Volkswirtschaftliche Relevanz von Power-to-Gas für das zukünftige Energiesystem
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8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Volkswirtschaftliche Relevanz von Power-to-Gas für das zukünftige Energiesystem Robert Tichler Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz; Altenberger Straße 69, 4040 Linz, Tel. +43 70 2468 5659; E-mail: tichler@energieinstitut-linz.at; www.energieinstitut-linz.at Kurzfassung: Die verstärkte Integration volatiler erneuerbarer Energieträger eruiert eine erhöhte Herausforderung zu neuen Flexibilisierungsoptionen im Energiesystem. Eine Möglichkeit, die Problematik der heterogenen Energieproduktion von Wind- und Solarenergie in den Griff zu bekommen, stellt eine Forcierung der Energiespeicherung dar. Hierbei existiert aktuell eine überschaubare Anzahl an Speicherformen für elektrische Energie, deren simultane Forcierung aus systemischer Sicht zu betreiben ist. Sofern eine chemische Speicherung der elektrischen Energie in Form von gasförmigen Stoffen wie Methan oder Wasserstoff durchgeführt wird, spricht man von „Power-to-Gas“. Die Power-to-Gas-Technologien bzw. Systeme befinden sich im Moment am Beginn ihres Entwicklungsstadiums. Einzelne Pilot- und Demonstrationsanlagen wurden bereits in unterschiedlichen Größenordnungen realisiert bzw. konzipiert.1 Es ist im aktuellen Technologiestadium auch von zentraler Bedeutung, bereits zu Beginn der Technologieentwicklung auch die optimale Ausgestaltung des durchaus flexibel anwendbaren Systems zu eruieren und somit detaillierte systemische und volkswirtschaftliche Analysen durchzuführen. In der folgenden Kurzanalyse erfolgt eine Darstellung des flexiblen Instruments des Systems Power-to-Gas mit den spezifischen systemischen und volkswirtschaftlichen Bedeutungen. Zudem erfolgt eine kompakte Bewertung der langfristigen Wettbewerbskompatibilität des Power-to-Gas-Systems im mitteleuropäischen Energiesystem sowie der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit des Systems auf Basis bereits durchgeführter Studien des Autors des vorliegenden Papiers. Hierzu werden aktuelle Studien herangezogen, um die bestehenden Alternativen zur langzeitigen Strom- bzw. Energiespeicherung zu quantifizieren. Neben den alternativen Speichersystemen werden zudem als Benchmark alternative Ausbaukosten für die zukünftige Stromnetzinfrastruktur herangezogen. Als Konsequenz werden somit die aktuellen betriebswirtschaftlichen Kosten von Power-to-Gas inklusive der Kostenprognosen (auf Basis von Lernkurven und Skaleneffekten) ergänzt durch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Dadurch kann die übergeordnete Relevanz der Systemlösungen über einen direkt betriebswirtschaftlichen bzw. komparativ-statischen Effekt hinaus bewertet werden. Der Schwerpunkt der quantitativen Analyse liegt in diesem Papier auf der Gewinnung von synthetischem Methan. Diese stellt keine Wertung der Technologie dar – der Produktion von Wasserstoff im Power-to-Gas-System ohne Methanisierung wird eine zentrale Rolle in Zukunft zukommen. Keywords: Power-to-Gas, Energiespeicherung, Volkswirtschaft, Energiesystem 1 Vgl. hierzu etwa Gahleitner (2012). Seite 1 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 1 Definition und Abgrenzung des Systems Power-to-Gas 2 Das System Power-to-Gas umfasst im weitesten Sinn alle Technologien und Prozesse, in denen aus elektrischer Energie ein gasförmiger Energieträger erzeugt wird. Die Umwandlung beschränkt sich im Begriff Power-to-Gas somit auf die Erzeugung von Wasserstoff sowie von Methan – andere Umwandlungsformen von elektrischer Energie zu Kohlenwasserstoffen (wie beispielsweise zu Methanol) sind eher dem Begriff Power-to-Fuel zuzuordnen. Eine internationale einheitliche Definition ist nach Kenntnis des Autors bislang nicht vorhanden. Zwei generelle Anwendungen des Power-to-Gas-Systems sind somit zu differieren: 1. Aus elektrischer Energie, die für die Elektrolyse von Wasserstoff verwendet wird, und aus Kohlendioxid wird synthetisches Methan hergestellt. Für diese Technologie wird elektrische Energie aus erneuerbaren Energieträgern, die vor allem (aber nicht zwingend ausschließlich) in Überschusszeiten aus Windkraft und Photovoltaik erzeugt wird, genutzt und in der Folge in Form von Methan gespeichert. Die Umwandlung von Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) zu Methan (CH4) erfolgt in eigens entwickelten Anlagen. 2. Als Power-to-Gas kann allerdings auch ein System bezeichnet werden, das ausschließlich Wasserstoff aus elektrischer Energie produziert. Der Wasserstoff kann zudem gespeichert und insbesondere im Segment Verkehr direkt eingesetzt werden. Zudem kann Wasserstoff bis zu einem gewissen Anteil (aktuell in Österreich 4%) auch zu Erdgas beigemischt werden, sodass eine Anwendung des Wasserstoffs in allen energetischen Segmenten (Wärme, Strom, Verkehr) möglich wird. Generell kann das Konzept Power-to-Gas als sehr flexibles System im Sinne einer Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten und unterschiedlichen Ausprägungen bezeichnet werden. Abbildung 1 veranschaulicht eine grobe Struktur der verschiedenen Prozessketten von Power-to-Gas, wobei dieses Flussdiagramm höchstwahrscheinlich auch laufend um weitere Verbindungen zu ergänzen sein wird. Die Schlüsseltechnologie im Power-to-Gas-Ansatz ist die Elektrolyse, bei der mithilfe von elektrischer Energie Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Am häufigsten kommen alkalische Elektrolyseure und PEM-Elektrolyseure zum Einsatz, die Hochtemperatur- elektrolyse befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Alkalische Elektrolyseure sind kommerziell in hohen Leistungsklassen verfügbar und sind die am weitesten entwickelte Technologie. Für den Betrieb mit Strom aus stark fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen sind allerdings PEM-Elektrolyseure aufgrund ihres besseren dynamischen Verhaltens eher geeignet. Hauptprobleme der PEM-Technologie sind mit Stand Ende des Jahres 2012 hohe Investitionskosten und geringe Leistungsbereiche. Smolinka et al. (2010) geben hier einen aktuellen Überblick über die Elektrolysetechnologien. In Power-to-Gas-Anlagen zur Umwandlung von Strom in synthetisches Methan wird die CO2- Methanisierung, auch genannt Sabatier-Prozess, eingesetzt. Im Gegensatz zur CO- Methanisierung, die in der Kohlevergasung Stand-der-Technik ist, ist die CO2-Methanisierung noch in der Entwicklungsphase und wird in Pilotanlagen erstmals eingesetzt.3 Eine der technischen Herausforderungen ist dabei die Wärmeabfuhr und die Gewährleistung einer optimalen Reaktionstemperatur. Da bei der Methanisierung keine großen Schwankungen 2 Dieses Kapitel wurde auch bereits in Tichler, Gahleitner (2012) publiziert. 3 Vgl. hierzu etwa Gahleitner (2012). Seite 2 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 erwünscht sind, werden zumeist auch Wasserstoffspeicher eingesetzt.4 Das Kohlendioxid für die Methanisierung kann hierbei aus fossilen Quellen (Kohlekraftwerk, industrielle Prozesse in Kalk- oder Zementproduktion) oder regenerativen Quellen (Biogasanlage, Kläranlage, Absorption aus Luft, etc.) stammen. Die Absorption aus der Luft würde einen zentralen Standortfaktor der Anlagen, die Kohlendioxid-Quelle, obsolet werden lassen, allerdings ist hierfür noch die zentrale Herausforderungen des schlechten weil sehr niedrigen Wirkungsgrades zu lösen.5 Forschungsbedarf besteht zudem aus technologischer Sicht insbesondere in Hinblick auf das Zusammenspiel von Elektrolyse und Methanisierung und die Adaption der Methanisierungsanlage an verschiedene Leistungsgrößen. In der DVGW Innovationsoffensive wird zudem beispielsweise die Wasserstofftoleranz der gesamten Gasinfrastruktur und der Verbraucher untersucht und eine eventuelle Erhöhung der Grenzwerte für Wasserstoff angedacht.6 Eine weitere Anwendungsmöglichkeit mit zentralem Forschungsbedarf ist die Rückverstromung von Wasserstoff in Brennstoffzellen, wobei hier meist PEM-Brennstoffzellen verwendet werden. In Österreich werden aktuell beispielsweise (technologische) Projekte zur Weiterentwicklung neuer Methanisierungsmethoden, zur Implementierung von Brennstoffzellen in das System, zur Weiterentwicklung der Elektrolyseverfahren oder zur optimierten Einbindung von Biogasanlagen in das Power-to-Gas-System durchgeführt. 2 Das Power-to-Gas-System als flexibles Instrument für zentrale Herausforderungen des Energiesystems Wie bereits erläutert ist darauf hinzuweisen, dass sich die Entwicklung des Power-to-Gas- Konzepts und insbesondere der Technologien zur Produktion von synthetischem Methan im Anfangsstadium befindet (aktuell befinden sich Anlagen mit signifikanten Leistungsgrößen in Deutschland in der Errichtungsphase7). Die technologische Forschung und Entwicklung sollte aus der Sicht des Autors bzw. des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz allerdings bereits zu Beginn mit systemischen Analysen einhergehen, insbesondere da es sich um Technologien handelt, die einen übergeordneten Nutzen für das Energiesystem schaffen können. Dies impliziert jedoch, dass auch die systemische Forschung ständig zu erweitern ist. Aktuell werden in einer Vielzahl an Projekten die systemischen Anforderungen, Vor- und Nachteile sowie die damit verbundenen übergeordneten volkswirtschaftlichen Effekte analysiert. Die bereits durchgeführten Analysen des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz zeigen, dass das Power-to-Gas-System ein sehr flexibles Instrument darstellt, das für verschiedene spezifische Anwendungen innerhalb des Energiesystems eingesetzt werden kann. Generell können aus der Sicht des Autors vier abgrenzbare Nutzen für das Energiesystem konstatiert werden, unter deren Definition wiederum verschiedene Lösungsstrategien für verschiedene Anwendungen verstanden werden können8: 4 Vgl. Müller-Syring et al. (2011). 5 Vgl. Deutsche Energie-Agentur (2012). 6 Vgl. Müller-Syring et al. (2011). 7 Vgl. DVGW (2012) 8 Vgl. Tichler, Gahleitner (2012). Seite 3 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 1. die Bereitstellung eines Langzeitspeichers für elektrische Energie und das damit verbundene verbesserte Management einer stark volatilen Stromproduktion; 2. die Verlagerung des Energietransportes vom Stromnetz zum Gasnetz und die damit verbundene geringere Intensität des Ausbaus der Netz-Infrastruktur; 3. die Möglichkeit zur Anhebung des Anteils erneuerbarer Energieträger im Verkehrssektor durch die Nutzung von synthetischem Methan (aber auch von Wasserstoff) aus erneuerbaren Quellen; 4. die Schaffung von autarken Energielösungen in topografisch schwierigen und abgelegenen Regionen für alle relevanten Energiesegmente: Strom, Wärme und Verkehr. Darüber hinaus bestehen noch weitere Parameter, die eine weitere Forcierung der Entwicklung der Power-to-Gas-Systeme ermöglichen. Es wird eine zentrale Forschungsaufgabe der nächsten Monate und Jahre sein, sämtliche Optionen systemisch, betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich zu bewerten, sodass optimale Anwendungen inklusive neuer Geschäftsmodelle definiert werden können.9 Die Auflistung der grundlegenden Einsatzmöglichkeiten impliziert in ihrer Konsequenz auch verschiedene Geschäftsmodelle mit unterschiedlichen Technologieausprägungen aber auch mit unterschiedlichen Benchmarks im Energiesystem. Dies erschwert eine kompakte Analyse zu den aktuellen und erwarteten betriebswirtschaftlichen Ausprägungen im Sinne der Wettbewerbskompatibilität des Systems bzw. der Technologien. Als Konsequenz ist jeweils separat eine ökonomische Bewertung einer spezifischen Anwendung des Power-to-Gas- Systems und der damit verbundenen Konkurrenzsysteme oder Alternativlösungen notwendig. Die folgende Abbildung veranschaulicht in einem groben Überblick unterschiedliche Prozessmöglichkeiten unter Einbeziehung verschiedener technologischer Möglichkeiten innerhalb der Definition des Power-to-Gas-Systems zur Produktion von Wasserstoff und synthetischem Methan. 