      27                  Daten
     USA                                                                          17
     Schweiz                             5
     Frankreich               2
     Deutschland          1
     Indien               1
     Großbritannien       1

                      0                                  10                              20                             30

   Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zyontz und Pomeroy-Carter (2021).
   © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

                                                                                                                              79
EFI GUTACHTEN
           2021

           Gemischtes Bild beim Leistungsstand Deutschlands          ­ egulatorische Rahmenbedingungen spielen für F&I-
                                                                     R
                                                                     Aktivitäten eine wesentliche Rolle und können die
           Deutschland nimmt in der Forschung zu CRISPR/             Wettbewerbsfähigkeit daher e­ ntweder positiv oder
           Cas in den Bereichen Gesundheit und Medizin sowie         negativ beeinflussen.287
           technische Verbesserungen – gemessen an der Anzahl
           der Publikationen – den dritten Platz, hinter den         Im folgenden Abschnitt wird zunächst der Rechts-
           USA und China, ein. Allerdings fällt Deutschland          rahmen in der medizinischen Grundlagenforschung
           im i­nternationalen Vergleich zurück, wenn Kenn-          und der präklinischen Forschung in Deutschland
           zahlen zur Leistungsfähigkeit in der Anwendung            dargestellt. Es folgt eine Betrachtung der regulatori-
           und Kommerzialisierung der Technologie betrachtet         schen Rahmenbedingungen und deren Auslegung im
           ­werden. Bei Erfindungen – gemessen an der Anzahl         Hinblick auf die klinische Prüfung von Therapeutika
            der Patente – liegt Deutschland hinter Südkorea,         für somatische Gentherapien.288 Daran anschließend
            der Schweiz, Japan und Großbritannien, deren For-        werden die außerrechtlichen, insbesondere finanziel­
            schende jedoch weniger Publikationen aufweisen als       len und institutionellen Rahmenbedingungen für
            Forschende in Deutschland.                               klinische Studien im Bereich der medizinischen
B                                                                    Biotechno­logie thematisiert.
           In Deutschland sind weniger CRISPR/Cas-Unter-
           nehmen ansässig als in Groß­britannien und deutlich
           ­weniger als in den USA. Zudem zeigt sich, dass die       Komplexe Antragsverfahren in der Forschung
            Kommerzialisierung in Deutschland tendenziell
            durch größere und ältere U
                                     ­ nternehmen erfolgt, wäh-      Medizinische Grundlagenforschung und präklinische
            rend sie in den USA stärker durch junge Unterneh-        Forschung sind Voraussetzung dafür, die Wirkung
            men vorangetrieben wird. Um CRISPR/Cas den               medizinischer Prozesse verstehen und neue Arznei-
            Patientinnen und Patienten in Form von Therapien         mittel entwickeln zu können.
            zugänglich zu machen, sind klinische Studien not-
            wendig. Jedoch steht die Zahl klinischer Studien in      Die medizinische Grundlagenforschung und die
            Deutschland deutlich ­h inter der vergleichsweise        präklinische Forschung zur somatischen Genthera-
            guten Forschungsposi­tion zurück.                        pie werden in Deutschland im Wesentlichen durch
                                                                     das Gentechnikgesetz (GenTG) reguliert.289 Labore
           Die Analyse legt nahe, dass in Deutschland noch           bzw. gentech­nische Anlagen, in denen medizinische
           unerschlossene Potenziale für Erfindungen zu              Forschungsarbeiten mit genetisch veränderten Orga-
           CRISPR/Cas und deren Nutzung für Patientinnen             nismen (GVO) durchgeführt werden, müssen von
           und Patienten sowie die Kommerzialisierung durch          Forschenden bei den zuständigen landesspezifischen
           Unternehmen vorhanden sind.                               Behörden ­angezeigt oder angemeldet und genehmigt
                                                                     werden.290

