Wie können Forschung und Politik die Systemtrans formation voran treiben?
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Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 Podiumsdiskussion Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? Projektförderung im Fokus Projektförderung. Wenn ich das Beispiel USA Dr. Rodoula zitieren darf: Da wird die tiefste Grundlagenfor- Tryfonidou Tryfonidou: Wir müssen unterscheiden: Es gibt schung, auch die, die dann die Nobelpreise BMWi die institutionelle Förderung des Bundes, vorwie- bringt, über Projektförderung finanziert. Da RDIR’in Kerstin Deller gend Grundlagenforschung, und die Projektför- werden Anträge gestellt, die sich im Wettbewerb BMU derung. Wir sehen in der Projektförderung ein mit anderen Grundlagenforschungsanträgen flexibles Instrument, um auf Entwicklungen durchsetzen und die besten werden gefördert. Prof. Dr. Eicke Weber reagieren zu können und schneller zu Erfolgen Wir brauchen natürlich institutionelle Förderung Fraunhofer ISE zu kommen. Wir meinen, dass der Zuwachs an für große Projekte. Aber meines Erachtens können Prof. Dr. Frithjof Staiß Mitteln, der ja vorwiegend vom Energie- und gute Grundlagenforschungsprojekte sich genauso ZSW Klimafonds kommt, dazu dienen sollte, kurz- bis gegen andere Grundlagenforschungsprojekte mittelfristig zu Ergebnissen zu kommen. Dafür ist durchsetzen. Insofern bin ich sehr erfreut über Dr. Andreas Bett die anwendungsnahe und marktnahe Entwick- diese wirklich klare Betonung der Projektförde- Fraunhofer ISE lung von Energietechnologien erforderlich, also rung. Denn das ist das, was den Wettbewerb aus- Prof. Dr. Gerd Hauser ist der Zuwachs eher in diesem Bereich zu macht und was garantiert, dass die Mittel auch Fraunhofer IBP verzeichnen. wirklich in die besten Projekte fließen. Weber: Die Unterscheidung Grundlagenfor- Tryfonidou: Der Schwerpunkt des 6. EFP liegt Moderation: schung/angewandte Forschung ist unterschied- tatsächlich auf der anwendungsbezogenen, Michaele Hustedt lich zur Unterscheidung institutionelle Förderung/ marktnahen Forschung, aber das schließt natür- 63
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 lich nicht alles andere aus. Und ganz ehrlich: Bei Rolle der Politikberatung dieser Ausstattung wird es nicht an den Mitteln scheitern. Viel mehr wird es darum gehen, dass Deller: Ich möchte differenzieren zwischen die richtigen Themen eingereicht werden. Forschung zur Energiepolitik insgesamt und staatlicher Förderung für technologieorientierte Deller: Wir haben ja ausführlich dargestellt, dass Energieforschung. für Mittelaufwuchs bei der Projektförderung im Bei der Energiepolitik geht es ganz wesentlich um Rahmen der Haushaltsplanung gesorgt ist. Ange- die Schaffung von Rahmenbedingungen, um ge- sichts der allgemeinen Haushaltssituation und der RDir’in Kerstin Deller setzliche Regelungen wie das EEG, das Emissions- Eurokrise sind wir in der Energieforschung ziem- handelssystem usw. Das BMU fördert daher die lich gut aufgestellt. Man muss letztlich auch Erforschung der notwendigen gesellschaftlichen, realistisch bleiben im Hinblick darauf, wie schnell ökonomischen Rahmenbedingungen für eine Institute wachsen können und wie schnell der Energieversorgung auf der Basis von erneuerba- Nachwuchs qualifiziert werden kann. Ein realisti- ren Energien. Aufgabe der Forschung ist in die- scher, kontinuierlicher Aufwuchs ist hier die sem Fall die Beratung der Politik. Dafür gibt es richtige Herangehensweise. neben entsprechenden Forschungsaufträgen eigens Gremien: SRU, WBGU, auch speziell für das Monitoring der Energiewende wird wissen- Haushaltsmittel vs. Energie- schaftliche Expertise eingebunden. Es gilt, mit und Klimafonds Hilfe sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung Lösungen zu entwickeln, wie Rahmen- bedingungen ausgestaltet werden können, so