Das Gespür für den Augenblick Raku-Gefäße von Uta K. Becker
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Uta K: Becker: Titel, Jahr, Material/Technik, Foto: Johannes Cawelius Das Gespür für den Augenblick Raku-Gefäße von Uta K. Becker Uta K. Becker: Schwarze Platte mit grünem Teller, Jahr, 33 x 33 x 3,5 cm, Teller Ø 27 cm, Foto: Johannes Cawelius 32
KERAMIK Uta K: Becker: Titel, Jahr, Material/Technik, Foto: Johannes Cawelius er das klassische Raku-Gefäß gen zur Keramik fand. „Eine wunderbare ein. Wie sich herausstellen sollte, ein Ge- W kennt, staunt über die puristi- schen Formen, die Uta Katha- rina Becker in dieser uralten Technik er- Bestätigung“ sei dieser Erfolg gewesen. Und mit Sicherheit Ansporn zu weiteren staunenswerten Ergebnissen. winn für beide Seiten: Becker arbeitete in der Werkstatt mit und bekam im Gegen- zug die Möglichkeit, ihre Kenntnisse über schafft. Selten sieht man die Harmonie der Uta K. Becker studierte nach einer Schrei- Keramik stetig zu erweitern. Inzwischen Gegensätze so perfekt vereint, die Balance nerlehre an der Alanus Hochschule für brennt sie seit zehn Jahren ihre Stücke im zwischen Konzept und Ausführung so ge- Kunst in Bonn und arbeitete anschließend Raku-Brand und hat ihr Können mehr und konnt gewahrt. Und so ist es wiederum als freie Bildhauerin vor allem mit Metall mehr vervollkommnet. Eine Entwicklung, kaum verwunderlich, dass Becker für diese und Holz. Doch die Bildhauerei forderte die an ihrer Keramik abzulesen ist: sie be- subtile Meisterschaft der Staatspreis im längere kreative Prozesse. Mit zwei klei- sitzt eine Aura, die mit den sonst für Raku nordrhein-westfälischen Kunsthandwerk nen Kindern war es für sie schwierig, die- typischen Charakteristika nicht allzu viel verliehen wurde. Mit einer zweiteiligen sen Fluss immer wieder unterbrechen zu gemein hat. Anders, feiner erscheinen Arbeit „in schlichter geometrischer müssen, um dann mühsam wieder hinein- diese klaren und trotzdem farbensprühen- Grundform, die mit großer Präzision aus- zufinden. In dieser Phase stieß die Künstle- den Objekte. geführt wurde“, überzeugte sie die Jury. rin auf die Raku-Brenntechnik – und war Raku im klassischen Sinne verbinden wir Kommt die Sprache auf die Auszeichnung, fasziniert: „Das Brennen im Feuer, das Ex- im Allgemeinen zuerst mit der Teekera- die sie im vergangenen Herbst erhielt, ver- perimentelle...“. Doch wie ohne klassische mik, wie sie in Japan seit dem 16. Jahrhun- tieft sich das intensive Strahlen in den Au- Ausbildung den Einstieg schaffen? Mit einer dert von den berühmten Teemeistern und gen der Preisträgerin, die erst auf Umwe- Keramikerin ging sie ein „Tauschgeschäft“ ihren Töpfern geschaffen wurde. Toyo- 33
