Reigen CAMERATA BERN Patricia Kopatchinskaja Leitung und Violine Reto Bieri

 
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Reigen CAMERATA BERN Patricia Kopatchinskaja Leitung und Violine Reto Bieri
Reigen
 CAMERATA BERN
 Patricia Kopatchinskaja
 Leitung und Violine

 Reto Bieri
 Klarinette

 David Philip Hefti
 Konzept und ­Composer in Residence

 Sonntag, 27. Juni 2021 —
 17.00 Uhr, Casino Bern
 Werke von Hefti, Ligeti, Schönberg und Weiteren
Reigen CAMERATA BERN Patricia Kopatchinskaja Leitung und Violine Reto Bieri
CAMERATA BERN                                                                 Reigen
Patricia Kopatchinskaja — Leitung und Violine                                 György Ligeti (1923–2006)
Reto Bieri — Klarinette                                                       Alte ungarische Gesellschaftstänze in       Sándor Veress
David Philip Hefti — Konzept und Composer in Residence                        einer Fassung für Violine, Klarinette und   Vier transsylvanische Tänze für
                                                                              Streichorchester                            ­Streichorchester, Lejtös – Dobbantós
                                                                                                                           (1. und 2. Satz)
1. Violine       Patricia Kopatchinskaja                                      David Philip Hefti (*1975)
                 Ruggero Allifranchini                                        Sechs Klanginseln für Violine, Klarinette   David Philip Hefti
                 Simona Bonfiglioli                                           und Streichorchester (Auftragskomposi-      Sechs Klanginseln, 4. getrieben
                 Simone Roggen                                                tion der CAMERATA BERN, Uraufführung),
                 Cordelia Hagmann                                             1. flimmernd                                Franz Schubert
                                                                                                                          Fünf Deutsche mit sieben Trios und einer
2. Violine       Michael Brooks Reid                                          Arnold Schönberg (1874–1951)                Coda für Streicher D 90, Nr. 3–5
                 Christina Merblum-Bollschweiler                              Walzer für Streichorchester, Nr. 1–5
                 Sibylla Leuenberger                                                                                      David Philip Hefti
                 Michael Bollin                                               David Philip Hefti                          Sechs Klanginseln, 5. rauschend
                                                                              Sechs Klanginseln, 2. ruhelos
Viola            Marko Milenkovic                                                                                         Arnold Schönberg
                 Alejandro Mettler                                            Franz Schubert (1797–1828)                  Walzer für Streichorchester, Nr. 6–10
                 Friedemann Jähnig                                            Fünf Deutsche mit sieben Trios und einer
                                                                              Coda für Streicher D 90, Nr. 1 und 2        David Philip Hefti
Cello            Thomas Kaufmann                                                                                          Sechs Klanginseln, 6. verklingend
                 Nikolai Gimaletdinov                                         David Philip Hefti
                                                                              Sechs Klanginseln, 3. schwebend              Béla Bartók (1881–1945)
Kontrabass       Käthi Steuri                                                                                              Rumänische Volkstänze für
                                                                              Sándor Veress (1907–1992)                   ­Streichorchester
                                                                              Vier transsylvanische Tänze für              Joc cu bâtǎ – Brâul – Pê-loc –
                                                                              ­Streichorchester, Lassu – Ugrós             ­Buciumeana – Poargǎ româneascǎ –
                                                                               (3. und 4. Satz)                             Mǎrunţel – Mǎrunţel

                                                                                                                          Auftragskomposition sechs Klanginseln
                                                                                                                          von David Philip Hefti: Mit Unterstützung
Anstelle der Konzerteinführung vor Ort bieten wir auf unserer Website einen                                               von Pro Helvetia, Schweizer Kultur­
Podcast mit SRF-Musikredaktor Benjamin Herzog an – auch zum Nachhören.                                                    stiftung, sowie der FONDATION SUISA.

Dieses Konzert wird von Radio SRF2 Kultur aufgezeichnet und im Herbst
2021 gesendet.

