Psychotherapie-Wissenschaft Science Psychothérapeutique - Tania Simona Re

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                          Psychotherapie-Wissenschaft
                          Science Psychothérapeutique
                                                         WWW.PSYCHOTHERAPIE-WISSENSCHAFT.INFO

Kultur, Religion und Psychotherapie
Culture, religion et psychothérapie
Cultura, religione e psicoterapia                                                          9. Jahrgang
                                                                                          Heft 1 / 2019
Herausgegeben von Mario Schlegel und Nicola Gianinazzi                                 ISSN 1664-9583

                                                                       Psychosozial-Verlag
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Psychotherapie-Wissenschaft                              Abo-Verwaltung
ISSN 1664-9583 (Print-Version)                           Psychosozial-Verlag
ISSN 1664-9591 (digitale Version)                        bestellung@psychosozial-verlag.de
9. Jahrgang Heft 1/2019
https://doi.org/10.30820/1664-9583-2019-1                Bezugsgebühren
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Mario Schlegel, Zürich                                   Digitale Version
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2      Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019
Inhalt

Editorial                                               5    Vom Inkubationsritus zur Psychotherapie             53
Éditorial                                               7    Eine transkulturelle Perspektive
Articolo di fondo                                       9    Du rituel de l’incubation jusqu’à la psychothérapie 60
Mario Schlegel & Nicola Gianinazzi                           Une perspective transculturelle
                                                             Dal rito dell’incubazione alla psicoterapia         62
                                                             Una prospettiva transculturale
Titelthema:                                                  Tania Re
Kultur, Religion und Psychotherapie
Thème principal:                                             Spiritualität, Migration und Psychiatrie               69
Culture, religion et psychothérapie                          Ein heisses Thema für die Psychotherapie?
Storia del Copertino:                                        Spiritualité, migration et psychiatrie                 76
Cultura, religione e psicoterapia                            Un sujet brûlant de psychothérapie ?
                                                             Spiritualità, migrazione e psichiatria                 77
                                                             Un argomento scottante per la psicoterapia?
Religiosität und Spiritualität                               Michele Mattia
in der interkulturellen Psychotherapie                 15
Wirkungen, Methoden und die Identität
des/der Therapeut*in                                         Buchbesprechungen
Religiosité et spiritualité
dans la psychothérapie interculturelle                 22    Eckhard Frick, Isgard Ohls, Gabriele Stotz-Ingenlath
Effets, méthodes et l’identité du/de la thérapeute           und Michael Utsch (Hrsg.). (2018). Fallbuch
Wielant Machleidt                                            Spiritualität in Psychotherapie und Psychiatrie     83
                                                             Mario Schlegel
Psychoanalytische Psychotherapie
mit Muslim*innen der Schweiz                           23    Jens Tasche und Reinhard Weber-Steinbach (Hrsg.).
Innerpsychische Konfliktlagen im Kontext                     (2018). Bioenergetik als mentalisierende
muslimischer Religiosität                                    Körperpsychotherapie                              85
Psychothérapie psychanalytique                               Margit Koemeda
avec des musulmans(es) de Suisse                       38
Situations conflictuelles psychiques internes                Frank-M. Staemmler (2017). Relationalität in
dans le contexte de religiosité musulmane                    der Gestalttherapie: Kontakt und Verbundenheit         86
Katrin Hartmann                                              Nancy Amendt-Lyon

Value-based Counseling                                  39   Nancy Amendt-Lyon (Hrsg.). (2017).
Kultur und Religion als sinnstiftendes Element               Zeitlose Erfahrung. Laura Perls’ unveröffentlichte
einer psychodynamischen Kurzzeitintervention                 Notizbücher und literarische Texte 1946–1985           87
Value-based Counseling                                  50   Peter Schulthess
Culture et religion en tant qu’élément créateur de sens
d’une intervention psychodynamique de courte durée
Inge Missmahl & Birte Brugmann

                                                                           Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019    3
Editorial

Sinnstiftung als gemeinsame Aufgabe von                         in unwissenschaftliche, dämonisierende Theorien und
Religiosität/Spiritualität und Psychotherapie?                  Praktiken nicht mehr gerechtfertigt ist. Und aus der
                                                                Philosophie des Geistes wissen wir, dass wir das Feld der
So lautet ein Zwischentitel im Artikel Wielant Machleidts,      Wissenschaftlichkeit keineswegs verlassen, wenn wir aner-
Emeritus und eine Koryphäe im Bereich der Erforschung           kennen, dass der Materialismus nicht alles erklären kann.
interkultureller Psychiatrie und Psychotherapie sowie der          Das individuelle Erleben steht in der Psychotherapie
Erfahrungen von Migration und Flucht. Ist Sinnstiftung          im Zentrum. So lesen wir in Machleidts Aufsatz: «An
ein gemeinsamer Brennpunkt der wissenschaftlichen Dritt-        individuell geprägte Verständnismodelle lassen sich keine
person- und der subjektiven Erstperson-Perspektive? In          medizinisch- bzw. psychologisch-wissenschaftliche Mass-
den letzten beiden Jahrzehnten hat sich zwischen diesen         stäbe anlegen. Sie sind an den subjektiven Erlebniswirk-
scheinbaren Gegensätzen sehr viel gewandelt. Machleidt          lichkeiten und Verständnishorizonten der Patient*innen
gibt bezüglich dieser Fragen einen strukturierten Überblick     formulierte harmonisierende Konstrukte». Das ist absolut
über den heutigen Stand in der Psychotherapie, der sich         deckungsgleich mit dem salutogenetischen Prinzip Aaron
aus wissenschaftlich belastbaren Forschungsresultaten           Antonovskys. Auf diesem sicheren Boden können wir
ableitet.                                                       uns in das Thema «Kultur, Religion und Psychotherapie»
   Mit diesem Themenheft möchten wir Berührungsängste           hineinwagen.
abbauen und den Einbezug von Religion und Spiritualität            Was passiert denn eigentlich konkret in Therapien, die
in die Psychotherapie – unter der Voraussetzung einer ent-      die Dimension Religiosität/Spiritualität miteinbeziehen?
sprechenden Ausbildung – in den Bereich des Denkbaren           Einen tiefen Einblick erhalten wir durch ein Buch mit dem
rücken. Damit richten wir uns auch an Kolleg*innen, die         Titel Fallbuch Spiritualität in Psychotherapie und Psychi-
mit dieser immer aktueller werdenden Thematik noch              atrie, herausgegeben von Eckhard Frick, Isgard Ohls,
nicht vertraut sind. In der Arbeit mit Patient*innen aus        Gabriele Stotz-Ingenlath und Michael Utsch, allesamt
anderen Kulturen, die sich mit dem Thema Religion und           Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und
Spiritualität überschneidet, hat sich hinsichtlich einer Kul-   Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
tursensibilität schon viel getan. In Fortsetzung des letzten    (DGPPN). Es ist während der Entstehung des vorliegenden
Themenheftes zur «Kulturübergreifenden Psychotherapie»          Heftes erschienen – ein Glücksfall, der einen vertieften
folgen nun weitere aktuelle und spannende Beiträge mit          Einblick in das therapeutische Geschehen gibt. Darin
Fallbeispielen.                                                 werden 20 Patient*innengeschichten vorgestellt, die von
   Wo sonst als in der psychotherapeutischen Praxis ist         Fachkolleg*innen kommentiert werden. Leser*innen zieht
es wichtiger, dass das Verständnis auf wissenschaftliche        dieses Konzept gleichsam wie in einen Supervisionspro-
Ebene und das des individuellen Erlebens zusammenpas-           zess hinein; eine Erfahrung, die auch emotional berührt,
sen, ja mehr noch, einander ergänzen? Sinnstiftung als          weil es nicht nur um die Anwendung einer Theorie auf
Essenz der Religionen muss nicht näher gerechtfertigt           eine Fallvignette geht, sondern die Leser*innen qua Ge-
werden, dies ist evident und gilt ebenso für die Psychothe-     genübertragung auch zu Supervisor*innen macht und
rapie. Ein zentrales Diktum der Jung’schen Psychotherapie       dadurch den Therapieprozess miterleben lässt. Anders
stammt aus dem Jahre 1932: «Die Psychoneurose ist im            als in den anderen Arbeiten im vorliegenden Heft, die
letzten Verstande ein Leiden der Seele, die ihren Sinn          sich mit kulturübergreifender Psychotherapie beschäfti-
nicht gefunden hat.» Jung hat als erster dem religiösen         gen, geht es in diesem Buch auch um Patient*innen aus
und spirituellen Erleben der Patient*innen den gebühren-        unserem Kulturkreis. Doch die Falldarstellungen liefern
den psychologischen Stellenwert eingeräumt und damit            einen Einblick in den Einbezug von Spiritualität in der
Grundlagen für eine Religionspsychologie geschaffen.            Psychotherapie. Von daher darf eine Rezension des Buches
   Spiritualität und Religion in der Psychotherapie ist,        in diesem Heft nicht fehlen.
etwas überspitzt ausgedrückt, fast ein Tabuthema. Das              Dass in den letzten Jahren Spiritualität und religiöse
hängt auch damit zusammen, dass es in den meisten Aus-          Gebundenheit als Resilienzfaktoren immer mehr An-
bildungen keinen Inhalt darstellt. Wir möchten die The-         erkennung fanden, ist nicht zuletzt auch eine Folge der
matik in den Fokus rücken, weil ihre Integration bereits        Migration und dem Zusammenprall unterschiedlicher
Schulen übergreifend stattfindet. Getreu dem Titel unserer      Kulturen, was einen grossen psychotherapeutischen Be-
Zeitschrift, versuchen wir das Tor auf wissenschaftlicher       darf verursacht hat.
Ebene zu öffnen, indem wir aus der wissenschaftlichen              Auf den bereits angesprochenen Beitrag Machleidts
Drittperson-Perspektive der Erstperson-Perspektive leiden-      folgt eine Arbeit von Katrin Hartmann. Sie befasst sich
der Patient*innen den ihr gebührenden Wert zugestehen.          nicht nur mit dem Therapieprozess selbst, sondern auch
   Heute sind wir soweit, dass die Forschung so viel Licht      mit den sozialen Faktoren, mit denen Immigrant*innen
in die Prozesse der psychischen Gesundung gebracht hat,         konfrontiert werden. Diese Perspektive, nämlich die Ana-
dass in der Psychotherapie die Angst vor einem Rückfall         lyse und Interpretation politischen Geschehens, wird von

