Genetisch veränderte Tiere

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Genetisch veränderte Tiere
Maus, Zebrafisch, Fruchtfliege und Fadenwurm - alles Tiere, die als
Modellorganismen genutzt werden. Modellorganismen sind gentechnisch
veränderte Tiere, die helfen mehr über Krankheiten zu erfahren und
Therapien zu testen.

«Warum sollte man in das Erbgut von Tieren eingreifen, um damit Versuche
durchzuführen? Die spinnen, die Forscher.» Lesen Sie hier, welche
bahnbrechenden Entdeckungen ohne die Hilfe von gent echnisch veränderten
Tieren nicht möglich gewesen wären.

1. Gentechnisch veränderte Tiere

Gentechnik bietet die Möglichkeit, das Erbgut von Lebewesen gezielt zu verändern. Diese
Fähigkeit wird beispielsweise dazu eingesetzt, Medikamente wie menschliches Insulin in
Bakterien oder in Tierzellen herzustellen (Kapitel Arzneimittelproduktion). Die häufigsten
gentechnischen Veränderungen, sei dies in der Forschung oder für die Produktion von
Medikamenten, geschehen in Mikroorganismen (Bakterien, Hefen) und in Zellkulturen.
Doch auch höhere Lebewesen, also Pflanzen und Tiere, können gezielt gentechnisch
verändert werden. Dies ist wichtig, denn Erkenntnisse aus Mikroorganismen oder Zellen
lassen sich nicht einfach auf einen höheren Organismus übertragen.

Krankheiten oder Körperprozesse lassen sich oft nicht an einzelnen Zellen untersuchen.
Die Alzheimer-Krankheit etwa ist ein Leiden, das nicht nur einzelne Zellen, sondern ganze
Regionen des Gehirns betrifft. Die Entstehung der Krankheit ist komplex und die
Forschenden greifen daher nicht nur auf einzelne «Alzheimer-Zellen» zurück, sondern auf
das so genannte Tiermodell, also zum Beispiel auf Mäuse, welche eine Krankheit
entwickeln, die mit der menschlichen Alzheimer-Erkrankung zwar nicht genau identisch
ist, die ihr aber ähnelt. Anhand dieser Mäuse können die Forscherinnen und Forscher
Neues über die Entstehung von Alzheimer erfahren und neue Therapien testen. Andere
bekannte Beispiele von Tiermodellen gibt es für Krankheiten wie Multiple Sklerose,
Diabetes, Chorea Huntington oder Krebs.

In den letzten Jahrzehnten haben Forscherinnen und Forscher in der ganzen Welt eine
Reihe von Tieren zu «Modellorganismen» erkoren. Dazu gehören zum Beispiel die Maus
und die Fruchtfliege (siehe Liste unten). Sie haben sich darauf geeinigt, sich auf wenige
zu konzentrieren, statt tausende verschiedene Tiere zu untersuchen. Ergebnisse können
dann unter den Modellorganismen miteinander verglichen werden. Wenn also ein
Forschungslabor in Helsinki eine neue Erkenntnis bei der Maus erlangt, so können andere
Forschende, die mit Mäusen des gleichen Stammes arbeiten, auf diese Erkenntnisse
aufbauen, egal ob sie in Wien, Bern oder San Francisco arbeiten.

2. Was zeichnet ein Tier aus, damit es zum Modellorganismus
   erkoren wird?

Was zeichnet ein Tier aus, damit es zum Modellorganismus erkoren wird?

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Es muss im Labor gut leben und sich vermehren können. Es darf dabei nicht zu viel Platz
einnehmen und muss betreffend Ernährung und Umwelteinflüssen nicht zu anspruchsvoll
sein.

Die Forschung muss bereits auch ohne Gentechnik schon einiges über dieses Tier
erfahren haben.

Es muss sich möglichst rasch und mit vielen Nachkommen vermehren, damit ein
Experiment nicht zu lange dauert.

Man muss es gut gentechnisch verändern können.

Es ist wohl klar, dass ein Elefant diese Kriterien nicht erfüllt: Mit seinen fünf Tonnen,
Nahrungsbedarf von 100 Kilogramm und rund 22 Monaten Tragezeit dürfte es schwierig
sein, mit einem Elefanten zu experimentieren. Anders bei einer Maus. Ihre Tragezeit
beträgt rund 3 Wochen und sie wiegt nur etwa 35 Gramm. Es ist daher logisch, dass sich
die Forschenden eher auf kleine Lebewesen geeinigt haben. Zu den wichtigsten
Labormodellen der modernen biologischen Forschung gehören:

Der kleine Essigaal (Caenorhabditis elegans) [1 mm lang]
Der im Boden lebende Fadenwurm Caenorhabditis elegans ist rund einen Millimeter lang
und lebt nur etwa 20 Tage. Die kurze Entwicklungszeit und die geringe Anzahl von
Körperzellen (der Wurm besteht aus 959 Zellen) tragen wesentlich zur Beliebtheit dieses
Modellorganismus bei. Zudem ist der Wurm durchsichtig, und so lassen sich einzelne
Zellen und Körperorgane am lebenden Tier unter dem Mikroskop beobachten.