                                                                                                                                                                      3
Reigen CAMERATA BERN Patricia Kopatchinskaja Leitung und Violine Reto Bieri
Eine Reise auf die                                                                   verbunden mit der Sehnsucht nach Un-
                                                                                          abhängigkeit und immer in der Not sich
                                                                                          gegen Besatzungsmächte verteidigen zu

     Tanzflächen von
                                                                                          müssen, war ein musikalischer Schmelz-
                                                                                          tiegel, der sich aus unterschiedlichsten     binden, entsprach dem jungen Kompo-
                                                                                          und immer neuen Einflüssen zusammen-         nisten. Geboren in Transsilvanien und

     Siebenbürgen,
                                                                                          setzte und somit ständig in Bewegung         dort massgeblich musikalisch geprägt,
                                                                                          war. Überall, vor allem in der Stadt, war    liebte Veress die klassische Musik im
                                                                                          die sogenannte Folklore zu hören. Mit der    Kreise der musikbegeisterten Familie
                                                                                          traditionellen Volksmusik auf dem Land       und gleichzeitig die traditionelle ungari-

     Wien und Bern
                                                                                          hatte sie aber wenig zu tun. Für genau       sche Volksmusik. Doch auch er sollte wie
                                                                                          diese Ursprünglichkeit interessierte sich    sein Lehrer seine Heimat bald verlassen
                                                                                          Béla Bartók aber besonders. Also begab       müssen. Veress fiel der Abschied aus der
                                                                                          er sich 1905 im Alter von 24 Jahren mit      Heimat alles andere als leicht. Während
                                                                                          Notizpapier und Phonograph auf gros-         des Zweiten Weltkriegs bot sich ihm die
Unter dem Titel «Reigen» lade ich Sie mit   virtuosen Seite. Machen Sie es sich also      se Reise, um die authentische Musik der      Gelegenheit zur Emigration nach Eng-
diesem Abokonzert zu einer ganz beson-      bequem und geniessen Sie den musikali-        Bauern und Landbevölkerung zu erleben.       land, doch er schrieb: «Ich wusste, der
deren Reise ein: Die CAMERATA BERN,         schen Reigen!                                 Mit nach Hause brachte er Schall- und        Krieg werde lange dauern, und ich wuss-
Patricia Kopatchinskaja und Reto Bieri                                                    Notenaufzeichnungen sowie Dokumen-           te auch, dass ich in England völlig iso-
bringen die Heimatländer und -klänge        Unsere erste Station ist Siebenbürgen,        tationen von Volksmelodien und -tänzen,      liert von Ungarn sein würde. Aber meine
grosser Komponisten in den Konzertsaal      die Heimat von György Ligeti, Béla Bartók     die er fortan in seine Musik integrierte.    geistig-musikalische Entwicklung, meine
und lassen sie dort lebendig werden.        und Sándor Veress – drei Komponisten,         Schriftlich hielt er fest: «Ich erachte es   seelische Verfassung brauchte noch die
                                            die sich nicht nur geografisch, sondern       als mein Lebensziel, mein Studium der        Heimat, den Nährboden, vielleicht könn-
Keine Sorge, diese Reise ist alles an-      auch künstlerisch nahe standen. Bartók        rumänischen Volksmusik wenigstens in         te man auch sagen die Atmosphäre des
dere als beschwerlich, denn es handelt      unterrichtete Veress, dieser später Ligeti.   Siebenbürgen fortzusetzen und zu Ende        Volksliedes.»
sich um formvollendete und kurzweilige      An ihren Lehrern faszinierte die Schüler      zu führen.» 1967 veröffentlichte er eine
Tanzmusik, bei der Sie einerseits mit den   ihr unbändiges und lebenslanges Interes­      Sammlung von 1115 Instrumentalmelo-          1943 übernahm er eine Professur an
Komponisten György Ligeti, Béla Bar-        se für die Musik der eigenen Heimat – eine    dien, darunter ein Zyklus rumänischer        der Franz-Liszt Akademie in Budapest.
tók, Sándor Veress, Arnold Schönberg        Heimat, die alle drei Komponisten im Lau-     Volkstänze.                                  Nach Ende des zweiten Weltkriegs blitz-
und Franz Schubert in unterschiedliche      fe ihres Lebens verlassen mussten. Sie-                                                    te Hoffnung auf für Siebenbürgen und
Regionen vordringen, andererseits aber      benbürgen als Land zwischen Ländern,          Bartóks Schüler, wichtigster Assistent       Veress engagierte sich sogar politisch
auch in meine eigene Klangwelt ein-                                                       und ab 1940, als er selbst in die USA emi-
tauchen können. Das ausgewählte Pro-                                                      grierte, Stellvertreter bei der Arbeit an    Fortsetzung Seite 6  