                                                                     Psychosozial-Verlag • www.psychosozial-verlag.de    5
Editorial

der Psychotherapie allgemein sträflich vernachlässigt.        Symptomatik entgegenwirken und dadurch in vielen
Hartmann weist auf das Etikett hin, das dem Islam in un-      Fällen eine längere Therapie obsolet machen.
serer Kultur angeheftet wird. Sie entlarvt die angedichtete       Zwei weitere Beiträge aus der Sicht der italienischen
Gefährlichkeit durch demografische und geschichtliche         Schweiz schliessen den thematischen Teil des Heftes ab.
Argumente als Stimmungsmache. Als feldforschende                  Als italienischsprachige Schweizer eines historisch
Soziologin im arabischen Raum ist sie dafür besonders         katholischen Kantons (Tessin) sind wir genetisch sensibel
qualifiziert und öffnet den Leser*innen abseits des Urteils   für die Themen Transkulturalität und Transreligiosität,
im kollektiven Bewusstsein über den Islam die Augen.          während ich persönlich – unter Bezugnahme auf verschie-
Als Psychoanalytikerin setzt sie sich aber auch mit ihrer     dene Denker und Forscher – der Überzeugung bin, dass
eigenen «Fremdkörperkonstruktion» auseinander und             die Position, die eine vermeintliche «Neutralität» in der
beschreibt, warum sie im Titel ihres Beitrags («Psychoana-    Psychotherapie verteidigt, zunehmend veraltet ist. Wenn
lytische Psychotherapie mit Muslim*innen der Schweiz»)        man so neutral und objektiv wie möglich sein will – eine
ein «in» vor «der» herausnahm. Solch eine kleine Vi­          durchaus wichtige und erreichbare Sache –, muss diese Di-
gnette der Bewältigung ihrer Fremdheitserfahrung durch        mension als ein dynamischer Prozess zwischen zwei Men-
Inklusion ist ein gutes Beispiel für die Voraussetzung der    schen verstanden werden, die miteinander interagieren.
positiven Beziehungsknüpfung zu Patient*innen in inter-           Eine aseptische, unkritische und unreflektierte Neutra-
religiösen Kontexten. Diese Art der Bewältigung ist ein       lität – ohne das Bewusstsein, dass selbst eine Verneinung
Erfordernis, das auch Machleidt ausführlich begründet.        stets etwas aussagt – ist am Ende kaum neutral.
    Der Beitrag von Inge Missmahl und Birte Brugmann              In dieser Ausgabe finden Sie nun zwei Beiträge aus
beschreibt eine Psychotherapiemethode, die von Miss-          der italienischsprachigen Schweiz, als typisch helvetische
mahl ursprünglich für kriegsgeschädigte, traumatisierte       transkulturelle Geste: Der erste Artikel stammt von meiner
Menschen in Afghanistan entwickelt wurde. Einen Ein-          Kollegin Tania Re, Mitarbeiterin der Università della Sviz-
blick in den Beginn dieser Entwicklung gibt ihr Artikel       zera Italiana (USI) und seinerzeit Inhaberin eines UNESCO-
in Nummer 4/2006 dieser Zeitschrift: «Psychosoziale           Lehrstuhls für Transkulturalität. Ihr Beitrag setzt bei den
Hilfe und Traumaarbeit als ein Beitrag zur Friedens- und      historischen Aspekten der Kunst des Asklepios (Äskulap)
Versöhnungsarbeit am Beispiel Afghanistans». Das Value-       an, wonach die Medizin als Heilritual zu verstehen war.
based Counseling ist eine psychodynamische Kurzzeit-          Sodann widmet sie sich den in Südamerika, Sibirien und
intervention, die Kultur und Religion als sinnstiftendes      Indien durchgeführten historisch-anthropologischen For-
Element nutzt. Die Methode ist maximal kultursensitiv,        schungen über schamanische Kulturen, über die von ihnen
indem Patient*innen, die ihre Alltagstauglichkeit verloren    verwendeten «Meisterpflanzen» und über ihre Praktiken,
haben, zur Wiedererlangung ihrer Handlungsfähigkeit           «aussergewöhnliche» Geisteszustände zu erreichen. For-
Berater*innen aus derselben Kultur mit zum Teil ähnlichen     schungen in den USA, Spanien und der Schweiz offenbaren
Erfahrungen zur Verfügung stehen. In kurzer Zeit kann         einen bedeutenden Nutzen aus diesen Erfahrungen. Eine
ein vertrauensvolles Verhältnisses entstehen, weil sich       grosse Herausforderung für die Psychotherapie der Zukunft.
Patient*in und Berater*in auf Augenhöhe begegnen, denn            Der zweite Beitrag des Psychiaters und kognitiven
es geht nicht um Diagnosen. Der Beratungsansatz ver-          Psychotherapeuten Michele Mattia ist von seiner Rede zu
meidet eine Pathologisierung von klinischen Symptomen,        diesem Thema auf einem Kongress in Mexiko inspiriert. In
sondern bemüht sich um ein Verständnis der Symptome           seinem Artikel geht es um die schützenden (sogar schmerz-
als Ausdruck unbewältigten sozialen Stresses. Dieser          stillenden) Aspekte der religiösen Überzeugungen der Pa-
Ansatz fördert eine symmetrische Arbeitsbeziehung. Ge-        tienten anhand von sechs interessanten klinischen Fällen.
eignete Berater*innen mussten zuerst nach einem eigens        Er beschreibt Realitäten im Zusammenhang mit den drei
entwickelten Curriculum ausgebildet werden. Inzwischen        Monotheismen (Judentum, Islam und Christentum),
sind es davon in Afghanistan um die 400 und weitere           aber auch religiöse Erfahrungen im Zusammenhang mit
folgen nach. In Deutschland sind bis anhin über 90 Ge-        Buddhismus, Hinduismus und der evangelischen Kirche.
flüchtete zu psychosozialen Berater*innen ausgebildet         Der Autor betont die durchdringende Kraft der religiösen
worden. Der wertebasierte Ansatz verhindert, dass die         Dimension im Leben vieler Patienten und die geringe Auf-
Methode nicht als ideologisch geprägt, sondern als jedem      merksamkeit, die ihr von vielen Therapeut*innen immer
einzelnen Menschen zugewandt wahrgenommen wird.               noch geschenkt wird.
Sie wurde unter widrigsten Umständen und mit in jeder             Abschliessend kommen wir wieder auf Machleidt
Hinsicht mangelnden Ressourcen, aber mit Unterstützung        zurück. Er fragt:
von NGOs und dem Deutschen Staat entwickelt. Vieles
erscheint dabei für die konventionelle Psychotherapie               «Welchen Sinn macht die Rückkehr der Religion und
gegen den Strich gebürstet, garantiert dafür aber, dass             Spiritualität in die Psychiatrie und Psychotherapie?
sie auch unter prekärsten Bedingungen, wie zum Beispiel             Bei möglichen Antworten muss es vorrangig um einen
Flüchtlingslager, eingesetzt werden kann. Mit den Werten            therapeutischen Wissens- und Methodenzugewinn und
und grundlegenden Theorien, die in diesem Heft vertre-              eine professionelle Haltung gehen, die immer auch in
ten werden, besteht jedoch Einklang. Die Methode kann               einer Interferenz mit den ganz persönlichen Glaubens-
als vorgeschaltete Intervention für eine längere Psycho-            überzeugungen und der Identität der Psychiater*innen
therapie dienen, einer Chronifizierung der psychischen              und Psychotherapeut*innen steht.»

