Raus aus der Niedrigeinkommensfalle(!) Der ifo-Vorschlag zur Reform des Grundsicherungssystems - ifo.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FORSCHUNGSERGEBNISSE Maximilian Blömer, Clemens Fuest und Andreas Peichl Raus aus der Niedrigeinkommensfalle(!) Der ifo-Vorschlag zur Reform des Grundsicherungssystems In den letzten Monaten hat sich die Debatte über den Reformbedarf beim deutschen Grund- sicherungssystem und insbesondere bei Hartz IV intensiviert. In diesem Beitrag legt das ifo Institut einen Reformvorschlag vor, der sich darauf konzentriert, die Beschäftigungs- anreize des Grundsicherungssystems zu verbessern. Es werden Fehlanreize abgebaut, die die Empfänger von Grundsicherung derzeit daran hindern, höhere eigene Einkommen zu erzielen und die Abhängigkeit von Transfers zu überwinden oder wenigstens zu reduzie- ren. Damit die Betroffenen der Niedrigeinkommensfalle entkommen können, muss sich Arbeit lohnen. DIE DEBATTE ÜBER REFORMBEDARF BEI HARTZ IV heit von Sanktionen bzw. Kürzungen des »Existenzmi- nimums« in bestimmten Fällen2, die Stigmatisierung In den letzten Monaten hat sich die Debatte über den von Bedürftigen durch den Gang zum Amt (mit der Reformbedarf beim deutschen Grundsicherungssys- Folge der Nichtinanspruchnahme durch anspruchsbe- tem und insbesondere bei Hartz IV intensiviert. Kriti- rechtigte Bedürftige) sowie die Komplexität des Sozi- ker bemängeln, Hartz IV sei ungerecht und begünstige alsystems insgesamt. Zur Lösung dieser Probleme ein Anwachsen des Niedriglohnsektors in Deutsch- werden eine Vielzahl von Reformvorschlägen disku- land. Befürworter des bestehenden Systems halten tiert – von minimalinvasiven Eingriffen im bestehen- dem entgegen, die Hartz-Reformen hätten den Abbau den System bis hin zu Radikalreformen wie der Ein- der Arbeitslosigkeit in Deutschland seit 2005 erst führung eines bedingungslosen Grundeinkommens.3 ermöglicht, eine Abschaffung von Hartz IV würde die- In diesem Beitrag unterbreiten wir einen Reform- sen Erfolg gefährden.1 vorschlag, der sich darauf konzentriert, die Beschäf- Hartz IV (offiziell »Arbeitslosengeld II«) gibt es tigungsanreize des Grundsicherungssystems zu ver- seit den Hartz-Reformen des Jahres 2005. Durch bessern. Es werden Fehlanreize abgebaut, die Emp- die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslo- fänger von Grundsicherung derzeit daran hindern, senhilfe wurden Sozialhilfebezieher (leicht) besser höhere eigene Einkommen zu erzielen und die Abhän- und Arbeitslosenhilfebezieher (teilweise deutlich) gigkeit von Transfers zu überwinden oder wenigstens schlechter gestellt. Gleichzeitig wurde die Bedürf- zu reduzieren. Damit die Betroffenen der Niedrigein- tigkeitsprüfung in Form der Vermögensanrechnung kommensfalle entkommen können, muss sich Arbeit verschärft und die Transferleistung an Bedingungen lohnen. geknüpft, vor allem die Bereitschaft, sich um eine Die bestehenden Hartz-IV-Hinzuverdienstrege- Beschäftigung zu bemühen. lungen bevorzugen Kleinstjobs bis 100 Euro.4 Dar- Die Kritik an Hartz IV setzt an verschiedenen Rege- über hinaus ist es für die Betroffenen selten lohnens- lungen an. Dazu zählen die Leistungshöhe an sich, die wert, die Arbeitszeit auszuweiten und Bruttoeinkom- Unabhängigkeit der Leistung von der Erwerbsbiogra- men zu erhöhen. Dabei ist es empirisch erwiesen, phie, mangelnde Erwerbsanreize wegen hoher Trans- dass zu hohe Steuern und Abgaben leistungsfeind- ferentzugsraten (verbunden mit dem Phänomen der 2 Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur »Aufstocker«, das Abhängigkeit von Transfers trotz Vereinbarkeit der Sanktionen mit dem Grundgesetz wird für den Beschäftigung bedeutet), das als zu gering betrach- Sommer 2019 erwartet. 3 Siehe z.B. die untersuchten Vorschläge in Bruckmeier et al. tete »Schonvermögen«, die Frage der Angemessen- (2018a) sowie Blömer und Peichl (2018; 2019). 4 Bruckmeier und Becker (2018) zeigen in ihren Auswertungen mit 1 Siehe Krebs und Scheffel (2013; 2017), Launov und Wälde (2013), den PASS-Daten eine deutliche Häufung von Kleinstjobs mit Monats- Dustmann et al. (2014) sowie Hartung et al. (2018) für (makro-) einkommen knapp unter 100 Euro sowie von geringfügigen Beschäf- ökonomische Analysen der Hartz-Reformen. Vereinfacht zusam- tigungen. Von Praktikern in Job-Centern wird zudem oft vermutet, mengefasst zeigen die Studien, dass die Reformen wichtig für den dass es sich bei der Vielzahl dieser Tätigkeiten um sogenannte »Tarn- Rückgang der (strukturellen) Arbeitslosigkeit waren – aber nicht der kappenjobs« handelt, die Schwarzarbeit verschleiern sollen (vgl. einzige Erklärungsfaktor hierfür sind. Rürup und Heilmann 2012). 34 ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019
FORSCHUNGSERGEBNISSE lich sind. Die höchste Grenzbelastung in Deutschland tet unser Reformpaket eine Integration von Arbeitslo- gibt es aber im Bereich der Grundsicherung. Gerade sengeld II, Kinderzuschlag und Wohngeld zu einer ein- Hartz-IV-Bezieher werden mit impliziten Grenzsteu- heitlichen Transferzahlung sowie eine Anpassung der ersätzen von 80–100% belastet. Mit Kindern und ins- Vermögensanrechnung. besondere bei Alleinerziehenden kann es sogar sein, dass mehr Brutto- zu weniger Nettoeinkommen führt KRITIK AM AKTUELLEN SYSTEM UND (vgl. Peichl et al. 2017; Bruckmeier et al. 2018b), die REFORMVORSCHLAG implizite Grenzsteuerbelastung also über 100% liegt. Ein solches System ist schädlich, denn es bestraft Durch die Hartz-Gesetze wurden u.a. Arbeitslosen- Leistung dort, wo sie sich besonders lohnt: wenn hilfe und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II man durch eigene Anstrengung der Abhängigkeit von (ALG II, umgangssprachlich »Hartz IV«) zusammen- Transfers entkommen will. Die Gefahr, dass Regelun- gelegt. Erwerbsfähige Hilfsbedürftige erhalten ALG II gen zur Einkommensanrechnung sowie einsetzende (monatlicher Regelsatz seit 2019: 424 Euro für den Steuer- und Abgabenlasten (hohe implizite Grenz- Haushaltsvorstand der Bedarfsgemeinschaft), wäh- steuersätze) Anreize zur Arbeitsaufnahme zerstören, rend nicht erwerbsfähige Hilfsbedürftige das sog. ist seit langer Zeit bekannt. Auch das ifo Institut hat Sozialgeld in gleicher Höhe erhalten. Zusätzlich zum bereits vor über 30 Jahren darauf hingewiesen (vgl. Regelbedarf werden die Beiträge zur Krankenkasse z.B. Nierhaus 1987)5. Obwohl gerade die Hartz-Refor- gezahlt, und