gramm präsentiert die Künstler von ihrer                                                  der Gesamtausgabe Ungarische Volks-
verführerisch-verspielten und wahrhaft                                                    liedmelodien war Sándor Veress. Bartóks
                                                                                          Idee, Kunstmusik mit neu entdeckter
                                                                                          Volksmusik aus seiner Heimat zu ver-
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                                                                                                                                                                                5
Klangsprache unüberhörbar. Mehr noch
                                                                                         zeugt seine Musik aber von der Begeis-
                                                                                         terung für eine zeitgenössische und fan-
                                                                                         tasievolle Übersetzung der historischen
in einer kommunistischen Partei. Doch       Zeit eine äusserst wertvolle Gabe, und       Originale.                                   Orchester und schliesslich für Streich-
der anfängliche Optimismus und die          es wäre gut, wenn die Menschen darüber                                                    orchester. Bartók ahmte den Aufbau der
Aussicht auf einen Neuanfang wichen         häufiger und tiefer nachdenken würden.»      Ein Beispiel dafür sind Ligetis Alte unga-   traditionellen Dorftänze aus verschie-
schnell aufsteigender Skepsis. Erst jetzt   Erst kurz vor seinem Tod erhielt er die      rische Gesellschaftstänze, die er im Alter   denen Gegenden Siebenbürgens in ihrer
fasste Veress den Entschluss zu gehen.      Schweizer Staatsbürgerschaft.                von 26 Jahren komponierte. Er bearbei-       Struktur und geschlossenen Form nach.
Zunächst arbeitete er als offizieller De-                                                tete Tänze aus dem späten 18. und frühen     Der Zyklus enthält den virtuosen und
legierter am Kongress des International     Auch Györgi Ligeti verband mit Sieben-       19. Jahrhundert seiner Kollegen ­    János   dynamischen Stabtanz, den Rundtanz
Folk Music Council in Basel. Hier lernte    bürgen seine musikalische Identität. Weil    Bihari, János Lavotta, Antal Csermák         aus Torontal oder Brâul, den sogenann-
er Paul Sacher kennen, der Werke bei ihm    er als Jude nicht für das Physik- und Ma-    und Márk Rozsavölgy und arrangierte          ten Stampftanz, einen Kettentanz, den
in Auftrag gab und sie zur Uraufführung     thematikstudium zugelassen wurde, stu-       sie für Streichorchester. Tradition trifft   man seiner Herkunft nach als Butschu-
brachte.                                    dierte er Musik und wurde Veress’ Schüler.   Interpretation. Ligetis Lehrer Sándor        mer bezeichnet, eine rumänische und
                                            Doch auch sein Leben prägte der Zweite       Veress schrieb fünf Jahre früher, 1944,      rhythmisch herausragende Polka und die
1949 zogen Veress und seine Frau end-       Weltkrieg. 1944, gerade 20 Jahre alt, wur-   Vier transsilvanische Tänze für Streichor-   zwei raschen Mărunțel als Final-Tänze.
gültig in die Schweiz, wo sie politisches   de er zum Arbeitsdienst in die ungarische    chester und orientierte sich ebenfalls an    In Siebenbürgen erwarten sie also einer-
Asyl erhielten und er als Professor in      Armee einberufen, wo er in sowjetische       musikalischen Vorläufern. Die Tänze sind     seits rustikaler Charme und vergnügliche
Bern arbeitete. Hier wandte sich der        Gefangenschaft geriet. Während eines         deutlich von den virtuosen Melodien­         Lebensfreude des Dorflebens, anderer-
Komponist der Zwölftonmusik zu und          Bombenangriffs gelang ihm die Flucht.        linien und der versierten Kontrapunktik      seits aber auch düstere und melancholi-
zählte unter anderen Heinz Holliger zu      Sein Bruder und sein Vater wurden 1945       Johann Sebastian Bachs beeinflusst.          sche Klänge.
seinen Schülern. Mit dem Verlust seiner     im Konzentrationslager ermordet. Ligeti      Béla Bartók schrieb seine Rumänischen
Heimat kam ihm auch seine musikalische      schloss sein Studium 1949 ab und heira-      Volkstänze für Streichorchester eben-        Die weitere Reiseroute sieht glücklicher-
Sprache, die ungarische Volksmusik – bis    tete im selben Jahr. Er arbeitete zunächst   falls jung, mit 36 Jahren. Er verwendete     weise keine allzu langen Strecken vor.
zur Emigration die wichtigste Quelle sei-   als Musikethnologe für rumänische Volks-     sieben Melodien aus der oben erwähn-         Unsere nächste Station ist nämlich Wien.
ner Arbeit – abhanden. Kurz vor seinem      musik und unterrichtete Harmonielehre,       ten Gesamtausgabe und verarbeitete           Und wenn Sie von der Tanzmusik aus Sie-
80. Geburtstag zog Veress Bilanz: «Was      Kontrapunkt und Musikanalyse. Nach           sie zunächst in einer Klaviersuite. Spä-     benbürgen noch recht beschwingt sind,
mir in Ungarn unmöglich gewesen wäre,       dem Volksaufstand in Ungarn 1956 flo-        ter arrangierte er die Stücke für kleines    können sie sich hier gleich weiterdrehen –
die menschenwürdige persönliche Frei-       hen Ligeti und seine Frau nach Wien, wo                                                   diesmal zu einem Walzertakt der beson-
heit und die Möglichkeiten zur Entfal-      er sich einem neuen musikalischen Feld                                                    deren Art. Arnold Schönberg, Begrün-
tung meiner Kunst, hat mir der helveti-     zuwandte. Seine Neugier galt der elekt-                                                   der der Zweiten Wiener Schule und der
sche Boden geschenkt. Das ist in unserer    ronischen und avantgardistischen Musik                                                    Zwölftonmusik, schrieb vermutlich mit
                                            sowie dem absurden Theater und gipfel-
                                            te 1977 in seinem Meisterwerk Le Grand                                                    Fortsetzung Seite 8  

