Reflektiert entscheiden: Auf dem Weg zu einer zielorientierten Entscheidungskultur - Entscheidungsnavi

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Reflektiert entscheiden: Auf dem Weg zu einer zielorientierten Entscheidungskultur - Entscheidungsnavi
Reflektiert entscheiden:
Auf dem Weg zu einer
zielorientierten
Entscheidungskultur
Führungskräfte müssen Entscheidungen treffen. Täglich. Sie gestalten
hierdurch die weitere Entwicklung ihres Unternehmens und somit den
zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg. Mit ihren Entscheidungen beeinflussen
sie zugleich aber auch die Motivation, die Zufriedenheit und die Loyalität der
Mitarbeitenden ihres Unternehmens. Hierbei kommt es nicht nur auf die
Entscheidung als solche an, sondern auf den gesamten Prozess:
Welche Personen wirken an der Entscheidung mit und wie wird der
Entscheidungsprozess gesteuert? Die Entscheidungskultur in einem
Unternehmen ist somit ein wichtiger Schlüssel für den Unternehmenserfolg.

D
        ie zwischen Psychologie und Öko-     Methoden grundsätzlich für alle Ent-
        nomie angesiedelte Disziplin der     scheidungsbelange. Es integriert die
        Entscheidungsforschung liefert       wichtigsten Debiasing-Methoden und
        viele wertvolle Erkenntnisse zum     beschreibt dabei einen Prozess in fünf
Thema „Entscheiden“. Umfangreich er-         Schritten: von der Entwicklung einer
forscht sind insbesondere systematisch       Entscheidungsfrage bis hin zur konse-
auftretende Urteilsverzerrungen, soge-       quenten Umsetzung.
nannte Biases. Als Beispiele seien hier
                                                                                           Prof. Dr. Rüdiger von Nitzsch
drei Biases genannt: die Tendenz zur         Bei Entscheidungen im Unternehmen
Überschätzung von Erfolgswahrschein-         gibt es einige Besonderheiten zu beach-       leitet das Lehr- und Forschungsgebiet Entschei-
                                                                                           dungsforschung und Finanzdienstleistungen an
lichkeiten eigener Projekte, ein zu langes   ten. Zum einen werden Entscheidungen          der RWTH Aachen University und ist Vorstand
Festhalten an schlechten vergangenen         oftmals nicht nur von einer Person ge-        des Fördervereins Reflektiert Entscheiden.
Entscheidungen und eine Überreaktion         troffen. Zum anderen gilt es, die Vorstel-
auf besondere, aktuelle Ereignisse. In gu-   lungen von vielen Beteiligten zu berück-
ten Entscheidungsprozessen werden da-        sichtigen. Seien es die Interessen von
her entsprechende Debiasing-Methoden         Vorgesetzten, Mitarbeitenden oder gan-
eingesetzt, um diese Biases zu reduzie-      zen Abteilungen. Das führt zu gruppen-
ren oder gänzlich zu verhindern. Zudem       dynamischen Phänomenen, die zusätz-
liefert die Wissenschaft viele Empfeh-       liche Biases verursachen. Dies verstärkt
lungen, wie ein Entscheidungsprozess         eine besonders gefährliche Tendenz: zu
strukturiert in verschiedenen Schritten      schnell die Qualität der Entscheidung an
zu steuern ist, um eine hohe Qualität si-    den kurzfristigen Ergebnissen festzuma-
cherzustellen.                               chen. Diese und viele weitere Probleme
                                                                                           Dr. Florian Methling
                                             lassen sich jedoch gut mit dem Ansatz des
Das Konzept des „reflektierten Ent-           „reflektierten Entscheidens“ abfangen.         ist Consultant bei der Strategic Decisions Group
                                                                                           und arbeitet dort an der Qualitätsverbesserung
scheidens“ baut auf Erkenntnissen der        Bereits die Orientierung an einzelnen,        strategischer Entscheidungen hauptsächlich
aktuellen Entscheidungsforschung auf         aber zentralen Aspekten dieses Konzep-        von Großunternehmen.
und eignet sich dank seiner konkreten        tes kann die Entscheidungskultur nach-