es gibt noch Leistungen für Kosten der men das Ziel hatten, die Anreize zur Arbeitsaufnahme Unterkunft (KdU), einige unregelmäßige Leistun- zu verbessern, ist das Problem hoher impliziter Grenz- gen (auf Antrag) sowie einige Vergünstigungen (z.B. steuerbelastung von niedrigen Einkommen nach wie Befreiung von GEZ-Gebühren oder ÖPNV-Tickets). Der vor ungelöst. durchschnittliche Leistungsumfang (Regelsatz + KdU) Hier setzt unser Reformkonzept an. Wir schlagen beträgt ca. 745 Euro im Monat für einen Single. Falls vor, die implizite Grenzsteuerbelastung im Niedrigein- ein Hilfsbedürftiger ohne wichtigen Grund die Auf- kommensbereich neu zu gestalten und sie oberhalb nahme einer zumutbaren Arbeit verweigert, kann die einer Einkommensgrenze von 630 Euro pro Monat auf Regelleistung um 30%, im Extremfall sogar vollstän- 60% zu senken. Im Niedrigeinkommensbereich reagie- dig gekürzt werden. Die Transferentzugsrate für Hin- ren die Beschäftigten besonders stark auf Arbeitsan- zuverdienste bzw. zur Anrechnung der Einkünfte der reize. Eine Senkung der impliziten Grenzsteuerbelas- Bedarfsgemeinschaft liegt zwischen 80 und 100%. tung kann das Arbeitsangebot deshalb signifikant Wie in der Einleitung bereits erwähnt, werden in steigern. Gerade in der aktuellen Arbeitsmarktsitua- der aktuellen Reformdebatte verschiedene Aspekte tion in Deutschland haben Menschen, die mehr arbei- des bestehenden Systems kontrovers diskutiert: ten wollen, gute Chancen, auch Beschäftigung zu fin- den. Unsere Schätzungen zeigen, dass die durch die 1. die Leistungshöhe, Reform entlasteten Haushalte ihr Arbeitseinkommen 2. die Unabhängig der gewährten Leistungen von so stark ausweiten, dass ihr Nettoeinkommen pro Jahr der bisherigen Erwerbsbiographie der Empfänger, um durchschnittlich rund 1 000 Euro ansteigt. Die Stei- 3. mangelnde Erwerbsanreize wegen hoher Trans- gerung entspricht einer Erhöhung des Hartz-IV-Regel- ferentzugsraten, satzes um rund 20%, allerdings handelt es sich hierbei 4. geringes »Schonvermögen«, um selbst erzieltes Einkommen. 5. die Angemessenheit von Sanktionen bzw. Leis- Eine Reform, die zu mehr Beschäftigung und tungskürzungen in bestimmten Fällen, höheren verfügbaren Einkommen unter den Empfän- 6. Stigmatisierung durch Gang zum Amt (mit der Folge gern von Hartz-IV-Leistungen führt, würde die Ein- der Nichtinanspruchnahme durch anspruchsbe- kommensungleichheit in Deutschland verringern und rechtigte Bedürftige) sowie die gesamtwirtschaftliche Produktion steigern – sie 7. die Komplexität des Sozialsystems insgesamt. wäre effizient und gerecht. Reformbedarf besteht nicht nur bei den Hinzu- Über jeden dieser Punkte kann und sollte man dis- verdienstregelungen. Langfristig ist ein besser inte kutieren. Erstens kann man selbstverständlich über griertes und aufeinander abgestimmtes Gesamtsys- die angemessene Höhe der Leistungen streiten. Kri- tem der Steuern, Abgaben und Transfers wünschens- tiker bemängeln, Empfänger von Hartz-IV-Leistun- wert. Die Umsetzung einer solchen umfassenden gen müssten in Armut leben. In dieser Debatte ist es Reform ist jedoch kurzfristig nur schwer vorstell- wichtig, zwischen absoluten und relativen Armuts- bar. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf eine konzepten zu differenzieren. Mit den Hartz-IV-Leis- Reform der sozialen Grundsicherung. Neben einer tungen liegt man deutlich über jeder üblichen abso- Anpassung der Hinzuverdienstmöglichkeiten beinhal- luten Armutsgrenze (z.B. 1,90 US-Dollar pro Tag von UNO oder Weltbank). Anders sieht es bei relativen 5 Und auch im Vorfeld und Nachgang der Hartz-Reformen hat sich Armutsgrenzen aus. Die Hartz-IV-Leistungen sind für das ifo Institut intensiv mit dem Thema beschäftigt: siehe hierzu z.B. Sinn et al. (2002; 2006, 2007a; 2007b) und die Sonderausgabe des ifo verschiedene Haushaltstypen unterschiedlich. Bei Schnelldienstes 60(4), 2007. 40% des Medianeinkommens spricht man von rela- ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019 35
FORSCHUNGSERGEBNISSE tiver Armut, bei 60% von Armutsgefährdung. Singles der Bemühung des Transferempfängers, eigenes Ein- liegen mit den Hartz-IV-Leistungen unter der Grenze kommen zu erzielen, gerechtfertigt sind. Aus der Sicht von 60% des mittleren verfügbaren Einkommens der Steuerzahler, die die Transferleistungen finan- (ca. 1 000 Euro). Bei anderen Haushaltstypen ist es zieren, ist die Sanktionierung mangelnder Bereit- ähnlich, manchmal kann man auch knapp über der schaft zur Arbeitsaufnahme bei den Empfängern ein jeweiligen relativen Armutsgefährdungsgrenze lie- wichtiger Aspekt der Fairness des Gesamtsystems gen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass dieses Grundsi- (»Solidarität ist keine Einbahnstraße«). Ob Sanktio- cherungsniveau bewusst niedrig gewählt ist. Denn es nen in den richtigen Fällen verhängt werden und ob soll nur das Existenzminimum gesichert, nicht jedoch sie Verhaltensänderungen bei den Sanktionierten relative Armut verhindert werden. Vor allem soll verursachen, ist eine empirische Frage.7 Wir bewerten das sog. »Lohnabstandsgebot« sicherstellen, dass das Sanktionssystem im Rahmen unseres Reformvor- sich Arbeit lohnt, Beschäftigte also besser und nicht schlags nicht.8 schlechter gestellt werden als Nicht-Beschäftigte. Sechstens wird Hartz IV wegen der damit verbun- Darüber hinaus zeigt sich im internationalen Vergleich denen Stigmatisierung der Empfänger kritisiert. In (z.B. auf OECD-Ebene), dass das deutsche Niveau der Tat sollten die Leistungen administrativ so gestal- der Grundsicherung relativ hoch ist (vgl. Causa und tet werden, dass eine Stigmatisierung möglichst ver- Hermansen 2017). mieden wird. Dazu gehört, dass die Daten der Trans- Das Verfahren zur Berechnung der Hartz-IV-Re- ferempfänger geschützt werden. Öffentlich zu erklä- gelsätze beruht auf unabhängigen statistischen Aus- ren, der Empfang dieser Transferleistungen sei ein wertungen der Einkommens- und Verbrauchsstich- Makel, steigert die gesellschaftliche Stigmatisierung probe (EVS). Dieser wissenschaftliche Ansatz hat den allerdings. Wünschenswert in diesem Zusammen- Vorteil, dass die Sätze nicht im laufenden politischen hang ist auch eine weitere Digitalisierung der öffent- (Überbietungs-)Prozess festgelegt werden, sondern lichen Verwaltung und Verknüpfung der Daten aus empirisch fundiert und transparent berechnet wer- unterschiedlichen Ämtern und