6      Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019
Éditorial

Das ist eine grosse Sache, denn es bedeutet, dass es in der      nur um uns selbst, sondern auch um die Patient*innen zu
Ausbildung zum/zur Psychotherapeuten/in, analog zur              verstehen. Schliesslich haben wir diesen Beruf gewählt,
Selbsterfahrung in der Lehranalyse, um einen zusätzli-           weil dies so interessant und herausfordernd ist und unsere
chen Prozess geht, nämlich die Entwicklung einer eigenen         persönliche Entwicklung fördert.
Identität in existenziellen Sinnfragen. Selbstverständlich
geschieht dies über die Ausbildung hinaus lebenslang. Dies                            Mario Schlegel & Nicola Gianinazzi
gehört nun mal zu unserem Beruf. Wir brauchen das nicht

Éditorial

Création de sens : une mission conjointe de la                       La spiritualité et la religion dans la psychothérapie sont,
religiosité/spiritualité et de la psychothérapie ?               en forçant un peu le trait, presque un sujet tabou. Cela
                                                                 est lié aussi au fait que cela ne constitue pas un contenu
C’est l’intertitre de l’article de Wielant Machleidt, profes-    dans la plupart des formations. Nous souhaiterions mettre
seur émérite et sommité dans le domaine de l’exploration         la thématique en évidence, car son intégration a lieu déjà
de la psychiatrie et de la psychothérapie interculturelles       au-delà des écoles. Fidèles au titre de notre revue, nous
ainsi que dans le domaine des expériences de migration et        essayons d’ouvrir le portail vers un niveau scientifique en
d’exil. La création de sens est-elle un point de convergence     admettant à partir de la perspective scientifique de la troi-
conjoint de la perspective économique de la troisième            sième personne des patients(es) souffrant de la perspective
personne et de la perspective subjective de la première          de la première personne la valeur qu’elle mérite.
personne ? Ces deux dernières décennies, beaucoup de                 Nous sommes en mesure aujourd’hui de dire que la
choses ont changé entre ces deux oppositions apparentes.         recherche a apporté tellement de lumière dans les proces-
Sur ces questions, Machleidt donne un aperçu structuré de        sus de guérison psychique, que la peur d’une rechute dans
l’état actuel de la psychothérapie qui découle de résultats      des théories et pratiques non scientifiques, diabolisantes
de recherche scientifiquement fiables.                           n’est plus justifiée. Et à partir de la philosophie de l’es-
    Avec ce cahier thématique, nous souhaiterions di-            prit, nous savons que nous ne quittons en aucune façon
minuer les peurs du contact et faire progresser dans le          le terrain de la scientificité, lorsque nous reconnaissons
domaine du possible l’inclusion de la religion et de la          que le matérialisme ne peut pas tout expliquer.
spiritualité dans la psychothérapie, à la condition d’une            Le vécu personnel est au cœur de la psychothérapie.
formation adaptée. Ainsi, nous nous adressons aussi à            Ainsi, nous lisons dans la rédaction de Machleidt : « Il
des collègues qui ne sont pas encore familiarisés(es) avec       n’est pas possible de poser des références médicales ou
cette thématique toujours plus d’actualité. Sur le plan de       psychoscientifiques sur des modèles de compréhension
la sensibilité culturelle, beaucoup de choses ont été faites     marqués individuellement. Ce sont des constructions
dans le travail avec des patients(es) issus(es) d’autres         d’harmonisation formulées sur les réalités subjectives
cultures, travail qui se superpose au thème de la religion       d’expérience et les niveaux de compréhension des pa-
et de spiritualité. Dans la continuité du dernier cahier         tients(es) ». Cela coïncide absolument avec le principe
thématique relatif à la « Psychothérapie interculturelle »,      salutogénétique d’Aaron Antonovsky. Pour ce qui est
d’autres contributions actuelles et passionnantes accom-         du thème « Culture, religion et psychothérapie », nous
pagnées d’études de cas viennent s’ajouter.                      pouvons nous aventurer sur ce terrain sûr.
    Où, si ce n’est dans la pratique psychothérapeutique,            Que se passe-t-il en effet concrètement dans des théra-
est-il important que la compréhension au niveau scienti-         pies qui intègrent la dimension de religiosité/spiritualité ?
fique et celle au niveau du vécu individuel, plus encore, se     Nous acquérons une connaissance approfondie grâce à
complètent mutuellement ? La création de sens en tant que        un livre intitulé Fallbuch Spiritualität in Psychotherapie
l’essence des religions, ne doit pas être davantage justifiée,   und Psychiatrie, publié par Eckhard Frick, Isgard Ohls,
cela est évident et s’applique aussi à la psychothérapie.        Gabriele Stotz-Ingenlath et Michael Utsch, tous sont
Une affirmation centrale de la psychothérapie jungienne          membres de la Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie
trouve son origine en 1932 : « La psychonévrose est dans         und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilk-
le dernier intellect une souffrance de l’âme qui n’a pas         unde (DGPPN). Il est apparu pendant l’élaboration du
trouvé son sens. » Jung a été le premier à accorder au           présent cahier, un hasard qui apporte une connaissance
vécu religieux et spirituel des patients(es) l’importance        approfondie sur ce qui se passe dans la thérapie. Y sont
psychologique requise et créé ainsi les fondements de la         présentés(es) 20 histoires de patients(es) commentées
psychologie religieuse.                                          par des collègues spécialisés(es). Ce concept implique les

