REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI

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REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI
14 | FACHARTIKEL                                                                            AQUA & GAS N o 9 | 2020

           ReMaP: FORSCHUNGS-
           PLATTFORM FÜR MULTI-
           ENERGIESYSTEME

          Um fluktuierende Energiequellen ins Energiesystem zu integrieren, sind Flexibilitätsoptionen wie
          z. B. die Sektorkopplung notwendig. Sogenannte Multienergiesysteme ermöglichen die Sektor-
          kopplung auf lokaler Ebene. Um die damit verbundenen Herausforderungen besser zu verstehen,
          entwickeln die ETH Zürich, die Empa und das Paul Scherrer Institut (PSI) zusammen mit industri-
          ellen Partnern die «Renewable Management and Real-Time Control Platform» (ReMaP). ReMaP
          baut auf den bestehenden Plattformen der Empa und des PSI auf, erweitert sie und erlaubt es Wis-
          senschaftlern, Ingenieuren und Technikern aus Universitäten, Hochschulen und Industrie, sowohl
          Experimente als auch Simulationen durchzuführen.

          Autoren s. Box auf gegenüberliegender Seite

                                                                       SEKTORKOPPLUNG UND MULTIENERGIESYSTEME

                                                                       Mit dem im Januar 2018 in Kraft getretenen Energiegesetz hat
RÉSUMÉ                                                                 die Schweiz entschieden, schrittweise aus der Nuklearenergie
                                                                       auszusteigen sowie die Nutzung erneuerbarer Energieträger zu
ReMaP:                                                                 fördern, zudem soll in den Sektoren Gebäude, Mobilität und In-
UNE PLATEFORME DE RECHERCHE POUR LES SYSTÈMES MULTI-ÉNERGIE            dustrie die Energieeffizienz gesteigert werden. Des Weiteren hat
L’intégration de sources d’énergie fluctuantes dans le système         der Bundesrat im August 2019 beschlossen, dass die Schweiz bis
énergétique nécessite des options de flexibilité comme le cou-         2050 netto keine Treibhausgase mehr ausstossen soll. Weil 2018
plage des secteurs. Ce dernier est rendu possible à l’échelle locale   rund 36% der Stromproduktion durch Kernkraftwerke und nur
par les systèmes multi-énergie. Avec de tels systèmes, il est par      4% durch neue erneuerbare Energien wie Photovoltaik (PV) und
exemple possible d’utiliser du courant photovoltaïque pour couvrir     Wind geleistet wurden [1], steht das schweizerische Energie-
des besoins propres momentanés, d’injecter ce courant dans le          system somit vor mehreren grossen Herausforderungen.
réseau de distribution ou encore de le stocker dans une batterie ou
sous forme de chaleur, d’hydrogène ou de méthane. Afin de mieux        KOMPENSATION DURCH ERNEUERBARE ENERGIEQUELLEN
comprendre les défis liés aux systèmes multi-énergie, l’EPF de         Eine Herausforderung ist, dass der durch Kernkraftwerke produ-
Zurich, l’Empa ainsi que le Paul Scherrer Institut (PSI) développent   zierte Bandstrom durch den starken Ausbau volatil anfallender
la plateforme «Renewable Management and Real-Time Control              Sonnen- und Windenergie kompensiert werden muss. Diverse
Platform» (ReMaP) conjointement avec les partenaires industriels       Studien haben mittlerweile gezeigt, dass der wegfallende Band-
smart grid solutions SA, Adaptricity SA, Supercomputing Systems        strom durch von PV erzeugten Strom über ein Jahr mehr als kom-
SA et National Instruments. La plateforme ReMaP se base sur les        pensiert werden kann. Somit kann auch der erwartete Anstieg
plateformes existantes de l’Empa et du PSI. Elle les élargit et per-   des Stromverbrauchs durch Elektromobilität und Wärmepumpen
met aux scientifiques, ingénieurs et techniciens des universités,
hautes écoles et de l’industrie de réaliser des expériences ainsi      Kontakt: haselbac@ethz.ch
que des simulations. Au cours de la première phase du projet qui
sera terminée en juin 2021, la plateforme sera non seulement éla-
borée, mais elle servira également à la réalisation de neuf projets