Deller: Wir sind in der Vergangenheit und aktuell dass sie auch funktionieren. Der Emissionshandel gut damit gefahren, dass es uns gelungen ist, die oder das EEG sind ja auch nicht im luftleeren Bedeutung der Energieforschung herauszustrei- Raum entstanden, zuvor haben sich auch Wissen- chen und deutlich zu machen, dass dafür entspre- schaftler Gedanken darüber gemacht, wie ein chende Mittel notwendig sind. Im Haushalt steht solches Instrument aussehen kann. Umgesetzt man natürlich immer im Wettbewerb zu völlig an- werden muss es dann im politischen Prozess. deren Fragestellungen. Wenn die Mittel knapper werden, wird gefragt: Wieso gibt die Bundesre- In diesem Kontext steht auch die Akzeptanzfor- gierung das Geld für Energieforschung und nicht schung. Auch hier würde ich differenzieren beispielsweise für soziale Belange aus? Im Energie- zwischen Akzeptanzforschung und der Tatsache, und Klimafonds dagegen haben die Mittel eine dass die Rahmenbedingungen für Akzeptanz zu ganz klare Zweckbestimmung: Erneuerbare Ener- schaffen eine Aufgabe der Politik ist. Partizipation gien und Energieeffizienz – das ist ein Vorteil. Wie zu organisieren ist eine Aufgabe der Politik. Dazu die Mittelausstattung im EKF aussieht, ist auch kann Forschung einen Beitrag leisten, aber davon abhängig, ob wir erfolgreich dabei sind, letztlich ist auch hier die Rolle der Forschung eine eine anspruchsvolle Klimapolitik innerhalb der EU Beratung und Begleitung der Politik. Akzeptanz festzulegen. In dem Moment, in dem sich die zu schaffen bleibt letztlich eine politische Gestal- Mitgliedstaaten dazu bereit erklären, ihre Treib- tungsaufgabe. hausgasemissionen um 30 % bis 2020 zu min- dern, muss man sich um eine angemessene Bei der staatlichen Förderung technologieorien- Ausstattung des Energie- und Klimafonds, der tierter Energieforschung – also dem Kern dessen, sich ja aus den Emissionshandelserlösen speist, was im Kontext des 6. Energieforschungspro- keine Sorgen machen. gramms gefördert wird, geht es im Wesentlichen darum, Technologien – eben auch gerade im Tryfonidou: Wir werden aufgrund der Finanz- Bereich der erneuerbaren Energien – weiter zu und Schuldenkrise auch in Deutschland deutlich entwickeln und kostengünstiger zu machen. sparen müssen. Da wären Haushalte nicht unbedingt eine sichere Bank. 64
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 Begleitforschung Systemanalyse. Was bedeutet das eigentlich ökonomisch? Auch im Zusammenwirken und in Tryfonidou: Das EFP ist ein technologieorientier- Bezug auf die Optimierung von Systemen. Auch tes Programm. Es geht um die Forschung und die Frage der Beschäftigungseffekte ist ja noch Entwicklung von neuen Energietechnologien, es nicht alt, das machen wir erst seit fünf Jahren. geht aber auch um begleitende Forschung. Wir haben aktuell einen sehr grundsätzlichen Sowohl techno-ökonomische Aspekte als auch Wandel im Gesamtsystem. Wir brauchen eine soziale Aspekte haben ihren Platz in der Energie- no-regret-Entwicklung. Wir drehen jetzt Räder, forschung. Im BMWi subsumieren wir das unter die wir nicht ohne weiteres wieder zurückdrehen dem Begriff der Systemanalyse, wo auch die be- können. Die einzelnen Windmühlen werden gleitende Forschung zur Technologie-Entwicklung irgendwann mal in ein Alter kommen, wo man sie gefördert wird. Diese Forschungsfragen variieren. ersetzen muss oder wo sich die Frage stellt: Akzeptanzfragen sind aktuell ein sehr wichtiges Wollen wir sie überhaupt noch ersetzen? Ja oder Thema und deshalb werden sie auch in unseren Nein? Das geht aber bei den anstehenden Infra- Schwerpunkten berücksichtigt. strukturentscheidungen einfach nicht mehr. Und Technologien kommen dann wirklich zum Ein- die zweite Ebene ist: Wir sitzen in Deutschland satz, wenn sie kostengünstig sind. Dann haben nicht auf einer Insel. Wir müssen diese Transfor- wir eine