tomi Hideyoshi, den Künsten zugetaner Uta K: Becker: Schmales Schiff, Jahr, Herrscher, verlieh einem der damals ent- 50 x 9 x 6 cm, standenen Öfen im Jahr 1580 ein goldenes Schwarze Vase, Jahr, 9 x 9 x 37 cm, Siegel mit dem Schriftzeichen für Schwarz-roter Teller, Jahr, „Freude“. Seitdem verstand man unter 24 x 24 cm, eben diesem „Raku“ kurzgebrannte Ware Kleine Schale mit schwarzem Untersetzer, Jahr, aus porösem Ton, in schwarz oder rot 15 cm, bleiglasiert. Die Glasur sollte die Farbe des Foto: Johannes Cawelius Tees unterstreichen. Typisch für den Raku-Stil sind schlichte, handgefertigte Schalen, oft sehr dickwandige, unsymme- trische Formen mit unregelmäßiger Ober- fläche. All dies gibt es bei Uta Becker nicht; die Koordinaten ihrer keramischen Kunst hat sie behutsam, aber konsequent verändert und so Raku für sich neu erfunden. Waren ihre ersten Gefäße noch recht dickwandig („Zuerst dachte ich, sie müssten so dick immer gibt es neue Entdeckungen, ist die sein, weil sie sonst kaputt gehen.“), wur- Entwicklung nicht abgeschlossen. Das ex- den sie mit der Zeit immer dünner. Auch Uta K: Becker: Verschieden Größen von Kästchen mit perimentelle Element kommt ihr entgegen. das Farbspektrum änderte sich und zeigt Deckel, Jahr, Jeder Brand ist neu, das Ergebnis nicht wie- zunehmend farbenfrohe Töne. Und noch Material/Technik, Foto: Johannes Cawelius derholbar. Das gilt für Glasuren und Farb- nuancen wie für das so augenfällige Krake- lee, die Risse, die durch die plötzliche Ab- kühlung in der Oberfläche entstehen, wenn die Stücke glühend aus dem Ofen ge- nommen werden. Und die Töpferin fragt sich: Was habe ich da genau gemacht? Wie ist dies entstanden? 34
Am Anfang ihres keramischen Schaffens stand und steht für Uta Becker die formale Herausforderung. Ihre Neugier ist ein starker Motor. Runde Schalen perfektio- niert sie, bis sie zu den faszinierenden Leichtgewichten mit einer weichen, fast zarten Oberfläche werden, die beinahe als eine Art Markenzeichen gelten können. Dann beginnt sie sich für eckige Gefäße zu interessieren. Diese sind anfälliger für Spannungen, da sie nicht so gleichmäßig abkühlen, und entsprechend schwerer zu handhaben. Komplexere Objekte entste- hen und werfen Fragen auf: Wie lässt sich ein Deckel exakt in eine Dose einpassen? Wie eine Wand mit gitterartigen Aus- schnitten stabilisieren? Bei ihren neuesten Entwürfen kombiniert Becker teils offene, teils geschlossene Elemente zu einer über- raschenden Einheit. Stets fragt sie: Wie Uta K: Becker: Schwarzes Gefäß mit grünem Über-Eck-Gefäß, Jahr, weit kann ich gehen? Und lotet so immer 24 x 24 x 4,5 cm, 9 x 9 x 11 cm, Foto: Johannes Cawelius wieder aufs Neue Grenzen aus. Warum liegt ihr daran, solche anspruchs- die Gefäßwände sehr dünn oder die Plat- Eine: eine Entwicklung beschreiten, neue vollen Formen ausgerechnet mit einer ex- ten sehr groß, arbeitet sie „Stege“ aus dem Formen erschaffen, Herausforderungen perimentellen Technik, die noch dazu so gleichen Material ein. So können sich die bestehen. Das Andere: sich ganz sich hin- unberechenbar ist, umzusetzen? Die Ant- Wände nicht nach innen ziehen. Später einbegeben in den Prozess der Entstehung. wort lautet: Sie muss extrem korrekt ar- müssen diese Hilfsverbindungen von Hand Auch dies ist ein Teil von Uta Beckers beiten, um die vielen Aspekte und Unwäg- ausgesägt werden. Kunst, den sie bereitwillig offen legt. Hin- barkeiten des Entstehungsprozesses zu be- Diese formalen Gesichtspunkte sind das ter ihren feinen, schönen Gefäßen vermu- herrschen. Gerade diese Herausforderung stellt für Uta Becker einen besonderen Reiz dar. Das „klare“ Gefäß ist dabei Aus- gangspunkt des Gedachten, zugleich aber auch Ziel des tatsächlich Geschaffenen. Becker beginnt mit einer sehr genauen Vorstellung, die sie – mit allen Maßen – in einer Aufrisszeichnung festhält. „Ein Über- bleibsel aus Schreinerzeiten.