Quo vadis Olympia und Fußball-WM? - Campus M21
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Bild: obs ZDF Felix Kästle XXXXXXXXXXX Die Olympischen Spiele werden weltweit von mehr als 4 Mrd. Menschen vor den TV-Geräten verfolgt – doch eine Ausrichtung sehen viele Menschen kritisch. Quo vadis Olympia und Fußball-WM? Sportliche Großveranstaltungen erfreuen sich zwar großer Beliebtheit, doch einer Ausrichtung stehen viele Menschen skeptisch gegenüber. Stadionwelt, der Campus M21 und die Hochschule Mittweida führten gemeinsam eine Umfrage zur Akzeptanz von Olympischen Spielen durch. M ünchen, Hamburg, Oslo, zwei Jahren stattfanden – steht exempla- Knapp drei Jahre nach dem Turnier sind Boston und zuletzt Rom. Im- risch für die kritische Haltung gegenüber acht Spielstätten nahezu ungenutzt und mer häufiger entscheiden sich den Ausrichtungen. 100.000 Menschen sorgen jedes Jahr für Verluste von mehr potenzielle Austragungsorte gegen eine gingen in Rio de Janeiro regelmäßig auf die als 40 Mio. Euro. Dazu zählt sogar das le- Bewerbung für die Olympischen Spiele. In Straßen und protestierten nicht in erster gendäre Estádio do Maracanã, bei dem auf- Hamburg und München entschied sich die Linie gegen die WM oder Olympia, son- grund von nicht bezahlten Rechnungen im Bevölkerung in einem Referendum gegen dern gegen das politische System, unter Januar 2017 der Strom abgeschaltet wurde. eine Bewerbung. In Rom und Oslo zogen dem Brasilien leidet: Staatliche Misswirt- Fehlende Sitze, vertrockneter Rasen und politische Kräfte die Ausrichtungsinitiative schaft, marode Schulen und Krankenhäu- mehrere Einbruchsdelikte lassen das Stadi- zurück. Der Verzicht zahlreicher Städte hat ser sowie eine extreme Ungleichheit. Dass on außerdem mehr und mehr zu einer Ru- zur Folge, dass sportliche Großveranstal- für die Großveranstaltungen Milliarden an ine verkommen. Auch Athen (Olympische tungen immer häufiger an Länder mit einer Steuergeldern verwendet wurden oder vie- Spiele 2004) sowie einige Städte in Südaf- autoritären Regierung vergeben werden, le Favelas weichen mussten, war letztend- rika (Fußball-WM 2010) haben mit soge- beispielsweise Russland, Katar oder China. lich der Tropfen, der bei den Cariocas, wie nannten „weißen Elefanten“ zu kämpfen. Doch welche Gründe sprechen gegen eine die Einwohner Rios heißen, das Fass zum Bewerbung für ein sportliches Großevent? Überlaufen brachte. Kritik an Knebelverträgen Das Beispiel Brasilien – wo zwischen 2014 Ebenfalls in Brasilien zeigt sich das Beispiel und 2016 mit der Fußball-Weltmeister- der fehlenden Nachhaltigkeit. Für die zwölf Es scheint, dass sich sowohl die FIFA als schaft, den Olympischen Sommerspielen Stadien der Fußball-WM 2014 wurden laut auch das IOC in der Vergangenheit wenig sowie den Paralympischen Spielen gleich Angaben des brasilianischen Fußballver- bis gar nicht mit diesem Problem beschäf- drei Großveranstaltungen innerhalb von bandes CBF rund 1,1 Mrd. Euro investiert. tigt haben. Bildlich gesprochen packen 2 | STADIONWELT INSIDE 1/2017 www.stadionwelt.de
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XXXXXXXXXXX beide Verbände nach einem beendeten Event ihre Habseligkeiten zusammen und Bild: Computed Generated Images Brick Visual Architects BORD Architectural Studio ziehen mit ihrem Tross weiter ins nächs- te Land. Gegner der Großveranstaltungen nennen die sogenannten Knebelverträge zwischen der Weltverbänden und dem Austragungsort als ein wichtiges Argument gegen eine Bewerbung bzw. Ausrichtung. Auch dafür liefert Brasilien das beste Bei- spiel: Die deutsche Nationalmannschaft sicherte sich zwar den WM-Titel, doch der wahre Gewinner des Turniers war die FIFA. Die