Registern (vgl. Natio- den. Wir begrüßen dieses Vorgehen und raten drin- naler Normenkontrollrat 2017). Dies könnte schließ- gend davon ab, daran etwas zu ändern. Das bedeutet lich zu einer automatischen Auszahlung der Ansprü- allerdings nicht, dass das jeweilige Berechnungsver- che an alle Berechtigte führen (vgl. z.B. Blömer und fahren über jede Kritik erhaben ist. Mögliche metho- Peichl 2018).9 dische Fehler müssten korrigiert werden.6 Siebtens ist das deutsche Sozialsystem insge- Zweitens wurde mit der Einführung von ALG II samt zu kompliziert und teilweise inkonsistent. Der- bewusst die Leistungshöhe unabhängig von vorhe- zeit gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Behörden, rigen Einkünften gestaltet. Hier ging es darum zu die mehr als 150 steuer- und beitragsfinanzierte Sozi- verhindern, dass dauerhafte Transferleistungen an alleistungen verwalten. Ein Grund für die Grenzsteu- Empfänger mit ehemals höheren Einkommen die ersatzverläufe bei Alleinerziehenden von teilweise Arbeitsanreize stark einschränken. Dies sollte so bei- über 100% (vgl. Bruckmeier et al. 2018b) ist auch, dass behalten werden. ALG II, Wohngeld und Kinderzuschlag – aufgrund der Der dritte Punkt, die hohen Transferentzugsraten jeweiligen Zuständigkeit von drei Ministerien – nicht und die damit verbundenen Fehlanreize, stehen im aufeinander abgestimmt sind.10 Hier sind weitere Mittelpunkt unseres Reformvorschlags und werden Reformen dringend notwendig. In unserem Vorschlag weiter unten ausführlich diskutiert. Viertens gehen von der Höhe des Schonvermö- 7 Beispielsweise dokumentieren van den Berg, Uhlendorff und Wolff (2017) einen positiven Effekt der Sanktionen auf die Wieder- gens ebenfalls Anreizwirkungen aus. Aus der Pers- beschäftigungswahrscheinlichkeit, der aber auch mit niedrigeren pektive des Subsidiaritätsprinzips ist es richtig, dass Löhnen einhergehen kann. 8 Es bleibt lediglich festzuhalten, dass die Härte der Sanktionen jedermann zunächst eigene Mittel einsetzt, bevor Hil- in Deutschland im OECD-Mittelfeld liegt (vgl. Immervoll und Knotz fen des Staates beansprucht werden. Eine volle Ver- 2018). 9 Gleichwohl kann eine entsprechende Komplexität des Systems mögensanrechnung untergräbt aber Anreize zur Vor- und die daraus resultierende Nichtinanspruchnahme von Leistungen sorge. In dieser Abwägung schlagen wir vor, die Höhe sogar politisch gewünscht bzw. »optimal« sein (vgl. Kleven und Kop- zcuk 2011). des Schonvermögens zusätzlich an die Erwerbsbio- 10 Durch das »Starke Familien Gesetz« soll der Kinderzuschlag von graphie zu binden. Das kommt nicht nur denen entge- 170 auf 185 Euro/Monat je Kind zur Mitte des Jahres 2019 erhöht werden und ab 2020 die Einkommensminderung nur noch 45% statt gen, die es als unfair ansehen, wenn Transferempfän- 50% betragen. Die »Abbruchkante« an der Höchsteinkommensgren- gern, die nie gearbeitet haben, das gleiche Schonver- ze soll abgeschafft werden. Insgesamt verringern diese Regelungen jedoch nicht die hohen Grenzbelastungen im niedrigen Einkom- mögen gewährt wird wie Empfängern, die viele Jahre mensbereich, sondern weiten diesen eher noch auf den mittleren gearbeitet haben. Es kommt hinzu, dass diese Bin- Einkommensbereich aus. Zudem wurde 2017 der Unterhaltsvor- schuss deutlich verbessert. Jedoch ist auch diese Leistung nicht dung die Arbeitsanreize stärkt. ausreichend auf den Kinderzuschlag und das Wohngeld abgestimmt. Der fünfte Punkt betrifft die Frage, ob Leistungs- Denn durch die Anrechnung des Unterhaltsvorschusses auf die beiden anderen Leistungen kann sich die Einkommenssituation der kürzungen bei tatsächlich oder vermeintlich fehlen- betroffenen Haushalte sogar verschlechtern (vgl. Stöwhase 2018). Darüber hinaus bleiben kleinere Sprungstellen sowie hohe Grenz- 6 Zur Kritik an der konkreten Vorgehensweise bei der Berechnung belastungen durch die Interaktion mit dem Kinderzuschlag und der Regelsätze siehe z.B. Bauernschuster et al. (2010), Becker und dem Wohngeld bestehen, obwohl der Unterhaltsvorschuss für sich Tobsch (2016) oder Sell (2016). genommen anreiztechnisch relativ neutral ist. 36 ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019
FORSCHUNGSERGEBNISSE adressieren wir dieses Problem nur insofern als wir schlag für Haushalte ohne Kinder eine Grenzbelas- Wohngeld und Kinderzuschläge mit den Hartz-IV-Leis- tung von 100% bis zu einer Grenze von 630 Euro/ tungen zusammenfassen. Gleichwohl ist langfris- Monat vor.13 Für Beschäftigungen über diese Grenze tig ein integriertes und aufeinander abgestimmtes gilt in beiden Varianten ein anrechnungsfreier Hin- Gesamtsystem wünschenswert, auch wenn wir einer zuverdienst von 40%, d.h. eine Grenzbelastung solchen grundlegenden Reform im politischen Pro- von 60%. Für Haushalte mit Kindern modelliert der zess kurzfristig kaum Chancen einräumen und uns ifo-Vorschlag ab 100 Euro eine Grenzbelastung von deshalb in diesem Beitrag auf eine Reform der Grund- 80%, statt 100%, bis zu einer Grenze von individuell sicherung beschränken.11 630 Euro/Monat. Darüberhinausgehende Hinzuver- Unser Reformvorschlag enthält folgende Ele- dienste unterliegen ebenfalls einer Grenzbelastung mente: Erstens die Senkung der Grenzbelastung mit von 60%. einer Differenzierung nach Haushaltstypen, zwei- Ein weiteres Element des ifo-Vorschlags betrifft tens die Zusammenfassung der Transferleistun- die Anrechnung von Vermögen beim ALG II. Dabei wer- gen Arbeitslosengeld II inkl. Kosten der Unterkunft, den die grundsätzlichen Regelungen des § 12 SGB II Wohngeld sowie Kinderzuschlag sowie drittens die und des § 65 Abs. 5 beibehalten. Zusätzlich erhöht sich Erhöhung des Schonvermögens beim ALG II in Abhän- in unserem Reformvorschlag jedoch das Schonvermö- gigkeit der individuellen Erwerbshistorie. Die Aus- gen um 150 Euro je Erwerbsjahr (in abhängiger oder gangshöhe, also das Einkommen bei Arbeitslosigkeit, selbständiger Beschäftigung) für jede Person in der entspricht im ifo-Vorschlag der bisherigen Höhe von Bedarfsgemeinschaft. ALG II inkl. KdU. Der ifo-Vorschlag unterscheidet bezüglich der ILLUSTRATION DER ANREIZWIRKUNGEN DES Grenzbelastung deutlich zwischen Haushalten mit REFORMKONZEPTS und ohne Kindern. Eine Besserstellung aller Haus- halte im Vergleich zum Status quo ist nur mit erhebli- Wie bereits erläutert, verfolgt unser Reformkonzept chen Mehrkosten möglich (vgl. z.B. Blömer und Peichl primär das Ziel, die