Radrennen und Dauerfahrten in der Oberlausitz - Jens Bemme - SLUB: Qucosa

 
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Radrennen und Dauerfahrten in der Oberlausitz - Jens Bemme - SLUB: Qucosa
Jens Bemme
Radrennen und Dauerfahrten in der Oberlausitz
Teil 3 einer offenen Spurensuche

Die Geschichte des Radfahrens in der Lausitz um 1900 ist noch nicht auserzählt. Re-
gionale Radfahrer-Bünde sind nur ein Aspekt der Mobilitäts- und Sportgeschichte:
LRB, OLRB, SRB, DRB, ARU und „Solidarität“ hießen damals die Radfahrer-Bünde,
um nur einige zu nennen.1 Örtliche Radfahrervereine, die Fahrradproduktion, Handel
und Reparaturwerkstätten und darüber hinaus die frühe Verbreitung des Fahrrads in der
Ober- und Niederlausitz sind Aspekte, die weiter erforscht werden können. Radrennen
und Dauerfahrten in der Oberlausitz sind Inhalt des vorliegenden Artikels, der einerseits
einen Einstieg in neue Recherchen bietet und andererseits Quellen und Methoden für
diese Art der Spurensuche diskutiert.
   Als Citizen Science (Bürgerwissenschaft) wird in jüngerer Zeit Forschung bezeichnet,
die von Bürgerinnen und Bürgern geleistet wird – also nicht-professionelle Forschung
von Laien. Es liegt nahe, die ersten beiden Etappen meiner Suche nach Oberlausitzer
Spuren des Radfahrens aus der Perspektive Citizen Science zu betrachten, um Anstöße
zu geben für die Forschung, neue Antworten zu finden und die digitalen Werkzeuge in
der Heimatforschung bekannt zu machen.
   Im Folgenden sollen die historischen Quellen der Geschichte und Geschichten in
der Oberlausitz neu entdeckt und vielleicht auch vergessene Tourenverläufe mit dem
Rad wieder selbst erlebt werden. Nicht unbedingt als Reenactment, also als Inszenierung
regionalen Geschehens und vergangener Zeiten,2 sondern als Impuls für die Aneignung
und Verknüpfung historischer Zusammenhänge. Man könnte gemeinsam mobil mit dem
Fahrrad forschen. Radrennen sind vor diesem Hintergrund ein möglicher Ansatz, um regi-
onale Mobilitätsgeschichte zu begreifen. Historische Radfahrerkarten und Tourenbücher
können dabei helfen. Ich nenne diese Ansätze „Heimatforschung velo“.

Quellen und Spurensuche

Ausgangspunkt für erste, hier grundlegende Recherchen sächsischer Radrennen war die
Akte „Fahrräder – Wett- und Preisfahrten ...“ im Stadtarchiv Freiberg3, in der Gesuche
des Sächsischen Radfahrer-Bundes an Ministerien in Dresden archiviert sind. Am 1. Fe-
bruar 1912 sandte der SRB aus Leipzig eine Bitte um Genehmigung an das Sächsische

1
    Lausitzer Radfahrer-Bund, Oberlausitzer-Radfahrer-Bund, Sächsischer Radfahrer-Bund, Deutscher Radfahrer-Bund,
    Allgemeine Radfahrer-Union, Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“; vgl. Jens Bemme: Radfahrer-Bünde in der
    Oberlausitz. Fortsetzung einer Spurensuche im Jubiläumsjahr „200 Jahre Fahrrad“. In: Görlitzer Magazin 30 (2017),
    S. 82 ff., https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-325797.
2
    Vgl. Kat Jungnickel: Bike Bloomers, 2019, aber auch: 2012 Tribute to Wien-Berlin 1893, https://wienberlin.wordpress.
    com/about/.
3
    Stadtarchiv Freiberg, Akte X. IX. 25, Fahrräder – Wett- und Preisfahrten (1909), URL: http://jensbemme.de/2017/11/
    stadtarchiv-freiberg-akte-x-ix-25-wett-und-preisfahrten-1909/.