Gesamteinnahmen aus der WM belie- fen sich auf umgerechnet 3,3 Mrd. Euro, davon verblieben dem Weltverband etwa 1,6 Mrd. Euro als Gewinn. Da die FIFA all ihre Einnahmen aus der WM steuerfrei aus dem Land schaffen durfte, fiel für Gastgeber Brasilien eine große Einnahmequelle weg. Budapest bewirbt sich für die Sommerspiele 2024 und will mit einem „Mini-Budget“ von 2,5 Mrd. Euro punkten. Nur einen Gastgeberbonus von 74 Mio. Euro zahlte die FIFA an Brasilien. amtlich und im Rahmen der Möglichkeiten menarbeit mit dem Campus M21 und der Der Fußball-Weltverband und das Olym- professionell gearbeitet wird, viel Gutes Hochschule Mittweida eine Online-Umfra- pische Komitee stehen seit einigen Jahren bewirkt werden können. Auch das Thema ge gestartet. Zwischen dem 18. Januar und nicht nur wegen der Sportevents im Blick- Doping wirkt sich schädlich auf den Sport dem 31. Januar 2017 konnten Interessierte punkt. Korruption, Schmiergelder und und die Veranstaltungen aus. Das mögli- ihre Meinung zur Akzeptanz von Olympi- Steuerhinterziehung werfen ein dunkles cherweise systematische Doping in Russ- schen Spielen in Deutschland abgeben. In Licht auf die Verbände. Insbesondere bei land ist die Spitze des Eisbergs und zeigt, dem Zeitraum nahmen insgesamt 216 Per- der Vergabe von Fußball-Weltmeisterschaf- dass das IOC um die Glaubwürdigkeit des sonen an der Umfrage teil und beantwortet- ten und Olympischen Spielen sollen in der Sports kämpfen muss. en zu 100 Prozent die zehn vorgeschlagenen Vergangenheit einige ominöse Geldtrans- Frageoptionen. fers geflossen sein. Bei der FIFA laufen mo- Jeder 5. lehnt Olympia-Bewerbung ab Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht re- mentan Ermittlungen, bei denen sich die präsentativ, jedoch handelt es sich hierbei Korruptionssumme auf fast eine halbe Mil- Um den Gründen für die Reaktanz von sicherlich um Teilnehmer, die eine gewisse liarde Euro beläuft. Mit diesem Geld hätte sportlichen Großveranstaltungen auf den Affinität zum Sport haben und auch be- an der Basis, dort wo mehrheitlich ehren- Grund zu gehen, hat Stadionwelt in Zusam- reitwillig an einer Umfrage teilnehmen – sprich aktivierbar sind. Die Teilnehmer der Abstimmungen zu Olympiabewerbungen Umfrage kommen dabei aus 14 verschiede- Bewerbung Bürgerbeteiligung Abstimmung/Befragung davor Abstimmung/Befragung danach nen Bundesländern, die meisten aus Nord- Zustimmung: 40 % rhein-Westfalen (58), Bayern (41), Hessen Rio 2016 Zustimmung: 85% Ablehung: 50 % (24) und Niedersachsen (23). Zustimmung: 47,8 % München 2022 – „Ziel der Umfrage war es, bereits beste- Ablehung: 52,2 % Zustimmung: 53,5 % Zustimmung: 30 % hende Annahmen und Hypothesen im Oslo 2022 Ablehung: 42,6 % Ablehung: 56 % Zusammenhang von Einstellungen der Zustimmung: 55 % Bevölkerung gegenüber der Austragung Berlin 2024 – Ablehung: 39 % von Olympischen Spielen grundsätzlich zu Zustimmung: 64 % Zustimmung: 48,4 % Hamburg 2024 diskutieren. Mit Hilfe dieser Umfrage sollte Ablehung: 32 % Ablehung: 51,6 % Zustimmung: 55 % Zustimmung: 40 % ein erstes aktuelles Stimmungsbild gezeich- Boston 2024 Ablehung: 40 % Ablehung: 53 % net werden, das gerade die Einstellungen Zustimmung: 58 % von sportaffinen oder sportinteressier- Budapest 2024 – Ablehung: 31 % ten Personen abbildet“, erklärt Dr. Bernd Paris 2024 Zustimmung: 73 % – Oliver Schmidt vom Campus M21. „Auf Zustimmung: 40 % Grundlage solcher Grundtendenzen lassen Rom 2024 – Ablehung: 50 % sich sicherlich für potenzielle Bewerber für 4 | STADIONWELT INSIDE 1/2017 www.stadionwelt.de