                                            Macabre. Ligetis Bewunderung für tradi-
                                            tionelle Volksmusik ist in seiner eigenen
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                                                                                                                                                                               7
23 Jahren seine zehn Walzer für Streichor-                                                   Veress, Bartók, Schönberg und Schubert         mit dem Orchester als auch mit Ihnen als
chester. In ihrer Jugendlichkeit und ihrem                                                   immer wieder zu kurzen Ausflügen in die        Publikum immer neue Klangkonstellatio-
Unterhaltungswert stehen sie jedoch eher                                                     Gegenwart ein. Für die CAMERATA BERN           nen eingehen. Nicht nur Sie befinden sich
in der Tradition von Franz Schuberts Tanz-                                                   habe ich ein Doppelkonzert für Violine,        also auf einer Reise, sondern auch der
musik als von damals vorherrschenden           Franz Schubert fällt im Vergleich mit den     Klarinette und Streichorchester kompo-         Klang selbst. Ich möchte es nicht leug-
Kompositionen der Strauss-Dynastie. Ob-        anderen im Programm vertretenen Kom-          niert. Es ist in sechs Sätze aufgeteilt, die   nen: So wie meine Kompositionen Aus­
wohl Schönberg Österreicher war, hatte         ponisten etwas aus dem Rahmen. Wien           einerseits als Bindeglieder zwischen den       flüge in die Gegenwart sind und Möglich-
er einiges mit seinen Kollegen aus Sie­        blieb immer seine Heimat. Er musste           Werken der ausgewählten Komponisten            keit zur Reflexion bieten, so bieten die
benbürgen gemein. Schönberg war eben-          weder aus privaten noch aus politischen       fungieren, andererseits aber auch ihre         Werke von Ligeti, Bartók, Veress, Schön-
falls Jude und musste sein Land im Zuge        Gründen fliehen. Schon früh genoss er die     Verschiedenartigkeit ausstellen. Trotz der     berg und Schubert auch ein Stück weit
des Zweiten Weltkriegs verlassen.              musikalische Förderung seines Vaters,         Individualität meines Doppelkonzerts im        Erholung von meiner zeitgenössischen
                                               der die bestmögliche Ausbildung für ihn       Kontext unterschiedlicher Kompositions-        Klang­sprache …
Nach dem frühen Tod seines Vaters 1890         anstrebte. Schubert hatte alle Möglich-       stile steht es in vielerlei Hinsicht auch in
sah er sich in der Verantwortung, allein für   keiten, aber er starb jung, mit nur 31 Jah-   der Tradition der anderen Werke. Ich ver-      Es war mir eine Ehre und ein grosses
die Familie zu sorgen, begann deshalb zu-      ren. Er gilt als Vertreter und Entwickler     suche, die Lebendigkeit, für die die Tänze     Vergnügen, diese Reiseroute für Sie zu
nächst eine Banklehre und komponierte          des Kunstlieds und des Liedzy­klus’ so-       im Konzertsaal sorgen werden, aufzu-           planen. Aber jetzt wird es Zeit aufzubre-
nur nebenbei. Er war Autodidakt und ein        wie als Mitbegründer der romantischen         greifen und mit meiner Musik weiterzu-         chen! Ich möchte Sie endlich in diese un-
Glückspilz. Denn 1894 lernte er Alexan-        Musik. Klavierstücke und Deutsche Tän-        denken. Deshalb arbeite ich hier, wie zu-      terschiedlichen Klangwelten mitnehmen
der Zemlinsky kennen, dessen Schwes-           ze nehmen einen besonderen Platz in           letzt in meinem Flöten-Konzert Media           und den Konzertsaal mit Schwung zum
ter er später heiraten sollte und der das      seinem Werkverzeichnis ein. Sie hören         nox (2019) des Nachtwachen-Zy­klus’ und        Leben erwecken.
Streichorchester Polyhymnia leitete und        5 Deutsche mit Coda und 7 Trios aus dem       meiner Familienoper Die Schneekönigin
ihn als «ebenso feurig wie falsch» spie-       Jahr 1813, als Schubert gerade einmal         (2018), mit den Möglichkeiten des räum-        David Philip Hefti
lenden Cellisten engagierte. Schönberg         16 Jahre alt war. In der ausgewählten         lichen Klangs, das heisst, mit der Auf-
entschied, sich nun vollends der Musik         Tanzmusik von Schönberg und Schubert          lösung der Grenze zwischen Bühne und
zu widmen und kündigte seine Stelle bei        erleben Sie die beiden Komponisten von        Zuschauerraum. Die musikalische Vitali-
der Bank. Mit Zemlinskys Orchester ka-         einer anderen, vielleicht ungewohnten         tät des Konzertprogramms übersetze ich
men seine Werke erstmals zur Auffüh-           Seite, nämlich als Meister der Miniaturen     in meinem Doppelkonzert in tatsächliche
rung, zahlreiche Stücke komponierte er         und jugendlichen Leichtigkeit!                Bewegung der Musiker im Konzertsaal.
sogar eigens für das Ensemble. In diesem                                                     Während Patricia Kopatchinskaja in ihrer
Zusammenhang stehen vermutlich auch            Diese Reise führt Sie nicht nur nach Sie-     Doppelfunktion als Solistin und Konzert-
die Walzer für Streichorchester aus dem        benbürgen und Wien, sondern auch ein          meisterin das Orchester vom ersten Pult
Jahr 1897.                                     Stück weit durch die Geschichte und           aus leitet, wird die Klarinette an verschie-
                                               Musikwelt des 19. und 20. Jahrhunderts.       denen Orten spielen und dadurch sowohl
                                               Bei derartigen Exkursionen sind regel-
                                               mässige Pausen unerlässlich, um das
                                               Erlebte einordnen und verarbeiten zu
                                               können. Ich lade Sie also zwischen Ligeti,
8