Leistungsanreize in den unteren 2018). Unser Vorschlag ist ohne Berücksichtigung von Einkommensbereichen zu verbessern und Hinder- Verhaltensanpassungen als ungefähr aufkommens- nisse für das Erzielen von Einkommen abzubauen. neutral ausgelegt.12 Aus diesem Grund wird es Gewin- Dazu verändern wir die Grenzbelastung, die sich ner und Verlierer geben. Wir haben uns dafür entschie- durch das Zusammenspiel von Transferleistungen den, Bedarfsgemeinschaften mit Kindern tendenziell und Transferentzugsraten ergibt. besser zu stellen als Bedarfsgemeinschaften ohne Zur Illustration des Reformvorschlags werden Kinder. Letztere können einfacher ihr Arbeitsange- hier die Brutto-Netto-Verläufe und die korrespondie- bot ausweiten und so durch Mehrarbeit die Einkom- renden Grenzbelastungen von zwei exemplarischen mensverluste kompensieren, die sich im statischen Musterhaushalten graphisch dargestellt: Wir betrach- Fall ohne Verhaltensanpassung ergeben würden. Kon- ten erstens einen Single-Haushalt und zweitens einen kret fällt für Bedarfsgemeinschaften ohne Kinder der Alleinerziehenden-Haushalt mit zwei Kindern. Die durch die derzeitigen Hinzuverdienstregelungen fest- Reformszenarien werden dabei stets mit dem aktu- gelegte Freibetrag in Höhe von 100 Euro pro Monat ellen Rechtsstand 2019 (»Status quo«; noch ohne die weg. Hier geht es nicht in erster Linie um Gegenfi- Änderungen des geplanten »Starke Familien Gesetz«) nanzierung, sondern darum, die Begünstigung von verglichen. Kleinstjobs im Status quo zu überwinden. Haushalte Der Kern unseres Reformkonzepts wird durch mit Kindern erhalten weiterhin die Möglichkeit, die Abbildung 1 für das Beispiel eines Singe-Haushalts mit ersten 100 Euro anrechnungsfrei hinzuzuverdienen, einem Bruttostundenlohn in Höhe des Mindestlohns da diese Haushalte über höhere Fixkosten der Arbeits- von 9,19 Euro illustriert. Die in der Abbildung darge- aufnahme verfügen. stellten Grenzbelastungskurven beschreiben, wel- In Anlehnung an verschiedene Vorschläge (unter- cher Anteil zusätzlich erzielten Bruttoeinkommens sucht z.B. in Peichl et al. 2011 sowie Blömer und Peichl den Beschäftigten in den unteren Einkommensbe- 2019), keinen anrechnungsfreien Hinzuverdienst bei reichen durch einsetzende Abgaben und entfallende Kleinst- und Minijobs zuzulassen, sieht der ifo-Vor- Transferleistungen entzogen wird. Wie Abbildung 1 11 Siehe z.B. Löffler et al. (2012), Blömer et al. (2017) oder Breuer zeigt, ergibt sich im bestehenden System bei einer (2019) für Möglichkeiten eines integrierten Systems bzw. für Entlas- Arbeitszeit zwischen rund 20 und 35 Stunden eine tungen für Geringverdiener außerhalb des Systems der Grundsiche- rung. Grenzbelastung von mindestens 80, teilweise bis zu 12 Selbstverständlich sind auch Varianten denkbar, die zusätzliche 100%. Die Arbeitszeit also beispielsweise von 20 auf Ausgaben verursachen. In der Diskussion darf man jedoch nicht ver- gessen, dass es sich bei Hartz IV um eine Transferleistung handelt. 35 Stunden auszudehnen, lohnt sich für den Single Diese muss durch umverteilende Steuern finanziert werden. Der Be- praktisch nicht, obwohl dies für ein existenzsichern- steuerung sind in einer globalisierten Welt jedoch Grenzen gesetzt, da sie immer zu Effizienzverlusten durch Ausweichreaktionen der des Einkommen notwendig wäre. Besteuerten führt und auch die Erhebungs- und Befolgungskosten 13 nicht zu vernachlässigen sind. Eine weitere Art der Finanzierung Das entspricht dem Einkommen, das sich bei einer Beschäftigung wäre eine Reduktion anderer Staatsausgaben zu Gunsten von Hartz von zwei Tagen (16 Stunden) pro Woche und 4,28 Wochen pro Monat IV – z.B. bei der Rente mit 63. zum Mindestlohn in Höhe von 9,19 Euro pro Stunde ergibt. ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019 37
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 1 von 9,19 Euro. Bei niedrigen Effektive marginale Grenzbelastung Arbeitszeiten ist das Nettoein- Single-Haushalt kommen etwas geringer als im % Status quo (2019) ifo-Vorschlag Status quo, weil der anrech- 100 nungsfreie Hinzuverdienst in Höhe von 100 Euro wegfällt. 80 Bei längeren Arbeitszeiten wird der Haushalt etwas bes- 60 ser oder zumindest gleich gut gestellt wie im bestehenden 40 System. Der Nettoeinkommens- 20 verlauf für einen beispielhaf- ten Alleinerziehenden-Haus- 0 halt mit zwei Kindern wird in 0 10 20 30 40 50 60 Wöchentliche Arbeitszeit (Stunden) Abbildung 4 gezeigt. Wie zu Hinweis: Die Graphik zeigt die effektive marginale Gesamtbelastung durch Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Transferentzug bezogen auf die geleisteten Wochenarbeitsstunden bei einem Bruttostundenlohn von 9,19 Euro. erkennen ist, ermöglicht es Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. © ifo Institut der ifo-Vorschlag, Haushalten mit Kindern auch bei Hinzuver- Abb. 2 diensten im Kleinst- und Mini- Verfügbares Haushaltseinkommen Single-Haushalt jobbereich eine Erhöhung des Status quo (2019) ifo-Vorschlag Haushaltsnettoeinkommens Euro/Monat 3 000 zu erzielen. Die Besserstel- lung im Vergleich zu Singles ist 2 500 dadurch gerechtfertigt, dass es für Haushalte mit Kindern 2 000 wegen der Kinderbetreuung 1 500 deutlich schwieriger ist, länger zu arbeiten, auch wenn län- 1 000 gere Arbeitszeiten hier eben- falls wünschenswert wären. 500 In der korrespondieren- den Abbildung 3 zur Grenz- 0 0 10 20 30 40 50 60 Wöchentliche Arbeitszeit (Stunden) belastung ist zu erkennen, Hinweis: Die Graphik zeigt das verfügbare Haushaltseinkommen bezogen auf die geleisteten Wochenarbeitsstunden dass der Transferentzug bis bei einem Bruttostundenlohn von 9,19 Euro. Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. © ifo Institut zu einem Bruttoeinkommen von 630 Euro/Monat genau wie Der ifo-Vorschlag bringt bei Single-Haushal- im Status quo verläuft. Ab diesem Einkommen stellt ten zwei Veränderungen. Erstens sehen wir bis zu sich der Musterhaushalt durch die geringere Grenzbe- einem Einkommen von 630 Euro eine Grenzbelastung lastung von 60% besser als im Status quo. von 100% vor. Der anrechnungsfreie Hinzuver- dienst in Höhe von 100 Euro entfällt. Dafür sinkt die AUSWIRKUNGEN AUF ÖFFENTLICHE HAUSHALTE, Grenzbelastung jenseits eines Einkommens von BESCHÄFTIGUNG UND EINKOMMENSVERTEILUNG: 630 Euro auf 60%. Das Ziel dieser Veränderungen BERECHNUNGSMETHODE UND ERGEBNISSE besteht darin, für Single-Haushalte klare Anreize zu setzen, eine existenzsichernde Beschäftigung im Wir analysieren die ökonomischen Auswirkungen Umfang von zumindest rund 30 Stunden anzustreben, unseres Reformvorschlags mit dem ifo-Mikrosimula- statt sich auf Kleinst- und Minijobs zu beschränken. tionsmodell. Das Modell erlaubt es abzuschätzen, wie Damit wird auch der Gefahr begegnet, dass Kleinstbe- sich Veränderungen im Steuer- und Transfersystem auf schäftigungsverhältnisse – etwa in Höhe der anrech- individuelle Arbeitsanreize und die Beschäftigungs- nungsfreien 100 Euro pro Monat – mit Schwarzar- entwicklung, auf die Einkommensverteilung und ver- beit kombiniert werden. Weitere positive Beschäfti- schiedene Haushaltstypen sowie auf die öffentlichen gungseffekte, die nicht in Abbildung 1 sichtbar sind, Haushalte – d.h. das Steueraufkommen, die Einnah- ergeben sich durch die Erhöhung des Schonvermö- men aus Sozialversicherungsbeiträgen und die Zah- gens in Abhängigkeit von den bisherigen Jahren der lung staatlicher Transferleistungen – auswirken. Erwerbstätigkeit. Für die Analyse von Budgetwirkungen gehen Mik- Abbildung 2 illustriert die Auswirkungen der rosimulationsmodelle über einfache saldenmecha- Reform auf das Nettoeinkommen des betrachteten nische Abschätzungen deutlich hinaus, da sie Ver- Single-Haushalts mit einem Stundenlohn in Höhe haltensanpassungen auf dem Arbeitsmarkt explizit 38 ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 3 In einem ersten Schritt bil- Effektive marginale Grenzbelastung den wir das Steuer- und Trans- Alleinerziehend, zwei Kinder fersystem zum Rechtsstand % Status quo (2019) ifo-Vorschlag Anfang 2019 nach. Dabei wird 120 unter Berücksichtigung von 100 Freibeträgen, Anrechnungs- pauschalen, Sonderausga- 80 ben sowie Abzugsbeträgen für außergewöhnliche Belastun- 60 gen und sonstige Privatauf- 40 wendungen das individuell verfügbare Nettoeinkommen 20 für jeden Fall der Stichprobe 0 gemäß dem jeweiligen Haus- 0 10 20 30 40 50 60 Wöchentliche Arbeitszeit (Stunden) haltskontext berechnet. Hinweis: Die Graphik zeigt die effektive marginale Gesamtbelastung durch Steuern, Sozialversicherungsbeiträge Anschließend werden die und Transferentzug bezogen auf die geleisteten Wochenarbeitsstunden bei einem Bruttostundenlohn von 9,19 Euro. Grenzbelastung zur besseren Darstellung bei - 1 und 120% trunkiert. Ergebnisse mit den Fallgewich- Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell © ifo Institut ten multipliziert und damit auf die Gesamtpopulation Abb. 4 hochgerechnet. Verfügbares Haushaltseinkommen Alleinerziehend, zwei Kinder Genauso werden für den ifo-Vorschlag die indivi- Euro/Monat Status quo (2019) ifo-Vorschlag 4 000 duellen Steuer- und Transfer- zahlungen und die Nettoein- kommen der Haushalte ermit- 3 000 telt. Auf diese Weise können sowohl die Gesamteffekte als auch die Auswirkungen auf 2 000 jeden einzelnen Haushaltstyp analysiert werden. Um die 1 000 Reformeffekte auf das Arbeits- angebot zu simulieren, ver- wenden wir ein diskretes Nut- 0 zenmodell in Anlehnung an 0 10 20 30 40 50 60 Wöchentliche Arbeitszeit (Stunden) Hinweis: Die Graphik zeigt das verfügbare Haushaltseinkommen bezogen auf die geleisteten Wochenarbeitsstunden van Soest (1995). bei einem Bruttostundenlohn von 9,19 Euro. Dabei handelt es sich Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. © ifo Institut um ein statisches, struktu- relles Haushaltsarbeitsange- modellieren und somit eine Ex-ante-Abschätzung der botsmodell, das die Arbeitsangebotsentscheidung Wirkungen bieten: Erstens, Sofortwirkungen ohne der Haushaltsmitglieder als optimale Wahl zwischen Verhaltenseffekte (in der folgenden Ergebnisdarstel- einer begrenzten Anzahl von möglichen Arbeitszeit- lung als »ohne Anpassung« bezeichnet) und zweitens, kategorien modelliert. Bei den Berechnungen wird längerfristige Wirkungen mit Verhaltenseffekt auf das zudem sowohl im Status quo als auch in der Reform- Arbeitsangebot (»mit Anpassung«). variante eine endogene Inanspruchnahme der Als Datengrundlage für die Simulation dient Transferleistungen simuliert.14 Damit werden im- das Sozio-oekonomische Panel (SOEP). Die re- plizit Gründe wie Stigmaeffekte durch den Transfer- präsentative Stichprobe der Bevölkerung umfasst bezug oder die Komplexität der Beantragung, aber über 20 000 Personen in rund 11 000 Haushalten. auch in den SOEP-Daten nicht beobachtbare for- Wir nutzen die im SOEP genannten Vorjahresan- male Gründe, die zu einer Nichtinanspruchnahme gaben zu Einkommen und Beschäftigung und schrei- führen, berücksichtigt. Durch Eingriffe in das ben alle Einkommensangaben mittels des vom Sta- Steuer- und Transfersystem verändert sich der tistischen Bundesamt veröffentlichten Verbrau- cherpreisindex fort. Um mögliche Verhaltensreakti- 14 Die fiskalischen Kosten eine Ausweitung der Transferleistung onen und Beschäftigungsanpassungen aufgrund der und einer potenziellen Empfängerbasis wären bei einer 100%-In- anspruchnahme des ALG II höher. Empirisch werden teilweise hohe Reformen zwischen dem Jahr der Beschäftigungs- Quoten der Nichtinanspruchnahme bezogen auf die Anzahl der informationen (2016) und dem Status quo (2019) zu Haushalte ausgewiesen. Die Studien weisen allerdings auch darauf hin, dass der überwiegende Teil der Nichtinanspruchnahme-Haus- berücksichtigen, simulieren wir die Änderungen des halte durch kleine Ansprüche entstehen (vgl. Bruckmeier et al. 2013). Arbeitsvolumens und der Löhne zwischen beiden Siehe auch Blömer und Peichl (2018) für Simulationsrechnungen mit 100% Inanspruchnahme und eine Quantifizierung der zusätzlichen Jahren. Kosten. ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019 39