Schwerpunkt                                                               people&work Heft 1/21   September 2021 peopleandwork.online         7
Reflektiert entscheiden: Auf dem Weg zu einer zielorientierten Entscheidungskultur - Entscheidungsnavi
haltig verbessern und Potenziale bei der      all die Punkte berücksichtigt, die laut der
     Entscheidungsnavi                           Entscheidungsqualität und der Akzep-          Entscheidungsforschung für eine hohe
     Mit dem Tool Entscheidungsnavi (www.
                                                 tanz von Entscheidungen im Unterneh-          Qualität wesentlich sind? Das Konzept
     entscheidungsnavi.de) lassen sich die       men heben.                                    des „reflektierten Entscheidens“ hat ein
     fünf Schritte des „reflektierten Entschei-                                                 entsprechendes Vorgehen klar definiert.
     dens“ durchlaufen. Es steht kostenlos im
     Internet zur Verfügung und kann für jede                                                  Was für einen Einsatz in Unternehmen
     berufliche wie persönliche Entscheidung      Glück im Ergebnis ist keine                   spricht, ist eine ausgeprägte Zielorien-
     genutzt werden. Das Buch dazu: Rüdiger
     von Nitzsch, Florian Methling (2021).
                                                 Kompetenz                                     tierung. Im Vergleich zu der weitverbrei-
     Reflektiert entscheiden: Kompetent mit                                                     teten Positionsorientierung in Entschei-
     Kopf und Bauch.                             Reflektierte Entscheidungen optimieren         dungskulturen sind damit viele Vorteile
                                                 den Prozess der Entscheidungsfindung.          verbunden.
                                                 Sie basieren auf der Annahme, dass die
                                                 Qualität einer Entscheidung stets zum
                                                 Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen      Die Fallen einer positionsorientier-
                                                 ist. Gute Ergebnisse können nämlich auch      ten Entscheidungskultur
                                                 durch einen glücklichen Zufall zustande
                                                 kommen. Daher sollten das Ergebnis und        In einer positionsorientierten Kultur
                                                 die Qualität einer einzelnen Entschei-        startet die Entscheidung, wenn ein Ent-
                                                 dung nicht zu eng miteinander verknüpft       scheidungsproblem auftritt (siehe Abbil-
                                                 werden. Auf lange Sicht bzw. im Durch-        dung 1). Schon am Begriff Problem kann
                                                 schnitt führen nur Entscheidungen mit         abgelesen werden, dass es sich nicht
                                                 einer hohen Qualität zu sicher besseren       um etwas Erfreuliches oder Positives
                                                 Ergebnissen.                                  handelt. Die Entscheiderinnen und Ent-
                                                                                               scheider müssen reagieren, sonst wird
                                                 Zwischen der Entscheidungsqualität und        das Problem nicht gelöst. Schnell wer-
                                                 den kurzfristigen Ergebnissen sauber zu       den potenzielle Lösungen des Problems
                                                 unterscheiden, passt auf den ersten Blick     formuliert und als Entscheidungsfrage
                                                 nicht gut zur üblichen Managementpra-         aufgeworfen. Reagieren wir so? Oder so?
                                                 xis in Unternehmen, die vor allem auf         Ja oder nein? Auf diese Art der Entschei-
                                                 (schnelle) Ergebnisse abzielt. Bonuszah-      dungsfrage folgt, dass alle Beteiligten
                                                 lungen für Führungskräfte, um nur eines       dazu eine bestimmte Position einnehmen.
                                                 von vielen Beispielen zu nennen, werden       Es bilden sich Meinungen und es werden
                                                 oftmals an der Jahresperformance ge-          Argumente zwischen den verschiedenen
                                                 messen und damit am kurzfristigen Er-         Positionen ausgetauscht. Möglicherwei-
                                                 folg der Entscheidungen. Was passiert         se einigt man sich dabei schnell. Wenn
                                                 jedoch, wenn die kurzfristigen Ergebnisse     es sich um eine eingespielte Gruppe mit
                                                 auf Kosten der langfristigen erzielt wer-     großem Zusammenhalt (Kohäsion) han-
                                                 den? Was passiert, wenn die kurzfristig       delt, wird diese Einigung zusätzlich durch
„                                                positiven Ergebnisse auf waghalsige und
                                                 riskante Wetten zurückgehen, die das
                                                                                               Gruppendenken gefördert. Gruppenden-
                                                                                               ken bezeichnet unter anderem die Nei-
Um die Entscheidungs-                            Unternehmen langfristig unkontrollier-        gung, aus gruppendynamischen Gründen
                                                 baren Risiken aussetzen? Was gebraucht        eher Argumente in die Diskussion einzu-
qualität zu verbessern,                          wird, ist also ein fundierter Beurteilungs-   bringen, die die sich abzeichnende Grup-
muss auf den                                     maßstab für gute und schlechte Entschei-      penmeinung unterstützen und diese nicht
                                                 dungen.                                       infrage stellen.
Entscheidungsprozess
                                                 Um die Qualität schon zum Zeitpunkt
geschaut werden,
                                                 der Entscheidung zu beurteilen und zu         Ein Beispiel
nicht auf die späteren                           optimieren, muss auf den eigentlichen
                                                 Prozess der Entscheidung geschaut wer-        Zu welchen Problemen es hierbei kom-
Ergebnisse.                                      den, nicht auf die späteren Ergebnisse.       men kann, soll an einem einfachen, kon-
                                                 Werden in dem Entscheidungsprozess            struierten Beispiel veranschaulicht wer-
“
8   people&work Heft 1/21 September 2021 peopleandwork.online                                                                  Schwerpunkt
Abbildung 1:                                    sind zufrieden. Es ist sehr erfreulich, dass           mit der Entscheidungsfrage eigentlich zu
Ablauf eines                                    man sich so gut und schnell einigen kann.              erreichen gilt. Es geht weniger um die Op-
Entscheidungsprozesses in                                                                              timierung der Entscheidung als vielmehr
einer positionsorientierten                     Bedauerlicherweise ist das Team mit                    um die Verteidigung der eigenen Position.
Entscheidungskultur                             dieser Positionsorientierung in eine Fal-              Beide Parteien sind meist jedoch davon
                                                le gerutscht. Bei den beiden Argumenten                überzeugt, dass dies in ihrem Fall auf das-
                                                für „Make“ handelt es sich nämlich um                  selbe hinausläuft.
                                                Argumente, die allen Teammitgliedern
     Entscheidungsproblem
                                                bekannt sind. Hingegen sind die Argu-                  Nicht selten schließen sich Teammit-
                                                mente, die für „Buy“ sprechen, bei allen               glieder aus ganz anderen Gründen be-
           9 9 9 9