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Radrennen und Dauerfahrten in der Oberlausitz - Jens Bemme - SLUB: Qucosa
1 Postkarten zur
Erinnerung an den
27. Bundestag des
Deutschen Radfahrer-
Bundes in Görlitz 1910
(Fotos: RAG)

                         Ministerium der Justiz. Geplant war eine Tour „Rund um die Lausitz“ als Dauerfahrt für
                         den 16. Juni 1912. Sie begann in Zittau, führte über Oderwitz, Neusalza, Oppach, Stei-
                         nigtwolmsdorf, Neustadt, Stolpen, Radeberg, Pulsnitz, Kamenz, Königsbrück, Hoyerswerda
                         weiter nach Bautzen, Löbau, Herrnhut zurück nach Zittau. Am 30. Juni 1912 folgte die
                         nächste anspruchsvolle Tour „Rund durch Sachsen“, am 11. August 1912 „Zittau – Leip-
                         zig“ und am 1. September die Fahrt „Rund durchs Vogtland“. Noch im gleichen Jahr, am
                         12. November, erging an das Ministerium der Justiz für das Jahr 1913 die Bitte um weitere
                         Genehmigungen dieser Art. Am 8. Juni 1913 sollte die Strecke „Rund um die Lausitz“
                         stattfinden, am 20. Juli „Rund durch Sachsen“ und am 17. August „Zittau – Leipzig“. Für
                         1914 waren geplant die „Völkerschlachtsfahrt“ am 3. Mai 1914, „Rund durch Sachsen“ am
                         14. Juni 1914 (oder 12. Juni als Ausweichtermin), „Rund um die Lausitz“ für den 12. Juli
                         1914 (oder 14. Juli) sowie „Zittau – Leipzig“ am 30. August (oder 23. August). Diese
                         Dokumente und Renntermine weckten Neugier.
                            Es stellte sich auch die Frage, ob es in Sachsen Militärradfahrer gab. Die Organisation
                         von Radrennen, Dauer-, Belastungs- und Zuverlässigkeitsfahrten war mit Gesuchen an
                         die Königlichen Sächsischen Ministerien des Innern und der Finanzen bzw. der Justiz
                         verbunden. Anfragen mit der Bitte um Beteiligung von Militärradfahrern wurden an das
                         Sächsische Kriegsministerium gerichtet.4 Von Radrennen betroffene Hauptamtsmann-
                         schaften erhielten diesen Schriftverkehr in Kopie. Am Beispiel der Akte „Fahrräder –
                         Wett- und Preisfahrten (1909)“ des Stadtarchivs Freiberg können solche Anfragen und die
                         behördlichen Antworten mit den entsprechenden Auflagen heute nachvollzogen werden.
                         Sachsen-Rundfahrten und Radrennen, die aus Schlesien und aus der Oberlausitz in west-

                         4
                             Jens Bemme: Gab es in Dresden Militärradfahrer? Poster zum Geschichtsmarkt Dresden, 2018, https://nbn-resolving.
                             org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-333067.

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licher Richtung verliefen, sind darin gut dokumentiert.5 Es ist zu vermuten, dass ähnliche
Akten in anderen Stadtarchiven erhalten geblieben sind. Es kann vermutet werden, dass
es ergänzende Dokumente oder Kopien auch in Akten des Sächsischen Staatsarchivs gibt.
    Weitere Quellen sind Preismedaillen. Sie sind besondere Zeugnisse der historischen
Radrennen. Sie dokumentieren die ausgefahrenen Disziplinen, Platzierungen, die ausrich-
tenden Radfahrerbünde, deren Bezirke oder Vereine, die Streckenlängen, gefahrene Zeiten
und Renntage. Regionale Landschaftsmotive können die Gestaltung der Medaillen ergän-
zen; für Details der jeweiligen Streckenverläufe fehlte dann unter Umständen der Platz.6
    Unverzichtbar und recht einfach zu benutzen, sind heutzutage digitalisierte Zei-
tungen und Jahrbücher. Lokalzeitungen, aber auch die Zeitungen der regionalen und
überregionalen Radfahrerverbände sind hilfreiche Quellen für Termine, Ausschreibungen
und Auswertungen von Vereinsveranstaltungen und Radrennen. Einige wurden bereits
digitalisiert.7 Hinsichtlich der lokalen Radfahrgeschichte und beteiligten Personen sind
zudem die Inserate von Werkstätten, Fahrradhandlungen und -fabriken nützlich. Für die
Oberlausitz sind besonders die Deutsche Radler-Post des Lausitzer Radfahrer-Bundes8
und die Bundeszeitungen des Sächsischen Radfahrer-Bundes9 relevant. Noch ist unbekannt,
wo weitere Exemplare der Lausitzer Radler-Post, der Nachfolgerin der Deutschen Radler-
Post, existieren. Darüber hinaus bieten Jahrbücher für den Radsport der Jahrzehnte um
1900 biografische Informationen herausragender Sportler, Rennstatistiken und Rekorde.
Die jährlichen Alben der Rad-Welt und insbesondere die Handbücher des Lausitzer
Radfahrer-Bundes sind dafür relevante Buchreihen.10 Vielleicht gab es ähnliche Publika-
tionen des Oberlausitzer Radfahrer-Bundes.
    Aber auch die Rennstatistiken, die Ergebnislisten historischer Radrennen dokumen-
tieren Siege, Platzierungen und Teilnahmen der Rennfahrer.11 Diese Listen enthalten die
Namen und Austragungsorte der damaligen Rennen und bieten somit wertvolle Ansätze
für vertiefte Recherchen in den Archiven, in Lokalzeitungen sowie im Internet.