                                                             > S. 21
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AQUA & GAS N o 9 | 2020                                                                               SEKTORKOPPLUNG | 15

gedeckt werden, die wesentliche Beiträge       Entladeleistung und Investitionskosten
zur Dekarbonisierung der Transport- und        unterscheiden. Speicherseen und Pump-                AUTORENLISTE (ALPHABETISCH)
Wärmesektoren leisten müssen, wenn bis         speicher tragen bereits heute massgeblich             Konstantinos Boulouchos,
2050 netto keine Treibhausgase mehr aus-       zur Flexibilisierung des Stromangebots                   Departement für Maschinenbau und Ver-
gestossen werden sollen.                       bei. Batterien werden zunehmend zur                      fahrenstechnik, ETH Zürich
                                               Speicherung von moderaten Energiemen-                Alain Brenzikofer,
FLEXIBILITÄTSOPTIONEN                          gen eingesetzt (s. z. B. die EKZ-Batterie in             Supercomputing Systems AG
Eine weitere Herausforderung ist, dass         Volketswil). Um überschüssigen Strom                  Turhan Demiray,
der durch PV produzierte Strom nicht           entweder in den Winter zu verlagern                      Forschungsstelle für Energienetze,
nur den jährlichen, sondern auch den           oder sonst sinnvoll einzusetzen, sind                    ETH Zürich
augenblicklichen Bedarf decken muss.           Power-to-X-(PtX-)Technologien von Inter-              Martin von Euw, smart grid solutions AG
Dieser weist innerhalb eines Tages, ei-        esse. Unter diesen Sammelbegriff fallen                Benjamin Flamm,
ner Woche und eines Jahres erhebliche          Power-to-Gas-(PtG-) und Power-to-Liquid-                 Departement Informationstechnologie
Schwankungen auf. Damit die fluktuie-          (PtL-)Technologien, die zuerst durch Elek-               und Elektrotechnik, ETH Zürich
rende Stromproduktion durch PV stets           trolyse Wasserstoff und danach allenfalls              Andreas Haselbacher,
mit dem Verbrauch in Einklang gebracht         Methan und andere Kohlenwasserstoffe                     Energy Science Center, ETH Zürich
werden kann, muss das Energiesystem            herstellen, wie auch Power-to-Heat-(PtH-)              Philipp Heer, Empa
mit Flexibilitätsoptionen ausgerüstet          Technologien, die mittels Wärmepumpen                  Marcel Hofer, Paul Scherrer Institut
sein, die es erlauben, Energie zwischen        Wärme erzeugen und speichern. PtG-                   John Lygeros,
Tag und Nacht, zwischen Arbeitstagen           Technologien werden intensiv am Paul                     Departement Informationstechnologie
und Wochenenden und zwischen Som-              Scherrer Institut (PSI) erforscht, weil                  und Elektrotechnik, ETH Zürich
mer und Winter zu verschieben. Eine            sie die Kopplung der Strom-, Transport-,             D iamantis Marinakis,
Flexibilitätsoption ist der Stromhandel        Wärme- und Gassektoren ermöglichen                       Forschungsstelle für Energienetze,
mit Nachbarstaaten, wodurch bereits            [2]. Wenn die Sektorkopplung auf lokaler                 ETH Zürich
jetzt im Sommer überschüssiger Strom           Ebene stattfindet, wie z. B. in Quartieren,          Sabine Proll, Supercomputing Systems AG
exportiert und im Winter importiert wird.      spricht man oft von Multienergiesyste-               Christian Schaffner,
Eine weitere Flexibilitätsoption, die in Zu-   men. Ein Beispiel eines Multienergiesys-                 Energy Science Center, ETH Zürich
kunft zusätzlich an Bedeutung gewinnen         tems ist das «vertikale Quartier» NEST               Christian Schürch,
wird, ist die Energiespeicherung. Es gibt      zusammen mit den beiden Plattformen                      Departement für Maschinenbau und Ver-
eine breite Palette an Speichertechnolo-       move und ehub an der Empa. Dort kann                     fahrenstechnik, ETH Zürich
gien von unterschiedlicher Reife, die sich     z. B. der durch PV erzeugte Strom nicht              Andreas Ulbig, Adaptricity AG
u. a. durch Effizienz, Kapazität, Lade-/       nur zur Deckung des momentanen Eigen-