XXXXXXXXXXX Wunsch nach Olympischen Spielen (in %) Handlungsbedarf bei Olympischen 80 Spielen (in %) 70 Müssten sich aus Ihrer Sicht die Vergabe und Durchführung von Olympischen Spielen und anderen großen Sportveranstaltungen grundlegend ändern? 60 60,19 Nein, es wäre Nein, es wäre 50 54,17 nicht so gar nicht wichtig wichtig 40 5,56 1,85 30 Ich bin 20 unentschie- 18,06 den 14,35 13,43 10 12,96 10,19 9,72 9,72 Ja, es wäre 0 5,56 5,09 sehr wichtig Stimme voll zu Stimme eher zu Teils/teils Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu 53,7 Ja, es wäre Deutschland eigene Region Quelle: Stadionwelt, Campus M21 eher wichtig Anteil der Befragten, die sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren Olympische Spiele in Deutschland/ihrer Region wünschen. 25,46 die Austragung von Olympischen Spielen sportinteressierten Publikum zu konstatie- bereits wertvolle Handlungsempfehlungen ren. Deutlich wird dies gerade, wenn man ableiten, die es dann durch weitere For- jene Nicht-Sportinteressierten ausklam- Quelle: Stadionwelt, Campus M21 schung zu präzisieren gilt.“ mert. Hier zeigt sich: Von den dezidiert Das Ergebnis zur Frage: „Ich würde es Sportinteressierten (die sich explizit für Bewerbung der eigenen Region begrüßten begrüßen, wenn Olympische Spiele in TV-Sportübertragungen neben Fußball in- hingegen 67,1 %. Ein ähnliches Bild bei den Deutschland in den nächsten 10 bis 15 Jah- teressieren), lehnen 19,6 % eine Bewerbung ablehnenden Antworten: 24,1 % der Befrag- ren stattfinden würden“ bekräftigt zunächst Deutschlands für Olympische Spiele ab. ten waren allgemein gegen die Bewerbung die Hypothese, dass grundsätzlich ein Inte- Eine vor der Bewerbung Hamburgs für die Deutschlands für Olympische Spiele. Gegen resse an sportlichen Großveranstaltungen Sommerspiele 2024 von „forsa“ veröffent- die Bewerbung der eigenen Region spra- vorhanden ist. Mehr als 70 % der Befragten lichte Umfrage im März 2015 zeigte, dass chen sich 27,8 % aus. stehen einer Bewerbung positiv (stimmen sich zwar etwa 80 % der Hamburger für Sowohl bei der Gegenkampagne in Mün- entweder voll oder eher zu) gegenüber. Le- Olympische Spiele in Deutschland ausspra- chen als auch bei den Protesten in Hamburg diglich 5,5 % äußerten sich unentschlossen. chen, aber nur circa 53 % eine Bewerbung – „teure Spiele“ wurde stets als zentrales Dennoch kann auch hier von Vorbehal- Hamburgs unterstützten. Eine ähnlich Argument gegen die Veranstaltung verwen- ten ausgegangen werden, denn knapp ein hohe Diskrepanz zwischen allgemeiner det. Unter den Befragten gaben jedoch „le- Viertel der Befragten sprach sich überra- Unterstützung und regionaler Ablehnung diglich“ 40,7 % wirtschaftliche Gründe als schenderweise eher oder ganz und gar da- konnte in der aktuellen Umfrage nicht Faktor gegen eine Olympiabewerbung an. gegen aus. Somit ist eine doch beachtliche aufgezeigt werden. 70,4 % der Befragten Das „schlechte Image der Sportverbände“ Ablehnung der Austragung Olympischer begrüßten sehr oder eher die Bewerbung wurde hingegen von 60,7% der Befragten Spiele in Deutschland selbst unter dem Deutschlands für Olympische Spiele. Die genannt und könnte daher als Hauptargu- ment gegen Olympische Spiele in Deutsch- Gründe gegen eine Olympia-Ausrichtung (in %) land gesehen werden. Immerhin etwa ein 80 Drittel der Befragten führen ökologische 70 Gründe für die Ablehnung an. Nur 17,6 % glauben hingegen, dass in der deutschen 60 60,65 Bevölkerung kein Interesse an der Austra- 50 gung vorhanden sei. 26,9 % sehen derzeit keine nachvollziehbaren Gründe, die gegen 40 40,47 eine Olympiabewerbung sprechen könnten. 34,26 30 26,85 Nur wenige positive Effekte 20 17,59 10 55,5 % der Befragten stimmen der Aus- 0 sage voll oder eher zu, dass die Bewer- Ökologische Wirtschaftliche Geringes Interesse Schlechtes Image Keine Gründe Gründe Gründe der Verbände berregion von den Olympischen Spielen Mehrfachnennung möglich Quelle: Stadionwelt, Campus M21 wirtschaftlich profitiert. Die Ergebnisse www.stadionwelt.de STADIONWELT INSIDE 1/2017 | 5