                                                Teammitgliedern unterschiedlich. Jedes                 stimmten Positionen an. Möglicherwei-
                                                Teammitglied hat also ein anderes Argu-                se wird die Position eingenommen, die
                                                ment für „Buy“ gefunden. Insgesamt gibt                persönlich von Vorteil ist (Self Interest
         Positionierung                         es nur zwei Argumente für „Make“ und                   Bias), oder man schließt sich dem Lager
                                                drei für „Buy“, sodass eigentlich „Buy“ die            der Kolleginnen und Kollegen an, denen
                                                attraktivere Strategie ist. Das Team hat               man ohnehin wohlgesonnener ist. Diese
                                                sich demnach für die falsche Strategie                 nicht sachlichen Gründe tragen sicher-
                                                entschieden – und dies einvernehmlich                  lich nicht zur Qualität des Entschei-
    Austausch von Argumenten                    und mit hoher Einigkeit. In der Entschei-              dungsprozesses bei. Damit es überhaupt
                                                dungsforschung spricht man hier von                    zu einer Entscheidung kommt, muss
                                                einem Bias, dem sogenannten Shared In-                 dann am Ende nach Kompromisslösun-
                                                formation Bias.                                        gen gesucht werden, die alle – wenn auch
                                                                                                       zähneknirschend – mittragen. Alternativ
          Lagerbildung
                                                                                                       wird schlichtweg abgestimmt oder die
                                                Ein bekanntes Leid: nicht                              Entscheidung vertagt.
                                                zielführende und langwierige
                                                Diskussionen                                           Natürlich ist es möglich, den Entschei-
                                                                                                       dungsprozess innerhalb einer Positions-
                                                In dem skizzierten Beispiel gab es eine                orientierung zu verbessern, um den hier
        Mehrheits-oder                          schnelle Einigung. Aber was passiert in                nur exemplarisch dargestellten Proble-
    Kompromissentscheidung
                                                Situationen, in denen die Ausgangslage                 men etwas entgegenzusetzen. Zu denken
                                                anders ist und sich keine schnelle Ei-                 wäre beispielsweise an ein Devil’s Advo-
                                                nigung abzeichnet? Weitere Probleme                    cating, bei dem ein Gruppenmitglied die
                                                einer positionsorientierten Entschei-                  Aufgabe übernimmt, stets die sich ab-
                                                dungskultur sind dann vorprogrammiert.                 zeichnende Gruppenmeinung bewusst
den. Drei Teammitglieder suchen nach            Typischerweise kommt es nämlich zu                     auf den Prüfstand zu stellen. Auch wer-
einer Lösung für das Entscheidungs-             einer Lagerbildung mit jeweils unter-                  den in der Literatur Checklisten vorge-
problem, ob die Entwicklungsstrategie           schiedlichen Positionen. Eine Fraktion                 schlagen, die eine Vielzahl von Biases ad-
„Make“ oder „Buy“ besser ist. Für beide         befürwortet „Buy“, die andere präferiert               ressieren. All dies sind gute Hilfsmittel.
Strategien gibt es gute Argumente. Jedes        „Make“. Es werden Argumente in die Dis-                Aber warum nicht gleich eine Schippe
Teammitglied hat sich ein wenig erkun-          kussion eingebracht, die möglichst über-               mehr drauflegen und den reflektierten
digt. So kann jedes der Teammitglieder ge-      zeugend wirken sollen. Nicht immer ad-                 und zielorientierten Entscheidungspro-
nau zwei Argumente für „Make“ aufführen         ressieren diese sachlich die Ziele, die es             zess anwenden?
und jeweils nur ein Argument für „Buy“.
Dementsprechend bilden sich alle drei vor
dem Teamtreffen eine Meinung. Sie gehen
alle mit einer Präferenz für „Make“ in die
Sitzung. Schnell stellen sie in der Sitzung          Checkliste
fest, dass sie alle dieselbe Position vertre-        Eine Checkliste für Biases enthält beispielsweise: Daniel Kahneman, Dan Lovallo, Olivier Sibony
ten. Deshalb scheinen lange Diskussionen             (2011). Before you make that big decision. Harvard Business Review, 89(6): 50–60. Abrufbar unter
                                                     https://fmos.link/h6.
überflüssig zu sein und das Team legt sich
schnell auf die Position „Make“ fest. Alle