“, erklärt sie augenzwinkernd. Wegen der schwierigen „äußeren“ Bedingungen sind diese konzep- tionellen und technischen Vorüberlegun- gen unabdingbar für die von ihr ange- strebte Exaktheit: beispielsweise lassen sich Tonplatten, die auf Gehrung geschnit- ten sind, viel besser verbinden. Nur die In- nenkannte muss „verschmiert“ werden. Schon das Trocknen ist ein schwieriger Prozess, den die Keramikerin ständig auf- merksam begleiten und steuern muss. Da- mit sich das Material nicht verzieht, spannt sie es fest oder beschwert es. Damit es gleichmäßig trocknet, wird es regelmäßig Uta K: Becker: Weißes Gefäß mit schwarzem Gefäß, Jahr, gewendet und gegen Temperaturschwan- 21 x 21 x 4,5 cm, 24 x 24 x 4,5 cm, Foto: Johannes Cawelius kungen und vor Lichteinfall geschützt. Sind 35
tet man kaum diese Fülle von Gegensätzen Uta K: Becker: 2 weiße, ein türkises und ein schwarzes Gefäß – weder beim Material, noch in der Her- in unterschiedlichen Größen und Formen gestapelt, Jahr, Material/Technik, Foto: Johannes Cawelius stellung, die äußerst präzise „Maßarbeit“ beinhaltet und gleichzeitig fast archaische Züge trägt. Zunächst der Ton, ein sehr grobes Mate- rial: Weißen Raku-Ton, 50prozentig scha- mottiert, verwendet Becker für die Scha- len, bei einigen Gefäßen mischt sie zusätz- Uta K: Becker: Weiße, grüne und türkise Über-Eck-Vasen, Jahr, 9 x 9 x 21 cm, Foto: Johannes Cawelius lich noch einmal einen Anteil von zehn bis fünfzehn Prozent Schamotte unter. An den schweren schwarzen Platten, auf denen farbige runde Teller lose aufliegen, ist diese Struktur an der Schnittkante sicht- bar: rau, grob und unregelmäßig. In ver- blüffendem Kontrast dazu die glatte Ober- seite. In der Werkstatt erfolgen die vielen Ar- beitsschritte vom Zeichnen über das For- men bis zum Schneiden des lederharten Tons, vom Zusammensetzen der Gefäße über das Trocknen bis zum Schrühbrand. Die scharfen Kanten der dünnwandigen Schalen müssen nach dem ersten Brennen noch geglättet, die – meist einfarbigen – Glasuren aufgebracht werden. Das Resul- tat ist im Raku-Brand nur bedingt vorher- sehbar; sich auf Überraschungen bewusst einzulassen bedeutet auch, dass manche Frage offen bleibt. Doch statt auf chemi- sche Formeln zu setzen, gewinnt Uta Bek- ker ihre Erkenntnisse lieber, indem sie aus- probiert. Einzigartig ist das feine Krakelee. Es erfordert besonderes Geschick. Außen unglasierte Gefäße sind extrem empfind- lich und müssen entsprechend sorgsam behandelt werden. Manchmal passiert es, dass die Glasur „überläuft“; solche Fehl- brände sortiert Becker aus, da ist sie streng. Anschließend geht es nach draußen. Dort im Garten befindet sich der Raku-Ofen, außerdem mehrere große Tonnen mit Deckel. Durch ein Dach ein wenig wetter- 36
