PROJEKTSTART OBERSTADT4D - SIBYLLE WÄLTY
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Monatsthema 6 Projektstart Oberstadt4D Das Transformationsgebiet Oberstadt soll über Jahrzehnte zu einem verdich- teten Stadtteil von Baden mit 10 000 Einwohner:innen werden. Stadtammann Markus Schneider und Stadtentwicklerin Sabrina Contratto über den Planungs- prozess, die Verdichtung und warum der Einbezug der Bevölkerung wichtig ist. Baden wächst. Wie bereitet sich Architekt:innen und Städteplaner:innen die Stadt darauf vor? durch, bei dem die Dichte und räum- Markus Schneider (MS): Wir bereiten liche Qualität durch eine Jury ausgelotet uns unter anderem mit den Transforma- wurden. Beide dieser Vorgehensweisen tionsgebieten auf das Wachstum vor. sind nicht systembasiert, das heisst, sie Das heisst, wir schauen Gebiete an und haben ihre eigenen Regeln und bedienen fragen uns zum Beispiel, ob die Verteilung sich keiner essenzieller Raumdaten, wie in Wohnen-Gewerbe/Industrie richtig ist unserem Fall. Eine Mindestdichte vorzu- oder ob man ein Zentrum machen könnte geben ist aber nachweislich nötig, um ein wie im Beispiel Kappelerhof. Wir nehmen attraktives urbanes Wohnquartier, wie in das Quartier Oberstadt unter die Lupe der Oberstadt vorgesehen, sicherzustellen. und schauen, ob es in eine neue Dich- te und Durchmischung geführt werden kann. So entstehen neuer Wohnraum «Nur mit Verdichtung können und Arbeitsplätze. Wir brauchen beides wir dem prognostizierten für die Zukunft. Zudem revidieren wir die Nutzungsplanung. Stimmt die Zonierung Bevölkerungswachstum noch? Braucht es andere Vorschriften? begegnen, ohne neu Boden Könnte höher gebaut werden? Nur mit einzuzonen.» innerer Verdichtung können wir dem Be- völkerungswachstum begegnen, ohne neu Markus Schneider, Stadtammann Baden Boden einzuzonen. Was ist bei diesem erstmals durchge- Sibylle Wälty vom ETH Wohnforum führten Planungsprozess anders? hat während drei Jahren die Raumdaten Sabrina Contratto (SC): Bisher wählte der gesamten Schweiz ausgewertet und man grob zwischen zwei Vorgehenswei- wissenschaftlich nachweisen können, wie sen: Entweder man änderte die Zonen, viele Bewohner:innen und Beschäftigte beispielsweise von einer dreigeschossi- es innerhalb eines Gebiets braucht, damit gen zu einer viergeschossigen Zone ohne der Ort attraktiv, lebenswert und in sich eine räumliche, also dreidimensionale stimmig ist. Zudem ist die Planung auf Überprüfung, oder aber man führte einen einen längerfristigen Zeithorizont aus- städtebaulichen Wettbewerb unter gerichtet. Stadtammann Markus Schneider und Stadtentwick- lerin Sabrina Contratto vor dem Bahnhof Oberstadt. Foto: Baden aktuell
Monatsthema 8 Was braucht es dazu? Wie entsteht die Vision, das System SC: Gerne sprechen wir von Dichte, dieses Planungsprozesses? Mix und Qualität. Damit möglichst viele MS: Neu ist der wissenschaftliche An- unterschiedliche Nutzungen an einem satz, welcher dem Planungsprozess Ort überleben können, benötigt man eine zu Grunde liegt und die kontinuierliche Mindest-Personendichte, also genügend Partizipation der Bevölkerung. Für das Personen, die diese Angebote wie Restau- Transformationsgebiet ist das spannend. rant, Einkauf, Fitness usw. nachfragen. Bei diesem Vorgehen ist die Frage: Was Um einen Ort lebendig zu halten, benötigt braucht es, damit ein gut durchmischtes, man ein optimales Verhältnis von Bewoh- urbanes Wohnquartier entsteht? Dazu ner:innen und Beschäftigten. Dabei gehen bindet man die Bevölkerung mit ein. Mit wir von einem Mix von 2 zu 1 aus. diesem Ansatz gingen wir