Die Dokumentation der Spurensuche

Die bisherigen Artikel im Görlitzer Magazin mit historischem Radfahrerwissen der
Oberlausitz konnten dank der unkomplizierten Zustimmung des Verlags Gunter Oettel
bereits mit Open Access veröffentlicht werden. Qucosa, der Dokumentenserver der Säch-
sischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), bietet für
solche Publikationen die nötige Infrastruktur samt ihrer Verzeichnung und Erschließung
in überregionalen Bibliothekskatalogen. Auf diese Weise können Forschungsergebnisse

5
     URL: Stadtarchiv Freiberg (wie Anm. 3)
6
     Vgl. Bemme (wie Anm. 1) S. 82–91.
7
     SLUB Dresden: digitale Kollektion ‘Zeitungen’, https://digital.slub-dresden.de/kollektionen/143/.
8
     Zeitschriften-Katalog (ZDB): https://zdb-katalog.de/title.xhtml?idn=024734225.
9
     Sächsische Radfahrer-Bundes-Zeitung, 1.1892, derzeit in Digitalisierung, https://katalog.slub-dresden.de/id/0-
     1683807715/#detail.
10
     Vgl. Handbuch des LRB 1925: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Lausitzer_Radfahrer-Bund sowie
     https://katalog.slub-dresden.de/id/0-1014916712/ (Handbücher 1932, 1933); Rad-Welt/ Sport-Album, z.B. https://
     katalog.slub-dresden.de/id/0-168434237/#detail.
11
     URL: Wielrenners en Wielrennen in de Groote Oorlog (1914–1918): https://renners-in-de-grote-oorlog.fandom.
     com/nl/wiki/Startpagina.

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der Bürgerwissenschaften leicht elektronisch frei zugänglich gemacht werden.12 Weitere
                        Werkzeuge sind die Portale der Wikimediagemeinschaften Wikipedia, Wikisource, Wi-
                        kidata sowie die Stadtwikis in Görlitz und Dresden, um recherchierte Spuren und Daten
                        zu veröffentlichen, zu verknüpfen und im Idealfall von Dritten zu ergänzen.
                           Ein Nutzen von Wikidata-Datenobjekten für historisches Radfahrerwissen besteht
                        darin, dass diese Forschungsdaten kollaborativ gesammelt, gepflegt, verknüpft und genutzt
                        werden können. Das betrifft Namen von Personen und Organisationen, Referenzen und
                        bibliografische Daten von historischen und zeitgenössischen Publikationen.13

2 Ausschnitt aus:
Möller’s Radfahrer-
Karten: Wien–Berlin,
ca. 1908 (Foto: Deut-
                        Dauer- und Belastungsfahrten
sche Fotothek)
                        Die Begriffswelt der frühen Rennfahrten ist vielfältig. Distanzritte, Bundes-Dauerfahrten,
                        Belastungsfahrten, Zuverlässigkeitsfahrten, Bundesfernfahrt, „Rund durch ...“, „Rund
                        um ...“ „Quer durch ...“ oder Straßenfernfahrt sind dafür Beispiele. Im Folgenden sind
                        einige dieser Strecken dokumentiert. Die Bezeichnungen der Rennen verdeutlichen bereits
                        die verschiedenen Zwecke, die die Organisatoren verfolgten. Mit der Fahrt von Wien
                        nach Berlin sollte die militärische Relevanz des Rades gegenüber dem Pferd nachgewiesen
                        werden.14 Sogenannte Zuverlässigkeitsfahrten, unterstützt von Fahrradfabriken, dürften
                        werbenden Charakter gehabt haben über die Zuverlässigkeit der Rennfahrer und der

                        12
                             Qucosa: https://slub.qucosa.de/veroeffentlichen/.
                        13
                             Vgl. Jens Bemme: 200 plus 1: Forschungsmethoden für offenes #Radfahrerwissen, https://saxorum.hypotheses.org/417.
                        14
                             Vgl. Anne-Katrin Ebert: Radelnde Nationen: Die Geschichte des Fahrrads in Deutschland und den Niederlanden bis
                             1940, Campus, 2010.