Alle von Uta Katharina Becker geschaffe- nen Keramiken sind benutzbar und eröff- nen auch in der Funktion noch neue Di- mensionen. Besonders die eckigen Vasen laden mit ihrem architektonischen Cha- rakter dazu ein, sie immer neu zu arran- gieren, die üblichen Sehgewohnheiten zu verlassen. Eine Rückkehr zur Bildhauerei kann sich die Künstlerin nicht, freiere Ar- beiten aber sehr wohl vorstellen. Die Ke- ramik hält für sie noch viele Möglichkeiten offen. Frauke Kerkmann UTA KATHARINA BECKER Uta K: Becker: Weiße, grüne und gelbe blattförmige Dosen, Jahr, 14 x 14 x 6 cm, 12 x 14 x 6 cm, Foto: Johannes Cawelius geschützt, aber doch so offen, dass man Glasur färbt der Kohlenstoff-Rauch eben- sich in der Natur befindet. 1 ½ bis 2 Stun- falls dunkel. Normalerweise kommen nur 1964 geboren in Bensberg den braucht der Gasofen um aufzuheizen. Teile mit gleicher Glasur in denselben 83–86 Schreinerlehre Die Höchsttemperatur beträgt zwischen Brand; wichtige Stücke brennt sie sogar 86–89 Studium der Bildhauerei an der 1000 und 1100 Grad. Eine weitere Über- einzeln. Trotzdem gibt es noch viel Aus- Alanus Hochschule, Bonn raschung: Uta Becker arbeitet ohne Tem- schuss. seit 2000 eigene Keramikwerkstatt in peraturmesser. Sie beobachtet den Brand Doch so aufwändig und körperlich an- Rösrath-Hoffnungsthal durch eine kleine Öffnung. Insbesondere strengend das Verfahren ist, so sehr spürt Kopf und Hände müssen vor Hitze und man auch die Begeisterung und Hingabe AUSZEICHNUNGEN Feuer geschützt werden, deshalb trägt die für eine Geisteshaltung, die Becker verin- 1998 Kunstförderpreis der Stadt Künstlerin Schutzkleidung. Mit dicken nerlicht hat: Raku ist unmittelbares, leben- Rösrath Handschuhen und einer großen Eisenzange diges Tun, das viel von ihr selbst spiegelt – 2002 Preisträgerin Kalker Kunstmeilen, nimmt sie die glühenden Stücke aus dem und viel fordert. Vor allem hohe Aufmerk- Köln Ofen und legt sie in die vorbereiteten Be- samkeit: Konzentriert, anwesend, wach 2003 1. Preis Gefäß, Handwerkskam- hälter. Durch das Einbetten in organisches muss sein, wer die glühenden Gefäße aus mer Köln Material kommt es zu starker Rauchent- dem Ofen holt. Innerhalb von Sekunden 2011 manu factum, Staatspreis Kunst- wicklung und Sauerstoffentzug. Becker be- entscheiden: Was brenne ich wie lange? handwerk Nordrhein-Westfalen, nutzt dazu feines und grobes Sägemehl, das Wann muss ich welche Stücke herausneh- Bereich Keramik unterschiedliche Spuren auf der Oberflä- men? Auf den richtigen Zeitpunkt kommt che hinterlässt. Einige Stunden bleiben die es an. So wie die Keramikerin zuvor alles AKTUELLE Stücke in den mit nassen Tüchern abge- in das Gefäß hineingelegt hat, muss sie es AUSSTELLUNGSTERMINE: deckten Tonnen, große Gefäße auch mal anschließend beim Brennen wieder aus „Lieblingsstücke“, 23.–25. März 2012, Köln, über Nacht. Durch das Räuchern erhalten den Händen geben – dieses Loslassen ist Galerie CRAFTkontor zeigt Arbeiten von Uta die unglasierten Teile ihren Farbton – die- ein intensiver Moment, der ihr nicht leicht K. Becker auf der EUNIQUE, 3.–6. Mai ser ist durchaus nicht monochrom son- fällt. Auch nach so vielen Jahren ist sie 2012, in Karlsruhe dern reicht von grau-braun bis zu metalli- manchmal enttäuscht, wenn sich etwas schen Farbtönen. Die feinen Risse in der nicht wiederholen lässt oder kaputt geht. www.uta-k-becker.de 37
Sie können auch lesen