Regional Challenges to the NPT Regime: Focus North Korea and Iran

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Tokio, 8.3.2010

Rolf Mützenich

Regional Challenges to the NPT Regime: Focus North Korea and
Iran

Vielen Dank für die Einladung. Die Konferenz erinnert daran, dass Japan und
Deutschland gut daran tun, gemeinsam für Frieden und Sicherheit zu arbeiten. Dies
ist nicht nur eine Verpflichtung angesichts der historischen Rolle beider Länder für
den Ausbruch und die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Es ist auch eine
gemeinsame Aufgabe angesichts unserer Verantwortung im jeweiligen regionalen
Umfeld und in der internationalen Politik. Japan und Deutschland sollten gemeinsam
die Regeln und Normen in der internationalen Politik stärken und neue Felder für
Kooperation und Stabilität in der internationalen Politik aufbauen. In der Verknüpfung
von regionaler Sicherheit und Abrüstung und Rüstungskontrolle liegt aus meiner
Sicht eine große Chance.

Regionale Zusammenarbeit und Sicherheitsgemeinschaften im asiatischen
Raum

In Ostasien kreuzen sich gegenwärtig zwei Entwicklungen. Einerseits ist die Region
ein immer bedeutenderer Teil der Weltwirtschaft. Die VR China ist neben Japan der
Motor dieser Entwicklung. Gleichzeitig bestehen in Ostasien klassische
Sicherheitsprobleme. Hierzu gehören Konflikte wie der um Taiwan oder der zwischen
Nord- und Südkorea bzw. den USA. Daneben existieren weiterhin offene
Grenzfragen. Die Konkurrenz um Rohstoffe wird wachsen. Es gibt außerdem
verdeckte Machtrivalitäten, wie die zwischen Japan und China. Während in den
vergangenen Jahren Argentinien, Brasilien, Südafrika und Libyen vertraglich auf
Kernwaffen verzichteten, griffen asiatische Länder nach der Bombe und entwickelten
Trägermittel. Weitere Länder in Asien streben nach Kernwaffen oder besitzen alle
erforderlichen Komponenten. Auch die konventionelle Aufrüstung schreitet
unkontrolliert voran.

Meiner Überzeugung nach können regionale Sicherheitsgemeinschaften
entscheidend dazu beitragen, das internationale System zu stabilisieren. Gerade in
Ostasien sind angesichts der vorhandenen territorialen und ideologischen Konflikte
Schritte in Richtung Kooperation und Vertrauensbildung umso wichtiger. Am Ende
dieses Prozesses, der auch in Europa Jahrzehnte gedauert hat, könnte auch in
Ostasien eine regionale Sicherheitsgemeinschaft entstehen.

Trotz der vielen schwelenden und offenen Konflikte gibt es insbesondere in
Südostasien mit der ASEAN Ansätze einer regionalen Kooperation auch in
Sicherheitsfragen. Der ASEAN gehören heute zehn Mitgliedstaaten an. Im
Gegensatz zur Europäischen Union besteht die Organisation, bis auf Thailand und
den Philippinen, nicht aus liberalen Demokratien. Dennoch kann die ASEAN im
Hinblick auf die regionale Sicherheit ähnliche Erfolge wie die NATO und die EU
verzeichnen und scheint trotz ihrer heterogenen Mitgliederstruktur für Stabilität im
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südasiatischen Raum sorgen zu können. Das 1993 durch die ASEAN gegründete
Regional Forum (ARF) ist bis heute das einzige sicherheitspolitische
Diskussionsforum im asiatisch-pazifischen Raum. 2007 wurden die mittel- bis
längerfristigen Ziele der ASEAN in einer Charta fixiert. Ziel dieser Charta ist es, bis
2020 eine Gemeinschaft zu schaffen, die auf einem sicherheitspolitischen, einem
wirtschaftlichen und einem sozio-kulturellen Pfeiler basiert. Auch die Shanghai
Cooperation schreitet voran. Was zu Beginn ein lockerer Zusammenschluss zur
Bekämpfung des Terrorismus war, wird mehr und mehr zum Forum der Bearbeitung
gemeinsamer Sicherheitsfragen.