in den Einwoh- Die Qualität der öffentlichen Räume spielt nerrat. Dieser fand es gut, dass wir nicht bei der Siedlungsentwicklung die Hauptrol- den gewohnten Prozess machen. Dieser le. Strassen, Plätze, Parks und Spielflächen Planungsschritt ist nicht günstiger, aber sind identitätsstiftend und sollen in ihrer der Einwohnerrat hat einstimmig gesagt Quantität und Qualität überprüft, ergänzt «probiert diesen neuen Weg». und sichergestellt werden. Diesem so- genannten Freiraumgerüst ordnet sich die notwendige bauliche Verdichtung unter. Was ist unser Beweggrund? Wir wollen «Unser Ziel ist die Gebiete schaffen, in denen alles zu Fuss «10-Minuten-Nachbarschaft.» erreichbar wird, sogenannte «10-Minuten- Sabrina Contratto, Dipl. Arch. ETH/SIA Nachbarschaften». Urban Management Weshalb zehn Minuten? SC: Im Alltag soll alles innerhalb von zehn Minuten zu Fuss erreichbar sein, also Wieso ist das Gebiet «Oberstadt+» Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Trainieren, für dieses Pilotprojekt prädestiniert? Flanieren und Studieren. MS: Im Raumentwicklungskonzept wurde Heute ist der Mensch nicht mehr bereit, das ganze Stadtgebiet analysiert und einen weiteren Weg zu Fuss auf sich zu Transformationsgebiete ausgeschieden. nehmen. Diese zehn Minuten entsprechen Dazu gehört auch die Oberstadt. Dank einer Gehdistanz von rund 500 Metern. des Schulhausplatzes ist die Oberstadt Aus diesem Grund bearbeiten wir stets nicht mehr von der Innenstadt abgekop- Gebiete mit einem Radius von 500 Metern pelt, sondern ein Gebiet, das zur Innen- anstelle einer parzellen- oder arealbezo- stadt gehört. Hier erproben wir diesen genen Fläche. Ausgangspunkt ist immer Prozess, die Voraussetzungen sind eine gut frequentierte Haltestelle des gegeben. Von Vorteil für die weitere Um- öffentlichen Verkehrs. setzung ist auch, dass die Stadt Baden Rechts: Das Transformationsgebiet Oberstadt erstreckt sich über Teile der Quartiere Altstadt, Chrüzliberg und Meierhof. Visualisierung: ETH Zürich
selber Grundeigentümerin im Gebiet ist. ergeben sich Empfehlungen, welche in SC: Die Oberstadt ist bereits sehr gut unsere weitere Arbeit einfliessen oder erschlossen mit öffentlichen Verkehrsmit- begründet nicht berücksichtigt werden teln. Wir setzen dort an, wo die Infra- können. Durch die Arbeit mit der webba- struktur vorhanden ist. sierten Software ArcGIS Urban ist es uns möglich, solche Vorschläge direkt in unse- Warum ist das gewünschte Mitwirken rem 3D-Zukunftsmodell räumlich sichtbar der Bevölkerung so wichtig? zu machen und aus verschiedenen Blick- SC: In einem gebauten Kontext ist es Vo- winkeln zu betrachten. Dies schafft zum raussetzung, mit unterschiedlichsten An- einen ein gemeinsames Verständnis von spruchsgruppen zusammen zu arbeiten. Entscheidungen, aber auch Vertrauen in Es wäre eine verpasste Chance, die Bevöl- die Planung. Stadtentwicklung geht uns kerung nicht einzubeziehen. Dabei geht es alle etwas an und alle sind davon betrof- uns nicht um die Information, sondern um fen. Sie lässt sich nicht am Schreibtisch eine aktive Partizipation. Das bedeutet, entwickeln. dass wir einleitend die raumplanerischen Durch diesen Prozess sparen Verwaltung, Zusammenhänge erläutern und dann die Investoren und private Grundstücksbesit- von uns erarbeiteten Planungsschritte zer Zeit und Geld. Zum einen können die mit der Bevölkerung diskutieren. Daraus Akzeptanz der Bevölkerung ¯ Sources: Esri, Airbus DS, USGS, NGA, NASA, CGIAR, N Robinson, NCEAS, NLS, OS, NMA, Geodatastyrelsen, 0 0.13 0.25 0.5 Kilometers Rijkswaterstaat, GSA, Geoland, FEMA, Intermap and the GIS user community