Fig. 1 Übersicht der ReMaP-Plattform sowie die bei der Empa und dem PSI verfügbaren Umwandlungs- und Speichertechnologien.
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16 | INFRASTRUKTUREN                                                                                   AQUA & GAS N o 9 | 2020

bedarfs benützt oder ins Verteilnetz ein-       schaftlern, Ingenieuren und Tech-              Technikern aus Universitäten, Hochschu-
gespiesen werden, sondern er kann auch          nikern ausbilden, die notwendig ist,           len und Industrie zugänglich gemacht
in einer Batterie oder entsprechend um-         um das Ziel eines dekarbonisierten             werden.
gewandelt als Wärme, Wasserstoff oder           schweizerischen Energiesystems zu              ehub ist die Energieforschungsplattform
Methan gespeichert werden.                      erreichen.                                     der Empa und vernetzt die beiden De-
                                             3.	Behörden, Politiker und die breite Be-        monstratoren NEST und move. Gemein-
NOTWENDIGKEIT EINER                             völkerung können anhand der Platt-             sam stellen diese ein reales Quartier
FORSCHUNGSPLATTFORM                             form den Betrieb und die Vorteile von          dar, in welchem Energie erzeugt, trans-
                                                Multienergiesystemen erleben.                  portiert, gespeichert und umgewandelt
Multienergiesysteme ermöglichen nicht                                                          wird. Über ehub kann das ReMaP-Pro-
nur die Sektorkopplung und damit eine        Um diese Plattform zu erstellen, haben            jekt dieses Experimentalquartier und
verstärkte Nutzung erneuerbarer Ener-        sich die ETH Zürich, die Empa, das PSI            die vorhandenen Technologien für eigene
giequellen und die Dekarbonisierung,         und die industriellen Partner smart grid          Forschungsfragen nutzen.
sondern sie bedeuten auch eine Dezent-       solutions (SGS) AG und Adaptricity AG zu          Das «vertikale Quartier» NEST [3] ist
ralisierung der Energieversorgung. Be-       einem Konsortium zusammengeschlos-                ständig belebt (Fig. 2). Es beinhaltet
sonders wenn sich Multienergiesysteme        sen. Das Konsortium wird durch weitere            Wohnungen, Büros und Freizeitanlagen.
stärker verbreiten und Strom, Wärme          industrielle Partner, die Supercomputing          move [4] ist als Tankstelle der Zukunft
und Gas in entsprechende lokale Netze        Systems (SCS) AG und die National Inst-           konzipiert und bietet die Möglichkeit,
eingespiesen werden können, stellt diese     ruments, unterstützt. Die Erstellung und          Treibstoffe aus erneuerbarer Energie zu
Dezentralisierung eine grosse Herausfor-     erste Versuche mit der Plattform werden           tanken (Fig. 3). Diese Umgebung lässt es
derung für das schweizerische Energie-       in einer ersten Projektphase von Oktober          zu, dass unterschiedliche Nutzungsarten
system dar: Jetzt wird z. B. Strom haupt-    2019 bis Juni 2021 vom Bundesamt für              von Energie ausgewertet werden können.
sächlich durch wenige grosse Kraftwerke      Energie, ETH Zürich, ETH Foundation,              Mehrere Tausend Messpunkte liefern
produziert und über das Übertragungs-        Empa, PSI, SGS, Adaptricity AG und Nati-          kontinuierlich Daten, die sowohl live
und Verteilnetz zu Konsumenten geleitet.     onal Instruments mit insgesamt 7,96 Mio.          als auch zur späteren Modellierung und
Multienergiesysteme stellen diesen Vor-      Franken unterstützt.                              Analyse zur Verfügung stehen. Neben
gang auf den Kopf: Durch vergleichsweise     Ein wichtiges Merkmal des ReMaP-Pro-              Wärmepumpen, Batterien, Solaranlagen
kleine lokale Systeme wird Strom lokal       jekts ist, dass die Plattform nicht von           und Elektrotankstellen stehen auch ein
produziert und der Überschuss ins Ver-       Grund auf neu erstellt wird. Stattdes-            Elektrolyseur und Brennstoffzellen zur
teilnetz eingespiesen. Mit anderen Wor-      sen baut ReMaP auf den bestehenden                Verfügung.
ten: «centralized, top-down» wird durch      Plattformen ehub der Empa und ESI des             Im ReMaP-Projekt stellt das PSI über ei-
«decentralized, bottom-up» ergänzt oder      PSI auf und verbindet und erweitert sie.          nen weiteren Kanal der Forschung und
evtl. sogar ersetzt. Um die Auswirkun-       Durch ReMaP können ehub und ESI und               Industrie seine Expertise sowie die ESI-
gen dieser fundamentalen Änderungen          die darin integrierten Komponenten wie            Plattform (ESI steht für «Energy System
besser zu verstehen, ist eine Forschungs-    PV-Module, Batterien, Wärmepumpen,                Integration») für die Entwicklung von
plattform notwendig, die es erlaubt, die     Elektrolyseure, Brennstoffzellen u. a., sie-      Prozessen zur Energieumwandlung und
Interaktion der verschiedenen für zu-        he Figur 1, einer breiteren Gemeinschaft          Speicherung zur Verfügung (Fig. 4). Die
künftige Multienergiesysteme relevanten      von Wissenschaftlern, Ingenieuren und             Plattform im 100-kW-Massstab hat den
Technologien zu studieren.