9 Tichler, Gahleitner (2012) Seite 4 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Abbildung 1: Überblick zu unterschiedlichen Prozessmöglichkeiten unter Einbeziehung verschiedener technologischer Komponenten innerhalb des Power-to-Gas-Systems Chemisch/ Verbrennungs- Biotechnologische Luft stoffliche prozesse Prozesse Prozesse reversible H2- Brennstoffzelle zB CH3OH Anreichung/ Aufbereitung Wasserstoff- Stromnetz H2-Brennstoffzelle Speicher Chemisch-katalytische CO2 Verfahren Methanreaktor Elektrolyse „Solar Fuel“ Biotechnologisches H2 Verfahren CH4 Aufbereitung/ Biotechnologisches Chemisch-katalytisches Anreicherung Verfahren Verfahren Chemisch-katalytisches Verfahren dezentraler Speicher CH4-Brennstoffzelle Erdgasnetz Speicherung reversible CH4- Brennstoffzelle KWK Verkehr Wärme Anmerkung: keine Darstellung der spezifischen Abwärmenutzung der einzelnen Technologiekomponenten Quelle: eigene Darstellung Die folgende Abbildung stellt den flexiblen Einsatz des Power-to-Gas-Systems nochmals dar. Zur Veranschaulichung werden unterschiedliche Ausprägungen der Prozessketten des Power-to-Gas-Systems gegenübergestellt: (1) Die Einspeisung von synthetischem Methan in das Erdgasnetz mit einem Strombezug über das öffentliche Netz; (2) Ein autarkes System einer Wasserstoffproduktion und -bereitstellung mit einem direkten Strombezug etwa über Photovoltaik-Module. Beide Prozessketten beinhalten unterschiedliche Betriebsweisen, Lastgänge und Auslastungen der Anlagen, somit auch Differenzen im Strombezug und weisen auch verschiedene Priorisierungen in der Nutzung auf. So kann etwa auch die zweite Prozesskette unter Einbeziehung von Brennstoffzellen eine direkte Rückverstromung in einem Gebäude etwa in topografisch schwierigen und entlegenen Regionen inkludieren. Seite 5 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Abbildung 2: Exemplarische Darstellung verschiedener Ausprägungen von Prozessen innerhalb des Power-to-Gas-Systems: (1) Einspeisung von synthetischem Methan in das Erdgasnetz mit Strombezug über das öffentliche Netz; (2) Autarkes Systems einer Wasserstoffproduktion und -Bereitstellung mit direktem Strombezug Quelle: eigene Darstellung Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die aufgrund der unterschiedlichen spezifischen Einsatzmöglichkeiten des Systems entwickelt werden können, implizieren auch spezifische und differente Nutzenformen für verschiedene Marktakteure. Power-to-Gas kann beispielsweise Vorteile für Stromproduzenten durch eine mögliche Erhöhung des Gesamtwirkungsgrades von spezifischen volatilen Erzeugungs- bzw. Anlagenformen darstellen (aufgrund der Energiespeicherung), es kann Vorteile für Stromnetzbetreiber durch die Verlagerung des Energietransports zum Gasnetz bewirken, es kann die Erweiterung des Produktportfolios eines Gashändlers mit erneuerbarem Gas ermöglichen, es kann aber auch beispielsweise die Rentabilität von Biogasanlagen unter Heranziehung des emittierten Kohlendioxids für die Erzeugung des synthetischen Methans erhöhen. Exemplarisch sind etwa folgende Vorteile für Stromversorgungsunternehmen (Stromproduzenten, Stromhändler, Stromnetzbetreiber) aufzulisten: o Optimierte Nutzung von Überschussstrom aus volatilen Erzeugungsquellen o Stromabnahme und Netzentlastung durch ein flexibles Elektrolyseinstrument Seite 6 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 o Möglichkeit zur Langzeitspeicherung von elektrischer Energie o Erhöhung des Gesamtwirkungsgrades bzw. der Auslastungen von Stromerzeugungsanlagen auf Basis von volatilen Ressourcen (v.a. Windkraft) o Verlagerung des Energietransportes vom Stromnetz zum Gasnetz und die damit verbundene geringere Intensität des Ausbaus der Stromnetz-Infrastruktur in topografisch und demografisch diffizilen Regionen o Steigerung des Stromverkaufs zur Produktion von synthetischem Methan o Schaffung von autarken Energielösungen in topografisch schwierigen und abgelegenen Regionen 3 Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Power-to-Gas Die Ausprägung eines multifunktionalen Einsatzes von Power-to-Gas im zukünftigen Energiesystem weist eine breite volkswirtschaftliche Relevanz der Technologien auf. Im voranstehenden Kapitel wurden bereits grundlegende Anwendungsmöglichkeiten erörtert. Die eigentliche Intention der Weiterentwicklung des Systems Power-to-Gas entspringt allerdings der Herausforderung einer steigenden Stromerzeugung aus volatilen Erzeugungsquellen. Auf diese energie-wirtschaftliche – und als Konsequenz auch volkswirtschaftliche – Problemstellung wird im Folgenden näher eingegangen. Die umwelt- und energiepolitische Zielsetzung einer verstärkten Integration erneuerbarer Energieträger in den europäischen Energiemarkt und insbesondere in der Stromproduktion generiert neue große Herausforderungen für die europäischen Volkswirtschaften. Aufgrund der definierten Zielsetzungen wird der Anteil erneuerbarer Energien zur Bereitstellung von Elektrizität in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch bei einer potentiellen Verbrauchszunahme stark steigen. Zur Forcierung der Nachhaltigkeit des Energiesystems sowie zur Reduktion der Importabhängigkeit von Rohstoffen aus geopolitisch instabilen Regionen werden somit vermehrt Windkraftanlagen und Photovoltaik-Anlagen in Europa errichtet. Eine sich bereits immer deutlicher abzeichnende besondere Herausforderung der mitteleuropäischen Energiewirtschaft für die kommenden Dekaden besteht somit darin, bei einem wachsenden Anteil von elektrischer Energie aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen eine sichere Versorgung mit Elektrizität weiterhin zu garantieren. Diese Herausforderung resultiert aus den starken Schwankungen im Energieangebot aus volatilen Quellen wie Windkraft und Solarenergie. Daraus folgt, dass bei einem größer werdenden Anteil dieser Energiequellen an der Stromversorgung ein Ausgleich zwischen Stromüberschüssen in Zeiten eines hohen Angebotes und auftretenden Fehlmengen in angebotsschwachen Phasen notwendig wird.10 Die Bedarfsdeckung mit volatilen erneuerbaren Energieformen gestaltet sich als schwierig und komplex. Um die sehr großen Potentiale der Solar- und Windenergie auch nutzen zu können und dabei auch den nachfrageseitigen Bedarfsstrukturen funktional zu entsprechen, wird es unumgänglich sein - neben einer Lastenausgleichsfunktion durch fossile Kraftwerke in der Übergangsphase - die Netzinfrastruktur zu optimieren und dadurch hohe Investitionen 10 Vgl. Tichler (2011) Seite 7 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 in den Ausbau der Netzinfrastruktur zu tätigen.11 Eine Basis für eine auch zukünftig weiterhin hohe Versorgungszuverlässigkeit mit elektrischer Energie sind somit adäquate Investitionen in Ausbau und Wartung des Stromnetzes.12 Diese Strategie ist allerdings mit erheblichen Problemen verbunden, da zum einen hohe Investitionssummen notwendig sind, zum anderen die Akzeptanz der Bevölkerung für breite neue Stromtrassen nicht gegeben ist, es existiert hierbei das bekannte NIMBY-Problem. Der signifikante Ausbau der Hochspannungsnetze, etwa für den Transport von elektrischer Energie aus Nordafrika oder aus den Speichergebieten in Skandinavien, wird mit signifikanten Eingriffen in die Topografie verbunden sein, wodurch soziodemografische Probleme bis hin zu Absiedlungen zu erwarten sind. Die Akzeptanz der Bevölkerung für große Infrastrukturprojekte, die signifikante Eingriffe in das Landschaftsbild verursachen, ist aktuell als nicht sehr hoch einzuschätzen, sodass politische Herausforderungen zur Realisierung der Projekte gegeben sind.13 Eine weitere vorhandene Lösung bildet das Lastmanagement inklusive des Regelenergiemarktes. Die Errichtung zusätzlicher Schattenkraftwerke kann langfristig allerdings nicht die alleinige Lösung sein, da der Wirkungsgrad des Gesamtsystems damit abnimmt und große vorhandene Leistungskapazitäten die meiste Zeit nicht genutzt werden können. Die notwendige zusätzliche Option zur Bewältigung dieser Herausforderung stellt die Speicherung der Energie und die damit zusätzlich geschaffene Flexibilität des Systems dar. Aktuell stehen zur Speicherung von elektrischer Energie fast ausnahmslos Pumpspeichersysteme zur Verfügung, die aufgrund der topografischen Gebundenheit im Potential beschränkt sind, und dadurch auch weite Transporte im Stromnetz hin zu den Speicheranlagen notwendig werden lassen. In Diskussion und teilweise auch in der Pilotphase sind zudem Druckluftspeicher und elektrochemische Speicher wie Batterien. Eine mögliche Lösungsoption zur Reduktion der mit der erhöhten Integration einer Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern auftretenden Probleme kann auch eine chemische Speicherung der Energie in Form von Wasserstoff oder synthetischem Methan und somit das System Power-to-Gas darstellen.14 Dies generiert mehrere Vorteile: zum einen kann die Speicherung der Energie vor Ort erfolgen, somit beispielsweise direkt neben einem Windpark, wodurch Investitionen in den Stromnetzausbau substituiert werden können. Zum anderen wird durch die Umwandlung in Methan eine Energieform erzeugt, die eine hohe Energiedichte aufweist, sodass die erzeugte Energie in den bereits bestehenden Gasnetzen ohne große Ausbauvolumina zu den Verbrauchszentren transportiert werden kann. Darüber hinaus existieren bereits – insbesondere auch in Österreich – große Speicherstätten für Methan, sodass durch diese Kopplung von Strom- und Gasnetz auf eine bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. Diese Speichermöglichkeit von Energie, die eine Nutzung in den bereits verfügbaren großen Speicherstätten ermöglicht, lässt somit einen weiteren Ausbau Österreichs als zentraler Player in der europäischen Energiespeicherung zu. Die österreichische Gaswirtschaft hat sodann die Möglichkeit, die bereits bestehenden großen Erdgasspeicher 11 Vgl. Tichler (2011) 12 Vgl. SRU (2010). 13 Vgl. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH (2012). 14 Vgl. Tichler (2011) Seite 8 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 intensiver zu nutzen, zudem kann die Verlagerung des Energietransportes vom Strom- zum Gasnetz zusätzliche Optionen für Gasnetzbetreiber generieren. Langfristig kann somit durch die Power-to-Gas-Technologie eine signifikante Verlagerung in der Verwendung der erzeugten Energie aus volatilen Quellen von der konventionellen Nutzung der elektrischen Energie hin zur energetischen Nutzung in Form von Methan oder Wasserstoff entstehen. Die kolportierte Rückverstromung etwa von Gas zur Strombereitstellung ist in diesem Zusammenhang nicht auszuschließen, allerdings aus der Sicht des Autors nicht zu präferieren, da damit ein Wirkungsgradverlust und eine Kostenerhöhung verbunden ist. Diese zusätzlich entstehenden Nutzungsformen der elektrischen Energie durch die Umwandlung in Wasserstoff und Methan durch Power-to- Gas-Technologien entsprechen auch generellen Prognosen zur zukünftigen langfristigen Substitution innerhalb der Primärenergieträger. Der Energieträger Gas in seinen verschiedensten Ausprägungen wird in vielen langfristigen Prognosen zur zukünftigen Energiebereitstellung die wesentliche Übergangstechnologie bzw. den systemimmanenten Energieträger auf dem Weg zur Wasserstoff-basierten Ökonomie – der „hydrogen economy“ darstellen.15 Hefner (2007) prognostiziert weiters im globalen Kontext einen starken Bedeutungsverlust von flüssigen Energieträgern wie Öl sowie von festen Brennstoffen wie Holz, Kohle und Uran. Gemäß Hefner (2007) beginnt somit in diesen Jahrzehnten das „Age of Energy Gases“. Die zentrale Fragestellung für die Implementierung neuer Technologien ist generell, ob langfristig sowohl im betriebswirtschaftlichen als auch im volkswirtschaftlichen Kontext durch die Markteinführung eines spezifischen Produktes bzw. Systems auch eine Rentabilität gegeben ist. Hierfür ist nicht zwingend eine betriebswirtschaftliche Rentabilität für jede Technologie von Bedeutung – sofern volkswirtschaftliche Relevanz dieses Systems vorhanden ist, kann die Weiterentwicklung und Implementierung einer Technologie von großer Bedeutung sein. Selbstverständlich wird die Realisierung einer Marktpenetration durch eine betriebswirtschaftliche Rentabilität stark forciert. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch das Power-to-Gas-System. Aus der Sicht des Autors beinhaltet das Power-to-Gas- System eine Reihe von Parametern, die einen übergeordneten Nutzen für das Energiesystem und aus diesem Grund auch für die jeweiligen Volkswirtschaften darstellen - etwa in Form der Erhöhung der Versorgungssicherheit oder des Beitrags zur Emissionsreduktion. Eine grundlegende direkte volkswirtschaftliche Relevanz des Systems kann auch durch einen Know-How- und Technologieaufbau erfolgen, wodurch neben der Verbesserung und Optimierung des Energiesystems auch die Technologiesubstitution durch heimische Produkte im Inland sowie der Technologieexport durch neue innovative Produkte forciert werden. Ein Überblick zu den zu konstatierenden makroökonomisch positiven Effekten von Power-to-Gas erfolgt in Kapitel 4. 15 Vgl. Tichler (2011). Seite 9 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 3.1 Kostenkalkulationen zum System Power-to-Gas Im Zuge von Machbarkeitsanalysen wurden bereits für virtuelle Power-to-Gas-Anlagen die Kostenstrukturen von Demonstrationsanalgen sowie die mittel- bis langfristige Kostenstrukturen weiterentwickelter Technologien kalkuliert.16 Im Folgenden soll eine sehr kompakte Darstellung dieser Resultate erfolgen – es ist darauf hinzuweisen, dass sich quantitative Aussagen in diesem Paper auf die Technologie der Verwendung eines Methanreaktors beschränken. Die Analysen zeigen, dass aktuell eine Power-to-Gas-Methanisierungsanlage preislich bei weitem noch nicht kompatibel mit Konkurrenzprodukten wie konventionellem eingespeistem Biogas ist. Es ist jedoch eindeutig darauf hinzuweisen, dass Power-to-Gas-Anlagen mit der derzeitigen Technologieausprägung ein sich im Entwicklungsstadium befindliches System implizieren. Aufgrund von Lernkurveneffekten und Skaleneffekten reduzieren sich generell die Produktionskosten neuer Technologien. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass aktuelle Kalkulationen sehr geringe Leistungsgrößen beinhalten, wodurch die Dominanz hoher Investitionskosten (in Relation zu niedrigen Betriebskosten) stark das Ergebnis beeinflussen. Gemäß ökonomischer Theorie impliziert die Implementierung neu entwickelter Technologien Lernkurven, die die Kosten des Betriebs und der Investitionen der Technologien bzw. der Anlagen im Laufe der Zeit reduzieren. Dies ist auch für die Power-to-Gas-Technologien (sowohl für Elektrolysesysteme als auch für Methanisierungsmodule) zu prognostizieren. Für die Produktion von synthetischem Methan kann langfristig - unter der Annahme von Lernkurven und Skaleneffekte in der Produktion der Anlagenteile - eine Reduktion der Investitionskosten durch eine technische Weiterentwicklung auf ein Niveau von 1.000 € je installierter kW el der Anlage prognostiziert werden. Zudem wird von Technologieentwicklern eine Weiterentwicklung im Sinne einer Verbesserung des Wirkungsgrades auf 60% kommuniziert. Die Berechnung der Kosten einer weiterentwickelten Anlage zeigt, dass die Herstellung des synthetischen Methans Kosten zwischen 11 und 15 Cent/kWhCH4 verursachen wird.17 18 Generell sind folgende Faktoren zentral für die Kostengestaltung verantwortlich: • Investitionskosten: die Investitionskosten für die Elektrolyse-Anlage stellen die zentrale Kostenposition des Power-to-Gas-Systems dar. Hierbei sind zum einen die Größe der Anlage und zum anderen die eigentliche preisliche Weiterentwicklung der Investitionskosten von zentraler Bedeutung. • Volllaststunden: höhere Volllaststunden bewirken selbstverständlich eine Verteilung der Investitionskosten auf größere Produktionsvolumina. Erste Analysen des Autors zeigen, dass eine Erhöhung der Volllaststunden – und somit eine Produktionsausweitung – für die langfristige Rentabilität der Anlage bedeutsamer ist, als die monetäre Ausprägung des Strombezugs für den Elektrolyseur.19 16 Vgl. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011). 17 Die tatsächlichen Kosten hängen stark vom Strompreis und von den Volllaststunden ab, wobei die Volllaststunden auch von anderen Faktoren wie der Verfügbarkeit des Kohlendioxids abhängen können. 18 Vgl. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011) 19 Vgl. Tichler (2011a) Seite 10 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Prozessketten die innerhalb des Power-to-Gas-System mit der Produktion von Wasserstoff abschließen, weisen selbstverständlich aufgrund des Wegfalls des Methanisierungsschrittes und des Wegfalls der Kohlendioxidbindung geringere Kosten auf. Die Kostenreduktion beläuft sich in Relation zur Produktion von synthetischem Methan auf ca. 20%.20 Bedeutsam sind Kostenkalkulationen allerdings erst im Kontext des jeweiligen Einsatzes bzw. Nutzens des Systems bzw. der Technologie. Wie bereits erläutert ergeben sich im Zusammenhang mit Power-to-Gas verschiedene relevante Benchmarks, im Kontext des vorliegenden Papers wird vor allem der Einsatz des Systems als Energiespeicher und als Lösung im Energietransport betrachtet, sodass darauf im Folgenden eingegangen wird. 3.2 Relevante Benchmarks in Energiespeicherung und -transport Zur Berechnung der Benchmarks bzw. der Konkurrenz- oder Alternativlösungen im Segment der Energiespeicher sowie des Transports von elektrischer Energie werden aktuelle Studien herangezogen21, um die zukünftigen Netzinfrastruktur- und damit verbundene Speichersystemkosten, die durch einen Ausbau bzw. vollständigen Umstieg am Strommarkt auf erneuerbare Energieträger entstehen werden, zu erhalten. Diese erforderlichen Zusatzkosten auf den mitteleuropäischen Strompreis sind deshalb für die Power-to-Gas- Technologie von strategischer Bedeutung, da durch einen großflächigen Einsatz dieser Strom-Speichertechnologie diese Stromnetzinfrastrukturkosten umgangen werden könnten. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nicht zu erwarten ist, dass der Ausbau der Energiespeicher und der Ausbau des Stromnetzes perfekte Substitute sein werden, sondern eine simultane Implementierung und somit eine Ergänzung zur Alternativlösung darstellen. Die Quantifizierung der Kosten für die alternativen Lösungen der Energiespeicherung und des Netzausbaus erfolgte in Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011). Die Berechnungen beziehen sich auf die deutsche Energiewende für den kolportierten vollständigen Umstieg der Stromproduktion auf erneuerbare Energieträger bis zum Jahr 2050 und dem damit verbundenen Ausbau insbesondere von Windkraft und Photovoltaik. Die Berechnungsbasis hierfür stellen die Studien SRU (2010) und dena (2010) dar. Die letztendlich für die Power-to-Gas-Technologie als Benchmark entscheidenden Kosten (sowohl Energietransport als auch Energiespeicherung) entsprechen nicht der Umlage der Zusatzkosten für die transnationale und nationale Netzinfrastruktur sowie der Speicherkosten auf das Gesamtsystem, sondern einer Umlage dieser Kosten ausschließlich auf die entstehende Überproduktion von Strom, die in diesem Szenario aufgrund der hohen volatilen Produktion aus Erneuerbaren zwangsweise auftreten wird. Eine theoretische breite Implementierung der Power-to-Gas-Systeme-Technologie würde ebendiese Überschüsse vor Ort in Form von Wasserstoff und Methan im Gasnetz speichern, sodass die alternativen Speichersysteme und die Netzinfrastrukturkosten nicht mehr notwendig wären.22 20 Vgl. Tichler (2011a) 21 Sachverständigenrat für Umweltfragen SRU (2010) „100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar“ und Deutsche Energie-Agentur-GmbH (dena) (2010) „dena- Netzstudie II. Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015 – 2020 mit Ausblick 2025.“ 22 Vgl. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011). Seite 11 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Durch den transnationalen und nationalen Netzausbau sowie damit verbundener Speicherkosten im Jahr 2050 inklusive der Stromproduktionskosten auf Basis von SRU (2010) ergeben sich durch den notwendigen Ausbau der Stromnetze sowie der notwendigen alternativen Stromspeicherlösungen gemäß Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH und SolarFuel GmbH (2011) Zusatzkosten je zusätzlich produzierter, überschüssiger und in der Folge gespeicherter kWhel zwischen 20,3 und 32,8 Cent/kWh.23 Die Zusatzkosten auf Basis von dena (2010) für das Jahr 2020 ohne Kosten für den transnationalen Ausbau werden auf 10,3 bis 18,5 Cent/kWhel quantifiziert. Diese Zahlen zeigen, dass sich die aktuell als relativ hoch eingeschätzten Kosten der produzierten kWh an synthetischem Methan – und somit der Energiespeicher- und Transportkosten von Power-to- Gas – zu relativieren sind. Es ist in Zukunft von zentraler Bedeutung, in welcher Form die Technologien eingesetzt werden und welcher Benchmark somit auch am Markt vorhanden ist. Die folgende Tabelle veranschaulicht nochmals zentrale Berechnungen der Alternativlösungen zur Speicher- und Transportlösung Power-to-Gas. Tabelle 1: Zusatzkosten in Deutschland durch Investitionen in Netz- und Speicherinfrastruktur je zusätzlich produzierter, überschüssiger und in der Folge gespeicherter kWhel im Verbundsystem Deutschland-Dänemark-Norwegen im Zuge einer vollständigen Umstellung der Stromproduktion auf Erneuerbare in Deutschland Kosten je zusätzlich produzierte, überschüssige und in der Folge gespeicherter kWhel im Verbundsystem Deutschland, Dänemark, Norwegen Kostenkomponente Szenario: Stromnachfrage Szenario: Stromnachfrage von von 509 TWh in Deutschland 700 TWh in Deutschland Transnationaler Ausbau der Hochspannungsnetze, 8,0 Cent/kWhel 12,6 Cent/kWhel Ausbau der konventionellen Speichersysteme Nationaler Ausbau der 5,2 Cent/kWhel 6,2 Cent/kWhel Hochspannungsnetze Gesamt 13,2 Cent/kWhel 18,8 Cent/kWhel Quelle: Tichler et al. (2011) auf Basis von SRU (2010) Anmerkung: ohne Kosten für Verteilnetze Von Bedeutung ist in diesem Vergleich auch die Definition der Systemgrenze Strommarkt/Energiemarkt. Wird die zur Speicherung eingesetzte Energie als Benchmark herangezogen, so verzeichnen die chemischen Speicher und somit auch das Power-to-Gas eine weitaus höhere Wettbewerbsfähigkeit in Relation zu den alternativen Speichersystemen, da somit die Energie in Form des erzeugten Methans oder des Wasserstoffs bewertet wird. Wird allerdings der Benchmark bezüglich des wiederum aus 23 Hierbei sind auch Investitionskosten für die notwendige Adaptierung der Verteilnetze aufgrund der erhöhten Stromproduktion aus Erneuerbaren berücksichtigt. Auf Basis von Diskussionen mit Netzexperten wurde kalkuliert, dass die Kosten je zusätzlicher überschüssiger kWhel aufgrund der notwendigen Investitionen in den Verteilnetzen in etwa den auf Basis von dena (2010) ermittelten Kosten für die Hochspannungsebene entsprechen, somit ca. 2 bis 6 Cent je kWh. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei aufgrund fehlenden Datenmaterials um eine erste approximative Abschätzung der Kosten für Verteilnetze handelt. Seite 12 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 dem Speicher verwendeten Stroms verwendet, so muss das Methan noch um den Wirkungsverlust zur Stromumwandlung (in modernen GuD-Kraftwerken ca. 40%- Umwandlungsverlust) bereinigt werden. Die singuläre Heranziehung der aggregierten Speicherkosten für die jeweiligen notwendigen Verbundsysteme im Szenario einer vollständigen Umstellung der deutschen Stromproduktion auf Erneuerbare zeigt auch die Heterogenität in den spezifischen Speicherkosten auf, da der Auslastungsgrad stark zwischen den einzelnen Stromverbund-Systemen variiert, allerdings sind die installierten Kapazitäten aufgrund einzelner stark ausgeprägter Spitzen dennoch notwendig. Im Bereich der Pumpspeicherkraftwerke werden Kosten (bezogen auf die gespeicherte Menge an Elektrizität und nicht auf die gesamte Stromnachfrage) von 7,1 Cent/kWh bis zu 28,3 Cent/kWh ausgewiesen, primär abhängig vom Grad der Auslastung der installierten Kapazitäten. Im Bereich der Druckluftspeicher-Erzeugung werden Kosten zwischen 10,9 Cent/kWh und 48,9 Cent/kWh angegeben, wiederum dominiert vor allem vom Grad der Auslastung der Kraftwerke. Dieses Kostenintervall – von 7,1 Cent/kWh bis 48,9 Cent/kWh – bildet im Bereich der Speichertechnologien somit auch den Benchmark für die Power-to-Gas-Technologie.24 Hierbei sind die Stromgestehungskosten noch nicht enthalten. Auch die singuläre Betrachtung der alternativen Speicherkosten ohne die Investitionen des Netzausbaus relativiert die als durchaus hoch eingeschätzten Erzeugungskosten des synthetischen Methans im Power-to-Gas-System in der Heranziehung des jeweils notwendigen Kontexts. Tabelle 2: Übersicht zu den Kosten für die verschiedenen Stromspeichersysteme für das deutsche Stromnetz im Jahr 2050 (SRU (2010)) Genutzte Produktion Kosten Kosten Leistung: GWmax TWh/a Mio. €/a ct/kWh Variable Szenario 509 700 509 700 509 700 509 700 TWh/a* TWh/a* TWh/a* TWh/a* TWh/a* TWh/a* TWh/a* TWh/a* National 0,5 0,6 1 1,1 68 85 7,1 7,7 Pump- Verbund D speicher- 1,2 1,2 0,8 0,6 171 170 21,4 28,3 mit Skandin. Erzeugung Verbund Europa- 0,8 k.A. 1,2 k.A. 115 k.A. 9,3 k.A. Nordafrika National 32 37 33,5 39,7 3.654 4.660 10,9 11,7 Druckluft- Verbund D speicher- 18,1 23,5 4,3 3,0 1189 1466 27,6 48,9 mit Skandin. Erzeugung Verbund Europa- 30,6 k.A. 11,8 k.A. 1.474 k.A. 12,4 k.A. Nordafrika Quelle: Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011) auf Basis von SRU (2010) * Angenommene Stromnachfrage in Deutschland im Jahr 2050 24 Vgl. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011). Seite 13 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 4 Fazit Generell kann das System Power-to-Gas als sehr flexibles System im Sinne einer Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten und unterschiedlichen Ausprägungen bezeichnet werden. Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die aufgrund der unterschiedlichen spezifischen Einsatzmöglichkeiten des Systems entwickelt werden können, implizieren auch spezifische und differente Nutzenformen für verschiedene Marktakteure. Diese Ausprägung eines multifunktionalen Einsatzes von Power-to-Gas im zukünftigen Energiesystem weist als Konsequenz auch eine breite volkswirtschaftliche Relevanz der Technologien auf. Die eigentliche Intention der Weiterentwicklung des Systems Power-to-Gas entspringt allerdings der Herausforderung einer steigenden Stromerzeugung aus volatilen Erzeugungsquellen. Im Folgenden werden einige zentrale Ergebnisse zu durchgeführten systemischen Bewertungen sowie zu volkswirtschaftlichen Analysen der Effekte von Power-to-Gas für Österreich aufgelistet: • Das System Power-to-Gas generiert eine Möglichkeit der Langzeitspeicherung von elektrischer Energie in Form von Wasserstoff und Methan, wodurch eine Entlastung der Stromnetze erfolgen wird. Die Verlagerung des Energietransportes vom Strom- zum bestehenden Gasnetz würde den alternativ notwendigen großflächigen Ausbau des Stromnetzes vor allem auf der Hochspannungsebene, der von starken topografischen Eingriffen wie der Zerstörung von Lebensräumen bis hin zu Absiedlungen führen kann, deutlich reduzieren. Es erfolgt somit eine Reduktion der soziodemografischen Problemstellungen bei der Weiterentwicklung des Energiesystems. • Durch die Umwandlung von Strom in synthetisches Gas besteht auch die Möglichkeit zur Nutzung in den Sektoren Wärme und Transport, wodurch sich auch hohe ökologische Verbesserungspotentiale ergeben. Berechnungen zeigen signifikante Reduktionen der Treibhausgasemissionen durch Power-to-Gas im Ausmaß von bis zu 95% auf. • Die zusätzliche Speichermöglichkeit von Energie kann in den verfügbaren großen Erdgas-Speicherstätten genutzt werden, wodurch die zentrale Rolle Österreichs in der Energiespeicherung weiter ausgebaut wird. • Durch Power-to-Gas-Systeme werden auch zusätzliche Realisierungsmöglichkeiten von spezifischen energie-autarken Anwendungen (z.B. abgelegene Gebiete) geschaffen (etwa in Kombination mit Brennstoffzellen), wodurch unrentable Infrastrukturinvestitionen in entlegenen Gebieten substituiert werden können. • Insgesamt zeigen erste makroökonomische Analysen, dass langfristig signifikant positive wohlfahrtsökonomische Auswirkungen durch die Implementierung von Power-to-Gas in Österreich entstehen können. Neben positiven Auswirkungen auf das Energiesystem, auf die Umweltsituation und auf die Topografie können zudem positive volkswirtschaftliche Effekte durch Technologieaufbau und -export sowie durch eine höhere heimische Wertschöpfung durch höhere Auslastungen der heimischen Energieanlagen gewonnen werden, wodurch positive soziale Effekte wie vermehrte Beschäftigungsverhältnisse erzeugt werden. • Die optimierte Nutzung von Überschussstrom aus Stromerzeugungsanlagen auf Basis volatiler Quellen wie Windkraft und Sonnenenergie eruiert einen höheren Seite 14 