Baden wächst in die Zukunft Oberstadt+ Einladung Öffentlicher Workshop zu Zukunftsbildern für das Gebiet Oberstadt, Meierhof, Burghalde und Ländliweg Samstag, 4. September 2021, 9.00 bis 12.45 Uhr, im WERKK, Schmiedestrasse 1, Baden Die Veranstaltung findet coronakonform statt. Bei Bedarf wird auf ein Onlineformat zurückgegriffen. Anmeldung und weitere Informationen: wiewird.baden.ch/veranstaltungen/ oberstadtplus-oeffentlicher-workshop www.wiewird.baden.ch
11 Monatsthema erhöht und langwierige Einspracheverfah- geht dabei um Zonen, Höhen, Nutzung, ren vermieden werden. Zum anderen wird Abstände, Bäume, Durchlüftung und Ge- nicht nur ein Areal bearbeitet, sondern ein staltung. grösseres Gebiet. Wie geht es nach Abschluss des Pla- Will die Bevölkerung mehr Leute nungsprozesses weiter? Gibt es eine auf gleichbleibender Fläche? Volksabstimmung? MS: Die Verdichtung kann bei vielen Men- MS: Nein, es braucht keine Volksabstim- schen auf Ablehnung stossen. Sie haben mung. Der Einwohnerrat ist eingeladen, Bedenken, es könnte ein «Grossstadt- bei jedem Prozessschritt teilzunehmen Groove» ohne Identität entstehen, wenn und sich einzubringen. Und im Rahmen dichter und höher gebaut wird. Wenn der Nutzungsplanungsrevision finden die man sie von Anfang an auf den Weg ordentlichen Mitwirkungsverfahren statt. mitnimmt, kann man ihnen diese Beden- ken nehmen. Mehr Stockwerke bedeuten Soll die Weiterentwicklung der anderen nicht zwingend unattraktive Strassen- Badener Quartiere später auch nach schluchten. Die Grundeigentümer vor Ort dieser Methodik erfolgen? müssen ebenfalls einbezogen werden SC: UrbanVision4D ist eine neuartige und aktiv mitwirken können. raumplanerische Methodik, ein Prozess, der Zusammenhänge aufzeigt und gleich- Welches sind die Herausforderungen zeitig durch die aktive Beteiligung auf bei diesem Entwicklungsprozess? gewissen Erkenntnissen aufbauen kann. SC: Auf der richtigen Ebene zu kommuni- Die freiräumlichen und städtebaulichen zieren. Wie macht man alles verständlich? Visionen eines jeden Quartiers sind auf- Die Leute von der Spurgruppe, die alle grund der topographischen, sozialen, im Gebiet Oberstadt wohnen und/oder kulturellen und infrastrukturellen Eigen- arbeiten, haben uns zweimal wertvolle heiten und Identitäten andersartig. Rückmeldungen gegeben. Aber auch die Inputs der politischen Begleitkommission Gibt es auch kritische Stimmen zur und des verwaltungsinternen Projekt- Verdichtung der Stadt? teams helfen uns stark, unseren Prozess MS: Kritische Stimmen sind sehr wichtig präziser zu vermitteln und allfällige Miss- und bereichernd. Ein Teil der Bevölkerung verständnisse zu vermeiden. ist der Meinung, Baden könne so bleiben wie Baden ist. Wenn wir aber nichts unter- Wie ist der Planungshorizont und wel- nehmen für das Bevölkerungswachstum, ches sind die politischen Schritte? das übrigens auch der Kanton vorsieht, MS: Maximal eineinhalb Jahre. Die Er- dann sind wir nicht darauf vorbereitet. Es kenntnisse müssen in die Nutzungspla- ist vernünftiger, uns mit dieser Heraus- nung einfliessen. Damit wird die Grund- forderung vorausschauend zu befassen. lage für die Umsetzung geschaffen. Es Wichtig ist, dass der Charakter und