schnelle Ausbreitung der Technologie mation mindestens auf der europäischen Ebene und schnelle Effekte. Genau das ist das Ziel des sehen. Und dann drehen wir noch einmal EFP, sowohl im Bereich der erneuerbaren Energien größere Räder. Und drittens müssen wir sehen: als auch bei den Effizienz-Technologien. Wie nehmen wir Entscheidungsträger, wie neh- men wir die Bevölkerung mit, um solche Prozesse Bett: Es ist allgemein akzeptiert, dass Begleitfor- besser abzusichern? Da gehört auch die schung/Akzeptanzforschung ein wichtiger Punkt soziologische Systemanalyse mit dazu, die wir ist. Ich habe das auch im 6. EFP so herausgelesen, bisher in diesem Umfang nicht wirklich hatten. dass das von der Politik wahrgenommen wurde. Und ich glaube auch, dass die Begleitforschung Tryfonidou: Es gibt auch noch die „versteckte“ mit der Technologie gekoppelt sein muss. Die Begleitforschung, die aber themenspezifisch ist. Interaktion zwischen den ökonomischen For- Das haben wir nicht als extra Schwerpunkt ange- schungen und der Technologie ist ganz wichtig. führt, aber ich nenne als Beispiel den Bereich Die Frage ist, wie hoch der finanzielle Anteil für „Energieoptimiertes Bauen“. Das ist ein großer diesen Bereich sein muss. Sollte man 10 % Be- Förderschwerpunkt. Und neben den Projekten, gleitforschung und Akzeptanzforschung machen? wo es um Technologie-Entwicklung und auch um Das ist vielleicht ein Punkt, der noch nicht klar den Piloteinsatz von Technologien geht, gibt es definiert ist. Es ist wohl absolut anerkannt, dass z. B. auch Untersuchungen dazu: Wie gehen die das EEG letztlich die treibende Kraft war dafür, Nutzer in einer energetisch modernisierten dass wir Technologie-Entwicklung machen Wohnung mit der Technologie um? Setzen sie sie konnten und dass auch weitere Gelder von der richtig ein? Diese Fragen werden themenspezi- Dr. Rodoula Industrieseite zur Verfügung gestellt wurden. fisch in dem Bereich „Energieoptimiertes Bauen“ Tryfonidou Deswegen sollten die politischen Rahmenbedin- oder „Energieeffiziente Stadt“ im Rahmen von gungen auch entsprechend erforscht werden, Begleitforschungsprojekten untersucht. aber immer im Zusammenhang mit Technologie. Weber: Wir sprechen da auch über ganz andere Staiß: Die Frage muss vielleicht ein bisschen Größenordnungen von Finanzbedarf. Wenn wir anders formuliert werden. Es gab immer schon die eine Technologie entwickeln, kostet das Millio- Querschnittsforschung und die Energiesystem- nen. Eine begleitende Forschung, die diese Analyse. Am Anfang steht immer erst einmal eine Aspekte berücksichtigt, liegt meistens im einstelli- technische Invention, eine Idee oder ein Gerät. Da- gen Prozentbereich dessen, was die Technologie- her war die Systemanalyse am Anfang auch mehr Entwicklung kostet und sollte natürlich gestützt eine technische Systemanalyse. Wie integriere ich werden. Ich habe mich gefreut über diese Zahl z. B. eine PV-Anlage ins Netz? Die Fragestellung von 10 Millionen, das wird schon eine ganze hat sich dann erweitert um die strategische Menge tragen können. 65
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 Publikumskommentar: Schweizer-Ries, Leiterin Ökonomieforschung / Forschungsgruppe Umweltpsychologie: Es sollten Politische Rahmenbedingungen verstärkt große interdisziplinäre Forschungspro- jekte unterstützt werden. Meine Gruppe ist z. B. Staiß: Das aktuelle ökonomische Regime passt bei dem eEnergy-Projekt RegMod Harz mit dabei, nicht mehr zu dem, was technisch möglich ist allerdings nur nachträglich als sozialwissenschaft- und umgesetzt werden sollte. Wir müssen uns liche Begleitforschung, weil wir am Anfang aus wirklich etwas Neues überlegen. Und das Feld dem Forschungsantrag rausgestrichen wurden. fängt beim Marktdesign an. Wann brauchen wir Wir sprechen von transdisziplinärer Forschung, die Kapazitätsmärkte? Brauchen wir die jetzt oder