    B 3-3 Rechtliche und finanzielle                                 Um die Sicherheit in der medizinischen Grundla-
          Rahmenbedingungen                                          genforschung und der präklinischen Forschung mit
                                                                     GVO zu gewähr­leisten, sind die Anzeige-, Anmelde-
           Eine im Auftrag der Expertenkommission durchge-           und Genehmigungsverfahren mit hohen inhaltlichen
           führte internationale Vergleichsstudie analysiert die     Anforderungen verbunden. Einige Forschende in
           Regulierung der Gen-Editierung in ausgewählten            Deutschland beklagen jedoch im Hinblick auf die
           Ländern auf dem Gebiet der somatischen Gen­therapie       Verfahren, dass diese trotz jahrzehntelanger Erfah-
           und der Keimbahntherapie mit Blick auf ihre Aus­          rungen und der Möglichkeiten der Digitalisierung
           wirkungen auf F&I. Verglichen werden dabei Länder,        zu einem bürokratischen Aufwand führen, der in
           die auf den Gebieten der Gentechnik sowie der Gen-        keinem Verhältnis zum Risiko steht.291 Darüber
           Editierung eine weltweit führende Rolle einnehmen.284     hinaus scheint der Vollzug des Gentechnikrechts in
           Diese Länder stehen ­insbesondere in der Grundlagen-      Deutschland, wohl abhängig vom jeweiligen Bun-
           forschung und der präklinischen Forschung sowie           desland, zuletzt eher wieder restriktiver geworden
           im Bereich der Herstellung von Arzneimitteln für          zu sein. Hinzu kommt eine bundesweit nicht immer
           neuartige Therapien,285 zu denen auch Gentherapeu-        einheitliche ­Praxis des Gesetzesvollzugs im Gen-
           tika286 gehören, in intensivem Wettbewerb z­ ueinander.   technikrecht.292

           80
Kernthemen 2021                                                                     B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