Die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) [3 mm gross]
Die Fruchtfliege Drosophila ist seit fast 100 Jahren ein beliebtes Labortier der Genetiker:
Die Fliegen sind klein, lassen sich einfach züchten, sie entwickeln sich in 10 Tagen vom Ei
zur Fliege und vermehren sich rasant. Wurden sie anfangs zur Entdeckung der Regeln
der Vererbung benutzt, dienten sie in den letzten 40 Jahren vor allem dem Studium einer
zentralen Frage in der Biologie: «Wie entsteht aus einer einzigen Eizelle ein vollständiger
Organismus?». Über Gendefekte, die zu Störungen in der Entwicklung führen, lassen sich
die Gene finden, die diese Prozesse steuern. Durch die Entzifferung des Erbguts der
Fliege und des Menschen wurde deutlich: Sehr ähnliche Gene steuern bei Fliege und
Mensch die Entwicklung.

Der Zebrafisch (Danio rerio) [4 cm lang]
Warum haben Forschende sich für Zebrafische entschieden? Sie sind leicht und in grosser
Zahl zu halten und sie vermehren sich rasch. Da sie sich schnell entwickeln, zeigen sich
die Veränderungen ihres Erbguts innerhalb kurzer Zeit. Bereits ein Tag nach der
Befruchtung sind alle wesentlichen Organe angelegt und die Larve schlüpft zwei Tage
später. Zudem sind die Nachkommen weit gehend durchsichtig, so dass die
verschiedenen Entwicklungsstufen ohne grösseren Aufwand beobachtet werden können.
Alle Wirbeltiere, einschliesslich des Menschen, haben viele Gemeinsamkeiten, so dass im
Zebrafisch gewonnene Erkenntnisse oft auf den Menschen übertragen werden können.

Die Maus (Mus musculus) [10 cm lang]
Die typischen weissen Mäuse, auch Labormäuse genannt, sind mit der Hausmaus
verwandt. Der Körper ist 7 bis 11 cm lang, hinzu kommt eine Schwanzlänge von 7 bis 10
cm. Labormäuse werden zwischen 30 und 45 Gramm schwer. Sie haben bis zu acht Mal
jährlich drei bis acht Mäusekinder. Nach vier bis sechs Wochen sind sie geschlechtsreif
und leben rund zwei Jahre. Eine Maus kann also 150 Nachkommen haben. Deshalb sind
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Mäuse ideale Labortiere. Die Mus musculus wurde für Forschungszwecke in
verschiedenen Zuchtstämmen gezüchtet, mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften: So
eignet sich der Stamm «NMRI» besonders für verhaltensbiologische Tests, andere
Stämme neigen zu besonders früher Tumor-Bildung und werden daher in der
Krebsforschung eingesetzt, und an wieder anderen Stämmen können Medikamente zum
Beispiel gegen epileptische Anfälle erprobt werden.

Natürlich ist jeder Modellorganismus auf bestimmte Dinge besonders gut zu untersuchen.
Und je näher ein Lebewesen mit einem anderen verwandt ist, desto besser lassen sich
Ergebnisse aus Untersuchungen übertragen. So können neue Erkenntnisse aus
Mausexperimenten eher auf Menschen übertragen werden als aus Versuchen mit Fliegen.
Schliesslich sind Menschen und Mäuse beides Säugetiere und bis zu 99 Prozent aller
Mausgene findet man in ähnlicher Form auch beim Menschen.

Am wertvollsten sind Tiermodelle aber dann, wenn sie für die Erforschung von
Krankheiten des Menschen dienen. Die folgende Tabelle zeigt, dass für verschiedene
schwere Krankheiten Tiermodelle in unterschiedlichen Modellorganismen bestehen, weil
Modellorganismen und Menschen oft dieselben Gene haben.

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Tabelle 10.2 Krankheitsmodelle in Modellorganismen
Quelle: Science (2004) 287, 2204-2215 und OMIM (Mendelian Inheritance in Man).