Foto: Baden aktuell die Art der Stadt und ihrer Quartiere er- Die Einwohnergemeinde und die Orts- halten oder weiterentwickelt werden kön- bürger sind auch Grundeigentümer im nen. Diese Entwicklung gut zu steuern, ist Gebiet Oberstadt: Was bedeutet dies für unser Ziel. Die Leute sollen sagen: «Es ist die Planung? immer noch meine Stadt.» MS: Ich glaube, wenn man als Grundbesit- SC: An erster Stelle stehen die Stärkung zer sieht, welche Varianten möglich sind, und Sicherstellung der sogenannten kann dies als Inspiration dienen, wie sich Identität des Ortes. Dies widerspiegelt die eigenen Immobilien weiterentwickeln sich im sogenannten «Freiraumgerüst», könnten. Es gäbe auch das Prinzip «first also einem zusammenhängenden Raster come, first serve». Gemäss dem Motto: aus fussläufigen, attraktiven Verbindun- Jener, der zuerst anfängt, hat am meisten gen von Quartieren, Parks und Plätzen. Möglichkeiten. Das macht es spannend, zu Erfahrungsgemäss bewertet der Mensch investieren. Die Einwohnergemeinde und einen Ort anhand der Qualität des öffent- die Ortsbürger haben mit ihren Liegenschaf- lichen Raumes und dessen Angeboten ten das Potenzial, in den Lead zu gehen. und viel weniger über die Höhe und Ge- staltung der Gebäude. Immerhin verbringt Mit dem Bahnhof Oberstadt hätte er durchschnittlich 40 Prozent pro Tag in Baden total vier Bahnhöfe (inkl. Dättwil diesem Raum. und Turgi). Das Bahngleis könnte wie- der eine grosse Bedeutung bekommen. Kann es sein, dass eine Mehrzahl der Be- Wie sieht die Stadt das? völkerung sagt, wir wollen das gar nicht? MS: Nach wie vor bin ich überzeugt, dass SC: Kritische Stimmen gibt es immer. Bahngleise stets eine grosse Bedeutung Erfahrungsgemäss machen sie aber nicht haben. Die Frage ist jedoch auch, wo diese die Mehrheit aus. Wichtig erscheint uns, hinführen. Entscheidend, damit dieses dass wir die Bevölkerung auf eine Reise Gleis wieder eine andere Bedeutung erhält, mitnehmen, wo wir eine nachvollziehbare wäre nicht nur die Oberstadt, sondern die Herleitung und überschaubare Etappen weiteren durch die Bahn zu erschliessen- von Transformationen vermitteln können. den Gebiete. Wir haben festgestellt, dass Verdichtung und Transformation bedeu- das Potenzial für einen Zug über länge- ten auch immer neue Chancen. Diese ver- re Zeit noch zu klein sein wird. Ein Zug suchen wir mit atmosphärischen Unter- braucht eine andere Bevölkerungsdichte. lagen zu vermitteln. (Thomi Bräm, Corinne Reber)
13 Monatsthema Fakten Urbanvision4D Oberstadt+ Behördenverbindliches Instrument zur Siedlungsentwicklung Raumentwicklungskonzept REK 2040 Zeithorizont für Planungsergebnis Herbst 2022, spätestens Anfang 2023 Methodik UrbanVision4D - partizipativ abgestützt Projektziele - auf wissenschaftlichen Raum- - Nachhaltige und qualitätsvolle daten basierend Entwicklung urbaner Räume - haushälterische Bodennutzung - Dreidimensionales Zielbild mit - Berücksichtigung grösserer längerfristigem Zeithorizont räumlicher Zusammenhänge - Frühe räumliche Qualitätssicherung - Erkenntnisse über Akzeptanz Aktuelle Zahlen Oberstadt+ der Innenentwicklung Einwohner:innen 2000 - Inhalte für Nutzungsplanungs- Beschäftigte (VZÄ) 2000 revision Szenario large - Künftige Vereinfachung Einwohner:innen +8000 von Planungsverfahren Beschäftigte (VZÄ) +3000 Szenario medium Grundlage UrbanVision4D Einwohner:innen +4000 Beschäftigte (VZÄ) + 900 Grösse des geplanten Perimeters 500-Meter-Radius um gut er- Szenario small schlossene ÖV-Haltestelle in Einwohner:innen +2100 Fusswegdistanz von 10 Minuten. Beschäftigte (VZÄ) + 0 Personendichte Gemeinden mit UrbanVision4D Urbanes Wohnquartier Oberstadt Dübendorf, Emmenbrücke, mit 10 000 Personen / 80 ha Hünenberg, Glarus, Opfikon, Thalwil, Schwyz Vergleichswert im Zentrum von Baden (Innenstadt) 16 100 Personen / 80 ha Nutzungsverhältnis Einwohner:innen / Beschäftigte 2:1
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