RENEWABLE MANAGEMENT AND
REAL-TIME CONTROL PLATFORM

Mit der Renewable Management and Real-
Time Control Platform (ReMaP) soll die
Untersuchung von zukünftigen Energie-
versorgungssystemen, besonders Multi-
energiesystemen auf Quartierebene, mög-
lich gemacht werden.

ZIELE DES ReMaP-PROJEKTS
1.	Wissenschaftler, Ingenieure und Tech-
   niker aus Universitäten, Hochschulen
   und Industrie können mit der Plattform
   in Smart Grids eingebettete Technologi-
   en zur Umwandlung und Speicherung
   von Energie untersuchen und weiter-
   entwickeln.
2.	Instruktoren können mit der Plattform
   die nächste Generation von Wissen-        Fig. 2 «Vertikales Quartier» NEST an der Empa                             (© Zooey Braun)
REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI
AQUA & GAS N o 9 | 2020                                                                               SEKTORKOPPLUNG | 17

                                                                                              lung zwischen Stromnetz und Mobilität
                                                                                              über das Speichermedium Wasserstoff in
                                                                                              unterschiedlichen Konfigurationen getes-
                                                                                              tet werden.

                                                                                              STRUKTUR DER PLATTFORM

                                                                                              Das Herzstück von ReMaP ist das Control
                                                                                              Framework (CFW), siehe Figur 5, das die
                                                                                              Kommunikation zwischen Plattformnut-
                                                                                              zer, der Hardware an Empa und PSI sowie
                                                                                              den Simulationsumgebungen übernimmt.
                                                                                              Die Architektur setzt auf ein cloudba-
                                                                                              siertes Multi-User-System, welches das
                                                                                              Modellieren, Simulieren, Emulieren und
                                                                                              Steuern von Multienergiesystemen er-
                                                                                              möglicht. Dabei kommt die Venios Energy
                                                                                              Platform (VEP) zum Einsatz, welche die
                                                                                              geforderten Funktionalitäten dank der
Fig. 3 Post-fossile Mobilität demonstriert am move-Demonstrator an der Empa      (© Empa)    folgenden Attribute erfüllt:
                                                                                              –	Ein einheitliches Archiv zur Speiche-
                                                                                                 rung von Daten aus Messungen und Si-
                                                                                                 mulationen. Dazu verwendet VEP eine
                                                                                                 NoSQL-Datenbank, welche die Vorteile
                                                                                                 einer hohen Skalierbarkeit und Flexibi-
                                                                                                 lität bietet.
                                                                                              –	Ein einheitliches REST-API (Repre-
                                                                                                 sentational State Transfer Application
                                                                                                 Programming Interface), über das alle
                                                                                                 angeschlossenen Systeme interagieren.
                                                                                              –	Der Datenimport/-export erfolgt über
                                                                                                 ein tabellarisches Format. Mittels
                                                                                                 REST-API kann auf die Daten der Platt-
                                                                                                 form zugegriffen werden. Prinzipiell
                                                                                                 kann jede Art von Sensorik an die
                                                                                                 Plattform angeschlossen werden.
                                                                                              –	Eine Benutzer- und Rollenverwaltung,
                                                                                                 die für das jeweilige Projekt individu-
                                                                                                 ell definiert werden kann. Die gesamte
                                                                                                 Kommunikation läuft über das REST-
Fig. 4 E
        SI Plattform am PSI	                                   (© Mahir Dzambegovic, PSI)      API, das den Zugang zu allen anderen
                                                                                                 Komponenten der Plattform generell
Fokus auf Power-to-Gas-to-Power-Pro-           Membran) Elektrolyse, H2-, O2- und CO2-           einschränken kann (unabhängig ob
zessen mit synthetischem Methan und/           Speicher, PEM-Brennstoffzellen, Wirbel-           Hardware oder Software).
oder Wasserstoff sowie auf Produktions-        schicht-Methanisierung, Mikrogasturbi-
prozessen für biogenes Methan (Biogas).        ne (Blockheizkraftwerk, BHKW) sowie            VEP ist eine generische Plattform, welche
Das Ziel ist, Biomassen effizient und          Anlagen zur hydrothermalen Vergasung           typischerweise bei klassischen Netzbe-
flexibel in das Energiesystem einzubin-        wässeriger Biomasse. Zudem ist das Ge-         treibern im Einsatz ist. Die Verwendung
den, sowie grosse Energiemengen effi-          bäudeleitsystem des PSI an die Steuerung       von VEP für den Forschungsbetrieb
zient speicherbar zu machen, die dann          der ESI-Plattform angebunden. Damit            wird durch SCS ermöglicht. SCS hat die
bei Bedarf in geeigneter Form wieder           kann weitere Infrastruktur wie die Pho-        Anforderungen der Projektpartner und
bereitgestellt werden können und damit         tovoltaikanlagen auf PSI-Gebäuden oder         Plattformbenützer/innen ermittelt und
zur Lösung grosser Herausforderungen           das Wärmenetz zugänglich gemacht               gemeinsam mit Venios die Erweiterun-
(z. B. saisonale Speicherung oder Sektor-      werden.                                        gen von VEP definiert. Ferner schreibt
kopplung) im zukünftigen Energiesys-           Mit den angebundenen Anlagen am PSI            SCS die Software-Komponenten für die
tem beitragen.                                 kann bereits heute durch ReMaP die Kom-        Anbindung der verschiedenen Systeme
Die über ReMaP angebundenen und                bination mit den angebundenen Anlagen          an VEP. Eine grosse Erleichterung für die
grösstenteils vom PSI in Partnerschaften       an der Empa erfolgen. So kann z. B. mit        Benützer/innen von ReMaP ist hierbei die
entwickelten Kernsysteme der ESI-Platt-        der Verbindung zum Mobilitätsdemonst-          Python-Codebasis, in der gezeigt wird,
form sind die PEM (Polymer-Elektrolyt          rator move der Empa die Sektorenkopp-          wie eigene Untersuchungen (Experiment
REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI
18 | INFRASTRUKTUREN                                                                                  AQUA & GAS N o 9 | 2020