Die angeführten bürokratischen und regulatorischen         werden zunächst die Anforderungen der Genehmi-
Hürden betreffen nicht nur die somatische Gen­             gungsverfahren beim PEI und den Ethikkommissio-
therapie, sondern die gesamte medizinische Grund-          nen betrachtet. Daran anschließend werden die Ver-
lagenforschung und die präklinische Forschung.             fahrensfristen thema­tisiert.
Am stärksten wirkt sich aus Sicht der Wissenschaft
die tierschutzrechtliche Regulierung nachteilig auf        Um eine Genehmigung für eine klinische Studie zu
Forschung und Entwicklung aus. Viele Wissen-               erhalten, müssen Forschende einen entsprechenden
schaftlerinnen und Wissenschaftler beklagen eine           Antrag beim PEI stellen. Die einzureichenden Unter-
Über­regulierung und sehen sich dadurch in ihrer           lagen umfassen u. a. Angaben zum Gegenstand und
Forschung erheblich beeinträchtigt. Dies führt letzt-      den Zielen der klinischen Prüfungen, den Prüfplan
endlich dazu, dass der Standort Deutschland für            sowie Ergebnisse präklinischer Studien. Darüber
medizinische Grundlagenforschung und präklinische          hinaus ist für die im Rahmen der klinischen Studien
Forschung an Attraktivität verliert.                       verwendeten Prüfpräparate eine behördliche Herstel-
                                                           lungserlaubnis erforderlich. Diese ist durch die Ein-
Um den administrativen Aufwand für Forschende              haltung der guten Herstellungspraxis (Good Manu-
zu reduzieren, könnten gentechnische Arbeiten              facturing Practice, GMP) zu belegen und wird von              B
mit bestimmten Typen von gentechnisch veränder-            der zuständigen Landesbehörde erteilt.296
ten Mikroorganismen von Regelungen des GenTG
per Rechtsverordnung ganz oder teilweise ausge-            Die konkrete Anwendung der Einhaltung des euro-
nommen und Antragsverfahren gebündelt werden.              päischen GMP-Standards für die Erteilung der
Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der              Herstellungserlaubnis von Prüfpräparaten wird
Grundlagenforschung und der präklinischen For-             inner­halb der EU-Mitgliedstaaten teilweise unter-
schung könnte auch eine bundeseinheitliche Harmo-          schiedlich interpretiert.297 In Deutschland erfolgen
nisierung der Anforde­rungen der landesspezifischen        Umsetzung und Auslegung der Vorschriften nach
Behörden angestrebt werden.293                             Einschätzung von Forschenden strenger als in ande-
                                                           ren Mitgliedstaaten der EU. So reicht in Großbri-
                                                           tannien, das zum Zeitpunkt der Untersuchung zwar
Hohe administrative Hürden für klinische Studien           schon nicht mehr Mitglied der EU war, für das das
                                                           Unions­recht aber einstweilen weiterhin galt, die
Um die Sicherheit und Wirksamkeit von Therapeu­            Einhaltung eines Prä-GMP-Standards für die Ertei-
tika zu gewährleisten und Forschungsergebnisse             lung der Herstellungs­e rlaubnis. 298 Im Gegensatz
in die Anwendung zu bringen, bedarf es klinischer          dazu müssen Prüfpräparate in Deutschland bereits
­Studien. Diese sind in Deutschland für jegliche Arten     von Anfang an uneingeschränkt dem GMP-Standard
 von Therapeutika, d. h. auch für Therapeutika zur         entsprechen.299
 somatischen Gentherapie, genehmigungspflichtig
 und durch das Arzneimittel- sowie das (Bio-)Medi-         Voraussetzung für eine Zustimmung der zuständigen
 zinrecht r­ eguliert. Sowohl das Arzneimittel- als auch   Ethikkommission zur Durchführung klinischer Stu-
 das (Bio-)Medizinrecht sind dabei in erheblichem          dien ist die positive Beurteilung der eingereichten
 Maß durch Gesetze auf Ebene der Europäischen              Unterlagen. Diese umfassen u. a. eine Bewertung der
 Union determiniert.294                                    vorhersehbaren Risiken und Nachteile der klinischen
                                                           Studien sowie die Abwägung mit dem voraussicht­
Die Regulierung klinischer Studien erfolgt in              lichen Nutzen für die Patientin bzw. den Patienten.300
Deutschland – ebenso wie in Frankreich, Groß-              Allerdings erfolgt die Bewertung bisher nicht auf
britannien und der Schweiz – auf Grundlage einer           Grundlage bundeseinheitlicher Kriterien, sondern
doppelten Präventivkontrolle.295 So bedarf es für die      liegt im Ermessensspielraum der jeweils zuständigen
Durchführung klinischer Studien in Deutschland             Ethikkommission. Gleiches gilt für multizen­trische
zum einen einer vorherigen behördlichen Geneh-             klinische Studien,301 bei denen die Ethikkommission
migung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), durch die         am Ort der Projektleiterin bzw. des Projektleiters die
die Sicherheit der klinischen Studie bescheinigt           ethische Vertretbarkeit der klinischen Studie beurteilt.
wird. Zum anderen ist die zustimmende Bewertung            Dies führt letztendlich dazu, dass es zu unterschiedli-
der zuständigen institutsinternen Ethikkommission          chen Einschätzungen bezüglich der ethischen Vertret-
erforderlich, die die ethische Vertretbarkeit der Risi-    barkeit klinischer Studien durch die Ethikkommissio-
ken der klinischen Studie bestätigt. Im Folgenden          nen kommen kann.