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Rennorganisation hinaus.15 Wien und Berlin „582 km oder nur eine 32-stündige sensa-
tionelle Fahrradfahrt voneinander entfernt. Non stop, doppelt so schnell wie die Pferde
ein Jahr davor beim Distanzritt, mit starrer Übersetzung, viel visionärer Willenskraft und
kräftigen Fahrern. Die legendäre Rad-Distanzfahrt Wien–Berlin 1893 rückte die beiden
Großstädte näher aneinander und war maßgeblicher Wegbereiter für den großen Radboom
in Deutschland und Österreich!“, schreibt die Webseite 2012 Tribute to Wien–Berlin
1893.16 Eine Radfahrerkarte für die Strecke Wien–Berlin, datiert auf etwa 1908, wurde
in der SLUB Dresden digitalisiert.17 Hoyerswerda, Bautzen, Löbau, Herrnhut und Zittau
waren Stationen entlang dieser Distanzfahrt. Die Karte in Leporelloform enthält auch ein
Höhenprofil der gesamten Strecke. (Abb. 2)
   Die Bundesfernfahrt „Rund durch Deutschland“ des Deutschen Radfahrer-Bundes
führte am 7. und 8. Juni 1911 auch durch Sachsen. Die erste Etappe ging von Berlin
nach Dresden. Start war in Berlin-Mariendorf. Die Strecke führte über Zossen, Luckau,
Calau, Spremberg nach Hoyerswerda. Von der sächsischen Grenze an über Großgrabe,
Schwepnitz, Königsbrück, Ottendorf, Radeberg nach Wallroda, Arnsdorf, Stolpen, Pirna
nach Dresden zur Winterbergstraße.18
   Eine Fahrt von Breslau / Wrocław nach Aachen wird als Zuverlässigkeitsfernfahrt und
„Erste, große internationale Radfernfahrt ‚Quer durch Deutschland‘ der Allgemeinen Rad-
fahrer Union DTC (Straßburg)“ bezeichnet. Sie fand vom 21./22. bis zum 28. Mai 1911
statt und führte von Breslau über Görlitz, Löbau, Bautzen, Dresden, Freiberg, Chemnitz
nach Zwickau, Leipzig und über Weimar bis nach Aachen.19
   Die Vielfalt der Wettbewerbe war groß. So fanden am 3. und 4. April 1904 Bundes-
Oster-Wanderfahrten der Bezirke des Sächsischen Radfahrer-Bundes nach Bischofswerda,
Rochlitz und Eibenstock statt. Für die Bezirke Zittau, Löbau, Bautzen, Kamenz, Neustadt,
Pirna, Dippoldiswalde, Dresden war das Endziel Bischofswerda.20
   Eine Sechs-Stunden-Kontroll-Tour (Wanderfahrt) des Sächsischen Radfahrer-Bundes
(SRB) im gleichen Jahr war für die Gruppe Ost-Sachsen mit den Bezirken Dresden,
Meißen, Kamenz, Bautzen, Löbau, Zittau, Pirna, Freiberg und Eppendorf eine Strecke
von 155,7 km. Sie führte vom Startpunkt in Bautzen über Hoyerswerda, Königsbrück,
Kamenz, Bautzen nach Zittau.
   Meisterschaften des Lausitzer Radfahrer-Bundes (LRB)21 wurden im Reigenfahren
vereinsweise und individuell im Kunstfahren, im Langsamfahren, im Straßenwettfahren,
im Tourenfahren und im Radballspiel ausgetragen. Auch hier sind die Streckenverläufe
der Meisterschaften des Lausitzer Radfahrer-Bundes bekannt.22 Am 2. Juli 1911 führten

15
     Für August 1911 dokumentiert die Akte des Stadtarchivs Freiberg Bedenken seitens der Staatsministerien hinsichtlich
     der Zuverlässigkeit der Chemnitzer Presto-Werke, ein mehrfach verschobenes Radrennen selbst sichern zu können;
     die Rennleitung sollte deshalb beim Sächsischen Radfahrer-Bund liegen.
16
     Vgl. 2012 Tribute to Wien-Berlin 1893, https://wienberlin.wordpress.com/about/; Petra Sturm: SchlaflosSchnel-
     ler Wien-Berlin 1893, in: Velosophie – Magazin für Fahrradkultur, 01/2010, https://wienberlin.files.wordpress.
     com/2012/06/schlaflosschneller-wien-berlin-1893_velsophie0120101.pdf.
17
     Möller›s Radfahrer-Karten: Wien-Berlin / Autogr. u. Dr. v. Ed. Gaebler’s Geogr. Inst.; Leipzig: M. Möller’s Verl., [ca.
     1908], 1:250 000, Lithographie, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90088522.
18
     Stadtarchiv Freiberg, wie Anm. 3
19
     Ebd.
20
     SRB: Sächsische Rad- und Motorradfahrer Zeitung XIII. Jg., No. 5, S. 61.
21
     URL: Wikipedia: Lausitzer Radfahrer-Bund, Meisterschaften, https://de.wikipedia.org/wiki/Lausitzer_Radfahrer-
     Bund#Meisterschaften_des_LRB.
22
     Deutsche Radlerpost.