davon, wie wir Forschung wirklich in die Realität brauchen wir die in fünf Jahren? bekommen. In dem Zusammenhang war es sehr traurig, dass wir erst drei Jahre später mit dabei Aber es gibt noch eine zweite Ebene und ich sein konnten. Es wäre sehr wichtig, dass man jetzt glaube das werden sich die klassischen großen Forschungsprojekte in dieser Interdisziplinarität Energieversorgungsunternehmen einfach umstel- und der Transdisziplinarität fördert. len müssen. Nehmen wir mal die Schlagworte „Smart Grid“ und „Smart Metering“. Wenn man Deller: Die Ministerien sagen im Bereich der sich die Spreizung zwischen den Tarifen anschaut, Technologieforschung ja nicht, was geforscht so sind die völlig ungeeignet, um überhaupt werden soll. Das Prinzip ist anders herum. Es Lasten zu verschieben. Das heißt, hier muss sich werden Vorschläge eingereicht, welche Projekte auch grundsätzlich etwas ändern. „Smart Mete- unterstützt werden sollten und dann entscheiden ring“ braucht smarte Mieter. Das gilt jetzt für den die Ministerien, welche dieser Projekte im Rah- Neubau-Bereich, aber wir haben ja Millionen men der Mittelverfügbarkeit gefördert werden Mieter in bestehenden Gebäuden, die diese Last- können. Was ich mir vorstellen kann ist, dass man verschiebung beeinflussen sollen. Wie setze ich z. B. innerhalb eines Technologieforschungspro- die Anreize, dass die das machen? Denn nur jektes eine akzeptanzbezogene Frage hat, die wenn ich eine große Menge an Haushalten mobi- förderwürdig ist, und dafür auch Sozialwissen- lisiere, werden wir überhaupt einen Effekt sehen. schaftler einbindet, also etwa: Wie ist im Fall eines Das heißt, ich muss die Tarifierung so machen, speziellen solarthermischen Kraftwerks dessen dass sie verlässlich ist und Menschen veranlasst, mögliche Akzeptanz? Kann ich die Technologie so das Gewünschte zu tun. Für nur einen Cent ausgestalten, dass sie eine höhere Chance hat, bei Spreizung stellt man seine Waschmaschine nicht der Bevölkerung akzeptiert zu werden? Also eine nachts an. ganz konkrete Fragestellung. Bett: Ich glaube auch, dass die Umstellung über Hustedt: Es gibt noch andere Beispiele. Beim Marktanreize funktionieren wird. Wieder das Projekt der Bioenergieregionen des BMBF werden Beispiel EEG: Man greift anfangs in den Markt ein Netzwerke in der Region aufgebaut, um Bioener- und dann muss man irgendwann die Förderung gie auszubauen. Dort gibt es von vornherein eine zurückfahren, was im EEG von vornherein ange- Begleitforschung bzw. Akzeptanzforschung mit legt war. Und genauso muss man jetzt Anreizpro- dem Ziel zu schauen: Was sind die Tipps für ande- gramme für Verbraucher schaffen. Und es muss ren Regionen, die das auch machen wollen? erforscht und entwickelt werden, welche die ziel- Damit die nicht wieder bei null anfangen müssen. führendsten sind. Das EEG hat auch eine Entwick- Was muss man beachten? Sozialwissenschaftlich, lungshistorie hinter sich. Es gab Vorläufer, wo nicht technisch. Wie viel Zeit muss man sich für man anders gefördert hat. Letztendlich ist der die Zielentwicklung nehmen? Wie sind solche Kern des Erfolges, dass auf den Markt eingegan- Michaele Hustedt Netzwerke erfolgreich? Woran können sie schei- gen wurde, dass es eine marktgerechte Förde- tern? Es ist ein wichtiger Beitrag, dass das aufbe- rung darstellte. reitet und begleitet wird und den Regionen, die mitmachen wollen, zur Verfügung gestellt wird. Staiß: Was wir jetzt diskutieren, das Design von Märkten, die Preissignale und Rahmenbedingun- gen, betrifft nicht nur die erneuerbaren Energien, sondern in starkem Maße auch die Energieeffi- 66