und Simulation) durchgeführt werden
können. Mithilfe von Beispielen und An-
leitungen können Benützer/innen die
Vorzüge moderner Software-Entwicklung
nutzen und sich gleichzeitig auf ihre For-
schung konzentrieren. Wie aus Figur 5 er-
sichtlich ist, kann das CFW nicht nur mit
den Plattformen an der Empa und dem
PSI kommunizieren, sondern es können
auch Geräte und Plattformen an anderen
Standorten eingebunden werden. Zurzeit
ist bereits ein BHKW an der ETH einge-
bunden worden.
Um Multienergiesysteme zu simulieren,
bietet ReMaP das sogenannte Simula-
tion Framework (SFW) an. Das SFW baut
auf einer modularen Repräsentation der
Geräte und Kontrollalgorithmen auf, mit
denen Benützer/innen ein im Grunde
genommen beliebig kompliziertes Mul-
tienergiesystem simulieren können. Um
die Modellierung zu vereinfachen, bietet
das SFW eine Modellbibliothek an, die es
Benutzenden ermöglicht, anhand existie-
render Modelle, Kontrollalgorithmen und      Fig. 6 Lastflussberechnung und Netzanalyse mit Adaptricity Smart-Grid-Simulator.

Fig. 5 Übersicht der Plattformarchitektur.
REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI
AQUA & GAS N o 9 | 2020                                                                                SEKTORKOPPLUNG | 19