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die Meisterschaften von Bischofswerda über Löbau, Bautzen nach Görlitz. Das waren
     65 km, die aber nur von Mitgliedern des Lausitzer Radfahrer-Bundes absolviert werden
     durften. Am 17. August 1913 führte das Straßenfahren um die Meisterschaft der Lau-
     sitz von Kamenz nach Pulsnitz, Königsbrück, Schwepnitz, Hoyerswerda, Königswartha,
     Bautzen, Schirgiswalde, Oppach und Ebersbach. Die am 12. Juli 1914 ausgetragene
     Meisterschaft der Lausitz startete in Görlitz. Weiter ging es über Posottendorf, Leschwitz,
     Deutsch Ossig, Euldorf, Herrnhut, Niederstrahwalde, Niederottenhain, Löbau, Nechen,
     Eisenrode, Plotzen, Hochkirch, Steindörfel, Jenkwitz, Bautzen, Neu-Bloaschütz, Göda,
     Spittwitz, Rothnausslitz, Demitz-Thumitz, Kynitzsch, Bischofswerda, Geissmannsdorf,
     Rammenau, Hauswalde, Bretnig, Ohorn, Pulsnitz, Weissbach, Bischheim und Gelenau.
     Zielort war Kamenz. (Abb. 4)
         Der SRB veranstaltete die Wettfahrten „Rund um die Lausitz“, auch „Rund durch die
     Lausitz“ genannt,23 in den Jahren 1909, 1911 bis 1914.24 In den Jahren von 1915 bis 1919
     wurden sie nicht ausgetragen, erst ab 1920 fanden die Wettfahrten wieder statt. Eventuelle
     Kooperationen von SRB und LRB gehen aus den Ausschreibungen nicht hervor.25 Die
     Sächsische Volkszeitung berichtete 1909: „Bischofswerda, 16. Mai. (Telegramm) Heute
     fand die Dauer- und Zuverlässigkeitsfahrt ‚rund um die Lausitz‘ statt. Die Rennstrecke
     beträgt 163 Kilometer Bischofswerda – Zittau – Bautzen – Kamenz – Pulsnitz – Bischofs-
     werda. Die Fahrt war für alle Herrenfahrer des Sächsischen Radfahrerbundes offen. Die
     Abfahrt erfolgte um 4 Uhr morgens unter Teilnahme von 72 Fahrern. Als Erster legte
     Hübner-Dresden die Strecke in 5 Stunden 33 Min. 41 Sekunden zurück. Zweiter wurde
     Mühlberg-Althen in 5 Stunden 52 Minuten 26 Sekunden. Um 3 Uhr fand eine glänzende
     Korsofahrt statt.“26
         Für die Dauerfahrt „Rund durch die Lausitz“ am 16. Juni wurde vom SRB am 1. Feb-
     ruar 1912 beim Ministerium für Justiz eine Genehmigung beantragt. Der Streckenverlauf
     führte von Zittau über Oderwitz, Neusalza, Oppach, Steinigtwolmsdorf, Neustadt, Stolpen,
     Radeberg, Pulsnitz, Kamenz, Königsbrück, Hoyerswerda, Bautzen, Löbau, Herrnhut
     wieder zurück nach Zittau.
         Die Sächsische Volkszeitung berichtete 1928: „Straßenrennen des Sachsenbundes. Bei
     der in Chemnitz stattgefundenen Sportvertreterversammlung des Sächsischen Radfahrer-
     bundes wurde der Terminkalender für die größeren Fahrten des nächsten Jahres wie folgt
     aufgestellt: 28. April: Rund um Leipzig; 12. Mai: Dresden – Leipzig – Dresden; 10. Juni:
     Planitz – Leipzig – Planitz; 30. Juni: Rund durch Sachsen (in Chemnitz); 12. bis 18. Juli:
     Bundestag mit Meisterschaft; 28. Juli: Rund ums Vogtland; 11. August: Zittau – Leipzig;
     1. September: Rund durch die Lausitz.“27
         Das zweite Rennen „Rund um die Lausitz“ wurde am 24. Juli 1910 „gefahren als Gol-
     denes Rad von Sachsen. Es ging über 207 km vom Gasthof Bühlau nach Bischofswerda
     – Steinigtwolmsdorf – Zittau – Löbau – Hochkirch – Bautzen – Kamenz – Königsbrück