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 zienz. Wir haben eine ganz seltsame Schieflage: Rolle der großen Die Förderprogramme, die jetzt aufgelegt wurden, Stromversorger sind sehr gut. Da gibt es ganz viele Optionen, wie wir Dinge weiterentwickeln können. Weber: Bisher sind die Stromversorger völlig auf Wir haben allerdings eine stark unterschiedliche dem falschen Dampfer. RWE ist stolz darauf, dass Entwicklung. Die erneuerbaren Energien treiben sie eine Tochterfirma RWE Innogy gegründet und man verkündet Erfolgsmeldung nach Erfolgs- haben und gibt angeblich 1 Milliarde Euro jähr- meldung. Aber im Gebiet Energieeinsparung lich für erneuerbare Energien aus. Aber das heißt passiert viel zu wenig. Das fängt beim Strom an: doch, dass der Rest von RWE einfach nach dem Es ist mir völlig unklar, wie man mit dem derzeiti- alten Konzept weitermacht. Die großen Stromver- gen Entwicklungstempo 25 % Strom einsparen sorger müssten eigentlich in das Zentrum dieses will bis 2050, oder 10 % bis 2020, und die Transformationsprozess kommen. Angefangen bei Gebäudesanierung und all diese Dinge, bis hin den Stromtarifen. In den USA steigt der Stromtarif zur KWK und der weißen Ware – das ist für mich mit dem Verbrauch. Das ist ein sehr wirksames alles offen. Und wir müssen aufpassen, dass wir, Instrument, um Energieeffizienz durchzusetzen. auch wenn man ökonomische Dinge anspricht, Bei uns gibt es Stromtarife für Großstromverbrau- beide Seiten vernünftig miteinander verknüpfen, cher, so dass die weniger für Strom zahlen, nur sonst fehlt uns die eine Hälfte der Medaille und weil sie Energieverschwender sind. Die großen dann funktioniert das Gesamte nicht. EVU müssen den Transformationsprozess endlich Ich wollte noch etwas zu den finanziellen Größen- ernst nehmen und mit der Forschung zusammen ordnungen sagen. Es geht ja neben dem Klima- in die richtigen Bahnen kommen, was Markt- schutz auch um Fragen der ökonomischen mechanismen und Anreizprogramme angeht. Stabilität des gesamten Systems Volkswirtschaft. Mein Traum wäre, dass die EVU damit anfangen, Da spielt die abnehmende Verfügbarkeit fossiler Erneuerbare-Energien-Anlagen zu verkaufen. Ressourcen in der EU eine große Rolle und letzt- Früher oder später kommen sie aus ökonomi- lich die Volatilität der Preise bei den außer- schen Gründen dazu. Die Frage ist nur: wie europäischen Energieimporten. Wir hatten letztes schnell? Jahr eine Ölrechnung von 80 Milliarden Euro. Die springt aber auch mal schnell 20 Milliarden Publikumskommentar: Alfred Schulz, Inge- Prof. Dr. Frithjof Staiß Euro rauf oder runter. Und wenn man sich diese nieur: Ich vermisse hier die Damen und Herren Beträge anschaut, dann ist das, was wir gerade von der Energiewirtschaft, die eigentlich diese diskutiert haben, eine sehr gute, lohnende Transformation mitmachen müssen. Sonst habe Investition. Sie bedarf aber auch des Mutes. ich den Eindruck, wir prägen denen was auf und Wir tauschen diesen Mittelabfluss in heimische sie werden sagen: Das und das geht nicht. Wir Wertschöpfung. Denn gerade im Baubereich haben nicht gewollt, dass die Onshore-Windtech- beträgt die lokale Wertschöpfung mindestens nik sich so manifestiert, denn das manifestiert 90 %. Deswegen ist es für mich überhaupt nicht automatisch wieder die zentralisierte Energiewirt- einsehbar, warum man in diesem Bereich so schaft in Richtung zentrale Netze, damit bleibt zögerlich ist. Wenn man jetzt sagen würde, wir die Wertschöpfung zentral. Ich habe die Befürch- schaffen die 3 % Sanierungsrate im Mittel nicht, tung, dass die Energieversorger, auch wenn sie aber wir schaffen statt der aktuellen 0,8 % wenig- jetzt per Gesetz aus der Atomenergie aussteigen stens 2 %. Dann hätte man zumindest einen mussten, ganz genau wissen, wie sie weiterhin Einstieg. Denn wenn Unternehmen erst einmal in eine zentrale Energieversorgung erhalten können. einen Bereich reingehen, dann bleiben sie auch Und wir werden uns wahrscheinlich noch länger da. Ich sage mal ganz salopp: Besser am umgucken, wenn wir sie nicht in das Boot rein- Anfang eine kleine Überförderung in Kauf bekommen, so dass gemeinsam gerudert wird. nehmen, damit das trägt. Die kann man dann wieder zurücknehmen und hat dann einen besseren Hebel. 67