Schwerpunkt                                                                        people&work     Heft 1/21   September 2021 peopleandwork.online      9
Beim zielorientierten Entschei-                      sehr gut mit einem „Wie“ am Anfang der      es ankommt. Auch sollten sie so formu-
dungsprozess geht es um Chancen                      Frage. Ein „Wie“ eröffnet weitere Wege      liert werden, dass alle Beteiligten sie ver-
und Ziele                                            und Strategien, die noch viel besser sein   stehen und nachvollziehen können.
                                                     können, aber erst später im Prozess iden-
In der zielorientierten Kultur wird eine             tifiziert werden. „Make“ oder „Buy“ sind     Das richtige Formulieren der Ziele gilt in
Entscheidungssituation nicht als Prob-               schließlich nicht die einzigen Alternati-   der Tat als die Königsdisziplin bei Ent-
lem, sondern als Chance zur Gestaltung               ven. Die Entscheidungsfrage „Wie opti-      scheidungsprozessen. Es liegt nicht in
aufgefasst (siehe Abbildung 2). Grund-               mieren wir unsere Entwicklung?“ ermög-      der Natur der Menschen, erst aufwendig
sätzlich ist die Entscheidungssituation              licht auch weitere Hybridstrategien, wie    darüber zu reflektieren, was sie eigentlich
damit etwas Positives, da die Möglichkeit            zum Beispiel eine Kooperation mit einem     möchten, bevor sie sich entscheiden. Füh-
besteht, Kontrolle auszuüben und krea-               Zulieferer.                                 rungskräfte wie Privatpersonen können
tive Handlungsmöglichkeiten zu identi-                                                           oftmals nur etwa die Hälfte ihrer Ziele
fizieren. Eine vermeintliche „Ja/Nein“-               Nachdem die Entscheidungschance be-         identifizieren und nennen bei der Formu-
Entscheidungsfrage wird in eine offene               schrieben wurde, folgen zunächst Über-      lierung von Zielen häufig Aspekte, die gar
Formulierung überführt, in der auch der              legungen, welche Ziele mit der Ent-         nicht wichtig sind. Nur in einer schnellen
Charakter der Chance zum Ausdruck                    scheidung verfolgt werden. Hierbei ist es   Einschätzung wird davon ausgegangen,
kommt. Rein praktisch funktioniert dies              wichtig, nur die Ziele zu nennen, auf die   dass sie sich positiv auf die eigentlichen
                                                                                                 Ziele auswirken.