3. Mit Gentechnik geht's schneller

Wie kann aus einer normalen Labormaus eine Maus werden, welche an Muskelschwund
leidet? Dafür ist es wichtig, zu wissen, welches die Ursache einer Krankheit ist. Bei der
Duchenne Muskeldystrophie, einer Erbkrankheit, die schon in jungen Jahren zu einem
Schwund der Muskeln führt, ist das Dystrophin-Gen auf dem X-Chromosom defekt.
Dieses Gen hat eine wichtige Rolle beim Aufbau von Muskelproteinen. Wie beim
Menschen gibt es auch bei Mäusen ein Dystrophin-Gen.

Es gibt verschiedene Methoden, Mäuse zu züchten, welche an Muskelschwund leiden.
Man könnte Mäuse vermehren und alle Nachkommen gut untersuchen. Irgendwann,
vielleicht erst nach einigen Jahren, wäre darunter eine Maus mit Muskelschwund. Dann
müsste man das Erbgut dieser Maus untersuchen und klären, ob tatsächlich das
Dystrophin-Gen betroffen ist. Damit hätten wir eine Maus, die als Modell für die
Duchenne-Erkrankung dienen könnte. Der Aufwand wäre aber enorm und wahrscheinlich
müssten wir tausende von Mäusen züchten, um darunter eine Maus mit Muskelschwund
zu entdecken.

Eine effizientere Variante ist die gezielte Veränderung des Mäuseerbguts mittels
Gentechnik: Durch das Ausschalten von vorhandenen Genen oder durch den Einbau von
DNA in die Zellen. Diese Genveränderung wird dann weitervererbt. Solche Tiere nennt
man transgen (Grafik 10.1). Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Methoden, die bei
allen Tiermodellen eingesetzt werden können:

      Erstens kann ein bestimmtes Gen ausgeschaltet werden. Eine solche Veränderung
       wird als Knock-out bezeichnet. In unserem Falle würde bei einer Maus das
       Dystrophin-Gen ausgeschaltet.
      Zweitens kann ein bekanntes Gen verändert und in das Erbgut des Tiermodells
       eingefügt werden (Knock-in).

Nobelpreis für Medizin 2007: Der Trick mit den Knock-out/in Mäusen
Der Medizin-Nobelpreis 2007 wird dem dem Amerikaner Martin Evans, dem Italo-
Amerikaner Mario Capecchi und dem Briten Sir Oliver Smithies verliehen. Ihre
bahnbrechenden Arbeiten liegen schon über 20 Jahre zurück. Als erstem war es Martin
Evans geglückt, embryonale Stammzellen aus Mäuseembryonen zu gewinnen und in
Kulturschalen zu vermehren. Er entwickelte eine Methode um embryonale Stammzellen
genetisch so zu modifizieren, dass er verschiedene Mäusestämme mit jeweils gezielt ein-
und ausgeschalteten Genen züchten konnte. Das Erzeugen von Knock-out und Knock-in
Mäusen stellte damals eine enorme Herausforderung dar, welche auf jeweils
unterschiedlichem Weg auch den beiden anderen Forschern, Mario Capecchi und Oliver
Smithies gelang. Letzterer wurde für seine Verdienste bereits 2001 von der Queen
geadelt.

4. Wie wird das Erbgut verändert?

Um die DNA in das Erbgut einzuschleusen, wurden verschiedene Methoden entwickelt.
Unter anderem diese:

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   Mit «Gen-Kanonen» werden Kügelchen in die Zellen geschossen, auf deren
       Oberfläche die DNA-Sequenzen kleben.
      Viren, die das gewünschte DNA-Stück enthalten, infizieren die Zellen.

Wie wird im Detail ein Knock-out-Tier gezüchtet? Nehmen wir das Beispiel einer Maus:
Die Gensequenz eines bestimmten Gens (z. B. Dystrophin-Gen) wird dafür in embryonale
Stammzellen einer Maus übertragen. Die Gensequenz wurde zuvor so verändert, dass
das entsprechende Protein nicht mehr normal wirken kann. Das eingeführte, defekte Gen
lagert sich nun an das entsprechende gesunde Gen im Tierchromosom an, weil es sich
um fast gleiche Gensequenz handelt. In der Folge wird das gesunde Gen mit der
angelagerten Sequenz ausgetauscht. Es mutiert zu einem defekten Gen. Die so
veränderten Stammzellen werden in einen frühen Mäuseembryo injiziert und dieser dann
einer Ammen-Maus übertragen. Die Mäuse werden vermehrt, um zu sehen, ob das
Knock-out-Gen weitergegeben wird.

