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„Patient-reported outcome measures“ Christoph Kowalski & Jutta Hübner Forum Das offizielle Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. ISSN 0947-0255 Forum DOI 10.1007/s12312-020-00836-6 1 23
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Author's personal copy FORUM Fokus Forum Christoph Kowalski1 · Jutta Hübner2 https://doi.org/10.1007/s12312-020-00836-6 1 Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Berlin, Deutschland 2 Professur für Integrative Onkologie der Stiftung Deutsche Krebshilfe, Klinik für Innere Medizin II, Jena, © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Deutschland Springer Nature 2020 „Patient-reported outcome measures“ Reif für die Routine? Hinführung zum Thema PROM in der Routineversorgung nicht nur zu einer Verbesserung der von Krebsbetroffenen Lebensqualität der Betroffenen, sondern Der Einsatz von „patient-reported out- auch zu einer signifikanten Verbesse- come measures“ (PROM) in der Rou- Gemäß der etablierten Definition der rung des Überlebens führen kann. Aus tineversorgung birgt für Patient*innen Organisation for Economic Co-Opera- diesem Grund müssen deutlich mehr und Behandler*innen erhebliches Poten- tion and Development (OECD) messen Anstrengungen unternommen werden, zial. Allerdings sind PROM noch längst PROM „jegliche patientenseitige Ein- um PROM in die Routineversorgung zu nicht flächendeckend etabliert. Wir skiz- schätzung ihres Gesundheitszustands, integrieren und nicht nur zu messen, zieren die wesentlichen Anwendungsbe- ihrer klinischen Ergebnisse, Mobilität sondern auch ein patientenorientier- reiche für PROM in der Routineversor- und Lebensqualität“1. Aus der klini- tes Handeln zu fördern. Sprechen wir gung von Krebsbetroffenen und stellen schen Forschung wissen wir, dass die von der Nutzung von PROM in der einige wegweisende Studien der letzten allein durch Behandelnde berichteten Routineversorgung, geschieht dies in Jahre vor. Wir skizzieren den aus un- Nebenwirkungen wesentlich geringer Abgrenzung zur Studiensituation, also serer Sicht notwendigen Umsetzungsbe- eingeschätzt werden, als wenn die Be- in klinischen Prüfungen nach Arzneimit- darf und offene Fragen. troffenen selbst Auskunft geben. Die tel- oder Medizinproduktegesetz oder Unterschiede auch in der Einschätzung im Rahmen der Nutzenbewertung nach der Lebensqualität sind teilweise ekla- §35a SGB V. Nutzung von PROM in tant, und es ist davon auszugehen, dass der Routineversorgung bedeutet da- dies auch bei der Behandlung von Be- bei allerdings keineswegs methodischen troffenen außerhalb von Studien der Wildwuchs, sondern im Gegenteil ein Fall ist [1–5]. Hierfür gibt es zahlreiche standardisiertes Vorgehen gemäß den Z Autor Gründe. Neben den Faktoren Zeit und entsprechenden Manualen und – sofern Empathie im Arzt-Patienten-Gespräch möglich und zweckmäßig – die Ver- Dr. Christoph Kowalski und einer Fokussierung von Ärzt*innen knüpfung mit soziodemographischen, Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Berlin auf Überleben statt Lebensqualität sind Diagnose- und Behandlungsdaten der Aufregung der Patient*innen, die ver- Betroffenen. minderte Fähigkeit, Sorgen und Be- Die Anwendungsmöglichkeiten von schwerden zu artikulieren und ganz PROM in der Routineversorgung lassen © Luca Vecoli/ banal die Sorge, dass der Arzt ein für das sich in zwei große Kategorien zusam- Blende V Überleben notwendiges Medikament menfassen: „wegnimmt“, ganz wesentliche psycho- 1. Behandlungsplanung oder Monito- logische Faktoren. Die bahnbrechende ring individueller Patienten, Z Autor Arbeit von Basch et al. [2] zeigt, dass 2. Nutzung zur Qualitätsentwicklung Prof. Dr. Jutta Hübner eine mit definierten Handlungsabläu- durch Behandelnden- oder Einrich- Klinik für Innere Medizin II, fen gekoppelte Erfassung von PROM tungsvergleiche. Jena 1 Für beide Zwecke gibt es mittlerweile eine Eigene Übersetzung. Im Original: „PROMs: Measure patients’ perceptions of their health Vielzahl guter Beispiele. Beide Zwecke status, clinical outcomes, mobility and quality of lassen sich kombinieren. © Schroll-UKJ life.“ [20, S. 25]. FORUM