                                                                                                                   81
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                                                                           und den USA die Genehmigung nach Ablauf einer
    Box B 3-13        Regulierung der Embryonenforschung                   30-tägigen Frist als erteilt.307
                      und der Keimbahntherapie
                                                                           In den letzten Jahren ist auf dem Gebiet der Arznei-
                                                                           mittel für neuartige Therapien eine hohe Zunahme
                      Die Embryonenforschung, d. h. die Forschung an       der FuE-Aktivitäten zu beobachten.308 Angesichts
                      Embryonen zum Zweck des wissenschaftlichen           dieser Entwicklung ist davon auszugehen, dass es in
                      Erkenntnisgewinns, ist – außer in Deutschland –­     naher Zukunft neben einem Anstieg an informalen
                      in allen im Rahmen der internationalen Ver-          Beratungsanfragen auch zu einer erheblichen Erhö-
                      gleichsstudie betrachteten Ländern unter gewis-      hung der f­ ormalen Genehmigungsverfahren kommen
                      sen, in der Regel sehr strengen, Voraussetzungen     wird.309
                      erlaubt. So dürfen in den betrachteten Ländern
                      überzählige, durch künstliche Befruchtung her-       Neben den hohen administrativen Anforderun-
                      gestellte sogenannte In-Vitro-Fertilisations-        gen s­ ehen sich Forschende in Deutschland bei der
                      Embryonen für hochrangige Forschungszwecke           ­Genehmigung klinischer Studien mit einer stren-
B                     verwendet und bis maximal zum 14. Tag ihrer           gen Auslegung der rechtlichen Regelungen, u. a. im
                      Entwicklung kultiviert werden. In Großbritan-        Hinblick auf eine Herstellungserlaubnis, konfron-
                      nien dürfen darüber hinaus auch eigens zu For-       tiert. Darüber hinaus müssen Antragstellerinnen und
                      schungszwecken erzeugte Embryonen für die For-       Antragsteller mit mehreren Behörden auf Bundes-
                      schung verwendet werden.302                          und Landesebene in Kontakt treten. Insbesondere bei
                                                                           multizentrischen Studien können bundeslandspezi­
                      Die Keimbahntherapie, also die genetische Ver-       fische, inhaltlich voneinander abweichende Vertrags-
                      änderung von Embryonen zu therapeutischen            muster vorliegen, die unter Umständen zu erhebli-
                      Zwecken, hingegen ist praktisch in allen Ländern     chen Verzögerungen bei den Genehmigungsverfahren
                      verboten. Der Deutsche Ethikrat vertritt in seiner   führen. Außerdem findet durch die lokale Ansiedlung
                      2019 veröffentlichten Stellungnahme zu Eingrif-      der Ethikkommissionen an Universitäten und For-
                      fen in die menschliche Keimbahn die Position,        schungseinrichtungen keine Bewertung nach einheit-
                      dass sich aus der ethischen Analyse zwar keine       lichen Maßstäben statt.
                      kategorische Unantastbarkeit der menschlichen
                      Keimbahn ergibt.303 Gleichzeitig beurteilt er        Eine Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens,310
                      Keimbahneingriffe derzeit wegen ihrer unabseh-       eine bundesweite Harmonisierung der Verträge für
                      baren Risiken aber als ethisch unverantwortlich      multizentrische Studien sowie eine weniger restrik­
                      und fordert, u. a. im Einklang mit der WHO, ein      tive Auslegung der Regulierung könnten dazu bei-
                      weltweites Anwendungsmoratorium.304 Um eine          tragen, die Position Deutschlands bei klinischen Stu-
                      bessere Informationsbasis zu schaffen und die        dien im internationalen Wettbewerb zu verbessern.
                      Bewusstseinsbildung zum Thema Keimbahn­              Um auch in Zukunft alle Genehmigungsverfahren
                      therapie im Speziellen und Gen-Editierung im         fristgerecht bearbeiten zu können, sollte außerdem
                      Allgemeinen zu stärken, empfiehlt der Deutsche       über eine Ausweitung der Personalkapazitäten bei
                      Ethikrat darüber hinaus einen breiten gesell-        den zuständigen Genehmigungsbehörden nachge-
                      schaftlichen Diskurs.305                             dacht werden.