Systeme rasch eine Simulation vorzube-
reiten. Wenn die Simulationsresultate
darauf hindeuten, dass das untersuchte
Multienergiesystem gut funktioniert, ist
es möglich, schrittweise ein Modell nach
dem anderen durch das vom Modell be-
schriebene reale Gerät zu ersetzen. Diese
sogenannten Hardware-in-the-Loop-(HIL-)
Simulationen können wertvoll sein, wenn
es z. B. darum geht, neue Kontrollalgo-
rithmen zu testen. Die Plattform wird es
möglich machen, nahtlos von einer reinen
Simulation zu einem reinen Experiment
überzugehen.
Für die Simulation von Verteilnetzen
wird der cloudbasierte Smart-Grid-Simu-
lator des ETH-Spinoffs Adaptricity AG be-
nützt. Der Fokus des Simulators liegt auf
der Zeitreihen-basierten Netzsimulation
mittels Netzmessdaten, um möglichst de-     Fig. 7 E
                                                    in konventionelles BHKW deckt den Wärmebedarf eines Gebäudes, während der Strom nach Mög-
tailgetreue und realitätsnahe Analysen             lichkeit ebenfalls vor Ort verbraucht wird. Überschussstrom wird ans Netz abgegeben. Ein Dampf-
zu ermöglichen (Fig. 6). Insbesondere              reformer nutzt einen Teil der Hochtemperaturwärme des BHKW für die Herstellung von Syngas aus
aktiv betriebene Verteilnetze mit dezen-           Wasser und Methan (Erdgas).
traler Energieerzeugung und der Einsatz
von Smart-Grid-Technologien, wie regel-
bare Transformatoren, Lastmanagement
und Energiespeicher, können simuliert,
analysiert und betrieblich optimiert wer-
den [5, 6].

FORSCHUNGSPROJEKTE

Zusätzlich zur Erstellung der Plattform
umfasst das ReMaP-Projekt neun For-
schungsprojekte. Diese Projekte unter-
suchen diverse Aspekte von Multiener-
giesystemen. Im Folgenden werden zwei
dieser Forschungsprojekte beschrieben.

ERWEITERUNG EINES BHKW-PROZESSES
Das erste Projekt befasst sich mit BHKW.
Mit konventionellen BHKW wird Strom
erzeugt und die Abwärme z. B. für die
Bereitstellung von Warmwasser und
Raumwärme benützt. Durch diese dop-
pelte Nutzung ist der Gesamtwirkungs-
grad von konventionellen BHKW, bezo-
gen auf den unteren Heizwert, mit bis zu
106% bereits recht hoch. Bei BHKW, die
auf Verbrennungsmotoren aufbauen, ist
ein beträchtlicher Anteil der Abwärme
bei Temperaturen von bis zu 700 °C er-
hältlich und damit exergetisch gesehen      Fig. 8 V
                                                    ergleich von Experiment (blau) und Simulation (rot) für den Wärmespeicherfüllstand (oben) sowie
wertvoll. Deshalb wird untersucht, wie             die thermische (Mitte) und elektrische (unten) Leistung des BHKW, alle als Funktion der Zeit. Orange
der konventionelle BHKW-Prozess er-                ist der jeweilige Bedarf dargestellt.
weitert werden kann, damit ein besserer
Exergienutzungsgrad erreicht und er zur     Ein durch die Abgaswärme betriebener             einer elektrischen Leistung kleiner als
Stromproduktion nach Bedarf in einem        Dampfreformerprozess (Steam Methane              10 kW) gemäss einer Evaluation verschie-
künftigen Energiesystem flexibler einge-    Reformer, SMR) birgt für stöchiometrisch         dener Optionen das grösste Poten­zial bzw.
setzt werden kann.                          betriebene Mikro-BHKW (BHKW mit                  Exergiewirkungsgradsteigerung und Fle-
REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI
20 | INFRASTRUKTUREN                                                                                   AQUA & GAS N o 9 | 2020