FORSCHUNGSERGEBNISSE Tab. 1 Tab. 1 alle Haushaltstypen hinweg, Beschäftigungswirkungen – ifo-Vorschlag hat der ifo-Vorschlag zunächst Vollzeitäquivalente Arbeitsmarktpartizipation kurzfristig (ohne Anpassung Tsd. VZÄ % Tsd. Personen % der Beschäftigung) leicht Gesamt 216 0,72 82 0,26 negative Auswirkungen auf Männer 112 0,68 76 0,49 das Haushaltseinkommen Frauen 103 0,77 6 0,04 Anmerkung: Beschäftigungswirkungen im Vergleich zum Status quo. Vollzeitäquivalente bemisst den Beschäfti- nach Steuern und Transfers gungseffekt, umgerechnet in Vollzeitbeschäftigten mit 40 Wochenarbeitsstunden. Arbeitsmarktpartizipation gibt (vgl. Tab. 2). Im Durchschnitt an, wie viele Erwerbspersonen zusätzlich in Beschäftigung wechseln. verringert sich das verfügbare Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. Haushaltseinkommen jedoch nur um 30 Euro pro Jahr. Die Nutzen einzelner Arbeitszeitkategorien, so dass Direktwirkungen wären bei Singles etwas stärker als es im Einzelfall zu Verhaltensänderungen kom- bei Alleinerziehenden. Paare ohne Kinder verzeich- men kann. Die Arbeitsangebotseffekte erge- nen einen knappen Einkommensrückgang, während ben sich als Summe der simulierten nutzen- Paare mit Kindern etwas bessergestellt werden. Nach maximierenden individuellen Entscheidungen vor Anzahl der Kinder wirkt der ifo-Vorschlag so, dass dem Hintergrund veränderter monetärer Erwerbs- gerade Haushalte ohne Kinder sich knapp schlechter- anreize. stellen, sofern sie ihr Arbeitsangebot nicht anpassen. Bei Haushalten mit einem oder zwei Kindern würde ERGEBNISSE sich auch ohne Anpassung des Arbeitsangebotes keine Änderung im verfügbaren Haushaltseinkom- Tabelle 1 zeigt die Beschäftigungswirkungen des men ergeben, während Haushalte mit drei und mehr ifo-Vorschlags im Vergleich zum Status quo. Die Kindern bereits bessergestellt werden. Beschäftigungswirkungen werden dabei in Vollzeit- Insgesamt zeigt sich, dass auch ohne Verhal- äquivalenten und als Arbeitsmarktpartizipation aus- tensanpassungen zu berücksichtigen, der Wegfall des gewiesen. Vollzeitäquivalente bemisst den gesam- Kinderzuschlages durch die geringeren Anrechnungs- ten Beschäftigungseffekt einschließlich verlänger- raten und der damit geringere Transferentzug bereits ter Arbeitszeit, umgerechnet in Vollzeitbeschäftigte kompensiert werden kann. mit 40 Wochenarbeitsstunden. Arbeitsmarktpartizi- Bezieht man mittelfristige Anpassungen des pation gibt an, wie viele Erwerbspersonen, die vor- Arbeitsangebots mit ein, ergibt sich allerdings ein her nicht gearbeitet haben, Tab. 2 zusätzlich in Beschäftigung Tab. 2 wechseln. Durchschnittliches verfügbares Haushaltseinkommen – ifo-Vorschlag Der ifo-Vorschlag wirkt so, Ausgang- Veränderung dass die insgesamt geleisteten swert Arbeitsstunden deutlich aus- Status quo ohne Anpassung mit Anpassung geweitet werden. Die Arbeits- Euro Euro % Euro % marktpartizipation ändert Gesamt 33 812 – 29 – 0,09 77 0,23 sich ebenfalls, erhöht sich Nach Haushaltstyp aber vergleichsweise weniger Alleinstehend 22 044 – 51 – 0,23 20 0,09 stark. Dies liegt daran, dass Alleinerziehend 24 918 – 47 – 0,19 234 0,94 Paar ohne Kinder 44 411 – 20 – 0,04 30 0,07 Kleinstjobs und Minijobs im Paar mit Kindern 49 147 18 0,04 283 0,57 ifo-Vorschlag weniger attrak- Nach Anzahl der Kinder tiv geworden sind und Perso- Ohne Kinder 31 149 – 38 – 0,12 24 0,08 nen, die diese Jobs vorher aus- Ein Kind 42 265 –2 – 0,01 241 0,57 geübt haben, sich entweder für Zwei Kinder 46 231 –2 – 0,01 301 0,65 Drei Kinder 42 819 51 0,12 303 0,71 eine Ausweitung der Arbeits- Vier und mehr Kinder 38 987 50 0,13 353 0,91 zeit oder aber für eine Aufgabe Nach Einkommensdezil (äquivalenzgewichtet) im Status quo des Jobs entscheiden. 1. Dezil 8 674 – 57 – 0,65 – 22 – 0,26 Im ifo-Vorschlag ist der 2. Dezil 15 609 – 85 – 0,55 100 0,64 Anstieg der Arbeitszeiten, 3. Dezil 18 733 – 68 – 0,36 189 1,01 gemessen in Vollzeitäquiva- 4. Dezil 22 569 – 43 – 0,19 152 0,67 5. Dezil 25 077 –9 – 0,04 138 0,55 lenten, bei Frauen stärker, 6. Dezil 29 649 – 17 – 0,06 73 0,25 während bei Männern der 7. Dezil 35 281 –9 – 0,03 52 0,15 Effekt auf die Arbeitsmarkt- 8. Dezil 41 152 –6 – 0,01 48 0,12 partizipation größer ausfällt. 9. Dezil 52 988 –2 0,00 27 0,05 Betrachtet man die Ver- 10. Dezil 89 896 –1 0,00 6 0,01 Anmerkung: Die Tabelle weist die Wirkungen auf das durchschnittlich verfügbare Haushaltseinkommen pro Jahr änderung des verfügbaren im Vergleich zum Status quo aus. Haushaltseinkommens über Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. 40 ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019
FORSCHUNGSERGEBNISSE Tab. 3 Tab. 3 baren Haushaltseinkommen Durchschnittliches verfügbares Haushaltseinkommen – ifo-Vorschlag an, würde der ifo-Vorschlag mit Erhöhung des Schonvermögens zudem um die vorgeschlagene Ausgangswert Veränderung Anhebung des Schonvermö- Status quo ohne Anpassung gens erweitert. Euro Euro % In Tabelle 4 zeigen Gesamt 33 812 – 16 – 0,05 wir die Auswirkungen des Nach Haushaltstyp Alleinstehend 22 044 – 37 – 0,17 ifo-Vorschlags auf drei zen- Alleinerziehend 24 920 – 24 – 0,10 trale Ungleichheitsmaße: Paar ohne Kinder 44 411 – 14 – 0,03 den Gini-Koeffizienten, das Paar mit Kindern 49 148 43 0,09 P90/P10-Maß und die Armuts- Nach Anzahl der Kinder risikoquote. Ohne Kinder 31 149 – 28 – 0,09 Sowohl vor als auch nach Ein Kind 42 265 24 0,06 Zwei Kinder 46 232 22 0,05 der Anpassung hat der ifo-Vor- Drei Kinder 42 820 61 0,14 schlag nur begrenzte Auswir- Vier und mehr Kinder 38 987 65 0,17 kungen auf aggregierte Maße Nach Einkommensdezil (äquivalenzgewichtet) im Status quo der Ungleichheit der verfügba- 1. Dezil 8 674 14 0,16 ren Einkommen. Ohne Berück- 2. Dezil 15 608 – 67 – 0,43 3. Dezil 18 733 – 56 – 0,30 sichtigung der Anpassungsef- 4. Dezil 22 568 – 29 – 0,13 fekte steigt die Ungleichheit, 5. Dezil 25 077 –2 – 0,01 am P90/P10-Verhältnis gemes- 6. Dezil 29 649 – 12 – 0,04 sen, sogar leicht an. Berück- 7. Dezil 35 281 –7 – 0,02 sichtigt man die Anpassungs- 8. Dezil 41 152 –4 – 0,01 9. Dezil 52 989 –2 0,00 effekte, sinken alle Ungleich- 10. Dezil 89 897 0 0,00 heitsmaße leicht. Anmerkung: Die Tabelle weist die Wirkungen auf das durchschnittlich verfügbare Haushaltseinkommen pro Jahr Wie Tabelle 5 zeigt, hat im Vergleich zum Status quo aus. auch die Erhöhung des Schon- Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. vermögens keine merkli- chen Auswirkungen auf die anderes, heterogeneres Bild der Reform. Im Durch- Ungleichheit. schnitt profitieren gerade Alleinerziehende und Paare Die fiskalischen Wirkungen auf das Gesamtbud- mit Kindern spürbar von der Reform, während Allein- get sind in Tabelle 6 zu finden. Der ifo-Vorschlag wirkt stehende und Paare ohne Kinder nur ein leichtes gerade durch die Ausweitung des Arbeitsangebots Plus verzeichnen. Insgesamt wirken die Steigerun- positiv auf den Staatshaushalt. gen der verfügbaren Einkommen nicht sonderlich Durch den Wegfall der Hinzuverdienstrege- hoch. Bei der Interpretation der Zahlen ist aber zu lung des 100-Euro-Freibetrages im ALG II bei Haus- berücksichtigen, dass nur ein Teil der Haushalte in halten ohne Kindern