                                                                      Psychosozial-Verlag • www.psychosozial-verlag.de        7
Éditorial

lecteurs(trices) comme dans un processus de supervision ;         cupèrent leur capacité d’agir. Une relation de confiance
une expérience qui touche aussi sur le plan émotionnel, car       peut naître en peu de temps, car le patient(te) et le
il ne s’agit pas seulement de l’application d’une théorie à       conseiller(ère) se rencontrent d’égal à égal, car il n’est pas
une vignette de cas, mais les lecteurs(trices) deviennent par     question de diagnostic. L’approche consultative évite une
contre-transfert également des superviseurs, ce qui permet        pathologisation de symptômes cliniques, mais s’efforce
de vivre aussi le processus thérapeutique. Contrairement          de comprendre les symptômes en tant qu’expression de
aux autres travaux du présent cahier qui s’intéressent à          stresses sociaux non résolus. Cette approche favorise
la psychothérapie intraculturelle, ce livre concerne aussi        une relation de travail symétrique. Des conseillers(ères)
les patients(es) issus de notre cercle culturel. Toutefois,       adaptés(es) doivent d’abord être formés(es) selon un
les représentations de cas donnent un aperçu de la prise          curriculum spécialement conçu. Il en existe actuellement
en compte de la spiritualité dans la psychothérapie. Par          près de 400 en Afghanistan et d’autres suivent. En Al-
conséquent, une critique du livre ne peut pas être absente        lemagne, plus de 90 réfugiés(es) ont été jusqu’à présent
du présent cahier.                                                formés(es) comme conseillers(ères) psychosociaux(ales).
    Le fait que ces dernières années la spiritualité et l’atta-   L’approche basée sur les valeurs évite que la méthode
chement religieux en tant que facteurs de résilience sont de      ne soit pas considérée comme étant pas marquée, mais
plus en plus reconnus est en premier lieu aussi une consé-        comme s’adressant à chaque individu. Elle a été déve-
quence de la migration et du choc de différentes cultures,        loppée dans les pires circonstances et avec un manque
ce qui a créé un important besoin psychothérapeutique.            de ressources à tous les niveaux, mais avec le soutien
    Un travail de Katrin Hartmann succède la contri-              des ONG et de l’État allemand. Pour la psychothérapie
bution déjà abordée de Machleidt. Elle s’intéresse non            conventionnelle, de nombreux éléments apparaissent
seulement au processus thérapeutique en lui-même, mais            à cet égard à contre-pied, mais ils garantissent qu’elle
également aux facteurs sociaux auxquels sont confrontés           peut être utilisée même dans des conditions précaires,
les immigrants(es). Cette perspective, à savoir l’analyse et      par exemple un camp de réfugiés. Il existe toutefois une
l’interprétation d’évènements politiques, est généralement        concordance avec les valeurs et les théories fondamen-
négligée d’une manière criminelle par la psychothérapie.          tales qui sont représentées dans ce cahier. La méthode
Hartmann signale l’étiquette qui est accolée à l’Islam dans       peut servir d’intervention en amont pour une psycho-
notre culture. Elle démasque la dangerosité attribuée à           thérapie plus longue, contrecarrer une chronification de
tort par des arguments démographiques et historiques en           symptômes psychiques et ainsi rendre obsolète dans de
tant que « bourrages de crâne ». En tant que sociologue           nombreux cas une thérapie plus longue.
effectuant des recherches sur le terrain dans le monde                Deux autres contributions du point de vue de la Suisse
arabe, elle est par conséquent particulièrement qualifiée         italienne concluent la partie thématique du cahier.
et ouvre les yeux des lecteurs(trices) sur l’Islam hors du            En tant qu’Italiens suisses d’un canton historiquement
jugement dans la conscience collective. En tant que psy-          catholique, nous sommes génétiquement sensibles aux
chanalyste, elle se confronte toutefois aussi à sa propre         thèmes de la transculturalité et de la transreligiosité, bien
« construction de corps étranger » et décrit pourquoi             que personnellement, en référence à différents penseurs
elle a remplacé le « en » par « de » dans le titre de sa          et chercheurs, je considère que la position qui défend une
contribution (« Psychothérapie psychanalytique avec des           « neutralité » supposée dans la psychothérapie est de
musulmans(es) de Suisse »). Une telle petite vignette de la       plus en plus dépassée. Si nous voulons être aussi neutres
maîtrise de son expérience de l’étrangeté par l’inclusion         et objectifs que possible – quelque chose de nécessaire
est un bon exemple de la condition préalable du lien rela-        et faisable –, cette dimension doit être comprise comme
tionnel positif à l’égard des patients(es) dans des contextes     un processus dynamique entre deux personnes qui in-
interreligieux. Ce type de maîtrise est une nécessité que         teragissent entre elles. Une neutralité ascétique, dénuée
Machleidt justifie aussi d‘une manière approfondie.               de critique et d’autoreflexe – dépourvue de la prise de
    La contribution d’Inge Missmahl et Birte Brugmann             conscience que même un défi affirme toujours quelque
décrit une méthode psychothérapeutique qui a été à                chose – n’est au final pas très neutre.
l’origine développée par Missmahl pour les mutilés de                 Dans ce numéro, nous trouverons ensuite deux contri-
guerre et les personnes traumatisées en Afghanistan.              butions de la partie parlant italien de la Suisse, sous la
Son article dans le numéro 4/2006 de cette revue donne            forme d’un acte transculturel typiquement suisse : Le pre-
un aperçu du commencement de ce développement :                   mier article de la collègue Tania Re, une collaboratrice de
« Aide psychosociale et travail sur les traumatismes :            l’Université de la Suisse italienne (USI) et en même temps,
une contribution à la construction de la paix et de la            titulaire de la chaire UNESCO pour le transculturalisme.
réconciliation dans l’exemple de l’Afghanistan ». Le              Cette contribution commence avec des aspects historiques
Value-based Counseling est une intervention psycho-               en lien avec l’art d’Asclépios – selon lequel la médecine se
dynamique de courte durée qui utilise la culture et la            voulait être un rituel de guérison – puis se poursuit avec la
religion comme un élément créateur de sens. La méthode            recherche historico-anthropologique menée en Amérique
est sensible à la culture au maximum en mettant à dis-            du Sud, en Sibérie jusqu’en Inde sur des cultures chama-
position des patients(es) qui ont perdu leur aptitude à           niques, puis avec des plantes « master » qu’ils utilisent et
la vie quotidienne des conseillers(ères) de même culture          leurs pratiques pour atteindre des états mentaux « non
avec des expériences en partie similaires afin qu’ils ré-         ordinaires ». La recherche aux États-Unis, en Espagne et