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 Brücke zwischen Forschung Hauser: Die Forschung hat dafür schon Instru- und Industrie mente entwickelt, aber die Politik will sie nicht umsetzen. Selbst in dem Energiekonzept der Bundesregierung sind Fördermöglichkeiten und Weber: Die Brücke zwischen Forschung steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten formu- und Industrie ist solide und in heftigem Betrieb. liert. Zudem ist das Modell der steuerlichen Die Industrie arbeitet mit uns sehr intensiv Abschreibungsmöglichkeiten, wie es jetzt vorge- zusammen. sehen ist, ausschließlich für Gesamtsanierungen konzipiert, so dass ein bestehendes Gebäude Deller: Das BMU fördert vorzugsweise nach Komplettsanierung unter das Niveau eines Forschungsprojekte, bei denen Wissenschaft und Neubaus kommt, und das ist in den seltensten Wirtschaft im Verbund versuchen, eine Fragestel- Fällen möglich. Das ist leider ein Papiertiger. Wir lung zu lösen, und versucht den Anteil dieser hatten vor etwa 15 Jahren schon einmal die Projekte kontinuierlich hochzuhalten. Abschreibungsmöglichkeiten über den Paragrafen 82a des Einkommensteuergesetzes. Das wäre ein Tryfonidou: Im Bereich des BMWi nimmt die guter Weg. Er kostet den Staat zunächst Geld, Energiewirtschaft sehr rege Anteil an der For- allerdings wird es durch die deutliche Wiederer- schung. Viele kleinere kommunale Unternehmen wirtschaftung von Mitteln zum Selbstläufer. Es stellen wirklich vorzeigbare Projekte auf die Beine, würde nämlich deutlich mehr Leute in Arbeit auch mit unserer Unterstützung und immer als bringen, so dass deutlich mehr umgesetzt wird. Verbundprojekte mit Forschungsinstituten oder Ich finde es sehr schade, dass dieser Weg nicht auch der Wohnungswirtschaft. – Aber auch die stärker gegangen wird. großen Energieversorger sind in verschiedenen Bereichen aktiv. In der Stellungnahme des BDEW Die Sanierungen sind noch zu teuer. Wir müssen zum EFP wurden diese Anstrengungen sehr kostengünstige Lösungen entwickeln. Wir sind begrüßt. Auf der anderen Seite muss man sich jetzt in der Lage, dass wir in Altbauten mit relativ auch die Frage stellen: In wie fern brauchen einfachen Mitteln zentrale Lüftungsanlagen mit große Energieversorger staatliche Unterstützung Wärmerückgewinnung einbauen können, indem bei Forschungsprojekten? Diese Frage stellt sich wir die Zu- und Abluftkanäle in das Wärmever- das BMWi jedes Mal sehr gewissenhaft, aber wir bundsystem integrieren. Das ist eine Möglichkeit, unterstützen auf jeden Fall die Kooperation der bei der wir die Kosten für solche Anlagen fast auf Energieversorger mit der Wissenschaft und ein Fünftel herunterfahren können. Wir brauchen anderen kleineren Akteuren. mehr solcher technischen Lösungen. Denn es macht schon einen ziemlichen Aufwand, wenn wir die Gebäude mit 16 bis 18 Zentimeter Wärmedämmung versehen und andere Vergla- Prof. Dr. Gerd Hauser Gebäudesanierung/ sungen einsetzen wollen. Und daran scheitert es Energieeffizienz leider in vielen Fällen. Hier fehlen uns noch innovative Lösungen. Weber: Bei Neubauten sind wir auf dem richtigen Weg, da geht es schon in Richtung Plus- Tryfonidou: Es ist Aufgabe des BMWi, bei der Energie-Haus. Das Hauptproblem ist der Altbau- Entwicklung solcher Technologien zu unterstüt- Bestand. Will man das gesetzlich vorschreiben, zen. Wir geben im „Energieoptimierten Bauen“ gibt es einen großen Aufschrei. Keiner will sich zu 20 Millionen im Jahr aus, um zu zeigen dass die Ausgaben zwingen lassen. Es gab Versuche, eine Technologien, die über die Jahrzehnte entwickelt Art EEG für Wärme einzuführen, ein Anreizpro- wurden, auch funktionieren. Wir fördern Demon- gramm, aber so richtig gegriffen hat das nicht. strationsprojekte wie das in Freiburg, evaluieren Da wäre die Diskussion mit Ökonomen nötig. und versuchen, die Kosten zu minimieren. Das ist Was wären finanziell vernünftige Anreize? Das der Beitrag, den das BMWI für die Energiefor- Problem ist: Man muss am Anfang eine erhebliche schung leisten kann. Für das, was dann noch Menge Geld ausgeben, das man dann über 10, dazukommt, sind dann andere Kollegen in der 20 Jahre wieder reinbekommt. Aber wie kann Bundesregierung zuständig. man dafür Anreize schaffen? 68