     23
          Wikidata: Rund um die Lausitz, https://www.wikidata.org/wiki/Q59550696.
     24
          16. Juni 1912, 8. Juni 1913, 12. Juli 1914 (beantragt), 14. Juli 1914 (geändert).
     25
          Angaben von Wolfgang Schoppe (2017): http://jensbemme.de/2017/12/rund-um-die-lausitz/, vgl. https://de.wikipedia.
          org/wiki/Lausitzer_Radfahrer-Bund#Weitere_Meisterschaften.
     26
          Sächsische Volkszeitung, Nr. 112, Dresden, Dienstag, den 18. Mai 1909, S. 3, http://digital.slub-dresden.de/
          id494508531-19090518/3, vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q59550696.
     27
          Sächsische Volkszeitung, Nr. 221, 01-Frühausgabe, Dresden 13. Dezember 1928, http://digital.slub-dresden.de/
          id501434038-19281213/12.

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nach Dresden (Trachau/Lindengarten) zum Ziel. Gewonnen hat Hermann Müller (Alt-
hen) vor Olbrich Friebe (Zittau) und Theodor Männel (Berlin).“ Veranstaltet wurde das
Rennen vom Sächsischen Radfahrer-Bund, Bezirk Dresden.28 (Abb. 5)
   Über die Fahrt „Goldenes Rad von Sachsen“ berichtete 1909 die Sächsische Volks-
zeitung: „Dresden, 26. September. Die Straßenfernfahrt ‚Goldenes Rad von Sachsen‘,
die der Verband Dresdner Rennfahrer heute, Sonntag, veranstaltet hatte, litt wesentlich
unter der Ungunst der Witterung. Infolge dessen trafen auch die Rennfahrer verspätet
und teilweise erschöpft auf der Dresdner Rennbahn ein. Die Strecke hatte eine Länge
von 420 Kilometern und führte von Zittau über Bautzen, Dresden, Meißen, Oschatz,
Leipzig, Altenburg, Zwickau, Chemnitz, Freiberg, Tharandt wieder nach Dresden. Als
Erster traf Winzer-Dresden um 4 Uhr 20 Min. 5 Sek. am Ziel ein. Er hatte die Strecke
in 18 Stunden 15 Min. 35 Sek. durchfahren. (...) Von den Amateuren, die eine Stunde
später abgelassen worden waren, traf Hübner-Dresden um 4 Uhr 4 Min. 58 Sek. am Ziel
ein. Er hätte hiernach nur 17 Stunden 35 Min. 58 Sek. gebraucht. Gegen ihn ist jedoch
Protest eingelegt worden wegen angeblichem Fahren hinter einem Motor. Wittig erlitt
kurz nach seinem Eintreffen einen Anfall von Herzschwäche und mußte nach dem Ca-
rolahause gebracht werden.“29
   Die Tour „Rund um Leipzig“ wurde 1904 als Ersatz für die „beliebte Distanzfahrt
Zittau – Leipzig“ ausgearbeitet. „Mit großem Bedauern vernahmen vor einigen Jahren die
sportfreudigen Mitglieder unseres Bundes die Nachricht, dass die beliebte Distanzfahrt
Zittau – Leipzig, welche alljährlich der S. R.-B. in seinem Bundesgebiete veranstaltete,
auf Grund der von den sächsischen Ministerien erlassenen Verordnungen hinfort nicht
mehr abgehalten werden kann. (…) In jüngster Zeit hat nun der rührige Fahrwart, Herr
P. Clauss, eine Tour rund um Leipzig ausgearbeitet, die am 9. Oktober d. J. ausgefahren
werden soll.“30
   Über die Bundesdauerfahrt Zittau – Leipzig am 23. August 1908 berichtete die Sächsi-
sche Rad- und Motorfahrer-Zeitung. Das Rennen führte ab Zittau über Herrnhut, Löbau,
Hochkirch, Bautzen, Bischofswerda, Weißig, Dresden, Meißen, Seerhausen, Oschatz,
Wendisch-Luppa, Calbitz, Wurzen, Machern, Borsdorf zum Ziel Paunsdorf-Leipzig.
   „Wie nicht anders zu erwarten war, ist die diesjährige alljährlich wiederkehrende Fern-
fahrt in bester Weise verlaufen … Noch niemals seit Bestehen der klassischen Dauerfahrt
Zittau–Leipzig hat die Nennungsliste eine so hohe Teilnehmerzahl zu verzeichnen gehabt,
wie dieses Jahr; nicht weniger als 66 Bundesmitglieder haben sich einschreiben lassen, von
welchen sich 62 am Sonntag früh dem Starter in Zittau stellten. … 35 Fahrer erreichten
das Ziel. Erster: Müller aus Althen, Nr. 7, nach 8 St., 31 Min., 12 Sek.“31
   Und 1912 meldete die Bundeszeitung des SRB: „Zum 14. Male hat die Dauerfahrt
„Zittau – Leipzig“ über 204 km stattgefunden, die dem Sport immer mehr Bedeutung
und Würdigung verschafft.“32