Solche Knockout-Mäuse haben zum Beispiel die Erforschung der häufigsten Erbkrankheit,
der Cystischen Fibrose (CF), deutlich weitergebracht. Bei der CF, von der etwa eines von
2000 Kinder betroffen ist, stimmt die Regulation des Salzhaushaltes der Schleimhäute
nicht. Die Kinder produzieren grosse Mengen Schleim in ihrer Lunge, was zu
Atemschwierigkeiten und häufigen Infektionen führt. Eine Heilung gibt es bisher nicht.
Aber dank der CF-Knock-out-Mäuse weiss man heute über die Krankheit viel besser
Bescheid und die Forschung kann mit Hilfe der Mäuse mögliche Therapien erproben.

Allerdings hat die Erforschung von Knock-out-Mäusen auch Grenzen: viele menschliche
Erkrankungen entstehen nicht durch die Veränderungen eines einzelnen Gens, sondern
durch das Zusammenspiel mehrerer fehlgeleiteter Gene. Dies erschwert die Analyse
verschiedener Krankheiten erheblich. Gegner von Tierversuchen weisen deshalb auf eine
beschränkte Aussagekraft von Versuchen mit transgenen Tieren hin. Die Übertragbarkeit
der Daten vom Tierversuch auf den Menschen sei begrenzt. Experten weisen daraufhin,
dass eine gute Übertragbarkeit von der korrekten Versuchsanordnung abhängt.

5. Mit Knock-out-Mäusen Gene verstehen

Mit Knock-out-Tieren kann nicht nur eine konkrete Krankheit untersucht werden, sondern
ganz grundsätzlich die Frage, wozu ein Gen im Körper dient. Die Idee ist einfach: Ist ein
Gen innerhalb eines Organismus defekt (und damit auch das entsprechende Protein),
dann funktioniert etwas Bestimmtes nicht. Wenn zum Beispiel das Insulin-Gen defekt ist,
kann der Zuckerhaushalt im Körper nicht mehr richtig gesteuert werden. Wenn in einer
Fliege ein Wachstumsgen ausgeschaltet wird, dann entstehen Minifliegen. Mit anderen
Worten: Durch das gezielte Ausschalten von Genen, kann auf die normale Funktion des
Gens geschlossen werden. Der Vorteil der Knock-out-Mäuse besteht darin, dass man die
Wirkung des Gens am lebenden Tier beobachten kann.

Im Gegensatz zu den Knock-out-Tieren ist bei der Herstellung von Tieren mit
zusätzlicher, fremder Erbsequenz (Knock-In Tiere) die Absicht eine andere. Das Tier soll
zusätzliche Fähigkeiten erhalten. Weltweit bekannt geworden ist die erste Maus, der in
den Labors der «Harvard Medical School» (einer berühmten Forschungseinrichtung in
Boston) ein menschliches Krebsgen eingepflanzt wurde, um den Verlauf der
Krebskrankheit und mögliche Therapien am Tiermodell zu testen. In der Zwischenzeit
stehen neue Generationen von Krebsmäusen für die Forschung als Krankheitsmodell zur
Verfügung.

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Nach dem geltenden Tierschutzgesetz der Schweiz, braucht es eine Bewilligung, wenn
jemand Wirbeltiere gentechnisch verändern oder in Tierversuchen einsetzen will. Von den
erwähnten Modellorganismen braucht es demnach für Fische und Mäuse eine Bewilligung.
Für den Fadenwurm und die Fruchtfliege ist dies nicht nötig, da sie nicht zu den
Wirbeltieren gehören. Die Anzahl Tierversuche mit gentechnisch veränderten Tieren hat
seit 1992 stetig zugenommen. Im Jahr 2004 waren es 466 solcher Versuche. Parallel
dazu hat in den letzten Jahren die Anzahl der in solchen Projekten verwendeten Tiere
zugenommen. Im Jahr 2004 waren es 81'000 Tiere, meist Mäuse, aber auch Ratten. In
den Jahren 1997 bis 2004 wurden in der Schweiz 4'200 verschiedene gentechnisch
veränderte Mauslinien gehalten sowie einzelne Ratten-, Kaninchen- und Fischlinien.
Tierversuche mit transgenen Tieren haben in den letzten Jahren zugenommen, diese
Entwicklung unterstreicht deren Bedeutung für die Forschung.