Author's personal copy Zusammenfassung · Abstract PROM für die Behandlungs- Forum https://doi.org/10.1007/s12312-020-00836-6 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 planung individueller Patienten Mittlerweile liegen zahlreiche teils hoch- C. Kowalski · J. Hübner rangig veröffentlichte Studien vor, die „Patient-reported outcome measures“. Reif für die Routine? den Nutzen von PROM für die Behand- lung individueller Betroffener zeigen. Zusammenfassung Der Nutzen von PROM („patient-reported Prozessen zum gegenseitigen Lernen. Eine Erwähnenswert ist in diesem Zusam- outcome measures“) in der Onkologie ist Reihe von Programmen kombinieren den pa- menhang zunächst der vielfach bestätigte mittlerweile gut belegt. PROM helfen den tientenindividuellen und den Benchmarking- und oben bereits erwähnte Befund, dass Behandelnden, andernfalls unterschätzte Aspekt bereits erfolgreich. Um die Erhebung sich die Einschätzung von Symptomen Symptome und Funktionseinschränkungen von PROM möglichst flächendeckend zu und Nebenwirkungen der Behandlung der Betroffenen besser einzuschätzen und implementieren und leichter für die Nutzen- die Behandlung zu planen. Strukturierte den zugänglich zu machen, bestehen noch bei Dyaden von Betroffenen und Be- Interventionen nach auffälligen PROM Forschungsbedarf bei einigen methodischen handelnden unterscheidet [7, 9]. Kurz führten in jüngeren Studien nicht nur zu Fragen und Entwicklungsbedarf hinsichtlich gesagt, schätzen Betroffene Symptome verbesserter Lebensqualität, sondern sogar der Aufbereitung und Interpretation von und Funktionseinschränkungen insge- zu längerem Überleben. Neben solchen PROM. samt erheblich schwerer ein als ihre patientenindividuellen Maßnahmen werden PROM zunehmend auch für Qualitätsentwick- Schlüsselwörter behandelnden Gegenüber. Eine regel- lungsinitiativen genutzt, beispielsweise beim Patientenzentrierung · Lebensqualität · hafte standardisierte Abfrage mittels Benchmarking von Behandelnden und bei Versorgungsforschung · Benchmarking · PROM kann demnach Behandelnden Improvement Science dabei helfen, ein realistischeres Bild der Beschwerden ihrer Patienten zu erhalten. Dabei können zugleich Symptome oder Patient-reported outcome measures. Ready for the routine? Funktionsbereiche identifiziert werden, die besondere Aufmerksamkeit erfor- Abstract The benefits of patient-reported outcomes processes for mutual learning. Several dern. programs already successfully combine both measures (PROM) in oncology have now Dass spezifische Interventionen nach been well documented. The use of PROMs the individual patient and the benchmarking Erfassung der Lebensqualität mittels helps the practitioner to make a better approaches. In order to implement PROMs PROM nicht auf körperliche Domä- assessment of the otherwise underestimated as widely as possible and to facilitate access nen beschränkt sein müssen, konnte in symptoms and functional impairments and for the user, there is still a need for research can help in planning treatment. Structured on a number of methodological questions mehreren randomisierten, kontrollierten and development needs with respect to the interventions after conspicuous PROMs not Studien gezeigt werden, u. a. durch die only led to improved quality of life in recent presentation and interpretation of PROMs. Regensburger Arbeitsgruppe um Klink- studies but also to longer survival. In addition hammer-Schalke und Koller [16, 17]. to such patient-specific measures, PROMs Keywords Dabei wurden Brust- und in einer Fol- are also increasingly being used for quality Patient centeredness · Quality of life · development initiatives, for example for Health services research · Benchmarking · gestudie Darmkrebspatient*innen mit Improvement science benchmarking of practitioners and initiating den entsprechenden Instrumenten der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) befragt. Beim Überschreiten von Schwellenwer- PROM in der Qualitäts- bekannteren Beispiele stammen aus der ten entwickelte ein interdisziplinäres entwicklung Behandlung des Prostatakarzinoms, wo Team für die Interventionsgruppe Emp- eine teils erhebliche Varianz der Ergeb- fehlungen für eine „Therapie einge- Neben der Nutzung zur Unterstützung nisqualität zwischen den Behandelnden schränkter Lebensqualität“ und leitete der Behandlung individueller Betrof- und den Behandlungsoptionen beobach- diese ein. Diese Intervention berück- fener liegt ein weiteres Potenzial von tet wird [10, 18]. Häufig liegen solchen sichtigte nicht nur körperliche Aspekte PROM in der Sicherung und in der Programmen pragmatische Modelle zur wie Schmerzen, sondern auch psycho- Weiterentwicklung von Versorgungs- Identifikation von Behandelnden mit logische oder soziale, beispielsweise die qualität. Existierende Ansätze nutzen besonders guter Qualität zugrunde, die finanzielle Situation. Gegenüber der dabei – in Abwesenheit etablierter Ziel-/ dann Behandelnden mit weniger gu- Kontrollgruppe war die Lebensqualität Schwellenwerte – zumeist Vergleiche ten Ergebnissen als Beispiele dienen in den entsprechenden Dimensionen in von Behandelnden oder Versorgungsor- sollen. Dies ist u. a. im Positive De- der Nachbefragung verbessert. ganisationen, um Austausch und gegen- viance Framework [3] vorgesehen, das seitiges Lernen zu provozieren. Dabei auch beim TrueNTH Global Registry werden PROM dem Wortsinn nach als (TNGR) zur Verbesserung der Versor- „outcomes“, also als Indikatoren der gungsqualität beim lokal begrenzten Ergebnisqualität betrachtet. Einige der Prostatakrebs [8] genutzt wird. Am FORUM
Author's personal copy TNGR beteiligen sich mittlerweile auch pharmazeutische Industrie, Post-Zulas- Kommunikationstraining bei Medizin- über 100 nach den Anforderungen der sungs-Studien durchzuführen und die studierenden, aber auch in der Weiter- DKG zertifizierte Prostatakrebszentren Ergebnisse transparent zur Verfügung und Fortbildung adressiert werden wie [23]. Weitere nennenswerte Beispiele zu stellen [5, 22]. das klassische Thema des Überbrin- aus Deutschland, die explizit Benchmar- gens von schlechten Nachrichten. Eine king von Behandelnden mittels PROM Erfordernisse einer patienten- Option, basierend auf standardisierten zum Ziel haben, sind das Programm des orientierten Weiterentwicklung Messinstrumenten für die Lebensqua- Onkologischen Schwerpunkts Stuttgart von PROM lität (z. B. EORTC-Fragebögen), wäre (OSP), das bereits seit über 20 Jahren eine wiederholte individuelle Gewich- existiert [19], und die EDIUM-Stu- Wünschenswert wäre eine konsequentere tung der Bedeutung der verschiedenen die in über 100 Darmkrebszentren [4]. Beteiligung von Patientenvertretern be- Domänen der Lebensqualität durch die Solche multizentrischen Programme, reits bei der Planung von Studien, um Patient*innen, die zu einer Gewichtung die behandlerübergreifend identische patientenorientiert PROM nicht nur zu der gemessenen Parameter und damit PROM und Kovariaten zum adjustier- messen, sondern auch die Konsequen- zur Individualisierung der Messung ge- ten Vergleich erheben und auswerten, zen in der Bewertung der Studienergeb- nutzt werden könnte [14]. Dass PROM sind allerdings bislang die absolute Aus- nisse einzubeziehen. Für moderne Stu- von Betroffenen allgemein gut akzeptiert nahme [12]. Aus unserer Sicht wäre es dientypen im Rahmen der personalisier- werden, konnte vielfach gezeigt werden, unbedingt wünschenswert, wenn solche ten Medizin wie Platform-, Umbrella- beispielsweise von Dresdner Kollegen Ansätze, die gleichermaßen individuelle und Basket-Studien müssen Vorgehens- für ein elektronisches Eingabe- und Behandlungsplanung als auch Qualitäts- weisen entwickelt werden, um bei den Auswertungstool [26]. Entwicklungspo- entwicklung ermöglichen, in Zukunft sehr heterogenen Patient*innengruppen tenzial besteht noch bei der Darstellung die Regel würden. PROM sinnvoll zu erfassen und transpa- der Ergebnisse von PROM, also bei der Der Einsatz von PROM in der Routi- rent zu berichten. Für die konsequente „Bildgebung der Lebensqualität“. Die neversorgung würde nicht nur den Ver- Einbeziehung von PROM in die Routi- Entwicklung geeigneter Darstellungs- gleich der Behandelnden ermöglichen, nebehandlung sind eine Reihe von Auf- modi ist noch weitgehend am Anfang sondern auch den Vergleich verschie- gaben zu lösen. Vor allen Dingen müssen und erfordert den