                                                                                                                                                                                    9
Biografien                                                                                 Kopatchinskaja war von 2014 bis 2018
                                                                                            Artistic Partner des Saint Paul Cham-
                                                                                            ber Orchestra. Sie wurde 2017 mit dem
 Patricia Kopatchinskaja                                                                    Grossen Musikpreis der Schweiz ausge-
 Kopatchinskaja verbindet Tiefe, Brillanz                                                   zeichnet und 2019 mit dem Würth-Preis
 und Witz und bringt einen unverwechsel-                                                    der Jeunesses Musicales Deutschland.
 baren Sinn für Theatralik in die Musik. Ob                                                 Sie war an verschiedenen Musikfestivals
 sie ein Violinkonzert von Tschaikowski,      waren «Plaisirs Illuminés» mit Sol Gabet-     als Artist in Residence engagiert. Kopat-
 Ligeti oder Schönberg aufführt, ob sie       ta und der Camerata Bern und ihr Vivaldi-­    chinskaja ist auch humanitäre Botschaf-
 ein in einem inszenierten Projekt Beetho-    Projekt mit Il Giardino Armonico (beide       terin für das Kinderhilfswerk Terre des
 ven, Ustwolskaja und Cage dekonstruiert,     Alpha Classics), sowie Francisco Colls       ­Hommes.
 stets vermittelt sie ihren ganz eigenen      Violinkonzert mit dem Orchestra Philhar-
 Zugang zum Kern des Werks.                   monique du Luxembourg (Pentatone).           Fortsetzung Seite 12  