Insgesamt betrachtet, ist Asien jedoch noch immer ein sehr stark fragmentierter
Kontinent mit zahlreichen Rivalitäten, Interessengegensätzen und Konflikten.
Die Proliferationsbestrebungen durch Iran und Nordkorea sind auch Teil eines
regionalen Sicherheitsdilemmas.

Die Bedeutung von Abrüstung und Rüstungskontrolle für regionale Integration

Der europäische Integrationsprozess wurde vor allem von Gesprächen zur
Abrüstung und Rüstungskontrolle begleitet. Das hatte zwei Vorteile: Erstens wurden
die Risiken für einen militärischen Konfliktaustrag minimiert. Zweitens wuchs das
Vertrauen zwischen den Gesprächspartnern. Das Konzept und die Verfahren der
Rüstungskontrolle sind für regionale Integration wie geschaffen. Daher sollte auch in
Asien die Regimebildung in diesem Feld vorangetrieben werden. Welche Aufgaben
stellen sich derzeit?

Nach meiner Auffassung müssten derzeit drei Prozesse vorangetrieben werden:

   1. Wir brauchen eine Lösung sowohl der koreanischen wie auch der iranischen
      Nuklearkrise.
   2. Der Atomwaffensperrvertrag muss gestärkt werden.
   3. In Asien müssen Vereinbarungen zur Rüstungsbegrenzung und Abrüstung
      initiiert werden.

Alle drei Pfade hängen voneinander ab und können sich gegenseitig ergänzen.

Die nordkoreanische Nuklearkrise

Nordkorea hat sich wiederholt vertraglich verpflichtet, das Atomprogramm
einzustellen und die Nuklearanlagen zu verschrotten. Diese Zusagen wurden aber
immer wieder gebrochen. Zwei Atomtests und eine de facto Nuklearmacht
Nordkorea mit sechs bis acht Atomsprengköpfen sind das Ergebnis.

Die Sorge um das nordkoreanische Nuklear- und Raketenprogramm beschäftigt seit
den Tests vom Mai 2009 wieder verstärkt die internationale Gemeinschaft. Die
Sechs-Parteien-Gespräche sind nach Fortschritten in den Vorjahren seit Ende 2008
ins Stocken geraten. Es bleibt weiterhin offen, ob Nordkorea bereit ist, auf
Atomwaffen zu verzichten. Seit Anfang 2009 setzt Nordkorea wieder deutlicher auf
Konfrontation. So testete es am 5. April, als Satellitenstart deklariert, eine dreistufige
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Interkontinentalrakete. Der Test wurde vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in
einer Präsidentschaftserklärung verurteilt. Nordkorea sagte daraufhin die weitere
Teilnahme an den Sechs-Parteien-Gesprächen ab, kündigte den Wiederaufbau des
Reaktors Yongbyon an und wies IAEO-und US-Inspektoren aus.

Der Atomtest vom 25. Mai und die anschließenden Raketenstarts kamen daher nicht
überraschend. Sie wurden wiederum von der internationalen Gemeinschaft
einstimmig verurteilt. Der Sicherheitsrat verabschiedete am 12. Juni die Resolution
1874. Sie erweitert das Sanktionsregime der Vorgängerresolution 1718. So gilt das
bestehende Waffenembargo nun für alle Waffenexporte aus und Lieferungen nach
Nordkorea. Auch der Handel mit weiteren Gütern, die dem Waffenprogramm dienen
könnten, wurde unterbunden und die Reisesperren ausgeweitet.

Nordkorea betonte, es werde am Nuklearprogramm festhalten und sein Plutonium
waffenfähig machen. Außerdem gestand es erstmals die Existenz des Programms
für die Urananreicherung ein. Eine Rückkehr zu den Sechs-Parteien-Gesprächen
macht Nordkorea derzeit von der Aufhebung der Sanktionen und Verhandlungen zu
einem Friedensvertrag abhängig.