8      Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019
Articolo di fondo

en Suisse tire d’importants bénéfices de ces expériences.                 lement une acquisition thérapeutique de savoir et de
Un grand défi pour la psychothérapie du futur.                            méthodes et une posture professionnelle qui se situe
    Le deuxième a été écrit par le psychiatre et psychothé-               toujours en interférence aussi avec les croyances toutes
rapeute cognitif Michele Mattia inspiré par son discours                  personnelles et avec l identité des psychiatres et des psy-
sur le sujet qu’il a tenu lors d’un congrès à Mexico. Cet                 chothérapeutes. »
article pointe les projecteurs – en fournissant même 6
cas cliniques intéressants – sur les dimensions protec-             Ce n’est pas une mince affaire, car cela concerne dans la
trices (voire analgésiques) des croyances religieuses des           formation de psychothérapeute, d’une manière analogique
patients(es). Nous décrivons des réalités liées à 3 reli-           à l’expérience personnelle dans l’analyse didactique, un
gions monothéistes (judaïsme, islam et christianisme),              processus supplémentaire, notamment le développement
mais également des expériences liées au bouddhisme, à               de sa propre identité dans des questions existentielles du
l’hindouisme et à d’autres églises évangéliques. L’auteur           sens. Cela s’effectue évidemment au-delà de la formation,
souligne l’omniprésence de la dimension religieuse dans             tout au long de la vie. Cela fait quand même partie de
les vies de nombreux patients(es) et le peu d’attention que         notre profession. Nous n’en avons pas seulement besoin
lui attribuent de nombreux thérapeutes.                             pour nous mêmes, mais également pour comprendre les
    Pour terminer, nous revenons à Machleidt. Il interroge :        patients(es). Nous avons après tout choisi cette profession
                                                                    parce qu’elle est tellement intéressante et stimulante et
      « Quel est le sens du retour de la religion et de la spiri-   qu’elle favorise notre développement personnel.
      tualité dans la psychiatrie et la psychothérapie ? Parmi
      des réponses possibles, cela doit concerner principa-                              Mario Schlegel & Nicola Gianinazzi

Articolo di fondo
La creazione di senso (sensemaking) come                            più si completino a vicenda? Non è necessario giustificare
compito comune di religiosità/spiritualità e                        la creazione di senso come essenza delle religioni; ciò è
psicoterapia?                                                       evidente e vale anche per la psicoterapia. Un motto cen-
                                                                    trale della psicoterapia di Jung risale all’anno 1932: «La
Così è intitolato un passaggio dell’articolo di Wielant             psiconeurosi in ultima analisi è una sofferenza dell’anima
Machleidt, emerito e un luminare nel campo della psichia-           che non ha trovato il suo senso». Jung è stato il primo
tria e psicoterapia interculturale, nonché delle esperienze         a dare all’esperienza religiosa e spirituale dei pazienti il
di migrazione e di fuga. Il sensemaking è un obiettivo              significato psicologico che meritava, creando così le basi
comune della prospettiva scientifica della terza persona            per una psicologia religiosa.
e della prospettiva soggettiva della prima persona? Negli              Spiritualità e religione in psicoterapia rappresentano,
ultimi due decenni, molto è cambiato tra questi apparenti           per dirla in modo un po’ forte, quasi un argomento tabù.
opposti. Machleidt fornisce una panoramica strutturata              Ciò è dovuto anche al fatto che nella maggior parte dei
dello stato attuale della psicoterapia in relazione a queste        corsi di formazione non è prevista. Vorremmo porre
domande, che deriva da risultati di ricerca scientificamente        questo tema al centro perché la sua integrazione è già
validi.                                                             universalmente in atto in tutte le scuole. Fedeli al titolo
    Con questa edizione dedicata vorremmo ridurre le                della nostra rivista, cerchiamo di aprire la porta a livello
paure di contatto e portare l’inclusione della religione e          scientifico, dando dal punto di vista scientifico in terza
della spiritualità nella psicoterapia – a condizione di una         persona alla prospettiva in prima persona del paziente
formazione adeguata – in un ambito del concepibile. In              sofferente il valore che merita.
questo modo ci rivolgiamo anche a colleghe/i che non                   Oggi siamo a un punto che la ricerca ha gettato tanta
hanno ancora familiarità con questo argomento sem-                  luce sui processi di recupero mentale che in psicoterapia
pre più attuale. Nel nostro lavoro con pazienti di altre            la paura di ricadere in teorie e pratiche non scientifiche e
culture, che si sovrappone ai temi della religione e della          demonizzanti non è più giustificata. E dalla filosofia della
spiritualità, molto è già stato fatto per quanto riguarda           mente sappiamo di non lasciare il campo della scienza se
la sensibilità culturale. In seguito all’ultimo numero di           riconosciamo che il materialismo non può spiegare tutto.
«Psicoterapia interculturale», seguiranno altri articoli               In psicoterapia, l’attenzione è focalizzata sull’espe-
attuali ed entusiasmanti con casi di studio.                        rienza individuale. Così leggiamo nel saggio di Machleidt:
    Dove, se non nella pratica psicoterapeutica, è più              «Nessun standard medico o psicologico-scientifico può
importante che la comprensione a livello scientifico e              essere applicato a modelli individuali di comprensione.
quella dell’esperienza individuale si integrino, e ancor            Sono costrutti armonizzanti formulati sulla base delle