                                                                           Mangelnde Finanzierung für Translation

                 Darüber hinaus unterscheiden sich Genehmigungs-           Die Erkenntnisse aus der medizinischen Forschung
                 verfahren in ihrer Ausgestaltung in den untersuchten      schnell und effektiv Patientinnen und Patienten
                 Ländern voneinander. Während klinische Studien in         zukommen zu lassen, ist von hohem gesellschaftli­
                 Deutschland ­einer behördlichen Genehmigung bedür-        chem und volkswirtschaftlichem Interesse. Klinische
                 fen, müssen sie in Japan lediglich bei der Behörde für    Studien spielen bei der Translation von Erkenntnis-
                 Arznei­mittel und Medizinprodukte angemeldet wer-         sen aus der medizinischen Grundlagenforschung in
                 den.306 Im Gegensatz zu Deutschland, wo sich die          die Anwendung die entscheidende Rolle und sind
                 Verfahrensfristen für die Genehmigung und Freigabe        darüber hinaus ein Nachweis für die Innovationskraft
                 klinischer Studien auf 90 Tage belaufen, gilt in Japan    ­klinischer ­Forschung.311

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Kernthemen 2021                                                                                                          B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

   Von der Grundlagenforschung zum Medikament                                                                                                                   Abb B 3-14

                                                                                                                                                                Download
              Forschung                                           klinische Entwicklung                                                                         Daten

              Grundlagenforschung              präklinische       Phase I1)            Phase II2)          Phase III3)                     Medikamenten-
                                               Forschung                                                                                   zulassung

              500–650 Millionen Euro                              500–850 Millionen Euro
              €     €     €       €    €                          €     €     €        €     €
              €     €                                             €     €     €        €

              bis zu 1.000                     10–20 WSK          5–10 WSK             3–7 WSK             1–2 WSK
              Wirkstoffkandidaten
              (WSK)

                                                                                                                                                                             B

                                                                  weniger als          50–500              mehrere 100 bis 1.000
                                                                  100 gesunde          Patientinnen        Patientinnen
                                                                  Teilnehmende         und Patienten       und Patienten
                                                                  pro Studie           pro Studie          pro Studie

    Jahre 0         1         2            3          4       5          6         7             8     9          10          11      12

   1) Phase I: Sicherheits- und Verträglichkeitstests potenzieller Wirkstoffe.
   2) Phase II: Nachweis der Wirksamkeit und Tests auf Nebenwirkungen.
   3) Phase III: Bestätigung der Wirksamkeit und Tests auf Wechselwirkung mit anderen Medikamenten.

   Quelle: Darstellung basierend auf Schüler (2016).
   © EFI–Expertenkommission Forschung und Innovation 2021.

Medizinische Forschung geht mit langen Ent­                                       dien und ­Thera­pieoptimierungsstudien gewonnenen
wicklungs- und Innovationszyklen einher (vgl. Abbil-                              Erkenntnisse einen wichtigen Beitrag zur Steigerung
dung B­ 3-14), weshalb es einer langfristigen und                                 der Effektivität und Qualität der Patientenversorgung
kontinuierlichen Finanzierung bedarf. Insbesondere                                leisten und sind dadurch für das Patientenwohl von
die klinischen Studien sind sehr kostenintensiv. Bei                              hoher Bedeutung.314
klinischen Studien kann zwischen industrie-finan-
zierten, kommerziellen und öffentlich-finanzierten,                               Die Finanzierung wissenschaftsgetriebener klini-
nicht-kommerziellen Studien (Investigator-Initiated                               scher Studien und Therapieoptimierungsstudien ohne
Trials) differenziert werden. Während industrie-                                  unmittelbares Verwertungsinteresse, bei denen sich
finanzierte Studien vor allem mit einem kommerziel­                               die Aufwendungen häufig auf hohe zweistellige Mil-
len Verwertungsinteresse einhergehen und die Ent-                                 lionenbeträge belaufen, stellt ein erhebliches Problem
wicklung von Medikamenten zum Ziel haben, sind                                    dar.315 Folglich können viele grundlegende Fragen
öffentlich-finanzierte Studien wissenschaftsgetrieben                             der medizinischen Versorgung, insbesondere in hoch
und beschäftigen sich häufig mit offenen komplexen                                inno­vativen Feldern wie der somatischen Genthera-
Fragen der medizinischen Versorgung.312 Eine Unter­                               pie, nicht in klinische Studien überführt werden.316
kategorie der öffentlich-­finanzierten Studien bilden                             Höhere finanzielle und personelle Kapazitäten der
die sogenannten Therapie­optimierungsstudien, im                                  Universitätskliniken und eine gestärkte Infrastruktur
Rahmen derer geprüft wird, ob ein bereits zugelasse-                              könnten hier Abhilfe schaffen.
nes Medikament möglicherweise auch gegen weitere
Krankheiten ­eingesetzt werden kann.313 Dabei können                              Im Hinblick auf industrie-finanzierte Studien bekla-
insbeson­dere die aus wissenschaftsgetriebenen Stu-                               gen Fachleute, dass das Angebot an Wagniskapital