28
     Angaben von Wolfgang Schoppe (2018), vgl. http://jensbemme.de/2018/12/ab-1909-rund-um-die-lausitz-auch-1910/.
29
     Sächsische Volkszeitung, Dresden, Nr. 221, Dienstag 28. September 1909, p. 6, http://digital.slub-dresden.de/
     id494508531-19090928/6.
30
     http://jensbemme.de/2017/12/rund-um-leipzig/, vgl. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Rund_um_Leipzig.
31
     Sächsische Rad- und Motorfahrer-Zeitung, Ausschreibung: XVII. Jahrg. No. 20, S. 347, 29. Juli 1908; Auswertung:
     XVII. Jahrg. No. 22, S. 389, 28. August 1908.
32
     Sächsische Rad- und Motorfahrer-Zeitung, XXI. Jahrg. Nr. 23, S. 399, 16. August 1912.

                                                                                                                       55
Das Radrennen „Reichenbach – Görlitz – Reichenbach“ gewann 1910 Ernst Franz
                      aus Karlsbad.33 Wann fand das Rennen statt? Und: Wurde die Fahrt mehr als einmal
                      veranstaltet? Leider sind diese Fragen bisher unbeantwortet. Lässt sich dieses Rennen
                      jemals im Detail rekonstruieren? Im Stadtarchiv Reichenbach in der Oberlausitz waren
                      dazu keine Quellen zu finden.34
                          Franz Ernst wurde zudem am 21. Mai 1911 Sechster der ersten Etappe der Fahrt „Quer
                      durch Deutschland“ von Breslau nach Dresden.
                          Über die Fahrt Cottbus – Görlitz – Cottbus meldeten die Dresdner Nachrichten am
                      13. Mai 1923:
                          „Die Amateur-Straßenfahrer finden wieder ein ausgiebiges Betätigungsfeld in ‚Rund
                      durchs Münsterland‘ über 202,5 Kilometer, Rund um Schweinfurt über 175 Kilometer, dem
                      Großen Preis der Stadt Thum i. Erzgeb. über 150 Kilometer, Cottbus – Görlitz – Cottbus
                      über 204,4 Kilometer und dem Großen Straßen-Preis von Einbeck über 200 Kilometer.”35
                          Zuletzt seien die Jedermannfahrten um 1900 in der Oberlausitz erwähnt. Das „Spezial-
                      Tourenbuch für Radfahrer und Touristen durch die Sächsische Oberlausitz“ wurde 1900 in
                      Bautzen im Verlag von Gebr. Müller gedruckt, wo auch das Bautzener Tageblatt erschien.
                      Die Stadtbibliothek Bautzen besitzt ein Exemplar des Buches. Dieses Tourenbuch ist
                      als Anregung für Radtouren geeignet. Die Touren beginnen und enden zum Beispiel in
                      Bautzen, Friedland/Frýdlant, Görlitz, Löbau, Neustadt, Oppach, Reichenberg / Liberec
                      oder Zittau. Inzwischen wurde das Spezial-Tourenbuch in Wikisource transkribiert.36 Im
                      Vorwort schreiben die Verleger: „Alle waren von der Zweckmäßigkeit eines solchen Buches
                      überzeugt und versprachen in bereitwilligster Weise zahlreiche Beiträge zu demselben zu
                      liefern; ganz sonderbarer Weise hat aber nicht ein einziger Wort gehalten. ... Die Beschrei-
                      bung der Touren ist größtenteils von Bautzen aus geschehen ... Die Entfernungen sind
                      größtenteils so angegeben, daß Fußgänger reichlich die doppelte Zeit rechnen können. ...
                      Einer zahlreichen Mitarbeiterschaft für das Ergänzungsheft entgegensehend, erwarten
                      eine freundliche Aufnahme der ersten Auflage. … Bautzen 1900. Die Verleger.“
                          Ob dieses Ergänzungsheft jemals erschien, ist ungeklärt. Die Suche nach etwaigen
                      Buchbesprechungen oder Werbeanzeigen des Verlages für das Spezial-Tourenbuch in den
                      verfilmten Ausgaben des Bautzener Tageblatts der Jahre 1900 und 1901 war bisher erfolglos.