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Gesamtwirkungsgrad der Anlagen, wodurch eine verstärkte Rentabilität der Stromerzeugung gegeben ist. • Die Produktion von synthetischem Methan ermöglicht die Markteinführung eines erneuerbaren Gasproduktes und somit auch ein Greening des Produktportfolios von Gashändlern. Diese neue Form der erneuerbaren Gasbereitstellung ist zudem unabhängig von einer biogenen Ressourcenverfügbarkeit. Insgesamt wird eine verstärkte Positionierung von Erdgas und Erdgassubstituten im Energiesystem durch die erweiterte Zusammenschaltung von Strom- und Gasnetz durch das Power-to-Gas- System ermöglicht. Neue Technologien und neue Systeme sind per se auch mit großen Herausforderungen und Problemstellungen konfrontiert. Die große Herausforderung im Zusammenhang mit Power- to-Gas stellen die aktuellen betriebswirtschaftlichen Kosten der Wasserstoff- und Methanerzeugung dar. Im Folgenden sollen auch kurz grundlegende Herausforderungen zusammengefasst werden: • Die Analysen zeigen, dass aktuell eine Power-to-Gas-Methanisierungsanlage preislich bei weitem noch nicht kompatibel mit Konkurrenzprodukten wie konventionellem eingespeistem Biogas ist. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Power-to-Gas-Anlagen mit der derzeitigen Technologieausprägung ein sich im Entwicklungsstadium befindliches System darstellen. Aufgrund von Lernkurveneffekten und Skaleneffekten reduzieren sich generell die Produktionskosten neuer Technologien. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass aktuelle Kalkulationen sehr geringe Leistungsgrößen von Anlagen beinhalten, wodurch die Dominanz hoher Investitionskosten (in Relation zu niedrigen Betriebskosten) stark das Ergebnis beeinflusst. • Eine Gegenüberstellung der Erzeugungskosten von synthetischem Methan – und somit der Kosten für Energietransport und -speicherung mit alternativen Lösungen (Stromnetzausbau; konventionelle Speicher) zeigen, dass die als relativ hoch eingeschätzten Kosten der produzierten kWh an synthetischem Methan – und somit der Energiespeicher- und Transportkosten von Power-to-Gas – langfristig im jeweiligen Kontext des Einsatzes des Systems zu relativieren sind. Es ist in Zukunft von zentraler Bedeutung, in welcher Form die Technologien eingesetzt werden und welcher Benchmark somit auch am Markt vorhanden ist. • Forschungsbedarf besteht exemplarisch aus technologischer Sicht insbesondere in Hinblick auf das Zusammenspiel von Elektrolyse und Methanisierung, in der Adaption der Methanisierungsanlage an verschiedene Leistungsgrößen, in der Erforschung der Wasserstofftoleranz in der Gasinfrastruktur und in der Anwendung einer Rückverstromung von Wasserstoff in Brennstoffzellen. • In Österreich werden aktuell beispielsweise Projekte zur Weiterentwicklung neuer Methanisierungsmethoden, zur Implementierung von Brennstoffzellen in das System, zur Weiterentwicklung der Elektrolyseverfahren oder zur optimierten Einbindung von Biogasanlagen in das Power-to-Gas-System durchgeführt. • Es ist im aktuellen Technologiestadium von zentraler Bedeutung, bereits zu Beginn der Technologieentwicklung auch die optimale Ausgestaltung des durchaus flexibel anwendbaren Systems zu eruieren und somit detaillierte systemische und volkswirtschaftliche Analysen durchzuführen. Seite 15 von 16
8. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien IEWT 2013 Literatur dena - Deutsche Energie-Agentur-GmbH (2010) dena-Netzstudie II. Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015 – 2020 mit Ausblick 2025. dena - Deutsche Energie-Agentur-GmbH (2012) Strategieplattform Power to Gas. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH (2012) Technologiekonzept Power-to-Gas. Broschüre. DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (2012) Wo aus grünem Strom Wasserstoff wird. In: Greenfacts, 1/2012, Bonn. http://wvgw.de/blaettern/greenfacts-2012- 01/, 05.11.2012. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH (2011) Machbarkeitsstudie einer SolarFuel β-Anlage in Österreich. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH, SolarFuel GmbH. Gahleitner, G. (2012) Hydrogen from renewable electricity: An international review of power- to-gas pilot plants for stationary applications. International Journal of Hydrogen Energy. Hefner, Robert A., III (2007) The Age of Energy Gases. China’s Opportunity for Global Energy Leadership. The GHK Company. Müller-Syring, G., Henel, M., Krause, H., Rasmusson, H., Mlaker, H., Köppel, W., Höcher, T., Sterner, M., Trost T. (2011) Power-to-Gas: Entwicklung von Anlagenkonzepten im Rahmen der DVGW-Innovationsoffensive. Artikel aus gwf-Gas/Erdgas November 2011, S. 770-777. Smolinka, T., Günther, M., Garche, J. (2010) Stand und Entwicklungspotenzial der Wasserelektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff aus regenerativen Energien. SRU - Sachverständigenrat für Umweltfragen SRU (2010) 100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar. Tichler, R. (2011) Der mögliche Beitrag von SolarFuel als neue Power-to-Gas-Technologie für eine zukünftige europäische Energieversorgung. In: Steinmüller, H., Hauer, A., Schneider, F. (Hrsg.): Jahrbuch Energiewirtschaft 2011. Neuer Wissenschaftlicher Verlag. Wien. Tichler, R. (2011a) Analysen zur Weiterverfolgung der Power-to-Gas-Technologie. Vergleich derzeitiger Förderungen sowie aktueller Steuersätze in den Segmenten Strom/Wärme/ Verkehr zur Kalkulation einer preislichen Gleichstellung eines synthetischen Power-to-Gas- Produktes durch Förderungen/Einspeisetarife in Österreich. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz GmbH. Tichler, R., Gahleitner, G. (2012) Power-to-Gas – Speichertechnologie für das Energiesystem der Zukunft. Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz, Energie Info 08/2012. Seite 16 von 16
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