                                                                         Psychosozial-Verlag • www.psychosozial-verlag.de          9
Articolo di fondo

realtà dell’esperienza soggettiva e degli orizzonti di com-             Il contributo di Inge Missmahl e Birte Brugmann de-
prensione dei pazienti». Questo è assolutamente in linea            scrive un metodo di psicoterapia originariamente svilup-
con il principio salutogenetico di Aaron Antonovsky. Su             pato da Missmahl per persone traumatizzate e danneggiate
questo terreno sicuro possiamo avventurarci sul tema                dalla guerra in Afghanistan. Un’idea dell’inizio di questo
«cultura, religione e psicoterapia».                                sviluppo è data dal suo articolo nel numero 4/2006 di
    Ma cosa succede in realtà nelle terapie che includono           questa rivista: «L’aiuto psicosociale e il lavoro sui traumi
la dimensione della religiosità/spiritualità? Ce ne forni-          come contributo al lavoro di pace e riconciliazione nell’e-
sce una visione approfondita il libro intitolato Fallbuch           sempio dell’Afghanistan». La consulenza basata sul valore
Spiritualität in Psychotherapie und Psychiatrie (Raccolta           è un intervento psicodinamico a breve termine che utilizza
casi su spiritualità in psicoterapia e psichiatria), a cura         la cultura e la religione come elementi creatori di senso.
di Eckhard Frick, Isgard Ohls, Gabriele Stotz-Ingenlath e               Il metodo è culturalmente sensibile al massimo, in
Michael Utsch, tutti membri della Deutsche Gesellschaft             quanto i pazienti che hanno perso la loro idoneità all’uso
für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und               quotidiano vengono forniti di consulenti della stessa
Nervenheilkunde (DGPPN) (Società tedesca di psichia-                cultura, alcuni dei quali hanno avuto esperienze simili, al
tria e psicoterapia, psicosomatica e neurologia). È stato           fine di recuperare la loro capacità di agire. Una relazione
pubblicato durante la creazione di questo numero – un               basata sulla fiducia può svilupparsi in breve tempo, perché
caso fortunato che consente una visione più profonda del            la/il paziente e la/il consulente si incontrano sullo stesso
processo terapeutico. Presenta 20 storie di pazienti, com-          piano e non si tratta di diagnosi. L’approccio di consulenza
mentate da colleghe/i. Le lettrici/i lettori vengono coinvolti      evita la patologizzazione dei sintomi clinici, ma cerca
in questo concetto come in un processo di supervisione;             piuttosto di comprendere i sintomi come espressione di
un’esperienza che tocca anche emotivamente, perché non              stress sociale irrisolto.
si tratta solo di applicare una teoria alla vignetta (storia) di        Questo approccio promuove una relazione di lavoro
un caso, ma anche di rendere i lettori supervisori tramite          simmetrica. Per prima cosa è stato necessario formare
controtransfert e quindi di permettere loro di sperimen-            consulenti idonei in base a un programma di studi ap-
tare il processo terapeutico. A differenza di altri saggi di        positamente sviluppato. Nel frattempo, circa 400 di loro
questo numero che trattano di psicoterapia interculturale,          sono stati formati in Afghanistan e altri ne seguiranno.
questo libro tratta anche di pazienti della nostra cerchia          In Germania più di 90 rifugiati sono stati finora formati
culturale. Ma soprattutto, i casi di studio forniscono              come consulenti psicosociali. L’approccio basato sui valori
una panoramica sull’inclusione della spiritualità nella             impedisce che il metodo sia percepito non come ideolo-
psicoterapia. Pertanto, una recensione del libro non può            gicamente plasmato, ma come diretto ad ogni singola
mancare in questo numero.                                           persona. È stato sviluppato nelle circostanze più avverse e
    Il fatto che negli ultimi anni la spiritualità e la schiavitù   con una mancanza di risorse sotto ogni aspetto, ma con il
religiosa hanno trovato sempre più riconoscimento come              sostegno delle ONG e dello Stato tedesco. Molto sembra
fattori di resilienza è anche una conseguenza della migra-          andare «contro pelo» alla psicoterapia convenzionale,
zione e dello scontro tra culture diverse, che ha causato           ma garantisce che il metodo possa essere utilizzato anche
un grande bisogno psicoterapeutico.                                 nelle condizioni più precarie, come i campi profughi. Vi
    Il già citato contributo di Machleidt è seguito da              è, tuttavia, armonia con i valori e le teorie fondamentali
un lavoro di Katrin Hartmann. Non si occupa solo del                sostenute in questa rivista. Il metodo può servire come
processo terapeutico in sé, ma anche dei fattori sociali            intervento preliminare per una psicoterapia più lunga,
con cui gli immigrati sono confrontati. Questa prospet-             contrastando una cronicizzazione dei sintomi psicologici
tiva, vale a dire l’analisi e l’interpretazione degli eventi        e rendendo in molti casi una terapia più lunga obsoleta.
politici, è generalmente trascurata colpevolmente dalla                 Altri due contributi dal punto di vista della Svizzera
psicoterapia. Hartmann indica l’etichetta attaccata                 italiana completano la parte tematica di questo numero.
all’Islam nella nostra cultura. Smaschera la pericolosità               Da svizzeroitaliani di un Cantone storicamente catto-
romanzata con argomentazioni demografiche e storiche                lico siamo geneticamente sensibili ai temi della transcul-
come condizionamento pregiudiziale. Come sociologa                  turalità e transreligiosità, mentre personalmente – rifa-
impegnata nella ricerca sul campo nel mondo arabo, è                cendomi a diversi pensatori e ricercatori – ritengo sempre
particolarmente qualificata per farlo e apre gli occhi ai           più superata la posizione, che difende una supposta «neu-
lettori, al di là del giudizio sull’Islam nella coscienza           tralità» in psicoterapia. Se si vuole essere il più neutrali e
collettiva. Come psicoanalista, tuttavia, si occupa anche           oggettivi possibili – cosa necessaria e perseguibile – questa
della propria «costruzione di corpi estranei» e descrive            dimensione va intesa come un processo dinamico tra due
perché nel titolo del suo articolo («Psicoterapia psico-            persone, che interagiscono fra loro.
analitica con persone musulmane della Svizzera») ha                     Una neutralità asettica, non criticata e non autori-
sostituito l’«in» con «della». Questa piccola spia sulla            flessa – priva della consapevolezza del fatto che anche
gestione della sua esperienza di estraneità attraverso              una negazione afferma sempre qualchecosa – finisce per
l’inclusione è un buon esempio del prerequisito per un              essere poco neutrale.
rapporto positivo con le/i pazienti in contesti interre-                In questo numero troverete allora ben due contributi
ligiosi. Questo tipo di coping è un’esigenza che anche              provenienti dalla parte italofona della Svizzera, quale atto
Machleidt giustifica nel dettaglio.                                 transculturale tipicamente elvetico:

10      Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019
Articolo di fondo

