Risikomanagement in der Triage ambulanter Notfallpatienten
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Originalien Med Klin Intensivmed Notfmed https://doi.org/10.1007/s00063-021-00853-w Eingegangen: 21. März 2021 Risikomanagement in der Triage Überarbeitet: 21. Mai 2021 Angenommen: 3. Juli 2021 ambulanter Notfallpatienten © Der/die Autor(en) 2021 Manchester Triage System und CEReCo-blue als Instrument Redaktion zur risikoarmen Patientensteuerung in integrierten Michael Buerke, Siegen Notfallzentren Dirk Pabst · Jonas Schibensky · David Fistera · Joachim Riße · Clemens Kill · Carola Holzner Zentrum für Notfallmedizin, Universitätsmedizin Essen, Essen, Deutschland Zusammenfassung Hintergrund: Zur frühzeitigen Entscheidung in zukünftigen „Integrierten Notfall- zentren“, ob eine ambulante oder innerklinische Versorgung indiziert ist, wäre es hilfreich, ein System zu haben, mit dem die Identifizierung von Patienten mit ambulanter Behandlungsindikation möglich ist. In dieser Studie untersuchten wir, ob das Manchester Triage System (MTS) dafür geeignet ist, Patienten zu erkennen, die sicher der ambulanten medizinischen Versorgung zugeteilt werden können. Methode: Notaufnahmepatienten der „blauen“ MTS-Dringlichkeitsstufe wurden auf den Endpunkt „stationäre Aufnahme“ untersucht und mit der nächsthöheren MTS-Kategorie „grün“ verglichen. In einem zweiten Schritt wurde die „blaue“ Dringlichkeitsstufe auf die häufigsten gemeinsamen Kriterien untersucht, die zur stationären Aufnahme führten. Ergebnisse: Nach Ausschluss von Patienten, die durch den Rettungsdienst oder nach vorherigem Arztbesuch vorstellig wurden, war die Rate der stationären Aufnahmen in der blauen Dringlichkeitsstufe signifikant niedriger als in der grünen Kategorie (10,8 % vs. 29,0 %). Die Rate konnte durch die Etablierung einer Untergruppe mit den zusätzlichen Ausschlusskriterien chronische Erkrankung und Wiedervorstellung nach vorheriger stationärer Behandlung auf 0,9 % gesenkt werden. (CEReCo-blue-Gruppe: Chronic Disorder (C), Emergency Medical Service (E), Readmission (R), Prior Medical Consultation (Co)). Schlussfolgerung: Die blaue MTS-Dringlichkeitsstufe scheint zur Selektion von Patienten mit ambulanter Behandlungsindikation nicht geeignet zu sein. Wir schlagen die Einführung einer Untergruppe, der sog. CEReCo-blue-Gruppe vor, die für die Selektion dieser Patientengruppe hilfreich sein könnte. Schlüsselwörter Ersteinschätzung · Notfallmedizin · Notfalltresen · Ambulante Patienten · Stationäre Aufnahme Weltweit werden in Notaufnahmen stei- Arzt oder kassenärztlichen Vertretungs- gende Patientenzahlen festgestellt [2]. Da- arzt (KV-Arzt) zugeteilt werden könnten, her scheint es notwendig, Strukturen zu die Anzahl der Patienten in den Notauf- schaffen, die ein zu hohes Patientenauf- nahmen reduziert werden könnte. Durch kommen verhindern und dabei weiterhin „Gatekeeping“ an einem zentralen Tresen eine qualitativ hochwertige Patientenver- der Notfallzentren könnte eine Überfül- sorgung gewährleisten [2]. Es wird aktuell lung der Notaufnahmen durch Verringe- diskutiert, wie durch frühes Erkennen von rung der Anzahl nicht dringender Fälle Patienten, die keiner weiteren stationären reduziert werden [2, 14]. Behandlung bedürfen und einer ambulan- Der Gesetzgeber in Deutschland strebt QR-Code scannen & Beitrag online lesen ten Behandlung beim niedergelassenen die Einführung integrierter Notfall- und Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1