                                                                                                                                                           83
EFI GUTACHTEN
    2021

    und anderen Finanzierungsquellen in Deutschland für      Forschungsansätze in dem Maß weiterzuentwickeln,
    klinische Studien in der medizinischen Biotechno­        dass eine Weiterführung in anderen Förderprogram-
    logie sehr gering ist. Dies ist insbesondere auf die     men wie z. B. EXIST-Forschungstransfer ermöglicht
    ­langen Investitionsphasen bei der Wirkstoffent-         wird und die Translation von Forschungsergebnissen
     wicklung, die mit einem hohen Risiko einhergehen,       in die Anwendung gelingt.320 Vielversprechend sind
     zurückzuführen.317 So können potenzielle Wirkstoff-     auch Ansätze wie Stanford ChEM-H,321 bei denen
     kandidaten aus der Forschung aufgrund fehlender         Forscherinnen und Forscher verschiedener Diszipli-
     finanzieller Ressourcen häufig nicht bis zum Proof of   nen mit Fachleuten aus der klinischen Praxis koope-
     Concept in Phase II, in der die Sicherheit und Wirk-    rieren, um schnell Innovationen in der Medizin her-
     samkeit des Medikaments im Rahmen klinischer            vorzubringen.
     Studien evaluiert werden, weiterentwickelt werden.
     Fachleute verweisen zudem auf erhebliche Finanzie-      Eine Voraussetzung für das Gelingen solcher Pro-
     rungsprobleme beim Übergang von Phase II zu Phase       gramme ist es, die Durchführung klinischer Studien
     III, in der die neuen Medikamente an mehreren hun-      für Ärztinnen und Ärzte attraktiv zu gestalten. 322
     dert Patientinnen und Patienten getestet werden (vgl.   Dies kann u.a. durch die feste Verankerung von
B    Abbildung B 3-14).                                      ­Forschungszeiten sowie durch geeignete Organisa-
                                                              tionsstrukturen erreicht werden. Diese sollten ein
    Durch das Fehlen einer durchgängigen Finanzie-            angemessenes Verhältnis zwischen Forschung und
    rungskette von der öffentlichen Forschungsförderung       Versorgung ermöglichen und dadurch den Austausch
    über die Seed-Förderung bis zur Wachstumsfinan-           zwischen Forschenden zulassen.323
    zierung wird die Translation von Forschungsergeb-
    nissen in die kommerzielle Umsetzung und Anwen-          Einige Fachleute sprechen sich darüber hinaus für
    dung erschwert. Vor diesem Hintergrund begrüßt die       die Schaffung eines Zentrums aus, das die Akteure
    Expertenkommission Initiativen wie das kürzlich          aus der Forschung verschiedener Standorte mit­
    angekündigte und zunächst mit 50 Millionen Euro          einander vernetzt.324 Denkbar wäre eine Institution
    ausgestattete Förderprogramm zur Entwicklung von         ähnlich dem Catapult-Programm in Großbritannien.