    Un primo articolo della collega Tania Re, collabora-           Concludendo, torniamo a Machleidt. Egli pone la
trice dell’Università della Svizzera Italiana (USI) e a suo      questione:
tempo titolare proprio di una cattedra UNESCO per
la transculturalità. Questo contributo parte da aspetti                «Qual è il significato del ritorno della religione e della
storici legati all’arte di Asclepio –secondo la quale la               spiritualità alla psichiatria e alla psicoterapia? Le possi-
medicina andava intesa come un rito di guarigione – per                bili risposte devono riferirsi principalmente all’acquisi-
passare alle ricerche storico-antropologiche condotte in               zione di conoscenze e metodi terapeutici e su un’attitu-
Sud America, Siberi a India su culture sciamaniche, sulle              dine professionale che interferisce sempre anche con le
«piante maestre» da loro impiegate e sulle loro pratiche               convinzioni e l’identità molto personali di psichiatri e
per raggiungere stati mentali «non ordinari». Ricerche                 psicoterapeuti».
negli Stati Uniti, in Spagna e in Svizzera rilevano benefici
importanti derivanti da queste esperienze. Una bella sfida       Questo è una gran cosa, perché significa che la formazione
per la psicoterapia del futuro.                                  come psicoterapeuta, analoga all’autoconsapevolezza
    Un secondo scritto dello psichiatra e psicoterapeuta         nell’analisi didattica, riguarda un processo aggiuntivo,
cognitivista Michele Mattia ispirato ad un suo intervento        cioè lo sviluppo della propria identità in questioni esi-
sul tema tenutosi in occasione di un Congresso in Messico.       stenziali di significato. Naturalmente, questo avviene per
In questo articolo si puntano i riflettori – portando anche      tutta la vita, oltre la formazione. Fa parte della nostra
6 casi clinici interessanti – sulle dimensioni protettive (ad-   professione. Abbiamo bisogno di questo non solo per
dirittura analgesiche) delle credenze religiose dei pazienti.    capire noi stessi, ma anche per capire i pazienti. Dopo
Si descrivono realtà legate ai 3 monoteismi (Ebraismo,           tutto, abbiamo scelto questa professione perché questo
Islam e Cristianesimo), ma anche esperienze correlate al         processo è così interessante e stimolante e promuove il
Buddismo, Indusimo e altre Chiese evangeliche. L’autore          nostro sviluppo personale.
sottolinea la pervasività della dimensione religiosa nella
vita di tanti pazienti e la poca attenzione postavi ancora                             Mario Schlegel & Nicola Gianinazzi
da molti terapeuti.

                                                                                Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019           11
Titelthema:
Kultur, Religion und Psychotherapie
                    Thème principal:
 Culture, religion et psychothérapie
                Storia del Copertino:
    Cultura, religione e psicoterapia
Religiosität und Spiritualität
in der interkulturellen Psychotherapie
Wirkungen, Methoden und die Identität des/der Therapeut*in
Wielant Machleidt
Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 15–21 2019
www.psychotherapie-wissenschaft.info
CC BY-NC-ND
https://doi.org/10.30820/1664-9583-2019-1-15

   Zusammenfassung: Die gesellschaftliche Interkulturalisierung und der grössere Einfluss des Islam und anderen Glaubens­-
   richtungen im öffentlichen und privaten Raum in Mitteleuropa haben den religiösen Orientierungen auch von
   Psychotherapeut*innen und ihren interkulturellen Patient*innen eine grössere Aktualität gegeben. In empirischen
   Studien konnte nachgewiesen werden, dass ausgeprägte Glaubensüberzeugungen religionsübergreifend für depressive,
   Angst- und Somatisierungsstörungen sowie Sucht mit einer erhöhten psychischen Resilienz korrelieren. Religionen
   lassen sich als plurale Symbolsysteme verstehen, die eine Weltordnung mit einem Lebensstil verbinden. Die subtile
   Kenntnis der Glaubensgewissheiten erlaubt einen Blick auf die innerpsychischen Abläufe und eröffnet breite und
   individuelle Spielräume für therapeutische Interventionen unter Einbeziehung von Religiosität und Spiritualität. Für die
   positive Beziehungsknüpfung zum/r Patienten/in ist die Bewältigung der interreligiösen Fremdheitserfahrungen des/r
   psychoanalytischen Psychotherapeuten/in unverzichtbar und die Entwicklung einer authentischen Haltung als Ausdruck
   seiner eigenen therapeutischen und religiösen Identität.

   Schlüsselwörter: Interkulturelle Psychotherapie, Religiosität, Spiritualität, psychische Gesundheit, Glaubensgewissheit,
   Identitätswandel, Migration

Einleitung                                                      und Spiritualität zum Beispiel durch den Islam, christli-
                                                                che, wie evangelikale und andere Glaubensrichtungen,
Die psychiatrisch-psychotherapeutischen Heilmethoden            hat nicht zuletzt auch in Mitteleuropa die religiöse Frage
werden von den kulturellen Weltbildern der Gesellschaf-         für die Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen
ten und Kontinente geprägt, in denen sie Anwendung              zu einer aktuellen aufgewertet. Welchen Sinn macht die
finden. Die Religiosität und Spiritualität spielen in den       Rückkehr der Religiosität und Spiritualität in die Psychi-
kulturellen Weltbildern der Menschen je nach Säkulari-          atrie und Psychotherapie? Bei möglichen Antworten muss
sierung einer Gesellschaft eine mehr oder weniger grosse        es vorrangig um einen therapeutischen Wissens- und
Rolle. Welchen Beitrag zur Behandlung von Menschen              Methodenzugewinn und eine professionelle Haltung
mit psychischen Störungen Religion und Spiritualität            gehen, die immer auch in einer Interferenz mit den ganz
leisten oder auch leisten können, ist eine Frage, mit der       persönlichen Glaubensüberzeugungen und der Identität
sich Psychotherapeut*innen in den weitgehend säku-              der Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen steht.
larisierten Gesellschaften Mitteleuropas in den vergan-
genen Jahrzehnten wenig zu beschäftigen brauchten.
Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen erwiesen             Sinnstiftung als gemeinsame Aufgabe von
sich als weniger religiös als ihre Patient*innen (Neeleman      Religiosität/Spiritualität und Psychotherapie?
und Lewis, 1994). «Religion is psychiatry’s last taboo»,
formulierte überspitzt Hans Küng diesen Tatbestand              Aus den Schulen und Kulturen übergreifenden Erfolgsbi-
(katholischer Theologe, Universität Tübingen, 1986).            lanzen unterschiedlicher traditioneller (z. B. spiritueller)
Die Abwendung von Religion und Spiritualität hatte              und moderner therapeutischer Heilmethoden lässt sich
zur Folge, dass die Haltungen von Psychiater*innen und          sagen, dass eine Psychotherapie offenbar dann erfolgreich
Psychotherapeut*innen bei der Beschäftigung mit den kul-        ist, wenn die Erklärungsmodelle und Behandlungsschritte
turellen Ausformungen von Religiosität und Spiritualität        des/r Therapeuten/in bzw. Heilers/in für das subjektive
im interkulturellen Therapiesetting ein noch wenig der be-      und kulturelle Weltverständnis des/r Patienten/in plausibel
wussten (Selbst-)Reflexion und Erforschung zugänglicher         und nachvollziehbar sind. Nachvollziehbare sinnstif-
Erfahrungsbereich war. Dies hat sich in den vergangenen         tende Konstruktionen zwischen Symptom und Diagnose
beiden Jahrzehnten gewandelt. Die gesellschaftliche Inter-      sowie Ätiologie und Behandlungsmethode zeichnen sich
kulturalisierung und die aktuell grössere Durchdringung         kulturübergreifend durch ihre innere Schlüssigkeit aus
des öffentlichen und privaten Raumes durch Religiosität         und stellen ein wesentliches therapeutisches Element