                                                        Neue Forschungsziele

                                                        Diese Spurensuche zur Fahrradgeschichte ist längst nicht beendet.
                                                        Die kleinen Radfahr-Illustrationen, mit denen dieser Artikel
                                                        bebildert ist, erschienen um 1900 in Radfahrerzeitungen und
                                                        Radfahrbüchern. Ich nenne sie Veloclichés.37 Inzwischen sind
3 Zwei Radfahrer,
aus: Velocliché-
                      33
                           URL: http://nl.renners-in-de-grote-oorlog.wikia.com/wiki/Ernst_Franz; http://www.memoire-du-cyclisme.eu/
Sammlung, Wikidata:        palmares/franz_ernst.php; Wikipedia: Ernst Franz, https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Franz.
(Q67294683)
                      34
                           Reichenbach/O.L., Archiv/Hauptamt, Auskunft von Ina Filippov, 2019.
                      35
                           Dresdner Nachrichten, 13. Mai 1923, S. 14, http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19230513/14.
                      36
                           Vgl. Wikisource: https://de.wikisource.org/wiki/Spezial-Tourenbuch_für_Radfahrer_und_Touristen_durch_die_Säch-
                           sische_Oberlausitz. Die Transkriptionen gemeinfreier Texte werden in Wikisource ehrenamtlich nach dem Vier-
                           Augen-Prinzip erstellt und geprüft, um valide Quellen für die Wissenschaft bieten zu können. Alle 37 Buchseiten des
                           Tourenbuches wurden bisher aber noch nicht zweifach kontrolliert.
                      37
                           Velocliché-Sammlung: https://www.wikidata.org/wiki/Q60230755.

56
ein paar als Vektorgrafiken digitalisiert und
                                               für jeden in modernen Grafikanwendun-
                                               gen frei nutzbar. Mit offenen Daten – aus
                                               historischen Texten, Bildern und Karten –
                                               können diese Werke heute erneut Nutzen
                                               stiften.
                                                   Der Autor der vorliegenden Spurensu-
                                               che ist davon überzeugt, dass historische
                                               Tourenbücher für Radfahrer38 und alte
                                               Radfahrerkarten39 aus der Zeit um die
                                               Jahrhundertwende auch heute noch für den
                                               Tourismus relevant sein können, wenn sie
                                               endlich dafür entdeckt werden. Geschich-
                                               ten zu erzählen, die Neugier wecken und
                                               die Reiseziele zu prägen, ist dafür eine
                                               Strategie. Die Oberlausitz hat eine reiche
                                               Radfahrgeschichte – hier gab es zahlreiche
                                                                                                                           4 Werbekarte des
                                               Vereine, Fahrradfabriken, Fahrradhändler,                                   Lausitzer Radfahrer-
                                               Radrennen und velophile Persönlichkeiten.                                   Bundes (Foto: RAG)
Der Lausitzer Rad- und Kraftfahrer-Bund war in den Jahren bis zu seiner Auflösung
1933 eine mitgliederstarke Organisation, die regional und lokal Alltagsgeschichte geprägt
hat.40 Diese Radfahrergeschichten und ihre Protagonisten als wiedererkennbare Bausteine
Oberlausitzer Narrative neu zu entdecken und neu zu erzählen, ist eine Herausforderung.41
Radrennen und ihre Streckenverläufe sind dafür möglicherweise nützliche Details, bei-
spielsweise für die nächste Ausfahrt durch die Oberlausitz oder Schlesien.

                                                                                                                           5 Erinnerungskarte
                                                                                                                           an das 27. Treffen des
                                                                                                                           Deutschen Radfahrer-
                                                                                                                           Bundes in Görlitz 1910
                                                                                                                           (Foto: RAG)

38
     Wikisource: Tourenbücher für Radfahrer, https://de.wikisource.org/wiki/Tourenbücher_für_Radfahrer.
39
     URL: Kollektion Fahrradkarten der SLUB/Deutsche Fotothek, http://slubdd.de/fahrradkarten/.
40
     Lausitzer Rad- und Kraftfahrer-Bund: Handbuch 1933. Pulsnitz, 1933.
41
     Jens Bemme: Auf historischen Pfaden radeln, in: Ferienmagazin Oder-Spree Seenland 2020/2021, S. 9, http://www.
     ferienmagazin.de/die-ferienmagazine/seenland-oder-spree/; Oskar Kilian: https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Kilian.

                                                                                                                                             57
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