wird der Staatshaushalt zu- den jeweiligen Einkommensdezilen überhaupt nächst Tab 4 entlastet. Zusätzliche Kosten entstehen Arbeitslosengeld II erhält und von diesen Haushalten hingegen durch die deutlich geringere Grenzbe- wiederum nur ein Teil sein Arbeitsangebot tatsäch- lich anpasst. Dort, wo Haushalte ihr Arbeitsangebot Tab. 4 Veränderung der Armuts- und Ungleichheitsmaße – angleichen, sind die Einkommenswirkungen erheb- ifo-Vorschlag lich größer: Für alle betroffenen Haushalte beträgt der durchschnittliche Pro-Kopf-Effekt 175 Euro. Hier- ohne mit Maß Anpassung Anpassung bei ist jedoch zu bedenken, dass es statisch im Ver- Gini-Koeffizient 0,001 – 0,001 gleich zum Status quo sowohl Gewinner- als auch P90/P10 0,036 0,000 Verliererhaushalte gibt. Außerdem erhöhen manche Armutsrisikoquote 0,002 – 0,004 Haushalte ihr Arbeitsangebot, während andere weni- Anmerkung: Die Tabelle weist die absolute Veränderung verschiedener Vertei- lungsmaße im Vergleich zum Status quo aus. ger arbeiten. Letzteres kann zu Einkommensrückgän- Tab. 5 Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. gen führen. Bei den Haushalten, die bessergestellt werden und ihre Beschäftigung ausweiten, beträgt der Tab. 5 durchschnittliche Einkommenszuwachs 1 031 Euro. Veränderung der Armuts- und Ungleichheitsmaße – Dies entspräche einer Erhöhung des Hartz-IV-Regel- ifo-Vorschlag mit Erhöhung des Schonvermögens satzes um rund 20% – allerdings erhöhen die Haus- Maß ohne Anpassung halte hier ihr Nettoeinkommen aus eigener Kraft und Gini-Koeffizient 0,000 sind deshalb weniger auf staatliche Unterstützung P90/P10 0,008 angewiesen. Armutsrisikoquote 0,001 Anmerkung: Die Tabelle weist die absolute Veränderung verschiedener Vertei- In Tabelle 3 geben wir die Direktwirkungen – lungsmaße im Vergleich zum Status quo aus. ohne Anpassung – auf die durchschnittlich verfüg- Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019 41
FORSCHUNGSERGEBNISSE Tab. 6 Tab. 6 sind einer Arbeitslosigkeit vorzuziehen, aber sie bie- Fiskalische Effekte, Veränderung in Mrd. Euro – ten in der Regel nur beschränkte Entwicklungspers- ifo-Vorschlag pektiven und erlauben es kaum, die Abhängigkeit von ohne mit staatlichen Transfers nachhaltig zu überwinden. Budgetgröße Anpassung Anpassung Der in diesem Beitrag vorgestellte ifo-Vorschlag Direkte Steuern 0,0 1,0 zur Reform der sozialen Grundsicherung führt dazu, SV-Beiträge (AN und AG) 0,0 2,6 Transfers 1,2 0,9 dass sich (mehr) Arbeit auch bei niedrigen Stunden- Gesamt 1,2 4,4 löhnen wieder lohnt. Durch die verbesserten Anreiz- Anmerkung: Budgetwirkung der Reform im Vergleich zum Status quo. Positive strukturen können Betroffene der Abhängigkeit von Werte bedeuten eine Entlastung, negative eine Belastung des Budgets. Quelle: Transfers aus eigener Kraft leichter entkommen als im Tab. 7ifo-Mikrosimulationsmodell. Status quo. Die Beschäftigung nimmt zu, ohne dass zusätzliche Kosten für den Staatshaushalt entste- Tab. 7 hen. Die Vorgabe der Aufkommensneutralität bedeu- Fiskalische Effekte, Veränderung in Mrd. Euro – tet, dass vor Verhaltensanpassungen einige Haushalte ifo-Vorschlag mit Erhöhung des Schonvermögens gewinnen, während andere verlieren. Diese Verluste Budgetgröße ohne Anpassung werden jedoch bei den meisten, wenn auch nicht bei Direkte Steuern 0,0 allen Haushalten, durch ausgedehnte Beschäftigung Sozialversicherung (AN und AG) 0,0 überkompensiert. Wenn man Einkommensverluste Transfers 0,7 ganz ausschließen will, müsste man etwas schlech- Gesamt 0,7 Anmerkung: Budgetwirkung der Reform im Vergleich zum Status quo. Positive tere fiskalische Wirkungen in Kauf nehmen. Trotz Werte bedeuten eine Entlastung, negative eine Belastung des Budgets. dieser Einschränkungen reduziert die von uns vor- Quelle: ifo-Mikrosimulationsmodell. geschlagene Reform nach üblichen Ungleichheits- maßen die Einkommensungleichheit. Eine Reform, lastung von 60% im mittleren Bruttoeinkom- die sowohl die Beschäftigung und damit die gesamt- mensbereich, sie überdecken aber nicht die wirtschaftliche Effizienz des Transfersystems steigert Einsparungen. als auch die aggregierte Ungleichheit der verfügbaren Im ifo-Vorschlag entfallen die Ausgaben für Wohn- Einkommen senkt, ist also möglich. geld sowie für den Kinderzuschlag. An die Stelle die- ser im Status quo vorgelagerten Leistungen tritt dann LITERATUR teilweise Arbeitslosengeld II inklusive der Kosten der Bauernschuster, St., W. Geis, Chr. Holzner und H. Rainer (2010), »Das Bun- Unterkunft. Die geringere Grenzbelastung belastet desverfassungsgerichtsurteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen: Hintergrund das Staatsbudget bei gegebener Beschäftigung. und Bedeutung«, ifo Schnelldienst 63(5), 21–29. Wenn man berücksichtigt, dass die Haushalte in Becker, I. und V. Tobsch (2010), Regelbedarfsbemessung–methodisch kon- sistente Berechnungen auf Basis der EVS 2013 unter Berücksichtigung von den Reformszenarien ihr Arbeitsangebot ausweiten normativen Vorgaben der Diakonie Deutschland, verfügabr unter: https:// und gerade in sozialversicherungspflichtigen Beschäf- www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Becker_11_2016_Gutachten_ Regelbedarfsbemessung.pdf. tigungen mehr gearbeitet wird, dann ergibt sich eine Blömer, M., F. Buhlmann, M. Löffler, A. Peichl und H. Stichnoth (2017). Entlastung des öffentlichen Budgets. So steigen nach »Kinderfreibeträge in der gesetzlichen Rentenversicherung: Verteilungs- dem ifo-Vorschlag die Sozialversicherungsabgaben und Verhaltenswirkungen«, Wirtschaftsdienst 97, 266–271. von Arbeitnehmern und Arbeitgebern um ca. 2,6 Mrd. Blömer, M. und A. Peichl (2018), Ein »Garantieeinkommen für Alle«, Stu- Euro/Jahr. Da es sich hauptsächlich um eine Reform die in Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen von Bündnis 90/Die Grünen, ifo Forschungsberichte 97, ifo Insti- im Niedrigeinkommensbereich handelt, ist der tut, München. Arbeitsangebotseffekt auf die direkten Steuern (Ein- Blömer, M. und A. Peichl (2019) Anreize für Erwerbstätige zum Austritt kommensteuer und Solidaritätszuschlag) vergleichs- aus dem Arbeitslosengeld-II-System und ihre Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Sozialversicherungssystem, Studie im Auftrag der Fried- weise gering und liegt bei ca. 1 Mrd. Euro pro Jahr. rich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, verfügbar unter: https://www. Bei der zusätzlichen Erhöhung des Schonver- freiheit.org/sites/default/files/uploads/2019/02/04/ifoforschungsbericht- final2019-02-05.pdf. mögens fällt das fiskalische Plus etwas geringer aus, Breuer, Chr. (2019), »Dilemma Hartz IV: Geringverdiener entlasten«, Wirt- da nun mehr Haushalte Anspruch auf ALG II haben schaftsdienst 99(2), 82–83. (vgl. Tab. 7). Bruckmeier, K. und S. Becker (2018), Auswirkung des gesetzlichen Mindest- lohns auf die Armutsgefährdung und die Lage von erwerbstätigen Arbeits- losengeld II-Bezieherinnen und -Beziehern, Studie im Auftrag der Mindest- FAZIT lohnkommission, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg. Die bestehenden Regelungen im Bereich der sozia- Bruckmeier, K., J. Mühlhan und A. Peichl (2018a), »Mehr Arbeitsanreize für einkommensschwache Familien schaffen.