                                                                                                 Ein solches Instrumentalziel könnte bei-
                                                                                                 spielsweise ein kurzfristiges monetäres
                                                                                                 Ergebnis sein, das sich nach „Make“ oder
Abbildung 2:                                                                                     „Buy“ einstellt. Zwar fördert dieses Er-
Reflektierter Entscheidungsprozess in einer zielorientierten                                     gebnis möglicherweise sogar das, was
Entscheidungskultur                                                                              im Kern erreicht werden soll. Aber bes-
                                                                                                 ser wäre es, genau diese fundamentalen
                                                                                                 Ziele zu benennen, anhand derer dann
                                                                                                 letztlich der strategische Erfolg beurteilt
               Formulierung der Entscheidungsfrage als Entscheidungschance
                                                                                                 wird, wie beispielsweise die erreichte
                                       9 9 9 9

                                                                                                 Marktstellung, die Stabilität der Wettbe-
                                                                                                 werbsposition, die erreichte Innovations-
                                                                                                 fähigkeit, das erreichte Kompetenzport-
                                                                                                 folio, die erreichte Reputation oder die
                  Analysieren und Ausformulieren der fundamentalen Ziele
                                                                                                 erreichte Nachhaltigkeit. In einer ziel-
                                                                                                 orientierten Entscheidungskultur wird
                                                                                                 das Augenmerk auf diese fundamentalen
                                                                                                 Ziele gelenkt. Es gibt schließlich auch
                                                                                                 attraktivere Strategien, als es die schnell
                 Kreative Identifikation aller möglichen Handlungsoptionen                        genannten Instrumentalziele nahelegen
                                                                                                 und die langfristig die wahren Ziele bes-
                                                                                                 ser erfüllen.

                                                                                                 Meist genügt es, vier bis sechs funda-
      Biasfreie Einschätzung der Auswirkungen aller Handlungsoptionen auf die Ziele              mentale Ziele auszuformulieren, die be-
                                                                                                 zogen auf die jeweilige Entscheidungs-
                                                                                                 situation ausreichend klar anzeigen,
                                                                                                 worauf es ankommt. Auf der Strategie-
                                                                                                 ebene sind dies die zentralen Werttrei-
                   Abschließende sachliche Bewertung und Entscheidung                            ber für das Geschäftsmodell. In Ent-
                                                                                                 scheidungssituationen auf Bereichs-,
                                                                                                 Abteilungs- oder Projektebene sind dies
                                                                                                 die konkret auf den jeweiligen Kontext
                                                                                                 bezogenen Ziele.

10   people&work Heft 1/21 September 2021 peopleandwork.online                                                                   Schwerpunkt
Die Handlungsoptionen und ihre                   Checkliste zur Verbesserung der               ankommt, gibt einem zunächst selbst eine
Auswirkungen auf die Ziele                       Entscheidungsqualität                         enorme Sicherheit in allen Überlegungen,
                                                                                               was zu tun ist. Zugleich kann man dem
Nach der Formulierung der fundamenta-            Bei der großen Zahl von notwendigen           eigenen Team, aber auch dem Manage-
len Ziele wird untersucht, welche Hand-          Entscheidungen im Unternehmen ist es          ment leichter beschreiben, worauf es ei-
lungsmöglichkeiten es gibt. Meist gibt es        selbstverständlich nicht immer möglich,       nem persönlich oder dem Unternehmen
nämlich noch viel mehr als die wenigen           den reflektierten Entscheidungsprozess         in dem jeweiligen Entscheidungskontext
nahe liegenden Entwicklungsstrategien,           mit allen Hinweisen in den fünf Schrit-       ankommt.
um im Beispiel zu bleiben. Vorbereitet           ten vollständig zu durchlaufen. Die Quali-
durch eine „Wie“-Entscheidungsfrage gilt         tät einer schnellen Ad-hoc-Entscheidung
es, Scheuklappen abzunehmen und Krea-            kann jedoch häufig schon erhöht werden,
tivität walten zu lassen, um herauszufin-         wenn die folgenden Punkte berücksich-
den, wie mit neuen Handlungsoptionen
in den benannten Zielen gute Ergebnisse
                                                 tigt werden:
                                                                                                   „
erreicht werden können.                          1. Haben wir versucht, die Entschei-              „Das richtige
                                                    dungsfrage ausreichend breit zu for-
Wenn alle Handlungsmöglichkeiten iden-              mulieren, um nicht nur auf ein Prob-           Formulieren der Ziele
tifiziert wurden, dann werden ihre Aus-              lem zu reagieren?
                                                                                                   gilt als Königsdisziplin
wirkungen in den fundamentalen Zielen
abgeschätzt. Diese Wirkungsabschätzung           2. Haben wir Klarheit über unsere funda-          bei Entscheidungs-
erfolgt auf der Basis aller Informationen,          mentalen Ziele geschaffen und somit
die die Gruppenmitglieder in diesem                 über das, was wir erreichen wollen?
                                                                                                   prozessen.“
Schritt einbringen können. Ob es sich
hierbei um vorher schon mit allen geteilte       3. Haben wir über kreative Alternativen           “
Informationen handelt oder nicht, ist hier          nachgedacht und waren gegenüber
nicht relevant. Somit gibt es auch keinen           neuen und unkonventionellen Ideen
Shared Information Bias.                            offen?