 Zu den Höhepunkten der Saison 20/21 ge-      In der Saison 21/22 stehen Engagements
 hörten Residenzen beim Orchestre Phil-       mit hochkarätigen Orchestern auf dem
 harmonique de Radio France und beim          Programm, darunter Residenzen bei den
 SWR-Sinfonieorchester sowie ihr Debüt        Berliner Philharmonikern und dem City of
 bei den BBC Proms, wo sie mit dem BBC        Birmingham Symphony Orchestra, eine
 Scottish Symphony Orchestra auftrat.         Tournee mit dem Budapest Festival Or-
 Kopatchinskajas Album «Pierrot Lunai-        chestra, sowie weitere Tourneen in Nord-
 re» erschien im April 2021 und wurde von     amerika und Europa.
 der Zeitschrift Gramophone als eines der
 «Essential Albums» gelistet. Weitere CD-     Kopatchinskaja wird weiterhin die Werke
 Veröffentlichungen in der Saison 20/21       lebender Komponisten wie Luca France-
                                              sconi, Michael Hersch, György Kurtág und
                                              Márton Illés in ihren vielfältigen und in-
                                              novativen kuratierten Projekten wie «Bye
                                              Bye Beethoven» und ihrer Videoaufnahme
                                              von Kurt Schwitters’ surrealem dadaisti-
                                              schem Gedicht «Ursonate» präsentieren.