Nicht nur Japan, auch Europa hat ein großes Interesse an der Lösung der
nordkoreanischen Atomkrise. (1) Der Atomwaffensperrvertrag wurde durch den
Austritt Nordkoreas geschwächt. (2) Das Land liefert Raketen, Technik und Wissen
an Länder, die an Europa grenzen. (3) Die Krise um Nordkorea provoziert neue
Aufrüstungen. Ein konstruktiver Umgang mit der Krise um Nordkorea erfordert nach
meiner Überzeugung dreierlei:
   1. Beweglichkeit sowohl auf Seiten der USA wie Nordkoreas,
   2. eine verstärkte Rolle Chinas, dem in Bezug auf Nordkorea eine
      Schlüsselstellung zukommt sowie
   3. eine konstruktive Beteiligung der Europäischen Union
Ziel der internationalen Gemeinschaft bleibt die vollständige, friedliche und
verifizierbare Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Notwendig hierfür ist
eine Zusage Nordkoreas, auf alle Kernwaffen zu verzichten, das militärische
Nuklearprogramm zu beenden und zur Einhaltung des Nichtverbreitungsvertrages
zurückzukehren. Eine Verknüpfung mit Themen, die nicht sicherheitspolitischer Natur
sind, behindern aus meiner Sicht dagegen mögliche Fortschritte.

Die iranische Atomkrise

Die iranische Atomkrise hat sich in den letzten Monaten dramatisch zugespitzt. Am
21. September 2009 hatte der Iran die IAEO über die Existenz einer zweiten, bisher
geheim gehaltenen Uran-Anreicherungsanlage in Qom informiert. Nach 15
Monaten Gesprächspause gelang es den E3+3 am 1. Oktober 2009 immerhin
erstmals wieder, direkte Gespräche mit dem Iran zu führen. Bei dem Treffen in
Genf erklärte sich der Iran bereit, der IAEO Zugang zu seiner
zweiten Anreicherungsanlage zu gewähren. Der Iran willigte darüber hinaus
"prinzipiell" ein, schwach angereichertes Uran nach Russland und Frankreich zu
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Seitdem hat Teheran seine Obstruktionspolitik wieder verschärft. Am 27. November
2009 verabschiedete der Gouverneursrat der IAEO eine Resolution. Darin wird der
Iran aufgefordert, die Bauarbeiten an der Anreicherungsanlage in Qom umgehend
einzustellen, mit der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren und sein
Atomprogramm aufzudecken. Am 7. Februar 2010 kündigte Irans Staatspräsident
Ahmadinejad an, die Urananreicherung auf 20 Prozent auszuweiten. Die Produktion
des höher angereicherten Urans hat nach iranischen Angaben am 9. Februar
begonnen. Am 18. Februar legte die IAEO einen neuen Bericht zum iranischen
Atomprogramm vor. Dieser bestätige erneut, dass der Iran alle offenen Fragen um
sein Atomprogramm weiter unbeantwortet lasse.

Es ist höchste Zeit, dass Teheran die ausgestreckte Hand des Westens und vor
allem Washingtons annimmt. Den unverbindlichen Worten müssen endlich Taten
folgen. Und zwar in Form einer verbindlichen Vereinbarung mit der Internationalen
Atomenergiebehörde IAEO. Wir warten seit Monaten darauf, dass Iran das IAEO-
Angebot zur Urananreicherung im Ausland annimmt. Teheran hat selbstverständlich
das Recht auf zivile Nutzung der Kernenergie. Aber es muss volle Transparenz
hergestellt werden. Eine atomare Bewaffnung des Iran ist in keiner Weise
akzeptabel. Sie gefährdet nicht nur die Staaten der Region einschließlich Israel, sie
gefährdet die Sicherheitsstatik der ganzen Welt. Eine Atommacht Iran hätte auch
unmittelbare Auswirkungen auf das globale Nichtverbreitungsregime.