                                                                      Psychosozial-Verlag • www.psychosozial-verlag.de        15
Kultur, Religion und Psychotherapie | Culture, religion et psychothérapie | Cultura, religione e psicoterapia

dar (Machleidt & Passie, 2018, S. 521–531; Stöckigt &          und Stifter*innen des Glaubens, wie bspw. in den drei
Machleidt, 2018, S. 531–534). Die Glaubenseinstellungen        abrahamitischen Religionen der Gott, im Christentum
der Patient*innen sind ein integrativer Teil seines Weltver-   zudem der Erlöser, im Islam der Prophet etc. und die
ständnisses. Der Beitrag der Religiosität und Spiritualität    Kultivierung des Glaubens in der Gemeinschaft. Letzteres
kann in dem Sinne eine sinnstiftende und sinnintegrierende     gilt übrigens religionsübergreifend für Gläubige aller drei
Funktion haben, nämlich als ein handlungsübergreifendes        abrahamitischen Religionen genauso wie auch für Hindus.
und harmonisierendes Modell. Dies gilt ganz unabhängig         Fragt man danach, wie sich Religiosität und Spiritualität
von dem Akkulturationsniveau des Patienten und von der         auf die psychische Gesundheit konkret auswirkt, so geht
Tatsache, ob Dritte das benutzte Erklärungsmodell und          es um eine erhöhte Resilienz. Eine höhere psychische
die Behandlungsschritte im Sinne «wissenschaftlicher           Resilienz wird erreicht durch stabilisierende religiöse
Erkenntnis» als richtig beurteilen oder auch nicht. An         Einflüsse auf den Lebensstil, durch soziale Unterstützung,
individuell geprägte Verständnismodelle lassen sich keine      religiöse Stress- und Problembewältigung, kognitive Neu-
medizinisch- bzw. psychologisch-wissenschaftlichen Mass-       bewertungen, Stress Reduktion, weniger Egozentrizität
stäbe anlegen. Sie sind an den subjektiven Erlebniswirk-       und durch transportierte religiöse und spirituelle Werte
lichkeiten und Verständnishorizonten der Patient*innen         wie Vergebung, Altruismus und Dankbarkeit. An diesen
formulierte, harmonisierende Konstrukte (Machleidt &           plausiblen hilfreichen Kriterien ist bemerkenswert, dass
Passie, 2018; Stöckigt & Machleidt, 2018).                     sich darin seelsorgerische und therapeutische Anliegen
    Das Unbehagen der westlichen Psychiater*innen und          überschneiden. In psychotherapeutischen Kontexten mit
Psychotherapeut*innen, die Religiosität und Spiritualität      Gläubigen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit kann
des/r Patient*in für den Therapieerfolg zu nutzen, hat         es also durchaus Sinn machen, Glaubensgewissheiten
einen handfesten und berechtigten Grund. Dieser liegt          kulturkompetent zu analysieren und als Ressource gezielt
in der tief verwurzelten Angst der Psychiater*innen und        und differenziert in Therapieprozesse einfliessen zu lassen
Psychotherapeut*innen vor dem Rückfall in bzw. der             (Smith et al., 2003; Kaiser, 2007, S. 587–596; Blazer,
Abgrenzung gegenüber einem unaufgeklärten Dämonis-             2012; Miller et al., 2012; Utsch et al., 2014, S. 111–115;
mus zum Beispiel in Gestalt religiöser Exorzismen oder         Ohls & Agorastos, 2018, S. 109ff.; für eine Übersicht
ähnlicher Praktiken. Das Unbehagen rührt auch von der          siehe Dein, 2018).
antizipierten «Unwissenschaftlichkeit» beim Rückgriff              Kommt es zum Verlust von Glaubensgewissheiten zum
auf religiös-spirituelle Ressourcen her. Haben Religiosität    Beispiel bei Pfarrern*innen so resultieren Identitätsstörun-
und Spiritualität denn nachweisbare salutogenetische Wir-      gen, Unsicherheiten in der professionellen Orientierung,
kungen (siehe u. a. Kaiser, 2007; s. a. Machleidt, 2013)?      Motivationseinbussen, Authentizitätsprobleme, Berufsab-
    Aktuelle Forschungen zeigen, dass sich der Nutzen und      bruch und anderes im Zusammenhang mit depressiven
die Grenzen des Einbezugs von Religiosität und Spiritua-       Syndromen, Erschöpfungszuständen und Burn-out sowie
lität in die westliche Psychiatrie und Psychotherapie ganz     Zukunftsängsten (Kasuistische Erfahrungen; Machleidt,
gut auch empirisch nachweisen lassen.                          2018).
                                                                   Irrational und befremdlich anmutende Glaubensüber-
                                                               zeugungen von Angehörigen zum Beispiel vorabrahami-
Glaubensgewissheiten als                                       tischer Religionen wie dem Jesidentum1 oder hochreligi-
therapeutische Ressource?                                      öser Migrant*innen der drei abrahamitischen oder der
                                                               asiatischer Religionen erfordern über allen Respekt und
Für eine Neufokussierung der Religiosität und Spiritualität    differenzsensibles Einfühlungsvermögen hinaus ein inter-
ginge es zunächst einmal um die rationale Überzeugung          religiöses Wissen. Dieses interreligiöse Wissen erleichtert
auf dem Boden einer soliden empirischen Fundierung,            den religionssensiblen Verständniszugang. Dieser muss
dass religiöse und spirituelle Glaubensüberzeugungen und       aber durch die subtile Kenntnis und Analyse der subjekti-
psychische Gesundheit positiv miteinander korrelieren.         ven Glaubensgewissheiten des/r Patient*in vertieft werden,
Metaanalysen zeigen, dass positive Emotionen, Wohlbe-          um individuelle therapeutische Relevanz zu bekommen.
finden, Hoffnung und Zuversicht, positiver Lebenssinn          Die religiösen Glaubensinhalte und deren Ritualisierungen
und -zweck, Selbstachtung und -kontrolle einen positiven       sind so etwas wie der Mantel, der sich dem inneren Kern
Bezug zu Glaubensüberzeugungen haben. Diese Fundie-            der individuellen subjektiven Glaubensgewissheiten um
rung ist wesentlich in den vergangenen beiden Jahrzehnten      die Schultern legt.
für depressive, Angst- und Somatisierungsstörungen sowie           Beim professionellen Umgang mit fremden Glaubens-
Sucht erarbeitet worden. Bei depressiven Störungen zum         überzeugungen können vier Aspekte als wegweisend gel-
Beispiel sind Glaubensüberzeugungen verbunden mit              ten, die den Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen
einer schnellerer Remission (einer Verringerung ihres          davor bewahren können, schnell an seine eigenen Grenzen
Schweregrads bei religiösen spirituellen Interventionen        zu kommen: eine Wertoffenheit und Bedachtsamkeit,
anhand von Fallbeobachtungen) sowie einer verringer-
ten Prävalenz von Suizidgedanken und -handlungen.
                                                               1 «Das Jesidentum ist eine monotheistische, nicht auf einer heiligen
Entscheidend für die protektive Wirkung ist das Vor-
                                                                 Schrift beruhende, synkretistische Religion. Die Mitgliedschaft er-
handensein einer inneren Glaubensgewissheit und der              gibt sich ausschließlich durch Geburt, wenn beide Elternteile jesi-
damit verknüpften verinnerlichten Repräsentant*innen             discher Abstammung sind» (Wikipedia-Artikel).

16     Psychotherapie-Wissenschaft 9 (1) 2019
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