Gentechnisch veränderte Tiere für die medizinische Anwendung
Gentechnisch veränderte Tiere werden nicht nur für die Grundlagenforschung gezüchtet.
Es gibt eine Reihe von Anwendungen, die derzeit in Entwicklung sind oder die bereits
getestet wurden, oft mit sehr gemischtem Erfolg. Hier einige prominente Beispiele:

Xenotransplantation
Viele Menschen, die ein neues Organ benötigen, müssen sehr lange darauf warten und
manche sterben, weil sich nicht rechtzeitig ein passendes Organ finden lässt. Die
Forschung sucht daher nach Alternativen. Dazu gehört auch die so genannte
Xenotransplantation, die Verwendung von tierischen Organen. Normalerweise werden
Tierorgane vom menschlichen Körper sofort abgestossen und können daher nicht
transplantiert werden. Wenn es gelingen würde, die Genetik von Tieren so zu verändern,
dass die Organe vom Menschen nicht mehr als fremd erkannt würden, könnte man diese
Abstossungsreaktion verhindern oder zumindest in den Griff bekommen. Im Zentrum
stehen vor allem Schweine, denn die Nieren dieser Tiere sind von der Grösse und vom
Aufbau her so beschaffen, dass sie sich gut auf Menschen übertragen liessen.
Bisher ist es nicht gelungen, solche Tiere zu züchten. Die Forschung ist heute aber so
weit, dass Organe von gentechnisch veränderten Schweinen in Affen erprobt werden
können. Ob mit Hilfe von Xenotransplantation jemals Organe für den Menschen
hergestellt werden können, ist aber ungewiss.

Gene-Pharming
Dass man Mäuse melken kann, ist für manche Forschenden kein Scherz. 1987
produzierten Mäuse zum ersten Mal den menschlichen Wachstumsfaktor t-PA und gaben
diesen mit ihrer Milch in hohen Konzentrationen ab. Dies gelang, weil vor das
entsprechende Gen ein Schalter (Promotor) von einem Molkeprotein eingesetzt wurde.
Dieser Schalter bewirkt, dass das Gen nur in Milchdrüsen aktiv ist, aber nicht in anderen
Stellen des Körpers. Man nennt diese Art der Medikamentenproduktion Gene-Pharming.
Im Sommer 2006 wurde in Europa erstmals ein Wirkstoff zugelassen, der von einer
gentechnisch veränderten Ziege hergestellt wird. Beim Wirkstoff handelt es sich um
menschliches Antithrombin, das Patienten verabreicht wird, die unter einer erblichen
Antithrombin-Schwäche leiden. Der Wirkstoff verhindert die Entstehung von
Blutgerinnseln.

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6. Ethische Aspekte: Verantwortungsvoller Umgang mit
   transgenen Tieren

Ist die gentechnische Veränderung von Tieren erlaubt oder ist dies ein unerlaubter
Eingriff in die Natur? Dürfen Tiere gezüchtet werden, um den Menschen als
Organlieferanten zu dienen? Wo liegt der Unterschied zwischen gentechnischer
Veränderung und dem Züchten?

Die genetische Veränderung von Tieren sehen einige Bürgerinnen und Bürger als eine
ungerechtfertigte Wesensmanipulation des Tieres. In der Tat geht es gemäss dem Ethiker
Alberto Bondolfi bei der Genmutation aber kaum um eine «Wesensveränderung» des
Tieres. Denn das Wesen eines Tieres steckt nicht in einem einzelnen Gen. Dies sei ein
Fehlschluss unter dem die heutige Auseinandersetzung um die Genmutation leide.

Die Mutation habe auf das Wesen des Tieres einen geringen Einfluss, anders sehe es
jedoch beim Wohlbefinden aus. Einige Mutationen seien zwar für das Wohlbefinden des
Tieres praktisch irrelevant. Andere hingegen könnten das Wohlbefinden des Tieres stark
beeinträchtigen und in einigen Fällen sei eine artgerechte Existenz unmöglich. Die
Ethikkommissionen müssen deshalb darüber entscheiden, wie der Eingriff das
Wohlbefinden beeinträchtigt und wie der Versuch einzustufen ist.

Was oft vergessen wird: Auch das Züchten von Tierrassen stellt ein Eingriff in das Genom
der Tiere dar, denn dabei werden die Gene neu kombiniert und es wird versucht, gewisse
Merkmale herauszuzüchten. Ein verantwortungsvoller Umgang ist daher nicht nur für
transgene Tiere erforderlich, sondern gilt ebenso für Tiere aus herkömmlichen
Zuchtmethoden.

In der Schweiz wurde während der Gen-Schutz-Initiative über die Vor- und Nachteile von
transgenen Tieren debattiert, denn die Initiative wollte die Herstellung solcher Tiere
verbieten. Zweidrittel der Stimmberechtigten sprachen sich jedoch dafür aus, dass in der
biologischen und medizinischen Forschung transgene Tiere eingesetzt werden können.

Weitere Informationen finden Sie unter: biotechlerncenter.interpharma.ch

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