Erst im letzten Schritt wird bewertet und        4. Haben wir über mögliche Biases nach-       Eine transparente Kommunikation von
entschieden, welche Alternative als beste           gedacht und sind wir hinreichend rea-      Zielen fördert dabei die Zusammenar-
auserkoren wird. Nicht selten lässt sich            listisch in der Einschätzung unserer       beit aller Beschäftigten und macht es so
schon nach den Wirkungsabschätzungen                präferierten Alternative?                  möglich, dass an vielen Stellen im Unter-
gut erkennen, welche die beste ist. Wenn                                                       nehmen und im eigenen Team eigen-
dies nicht der Fall ist, gilt es, die Vor- und   5. Sind wir uns der Vor- und Nachteile        verantwortlich entschieden wird. Dies
Nachteile der Handlungsoptionen sach-               der präferierten Alternativen in den       unterstützt Agilität und kurze Entschei-
lich, das heißt nur bezogen auf die funda-          fundamentalen Zielen und der damit         dungswege und hebt noch ungenutzte
mentalen Ziele, abzuwägen. Diskussio-               verbundenen Trade-offs bewusst?            Potenziale. Steve Jobs sagte hierzu tref-
nen müssen sich hierbei auf sogenannte                                                         fend: „Es macht keinen Sinn, kluge Köp-
Trade-offs beziehen: „Welche Nachteile           Je häufiger diese Fragen in Entschei-          fe einzustellen und ihnen dann zu sagen,
akzeptieren wir in einem Ziel, um einen be-      dungsprozesse im Unternehmen ein-             was sie zu tun haben. Wir stellen kluge
stimmten Vorteil in einem anderen Ziel zu        gebunden werden, desto selbstver-             Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir
erreichen?“, „Sind wir bereit, 100.000 Euro      ständlicher wird eine reflektierte und         tun können.“
mehr in die ‚Make‘-Entwicklungsstrate-           zielorientierte Denkweise und Entschei-
gie zu investieren, um den CO2-Abdruck           dungskultur.                                  Die Entscheidungskultur in einem Unter-
einer ‚Buy‘-Lösung um 2.000 Tonnen zu                                                          nehmen lässt sich nicht von einem auf
senken?“ Der Versuch, durch Argumente                                                          den anderen Tag verändern. Vielleicht
die Entscheidung noch unsachlich zu be-          Vorteile einer zielorientierten               werden am Anfang nicht alle den Ansatz
einflussen, ist in dieser zielorientierten        Entscheidungskultur                           sofort verstehen und auch gut umsetzen
Vorgehensweise im Grunde aussichtslos.                                                         können. Je mehr die Vorteile spürbar
Eine Einigung erfolgt rein sachlich auf          Wer es gelernt hat, über Ziele intensiv zu    werden, desto mehr Zustimmung wird es
Basis der abgeschätzten Auswirkungen in          reflektieren und die fundamentalen Ziele       geben – und diese Denkweise wird sich
den fundamentalen Zielen und der Präfe-          gut zu formulieren, profitiert in mehrfa-      nach und nach in der Entscheidungskul-
renzen der Verantwortlichen.                     cher Weise. Genau zu wissen, worauf es        tur verankern.

Schwerpunkt                                                                   people&work   Heft 1/21 September 2021 peopleandwork.online   11
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