                                                                                                                                        Patricia Kopatchinskaja
                                                                                                                                        © Marco Borggreve
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                                                                                                                                                                  11
David Philip Hefti
                                                                                                 David Philip Hefti studierte an den Mu-
                                                                                                 sikhochschulen in Zürich und Karlsruhe,
                                                                                                 unter anderem bei Wolfgang Rihm, Rudolf
                                                                                                 Kelterborn und Cristóbal Halffter, und        Zinman aufgeführt. Als Gastdirigent wur-
                                                                                                 wirkt als Komponist und Dirigent. Sei-        de Hefti ausserdem zu Musikfestivals wie
                                                                                                 ne rund 70 Werke umfassen Orchester-,         Wien Modern, Beijing Modern, Ultraschall
                                                                                                 Vokal- und Kammermusik, die er etwa           Berlin, Lucerne Festival, Schleswig-Hol-
                                                                                                 für Künstler wie Hartmut Rohde, Baiba         stein Musikfestival, Festival Pablo Casals
                                                                                                 Skride, Jan ­ Vogler und Antje Weithaas       in Prades und Suntory-Festival in Tokio
                                                                                                 sowie für ­Klangkörper wie das Tonhalle-­     eingeladen.
                                                                                                 Orchester Zürich, das Symphonieorches-
                                                                                                 ter des Bayerischen Rundfunks, das Deut-      2013 erhielt er den Komponistenpreis der
                                                                                                 sche Symphonie-Orches­ter Berlin und das      Ernst von Siemens Musikstiftung und 2015
                                                                                                 Ensemble Modern komponierte. Seine            den Hindemith-Preis des Schleswig-Hol-
                                                                                                 Werke wurden zum Beispiel von den Di-         stein Musikfestivals.
                                                                                 Reto Bieri
                                                                                                 rigenten Peter Eötvös, Cornelius Meister,
 Reto Bieri                                                                  © Marco Borggreve   Kent Nagano, Jonathan Nott und David          Für die Saison 2020/21 sind mehrere Ur-
 Der Schweizer Klarinettist und Improvi-                                                                                                       aufführungen und Veröffentlichungen von
 sator Reto Bieri ist seit über 20 Jahren                                                                                                      Heftis Werken geplant. Im März 2021 wer-
 als Solist und Kammermusiker unter-                                                                                                           den in der Elbphilharmonie Hamburg Mah-
 wegs. Gegenwärtig sorgt er als ehema-         Aufgewachsen ist Reto Bieri mit Schwei-                                                         lers Rückert-Lieder nach seiner Bearbei-
 liger Intendant mit seinen ausgetüftel-       zer Volksmusik. Nach wichtigen Erfahrun-                                                        tung für Sopran und Streichquartett sowie
 ten und ­poetischen Themenabenden «à          gen als Tanzmusiker in Wirtshäusern und                                                         das Streichquartett Nr. 6 vom Amaryllis
 la DAVOS FESTIVAL» in Kooperation mit         einer Ausbildung zum Grundschullehrer                                                           Quartett mit Juliane Banse uraufgeführt.
 ­verschiedenen Kammerorchestern und in        studierte er zunächst an den Musikhoch-                                                         Im Juni folgt die Uraufführung des Doppel-
  Zusammenarbeit mit langjährigen Kam-         schulen von Basel und Zürich, später                                                            konzerts für zwei Trompeten und grosses
  mermusikpartnern – allen voran mit der       dann an der berühmten Juilliard School                                                          Orchester mit dem Sinfonieorchester Ba-
  Violinistin Patricia ­Kopatchinskaja – für   of Music in New York. Wesentlich beein-                                                         sel, Immanuel Richter und Huw Morgan
  frischen Wind in der klassischen Musik-      flusst wurde er durch den Komponisten                                                           unter der Leitung von Ivor Bolton. Ebenfalls
  szene. Reto Bieri ist als Musiker regel-     György Kurtág und die Begegnungen mit                                                           ist eine CD-Veröffentlichung bei NEOS mit
  mässig zu Gast bei renommierten Or-          dem Schriftsteller Gerhard Meier, dem                                                           Werken für Streichquartett geplant.
  chestern, verschiedenen Festivals und        Musiker Eberhard Feltz und dem Clown
  bekannten Institutionen. Beim Münche-        Dimitri.
  ner Kult-­ L abel ECM erscheinen seine
  CD-Aufnahmen, zuletzt das hochgelobte        Von 2013 bis 2018 war Reto Bieri Intendant
  Album «quasi morendo» zusammen mit           des DAVOS FESTIVAL – young artists in
  dem meta4 Streichquartett aus Finnland.      concert (CH). Seit 2012 unterrichtet er als
                                               Professor für Kammermusik an der Hoch-
                                               schule für Musik in Würzburg (DE). Er lebt
                                               mit seiner Familie abgeschieden in den                                              David Philip Hefti
                                               Schweizer Bergen im Berner Oberland.                                                © Manu Theobald
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