Einbezug von Betrof- dener anderer Interventionen verein- Behandelnde dafür sensibilisiert werden, fenen und Behandelnden. fachen. PROM sind bislang in versor- dass Betroffene in klinischen Studien sich gungsnahen, also z. B. in Krebsregister- in der Regel deutlich von Betroffenen Fazit für die Praxis oder GKV(Gesetzliche Krankenversi- in der Routineversorgung unterscheiden. cherung)-Abrechnungsdaten nicht ent- Dies betrifft insbesondere Komorbiditä- 4 Die Studienergebnisse der letzten halten, aber für eine Nutzenbewertung ten, die einen wesentlichen Einfluss auf Jahre haben deutlich gemacht, dass beispielsweise von Arzneimitteln nach die Verträglichkeit von Therapien haben. PROM („patient-reported outcome §35a SGB V wünschenswert oder sogar Umgekehrt sollte in der Diskussion von measures“) einen deutlichen Nutzen erforderlich. Dies wird beispielsweise im klinischen Studien sehr viel konsequen- für Lebensqualität und Überleben aktuellen Rapid Report des Instituts für ter auf die Frage der klinischen Bedeut- von Krebsbetroffenen haben können. Qualitätssicherung und Transparenz im samkeit einer gemessenen statistischen 4 Betroffene können dabei nicht nur Gesundheitswesen (IQTIG) adressiert Verbesserung von PROM und Lebens- im Hinblick auf körperliche Sympto- [15, u. a. S. 9]. Zu beachten ist hierbei, qualität eingegangen werden. me und Funktionseinschränkungen dass PROM notwendigerweise bereits Die Einschätzung der Betroffenen, profitieren, denn viele der etablier- vor Beginn einer Intervention erhoben für welche Verlängerung von Überleben ten Instrumente berücksichtigen werden müssen, um adjustierte Verglei- welche Nebenwirkungen und Einschrän- auch soziale, emotionale und psy- che zu ermöglichen und Veränderungen kungen der Lebensqualität akzeptiert chische Begleiterscheinungen der sichtbar zu machen. Im Bereich der werden, schwankt interindividuell [21] Erkrankungen. Zulassung von Medikamenten müssen und intraindividuell [6, 13, 24, 25]. Da- 4 Allerdings gibt es bislang nur für sehr viel klarere Regeln für die Erfassung bei sind insbesondere intraindividuelle wenige Erkrankungen Programme und Berichterstattung von PROM ent- Schwankungen, die eine häufig eintre- zur Erfassung von PROM, die beide wickelt und konsequent sehr viel mehr tende stetige Veränderung auf der Basis oben genannten Zwecke, nämlich Routinedaten gefordert werden. Dies gilt eines „response shift“ [11] überlagern individuelle Behandlungsplanung insbesondere für beschleunigte Zulas- können, eine Herausforderung für die und Qualitätsentwicklung, erfüllen. sungsverfahren und muss im Rahmen Patienten-Arzt-Interaktion und die ge- Die oben angeführten Beispiele zei- der zunehmenden Orphanisierung mit samte Therapieplanung und erfordern gen jedoch, dass dies in Deutschland wissenschaftlichen Standards unterlegt eine wiederholte Abstimmung zwischen bereits möglich ist. werden. Hier brauchen wir ein konse- Behandelnden und Betroffenen. Wie 4 Angesichts ihres Potenzials und der quentes Vorgehen bei der Zulassung und dies im Routinealltag gelingen kann, vielversprechenden aktuellen An- eine Durchsetzung der Auflagen für die sollte mindestens ebenso intensiv im sätze rechnen wir damit, dass PROM FORUM
Author's personal copy Fokus mittelfristig zu festen Bausteinen der adverse effects? A comparison with patient- by the FDA on the basis of limited evidence: reported symptoms from the quality-of-life systematic review. BMJ. https://doi.org/10.1136/ Routineversorgung werden. questionnaire C30. J Clin Oncol 22:3485–3490. bmj.j1680 https://doi.org/10.1200/jco.2004.03.025 23. Roth R, Dieng S, Oesterle A et al (2020) Determi- 10. Haese A, Knipper S, Isbarn H et al (2019) A nantsofself-reportedfunctionalstatus(EPIC-26)in Korrespondenzadresse comparative study of robot-assisted and open prostatecancerpatientspriortotreatment. WorldJ radical prostatectomy in 10 790 men treated by Urol. https://doi.org/10.1007/s00345-020-03097- Dr. Christoph Kowalski highly trained surgeons for both procedures. BJU z Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Int 123:1031–1040. https://doi.org/10.1111/bju. 24. 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