« ifo Schnelldienst 71(2), 25–28. len Grundsicherung haben den erheblichen Nach- Bruckmeier, K., J. Mühlhan und J. Wiemers (2018b), Erwerbstätige im unte- teil, dass sie aufgrund nicht aufeinander abgestimm- ren Einkommensbereich stärken: Ansätze zur Reform von Arbeitslosengeld ter Transfers und Transferentzugsregeln teilweise II, Wohngeld und Kinderzuschlag, Forschungsbericht, Institut für Arbeits- markt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg. zu impliziten Grenzsteuersätzen von deutlich über Bruckmeier, K., J. Pauser, U. Walwei und J. Wiemers (2013), Simulations- 100% führen. Das hat zur Folge, dass Transferempfän- rechnungen zum Ausmaß der Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen der ger erhebliche Anreize haben, sich auf Kleinstjobs zu Grundsicherung, Forschungsbericht, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs- forschung (IAB), Nürnberg. beschränken. Derartige Beschäftigungsverhältnisse 42 ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019
FORSCHUNGSERGEBNISSE Causa, O. und M. Hermansen (2017), »Income redistribution through taxes Nierhaus, W. (1987), Umverteilung in der Bundesrepublik Deutschland. and transfers across OECD countries”, OECD Economics Department Wor- Das Zusammenwirken von Steuern und Sozialtransfers. Band 2. Model- king Papers, Organisation for Economic Co-Operation and Development lanalyse des gegenwärtigen Systems, ifo Institut für Wirtschaftsforschung (OECD), Paris. München. Dustmann, Chr., B.Fitzenberger, U. Schönberg und A. Spitz-Oener (2014), Peichl, A., F. Buhlmann und M. Löffler (2017), Grenzbelastungen im Steuer-, »From Sick and Man of Europe and to Economic and Superstar: Germany’s Abgaben- und Transfersystem Fehlanreize, Reformoptionen und ihre Wir- and Resurgent Economy«, Journal of Economic Perspectives 28, 167–188. kungen auf inklusives Wachstum, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh. Fuest, C. und A. Peichl (2008), »Grundeinkommen vs. Kombilohn: Beschäf- Peichl, A., N. Pestel, H. Schneider und S. Siegloch (2011), »Reform der tigungs- und Finanzierungswirkungen und Unterschiede im Empfänger- Hartz IV-Hinzuverdienstregelungen: Ein verfehlter Ansatz«, Perspektiven kreis.« Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 59 (2), 94–113. der Wirtschaftspolitik 12(2), 12–26. Hartung, B., Ph. Jung und M. Kuhn (2018), »What Hides behind the Ger- Rürup, B. und D. Heilmann (2012),. »Arbeitsmarktreformen: Was noch zu man Labor Market Miracle? Unemployment Insurance Reforms and Labor tun bleibt«, Wirtschaftsdienst 92, 339–344. Market Dynamics.« Discussion Paper, Forschungsinsitut zur Zukunft der Sell, St. (2016), »Der Streit um die (Nicht-)Erhöhung der Hartz-IV-Regelbe- Arbeit (IZA), Bonn. darfe.« MAKRONOM 9. ifo Schnelldienst (2007), Sonderausgabe Reformkonzepte zur Erhöhung der Sinn, H.-W., Chr.Holzner, W. Meister, W. Ochel und M. Werding (2002), Beschäftigung im Niedriglohnbereich, ifo Institut, München. »Aktivierende Sozialhilfe – Ein Weg zu mehr Beschäftigung und Wachs- Immervoll, H. und C. Knotz (2018), »How demanding are activation requi- tum«, ifo Schnelldienst 55(9), 3–52. rements for jobseekers«, OECD Social, Employment and Migration Wor- Sinn, H.-W., Ch. Holzner, W. Meister, W. Ochel und M. Werding (2006), »Akti- king Papers, Organisation for Economic Co-Operation and Development vierende Sozialhilfe 2006 - das Kombilohn-Modell des ifo Instituts.«, ifo (OECD), Paris. Schnelldienst 59 (2), 6–27. Kleven, H. J. und W. Kopczuk (2011). »Transfer Program Complexity and Sinn, H.-W., Chr. Holzner, W. Meister, W. Ochel und M. Werding (2007a), the Take-Up of Social Benefits.« American Economic Journal: Economic »Die zentralen Elemente der Aktivierenden Sozialhilfe.« ifo Schnelldienst Policy (American Economic Association) 3(2), 54–90. 60(4), 48–53. Krebs, T. und M. Scheffel (2013). »Macroeconomic evaluation of labor mar- Sinn, H.-W., W. Meister, W. Ochel und M. Werding (2007b), »Reformkon- ket reform in Germany«, IMF Economic Review 61, 664–701. zepte zur Erhöhung der Beschäftigung im Niedriglohnbereich: Ein Über- Krebs, T. und M. Scheffel (2017), »Labor Market Institutions and the Cost blick.«, ifo Schnelldienst 60(4), 3–20. of Recessions«, Working Paper, International Monetary Fund (IMF), Was- Stöwhase, S. (2018), »Weniger Einkommen wegen des Unterhaltsvorschus- hington, D.C. ses«, Soziale Sicherheit 67, 201–206. Launov, A. und K. Wälde (2013), »Estimating Incentive and Welfare Effects van den Berg, G. J., A. Uhlendorff und J. Wolff (2007), »Under Heavy Pres- of Nonstationary Unemployment Benefits«, International Economic Review sure: Intense Monitoring and Accumulation of Sanctions for Young Welfare 54(10), 1159–1198. Recipients in Germany« Discussion Paper, Forschungsinsitut zur Zukunft Löffler, M., A. Peichl, N. Pestel, H. Schneider und S. Siegloch (2012), »Effizi- der Arbeit (IZA), Bonn. ent, einfach und gerecht: Ein integriertes System zur Reform von Einkom- van Soest, A. (1995), »Structural Models of Family Labor Supply: A Discrete mensteuer und Sozialabgaben«, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 13(3), Choice Approach«, The Journal of Human Resources (JSTOR) 30(1), 63–88. 196–213. Nationaler Normenkontrollrat (2017), Mehr Leistung für Bürger und Unternehmen: Verwaltung digitalisieren. Register modernisieren, ver- fügabr unter: https://www.normenkontrollrat.bund.de/resource/ blob/72494/476004/12c91fffb877685f4771f34b9a5e08fd/2017-10-06- download-nkr-gutachten-2017-data.pdf?download=1 ifo Schnelldienst 4 / 2019 72. Jahrgang 21. Februar 2019 43
Sie können auch lesen