Japan hat umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen zum Iran. Deshalb sollte es aus
meiner Sicht eine stärkere Rolle als bisher spielen. Die Entscheidungsträger im Iran
müssen unter allen Umständen zur Zusammenarbeit und zur Vertrauensbildung
aufgefordert werden.

Der Atomwaffensperrvertrag muss gestärkt werden

Die Konflikte im Fall der Nuklearprogramme Irans und Nordkoreas haben gezeigt,
wie schmal der Grat zwischen ziviler und militärischer Nutzung von
Nukleartechnologie verlaufen kann. Deshalb haben Mitgliedstaaten des NPT Zweifel
aufkommen lassen, ob das NPT-Regime auf Dauer das Entstehen weiterer
Kernwaffenstaaten wird verhindern können.

Ein Scheitern der Verhandlungen könnte die Ambitionen weiterer Länder schüren, in
den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen. Eine zunehmende und unkontrollierte
Verbreitung von Atomwaffen würde den Atomwaffensperrvertrag (NVV) aushöhlen.
Dabei ist der NVV seit 40 Jahren ein verlässliches Instrument für die Eindämmung
der nuklearen Proliferation. In diesem Sinne gilt es auch die im Mai dieses Jahres in
New York stattfindende Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags zu
einem Erfolg zu führen. Eine Rückkehr Nordkoreas unter die Regeln des NVV wäre
ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das Jahr 2010 ist somit für die nukleare
Abrüstung von entscheidender Bedeutung. Bis zur New Yorker
Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags im Mai 2010 müssen die
Atommächte zeigen, dass sie ihre Abrüstungsverpflichtung aus Artikel VI Ernst
nehmen.
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Mit dem Amtsantritt von Barack Obama bietet sich ein Fenster der Gelegenheit. Das
offenbar kurz vor Abschluss stehende START-Nachfolgeabkommen wäre ein
wichtiges Zeichen dafür, dass die beiden Atomweltmächte ihrer
Abrüstungsverpflichtung nachkommen. Auch wenn die Fertigstellung des Vertrages
angeblich nur reine Formsache ist, bleibt eine Ratifizierung noch vor der Konferenz
eher unwahrscheinlich. Es wäre jedoch ein wichtiges Signal, wenn der Vertragstext
bis dahin vorliegen würde. Mit Spannung wird auch die sogenannten „Nuclear
Posture Review“ erwartet, mit der die US-Atomstrategie für die nächsten fünf bis 10
Jahre festgelegt wird. In dem Dokument, das Anfang März vorliegen soll, wird die
Rolle von Atomwaffen für die US-Verteidigungspolitik beschrieben. Ob sich dabei die
nuklearen Abrüstungsbefürworter, die erste Erfolge auf dem Weg zu einer
atomwaffenfreien Welt erzielen wollen, oder die Befürworter einer nuklearen
Modernisierung, die argumentieren, weitere Abrüstungsschritte seien nur möglich,
wenn das Nuklearwaffenpotential der USA konsequent modernisiert werde,
durchsetzen werden, ist offen. Unmittelbar vor der Überprüfungskonferenz lädt
Obama zudem zu einem Gipfel zur nuklearen Sicherheit ein, der vom 12. bis 13.
April in Washington stattfinden wird. An möglichen Impulsen für eine erfolgreiche
Überprüfungskonferenz mangelt es also nicht.

Der NVV bleibt auch im 21. Jahrhundert das Fundament der nuklearen
Nichtverbreitung und wichtigste Berufungsgrundlage für weitere Abrüstungsschritte
mit dem Ziel der endgültigen Abschaffung der Kernwaffen. Gelingt es der NVV-
Überprüfungskonferenz 2010 sich auf ein substanzielles Abschlussdokument zu
einigen, wäre dies ein Signal, dass der kooperativen Rüstungskontrolle bei der
Verhinderung der Verbreitung von Kernwaffen weiterhin eine wesentliche Bedeutung
zukommt. Ein Erfolg in New York ist von elementarer Bedeutung für das Überleben
des nuklearen Nichtverbreitungsregimes.
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