XXXXXXXXXXX der Umfrage stützen auf den ersten Blick Wirtschaftliche Auswirkungen von Olympia (in %) auch diese Hypothese, jedoch: 21,3 % 30 stimmen dieser Aussage „eher nicht“ oder 25 28,7 „gar nicht“, zu, woraus sich schließen lie- 26,85 ße, dass ein „wirtschaftlicher Boom“ als 20 23,15 Folge einer Olympiaausrichtung selbst unter den Sportinteressierten geteilt bis 15 skeptisch gesehen wird. Immerhin 23,2 % der Befragten gaben auf diese Aussage 10 keine konkrete Zu- oder Absage und ant- 10,65 10,65 worteten mit „teils/teils“. Positive Effek- 5 te für den Breitensport hingegen sehen mehr als zwei Drittel der Befragten: Sie 0 sind der Meinung, dass der Breitensport Stimme voll zu Stimme eher zu Teils/teils Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu Inwieweit stimmen Sie der Aussage zu: Eine Olympia-Ausrichtung hat für die Ausrichterregion sehr positive wirtschaftliche Effekte. Quelle: Stadionwelt, Campus M21 in Deutschland von der Austragung der Olympischen Spiele profitiert. Nur etwa Olympia-Effekt auf den Breitensport (in %) 16,7 % der Befragten rechnen nicht mit po- 40 sitiven Effekten für den Breitensport durch 35 39,35 Olympische Spiele. Für viele sind die Vergabemechanismen 30 und Verfahren sowie die Verträge des 30,56 25 IOC mit den Bewerberstädten zu intrans- parent. Dieses Argument wurde auch 20 vermehrt von den Gegnern der Olympia- 15 bewerbungen in Deutschland zur Sprache gebracht. Auch die befragten Sportinteres- 10 13,43 sierten waren zum Großteil der Meinung, 8,8 7,87 5 dass sich an der Vergabe etwas verändern 0 sollte: 79 % hielten es für wichtig oder sehr Stimme voll zu Stimme eher zu Teils/teils Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu wichtig, dass sich die Vergabe und Durch- Inwieweit stimmen Sie der Aussage zu: Olympische Spiele in Deutschland hätten einen positiven Effekt auf den Breitensport. Quelle: Stadionwelt, Campus M21 führung der Olympischen Spiele grundle- gend ändere. Lediglich 7,6 % der Befragten Alles in allem zeigt die Umfrage, dass sich hat das IOC am 11. September 2017 bei sei- hielten eine Veränderung der Vergabe für in den kommenden Jahren bei der Verga- nem 130. Kongress in der der peruanischen nicht oder gar nicht wichtig. Die bestehen- be von Olympischen Spielen und anderen Hauptstadt Lima. Dann werden die Olym- de Hypothese konnte in diesem Fall ein- Großveranstaltungen grundlegend etwas pischen Sommerspiele 2024 vergeben. Mit deutig gestärkt werden. ändern muss. Die erste Möglichkeit dazu gigantischen Investitionssummen – bei- spielsweise Olympia 2020 in Tokio mit Kos- ten in Höhe von 14 Mrd. Euro – soll dann Bild: gmp bloomimages Schluss sein. Keine der drei Bewerbungen für die Ausrichtung 2024 sieht Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe vor. Budapest, Paris und Los Angeles haben im Januar 2017 ihre vollständigen Bewerbungsunter- lagen eingereicht. Laut Aussage des IOC wird viel Wert auf ein gelungenes Gesamt- konzept gelegt: Moderne Sportstätten unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit, kurze Wege, starker Rückhalt aus der Bevölke- rung. Das könnten die ausschlaggebenden Kriterien sein. Und vielleicht würden es dann bald auch wieder mehr Menschen be- grüßen, wenn sich die eigene Region um ein Trotz des Plans, die Sportstätten nachhaltig zu nutzen, scheiterte Hamburg mit seiner Olympia-Bewerbung. sportliches Großereignis bemüht. 6 | STADIONWELT INSIDE 1/2017 www.stadionwelt.de
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