    Medikamenten und anderen Therapeutika gegen              Dieses bündelt das Know-how zu Beantragungs-
    Covid-19, das das Ziel verfolgt, die klinische Ent-      und Zulassungsfragen, stellt Start-ups und kleinen
    wicklung in den Phasen I und II zu unterstützen.         Gentechnik-Unternehmen Expertise zum Aufbau von
                                                             Unternehmen zur Seite und ist eine zentrale Plattform
    Um die Finanzierung kommerzieller klinischer Stu-        für Finanzierungsbedarfe und Investitionsmöglich-
    dien, insbesondere in den finalen Phasen der Wirk-       keiten.325
    stoffentwicklung, zu verbessern und die Translation
    zu fördern, bedarf es einer Mobilisierung privaten
    Kapitals. Hierfür könnten entsprechende (steuerliche)    Handlungsempfehlungen                                   B 3–4
    Anreize für Investoren geschaffen werden. Darüber
    hinaus kann der von der Bundes­regierung aufgelegte      Die Gen-Schere CRISPR/Cas ist ein Werkzeug zur
    Zukunftsfonds zu einer Verbesserung der finanziellen     Gen-Editierung, das neue Impulse in der medizini-
    Rahmenbedingungen beitragen.318                          schen Grund­lagenforschung setzt und neue Therapie-
                                                             ansätze für viele Krankheiten ermöglicht. Durch das
    Neben finanziellen Rahmenbedingungen existieren          zielgerichtete Verändern genetischer Informationen
    weitere Katalysatoren, die der Translation zuträglich    wird es möglich, die Ursache von Erbkrankheiten
    sind. So zielt beispielsweise die 2019 eingeführte       direkt zu beheben. Ein besonders großes Potenzial
    Fördermaßnahme GO-Bio initial des Bundesminis-           liegt dabei im Bereich der somatischen Gentherapie,
    teriums für Bildung und Forschung (BMBF) darauf          mit der ein hoher Patientennutzen und ökonomische
    ab, die Identifizierung und Entwicklung von frühen       Wertschöpfungspotenziale einhergehen. Um die
    Forschungsansätzen in den Lebenswissenschaften           mit CRISPR/Cas verbundenen Potenziale zu heben,
    mit erkennbarem Innovationspotenzial zu unterstüt-       bedarf es weiterer großer Fortschritte sowohl in
    zen.319 Um Forschende besser auf den Erkenntnis-         der Forschung als auch in der Translation von For-
    transfer vorzubereiten, sind in dem Programm auch        schungsergebnissen in die Anwendung. Die Experten-
    ergänzende Unterstützungsmaßnahmen wie Gründer-          kommission empfiehlt daher folgende Maßnahmen:
    gespräche integriert. Ziel des Programms ist es, die

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Kernthemen 2021                                                                B 3 Gen-Editierung und CRISPR /Cas