                                                                                                         stunden leisten, die mit einer geeigneten
                                                                                                         Betriebsstrategie optimal und auf Abruf
                                                                                                         für die Stromproduktion zu Gunsten des
                                                                                                         Netzes eingesetzt werden können.
                                                                                                         Durch Anbinden der BHKW-Anlage an die
                                                                                                         Plattform kann die mittels Simulationen
                                                                                                         entwickelte Betriebsstrategie in der Reali-
                                                                                                         tät getestet werden. Während das BHKW
                                                                                                         als reale Maschine läuft, wird der Wär-
                                                                                                         mespeicher weiterhin als zeitgleich lau-
                                                                                                         fendes Modell mit den gemessenen Daten
                                                                                                         des BHKW beliefert. Figur 8 zeigt den Ver-
                                                                                                         gleich von Simulation und Experiment an-
                                                                                                         hand der konventionellen BHKW-Anlage.
                                                                                                         Bedarfsdaten für Strom und Wärme sowie
                                                                                                         die Experimentzeit werden auf die Vorga-
                                                                                                         bewerte und der Füllstand des Wärmespei-
                                                                                                         chers auf den durch die vorgängig durch-
                                                                                                         geführte Simulation ermittelten Wert
                                                                                                         gestellt, bevor das Experiment gestartet
Fig. 9 G
        emessene und modellierte Temperaturen des Elektrolyseurs (oben) und Eingangsleistung (unten)    wird. Die Maschine schaltet erwartungs-
       als Funktion der Zeit.                                                                            gemäss aufgrund des Wärmespeicherfüll-
                                                                                                         standes aus und wieder ein. Der transiente
                                                                                                         Verlauf der produzierten Wärmeleistung
                                                                                                         nach einem Wiederanfahren der Anlage
                                                                                                         kann durch das Computermodell mit nur
                                                                                                         geringen zeitlichen Abweichungen, die
                                                                                                         u. a. auf die viel kleinere zeitliche Auflö-
                                                                                                         sung der Simulation zurückzuführen ist,
                                                                                                         vorhergesagt werden.
                                                                                                         Die Resultate zeigen, dass einerseits so-
                                                                                                         wohl der stationäre Zustand als auch das
                                                                                                         transiente Verhalten der Maschine durch
                                                                                                         das Modell gut abgebildet werden und
                                                                                                         andererseits die Betriebsstrategie in der
                                                                                                         Simulation und im Experiment dieselben
                                                                                                         Reaktionen der Maschine bewirkt. Die
                                                                                                         für das Gesamtprojekt bisher wichtigste
                                                                                                         Erkenntnis ist, dass die Einbindung ei-
                                                                                                         ner neuen Anlage in ReMaP und deren
                                                                                                         Ansteuerung über das CFW funktioniert.

                                                                                                         OPTIMIERUNG DER H 2-PRODUKTION
                                                                                                         Im zweiten Projekt wird die Herstellung
                                                                                                         von Wasserstoff (H2) optimiert, der durch
                                                                                                         Elektrolyseure aus überschüssigem
                                                                                                         Strom produziert wurde und der dann
                                                                                                         sowohl für Raumwärme wie auch für mit
                                                                                                         Brennstoffzellen ausgerüstete Fahrzeuge
Fig. 10 Elektrolyseurleistung und Speicherstand (oben), Wasserstoffbedarf (Mitte), Grosshandelsstrom-   benützt werden kann.
        preis (unten), alle als Funktion der Zeit.                                                       Um diesen Umwandlungspfad und dessen
                                                                                                         wirtschaftliche Optimierung zu untersu-
           xibilitätsgewinn. Figur 7 zeigt schema-          Syngas) verwendet. Dieses Syngas kann        chen, wurden mit dem Elektrolyseur am
           tisch das Prinzip einer SMR-Anlage. Hier-        saisonal im Gasnetz gespeichert werden.      PSI Versuche durchgeführt. In den Versu-
           bei wird die Abgaswärme nicht wie üblich         Durch diese Prozesserweiterung verrin-       chen wurden zuerst der Wirkungsgrad,
           bei 80 °C für einen Heizprozess, sondern         gert sich die nutzbare Wärmeleistung,        die thermische Dynamik und das Regel-
           bei den hohen Temperaturen direkt nach           während die elektrische Leistung gleich      verhalten des Elektrolyseurs bestimmt.
           dem Katalysator für die Umwandlung von           bleibt und chemische Leistung hinzu-         Mit den gesammelten Daten wurden
           Wasserdampf und Methan in Wasserstoff            kommt. Bei gleicher Wärmesenke muss          nicht-lineare Modelle und ein optimaler
           und CO2 (sogenanntes Synthesegas oder            eine SMR-Anlage also mehr Betriebs-          Regler entwickelt, der danach in Echtzeit
REMAP: FORSCHUNGS-PLATTFORM FÜR MULTI-ENERGIESYSTEME - DORA 4RI
AQUA & GAS N o 9 | 2020                                                                                SEKTORKOPPLUNG | 21