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 100 % Erneuerbare-Energien- Staiß: Ich glaube, solche Informationen und Regionen Verbindungen entstehen auch von unten. In Baden-Württemberg hat sich die neue grün-rote Landesregierung auf die Fahnen geschrieben, den Weber: Eine Möglichkeit, einige Probleme zu Anteil der Windenergie in den nächsten zehn überwinden, ist natürlich, etwas kleiner anzufan- Jahren mindestens zu verzehn- oder gar zu ver- gen: Mit Inseln oder Regionen, die, aus welchen zwanzigfachen. Und auch das muss kommuniziert geografischen Gründen auch immer, modellhaft werden. Deswegen gibt es immer begleitende durchspielen können, 100 % erneuerbar versorgt Informationsveranstaltungen, um auch den Aus- zu werden. Da kann man die Themen Speicher, gleich zwischen energiepolitischen und ökologi- Vernetzung, Netze, zeitlich fluktuierende Quellen schen Interessen herbeizuführen. Wir haben das vorspielen. Und dann kann man das natürlich auf Beispiel gehört mit den 100 %-Kommunen, die die größere Situation übertragen. sich jährlich treffen. Das heißt, die haben ihre Plattformen, wie sie diesen Prozess gestalten. Und Deller: Das BMU unterstützt konkret das „100 % wenn eine Kommune das beginnt, dann muss sie Prof. Dr. Eicke Weber Erneuerbare-Energie-Regionen“-Projekt, allerdings die Bevölkerung mitnehmen. Mir ist da gar nicht nicht im Kontext der Technologieforschung im bang, dass wir aus den Erfahrungen dann soviel engeren Sinn. Darüber hinaus fördern wir im lernen können, dass sich das dann auch nach Rahmen des Programms e-energy zwei Projekte, oben transportiert. Modellstadt Mannheim und Modellregion Harz. In diesen Projekten geht es darum, Modelle für Tryfonidou: In den Bereichen des BMWi sorgen Haupt- oder Vollversorgung durch erneuerbare wir dafür, dass dieser Dialog mit den verschiede- Energien zu entwickeln und zu untersuchen wie nen Akteuren stattfindet. Das heißt, in den ver- das Zusammenspiel der verschiedenen erneuer- schiedenen Gremien, Workshops usw. mit den baren Energien in einer konkreten Region, mit jeweiligen Akteuren in den Förderschwerpunkten, konkreten Verbrauchern, konkreten Systemen, in der Koordinierungsplattform, wo die Ressorts auch in Verbindung mit Informations- und Kom- gemeinsam über Dinge sprechen. Geplant ist, munikationstechnologien, so funktionieren kann, dass dies ergänzt wird mit Teilnehmern aus Wirt- dass eine ganze Region als regeneratives Kombi- schaft und Wissenschaft, sowie der Bundesländer, kraftwerk funktioniert und ihre Energieversorgung so dass wir in der Forschungsförderung versu- in Hinblick auf eine weitgehende erneuerbare chen, solche Plattformen zu installieren und dort Vollversorgung optimiert. die Abstimmung zu verbessern. Dialog zwischen Politik und Koordinierung zwischen Forschung verstärken Forschung, Wirtschaft und Weber: Wir haben den WBGU, den SRU und eine Politik Vielzahl anderer Räte dieser Art. Aber ein Parla- mentsbeauftragter zusammen mit einem Forum, Tryfonidou: Es gibt den Austausch mit der Wirt- das könnte unter Umständen den Nukleus zu schaft. Da sind die Unternehmen, die in dem etwas bilden. Dabei müsste man dann die beste- jeweiligen Bereich auch forschen, mit den ver- henden Gremien und die Wirtschaft in vernünfti- schiedenen Verbänden. Sie sprechen aber mehr Dr. Andreas Bett ger Weise mit einbeziehen. die energiepolitischen