Genehmigungsverfahren beschleunigen                      Anwendung. Daher sollte die Durchführbarkeit
                                                         klinischer Studien durch vorteilhaftere Rah-
– Für Vorhaben von der Grundlagenforschung über          menbedingungen wie beispielsweise schnellere,
  die angewandte Forschung bis zur Anwendung             effizientere und weniger kleinteilige Genehmi-
  am Menschen in klinischen Studien müssen               gungsverfahren verbessert werden. Außerdem
  Genehmigungsverfahren – immer unter der                sollte die Attraktivität der Mitarbeit an klinischen
  Maxime der Wahrung von Sicherheit und ethi-            Studien für Ärztinnen und Ärzte erhöht werden.
  scher Vertretbarkeit – so gestaltet werden, dass     – Programme wie GO-Bio initial, die bereits in
  der administrative Aufwand für Forscherinnen           einer frühen Phase des FuE-Prozesses ansetzen
  und Forscher reduziert wird.                           und auf einen lückenlosen und professionali-
– Damit Genehmigungsverfahren auch zukünftig             sierten Transfer von Ideen in die Anwendung
  möglichst zügig abgeschlossen werden können,           abzielen, sollten fortgeführt und mit ausreichend
  muss der Personalbestand innerhalb der Geneh-          finanziellen Mitteln ausgestattet werden.
  migungsbehörden frühzeitig an die zu erwar­
  tende Zunahme der Genehmigungsverfahren
  angepasst werden.                                    Rahmenbedingungen für Bereitstellung von                     B
– Zudem sollte es ermöglicht werden, miteinander       Wagniskapital verbessern
  verwandte Anträge und Genehmigungsverfah-
  ren zu bündeln. Darüber hinaus sollte angestrebt     – Die langen Forschungs- und Entwicklungszyklen
  werden, Genehmigungsverfahren über Bundes-             in der medizinischen Biotechnologie gehen mit
  länder hinweg zu harmonisieren.                        einem enormen Finanzierungsbedarf und e­ inem
                                                         hohen Risiko einher. Die Expertenkommission
                                                         mahnt erneut an, die Rahmenbedingungen für die
Spitzenforschung in CRISPR/Cas stärken                   Bereitstellung von privatem Wagnis- und Wachs-
                                                         tumskapital zu verbessern. Sie begrüßt in diesem
– Um die Spitzenforschung im Bereich CRISPR/             Zusammenhang die Einrichtung des Zukunfts-
  Cas zu stärken, sollten einige Leuchtturm­projekte     fonds, der sowohl bahnbrechende Technologien,
  an international wettbewerbsfähigen deutschen          speziell im Bereich der Biotechnologie, als auch
  Standorten ausgebaut oder neu geschaffen wer-          große Finanzierungsrunden für Start-ups und
  den. Bei diesen Leuchtturmprojekten sollte die         deren Skalierung unterstützen soll, und fordert
  Überführung der wissenschaftlichen Ergebnisse          dessen rasche Umsetzung.
  in die medizinische Anwendung einen hohen
  Stellenwert erhalten.
                                                       Gesellschaftlichen Diskurs fördern

Translation von wissenschaftlichen Erkenntnissen       – Die Expertenkommission erachtet es für wich-
unterstützen                                             tig, die Gesellschaft regelmäßig über die mit
                                                         CRISPR/Cas verbundenen Potenziale und Risi-
– Es sollten insbesondere interdisziplinäre Koope-       ken zu informieren und den dazugehörigen
  rationen und Arbeitsgruppen initiiert und geför-       gesellschaftlichen Diskurs weiterhin zu führen.
  dert werden, die durch eine frühe Interaktion
  zwischen Forschung und klinischer Praxis die
  Translation unterstützen und Innovationen her-       Open Science ausbauen
  vorbringen.
– Für die Beratung der Forschenden und für die         – Das Prinzip Open Science hat frühzeitig Wissen
  Vernetzung mit verschiedenen Stakeholder-              im Bereich CRISPR/Cas transparent und zugäng-
  gruppen sollte die Gründung eines Deutschen            lich gemacht und damit sowohl die Verbrei-
  Gentherapiezentrums diskutiert werden, das die         tung wissenschaftlicher Erkenntnisse als auch
  Rolle eines Kompetenzzentrums für Translation          deren Weiterentwicklung beschleunigt sowie die
  von der Grundlagenforschung und präklinischen          Exzellenz wissenschaftlicher Arbeit unterstützt.
  Forschung in die klinische Anwendung einneh-           Die Möglichkeiten und Instrumente von Open
  men kann.                                              Science entlang des Forschungsprozesses sollten
– Klinische Studien sind Voraussetzung für die           daher weiterentwickelt und gefördert werden.
  Translation von Forschungsergebnissen in die

                                                                                                              85
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