für den Betrieb des realen Elektrolyseurs      zur naiven Vorgehensweise, den Elektro-     von Multienergiesystemen bei. Durch den
benützt wurde. Der Regler löst jede Mi-        lyseur stets mit konstanter Leistung zu     flexiblen Aufbau kann ReMaP mit zusätz-
nute ein sog. Mixed Integer Linear Pro-        betreiben, zu einer Stromkostenredukti-     lichen Komponenten und Plattformen
gramming-(MILP-)Problem, um anhand             on von rund 8%.                             erweitert werden. Solche Erweiterungen
der zeitabhängigen Elektrizitätspreise                                                     und die breite Nutzung von ReMaP, vor
mit der Nutzung des Wasserstofftanks           SCHLUSSWORT                                 allem durch industrielle Partner, sind die
die Kosten, die mit der Deckung eines ge-                                                  Hauptziele der zweiten Phase des ReMaP-
gebenen Wasserstoffbedarfs verbunden           ReMaP ist eine Plattform zur Untersu-       Projekts, die im Juli 2021 beginnen wird.
sind, zu minimieren.                           chung von zukünftigen Energieversor-
Beispielresultate aus dem Betrieb des          gungssystemen, in denen die dezentrale      BIBLIOGRAPHIE
Elektrolyseurs sind in Figur 9 gezeigt. Der    Sektorkopplung eine wichtige Rolle ein-     [1]	BFE: Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2018
untere Teil der Abbildung zeigt die zeit-      nehmen wird. Von besonderem Interesse       [2] Kober, T.; Bauer, C. (eds.) (2019): Power-to-X:
abhängige Eingangsleistung. Die daraus         sind Multienergiesysteme auf Quartier­           Perspektiven in der Schweiz, Paul Scherrer Institut
resultierenden gemessenen und model-           ebene. ReMaP baut auf den ehub- und         [3]	Richner, P. et al. (2017): NEST – A platform for
lierten Temperaturen des Elektrolyseurs        ESI-Plattformen der Empa und des PSI             the acceleration of innovation in buildings. In-
sind im oberen Teil durch blaue und rote       auf und erlaubt es Wissenschaftlern,             formes de la Construcción, 69(548): e222, doi:
Linien dargestellt. Die orange Linie zeigt     Ingenieuren und Technikern aus Uni-              http://dx.doi.org/10.3989/id.55380
die nur anhand der Eingangsleistung vor-       versitäten, Hochschulen und Industrie,      [4]	
                                                                                               https://www.aquaetgas.ch/de/aktuell/branchen-
hergesagte Elektrolyseurtemperatur, die        Multienergiesysteme durch Experimente            news/20200408-empa-synthetisches-gas/
gut mit den Messwerten übereinstimmt.          und Simulationen zu untersuchen. Da-        [5] Koch, S.; Ulbig, A.; Ferrucci, F. (2014): An innovative
Beispielresultate, die mit dem optimalen       ten aus Experimenten und Simulationen            software platform for simulation and optimization of
Regler erzielt wurden, sind in Figur 10 dar-   werden in einem Archiv gespeichert und           active distribution grids for DSOs and smartgrid re-
gestellt. Der Regler muss einen bestimm-       können für die Entwicklung von Model-            searchers. Proceedings of CIRED Workshop, Rome
ten Wasserstoffbedarf decken, der von ei-      len benützt werden. Ergebnisse aus der      [6]	Koch, S.; Ulbig, A.; Ferrucci, F. (2014): Eine inno-
ner Flotte von Brennstoffzellenfahrzeugen      ersten Phase des ReMaP-Projekts, die im          vative Simulationsumgebung für aktiv geführte
benötigt wird (Fig. 10 Mitte). Der Bedarf      Juni 2021 abgeschlossen wird, tragen be-         Verteilnetze. Proceedings of 1st OTTI conference
kann entweder durch Wasserstoff, der           reits jetzt zu einem besseren Verständnis        (www.otti.de), Berlin
direkt mit dem Elektrolyseur produziert
wird, oder durch Wasserstoff, der bereits
produziert und in einem Tank zwischen-
gespeichert wurde, gedeckt werden. Wel-
cher der beiden Pfade wirtschaftlicher ist,        >   SUITE DU RÉSUMÉ
hängt von den Grosshandelsstrompreisen
ab (Fig. 10 unten). Mithilfe des Reglers               de recherche. Les premiers résultats de ces projets contribuent déjà actuellement à
läuft der Elektrolyseur dann mit höheren               améliorer la compréhension des systèmes multi-énergie. Commençant en juillet 2021,
Leistungen und speichert den Wasserstoff,              la deuxième phase du projet ReMaP aura pour priorité l’élargissement de la plateforme
wenn die Strompreise niedrig sind, um                  et de son utilisation par des partenaires industriels.
einen zukünftigen Bedarf decken zu kön-
nen (Fig. 10 oben). Diese auf Optimierung
basierende Methode führt im Vergleich

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  Rohr von innen dichten.

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