Fragen an, das sind andere Gremien, die da eingesetzt werden. Das ist weni- Bett: Wir brauchen eine Nahtstelle zum Parla- ger ein Beitrag der Forschung. Ich wollte gern ment, wo die Entscheidungen gefällt werden. Wir den „Bürgerdialog Energie“ des BMBF erwähnen. haben von Herrn Hauser gehört: Im Prinzip haben Das ist auch eine Möglichkeit, mehr Menschen wir die Ideen, wir haben die Instrumente. Sie einzubinden. werden aber nicht so umgesetzt, wie wir uns das wünschen. Einen direkten Draht zum Parlament zu haben und Wissenschaft und Industrie zu inte- grieren, halte ich deshalb für absolut sinnvoll. 69
Podiumsdiskussion • Wie können Forschung und Politik die Systemtransformation vorantreiben? FVEE • Themen 2011 Deller: Im BMU führen wir diesen Dialog regel- Tryfonidou: Ich wünsche mir etwas von der mäßig, u. a. im Rahmen von Strategiegesprächen Forschung. Wir haben genug Geld für die For- zu den einzelnen Technologien. schungsförderung. Das möchte das BMWi so wirksam wie möglich verwenden. Es ist ein Appell an alle Forschenden, gute Förderanträge zu stellen, in allen Themen, die die Energieforschung Schlussworte betreffen: bei den erneuerbaren Energien und bei der Energieeffizienz auf der Erzeugungs- als auch Staiß: Ich war letzte Woche in Amerika und es auf der Nachfrageseite. Damit wir mit dem Geld, kam immer wieder die Frage nach dem Atomaus- was wir glücklicherweise zur Verfügung stellen stieg. Man reibt sich da ein bisschen ungläubig können, gute Forschungsförderung für eine nach- die Augen. Aber wenn man dann akzeptiert hat, haltige Energiezukunft gestalten können. dass wir das tun, dann ist der Eindruck: Macht vielleicht keinen Sinn, aber wenn es jemand Deller: Ich glaube, dass das 6. EFP sowohl von schafft, dann die Deutschen. Und das können wir der Mittelausstattung her als auch in Bezug auf nur gemeinsam. Ich bin mit dem EFP von der die Ausrichtung auf erneuerbare Energien und Forschungsseite her zufrieden, wenn der Energie- Energieeffizienz wirklich eine gelungene Sache ist. und Klimafonds dann auch so gespeist wird, wie Und: die ressortübergreifende Speicherinitiative vorgesehen. war eine richtige Initiative zur richtigen Zeit. Im Übrigen freut sich natürlich auch das BMU auf Bett: Ich bin sehr zufrieden mit dem EFP, auch qualitativ hochwertige Forschungsprojekte, die dass die Steigerung wirklich angegangen wird. die Energiewende voranbringen. Was mir noch wichtig ist: Am Beispiel USA sieht man sehr schön, dass Kontinuität wichtig ist. In den USA ist die Förderung fluktuierend, und ich sehe bei den Kollegen aus den USA, dass die manchmal sehr schöne Technologien entwickeln und diese dann nicht weiter entwickeln dürfen. Doch der Weg von der Forschung zum industriel- len Produkt ist lang. Oft sind zwei oder drei Jahre Projektzeit zu wenig. Aber wir in Deutschland haben eine gute Kontinuität der Förderung und das schätze ich sehr. Weber: Grundsätzlich möchte ich dem voll zu- stimmen. Ich finde es wirklich sehr erfreulich, dass jetzt die bewusste Betonung auf Projektfinanzie- rung gelegt wird, weil das allen Spielern, auch kleinen und neuen Instituten, eine Chance gibt, an interessante Projekte heranzukommen. Ich denke, ein ganz spezifischer deutscher Vorteil ist die wirklich vertrauensvolle Zusammenarbeit und Abstimmung der Ministerien. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich das sehr bald andere Länder – England, Australien und später auch die USA – er- kennen, welchen ganz knallharten ökonomischen Benefit Erneuerbare haben: Arbeitsplatzeffekte, ein gigantisches Konjunkturankurbelungspro- gramm in globalem Maßstab. Wir verwenden unser Geld um die Energietransformation zu verwirklichen. Wir sind auf dem richtigen Weg und ich hoffe wir können alle gemeinsam helfen, auch auf diesem Weg zu bleiben. 70
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