Originalien Tab. 1 Definition einer „gerechtfertigten stationären Aufnahme“ Methoden Eine stationäre Aufnahme eines Patienten wurde als „gerechtfertigte stationäre Aufnahme“ definiert, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutraf In diese monozentrische Studie wurden re- Notfallintervention: trospektiv alleerwachsenen(Alter ≥18 Jah- Koronarangiographie, Endoskopie (ÖGD, Koloskopie, ERCP), Notfalloperation re), nichttraumatologischen, nichtneurolo- Relevante Diagnose in der Computertomographie (CT) mit direkter therapeutischer Konse- gischen Patienten eingeschlossen, die zwi- quenz schen Januar 2019 und Dezember 2019 Aufnahme auf eine Intensivstation (ICU) oder Intermediate Care Unit (IMC) in der zentralen Notaufnahme des Uni- Zeichen einer frischen Myokardischämie, tachykarde oder bradykarde Rhythmusstörungen versitätsklinikums Essen vorstellig wurden. im EKG Patienten, die sich während des Studien- Veränderte Laborparameter in der „point-of-care diagnostics“ (POCD) oder im Zentrallabor zeitraums häufiger vorstellten, wurden nur erhöhtes Troponin, erhöhte D-Dimere, Hämoglobin 350 mg/dl, Thrombozyten 180 U/l, Gesamt/ionisiertes Kalzium 2,6/1,35 mmol/l, tienten wurden ausgeschlossen, wenn sie Bilirubin >1,1 mg/dl, erhöhtes Prokalzitonin über den Rettungsdienst aufgenommen Relevante Veränderungen in der Blutgasanalyse wurden oder mit der gleichen Beschwer- Base-Excess 4 mmol/l, pH-Veränderung jenseits der Norm, Laktat >2 mmol/l desymptomatik bereits vorher einen Arzt ÖGD Ösophagogastroduodenoskopie, ERCP endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikographie, konsultiert hatten. EKG Elektrokardiogramm Die Patienten der blauen Dringlichkeits- stufe wurden zunächst mit den Patien- ten der nächst höheren Dringlichkeitsstufe Koordinationszentren an, die durch eine [14]. In einer prospektiven Studie unter- „grün“ bezüglich einer stationären Aufnah- Kooperation stationärer und ambulanter suchten Slagman et al. [12], ob das MTS me verglichen. In einem weiteren Schritt Dienste mit geteilter Finanzierung betrie- dazu geeignet ist, „non-urgent“ Patienten untersuchten wir die häufigsten gemein- ben werden. Es sollen Instrumente imple- mit ambulanter Behandlungsindikation zu samen Merkmale von Patienten der blau- mentiert werden, um Patienten zu iden- erkennen. Dafür wurdenPatienten der blau en Kategorie, die stationär aufgenommen tifizieren, die sicher an ambulante Diens- und grünen Dringlichkeitsstufe als „non- wurden. Des Weiteren wurden Kriterien te verwiesen werden könnten [5]. Hier- urgent“ Patienten definiert, die restlichen für eine „gerechtfertigte stationäre Auf- für könnten existierende Triage-Systeme Dringlichkeitsstufen wurden als „urgent“ nahme“ definiert (. Tab. 1). eingesetzt werden [4]. Die vier interna- Patienten mit dringender Behandlungsin- Die Patientendaten sowie Daten über tional etabliertesten Triage-Systeme sind dikation eingestuft. Die Studie zeigte eine den klinischen Verlauf wurden aus dem die Australasian Triage Scale (ATS, Aus- stationäre Aufnahmerate bei den „non-ur- klinischen Informationssystem Medico tralien/Neuseeland), die Canadian Triage gent“ Patienten von immerhin 29,6 % und (Cerner, Idstein) und dem System ERPath and Acuity Scale (CTAS, Kanada), der Emer- konnte keinen signifikanten Unterschied (eHealth-Tec, Berlin) abgerufen. Zur sta- gency Severity Index (ESI, USA) und die in der Kurz- und Langzeitsterblichkeit zwi- tistischen Auswertung der Daten wurde Manchester Triage Scale (MTS, Großbritan- schen den „non-urgent“ und den „urgent“ die SPSS-Softwareversion 26 (IBM SPSS nien) [16, 17]. Jedes dieser Systeme verfügt Patienten zeigen [12], sodass die Autoren Statistics [Armonk, NY, USA]) verwendet. über eine 5-stufige Skala, die Fälle mit dem daraus schlossen, dass das MTS für die Der Chi-Quadrat-Test wurde für die kate- höchsten Schweregrad 1 bis zum niedrigs- Selektion von Patienten, die an ambulan- gorialen Variablen verwendet. Metrische ten Schweregrad 5 kategorisiert [1, 7, 9, te Behandlungseinrichtungen verwiesen Variablen wurden als Median und Stan- 16, 17]. In Deutschland ist das MTS das werden könnten, ungeeignet ist. Eine ge- dardabweichung (SD) dargestellt, wobei häufigste System und wird seit 2004 offi- sonderte Untersuchung der blauen Dring- der T-Test verwendet wurde. ziell eingesetzt [7]. Das MTS basiert auf der lichkeitsstufe wurde in der Studie jedoch Das Studienprotokoll wurde vom insti- Registrierung führender Symptome, die 52 nicht vorgenommen. tutionellen Ethikrat der Universität Duis- verschiedenen Präsentationsdiagrammen Wir sind in unserer Studie davon ausge- burg-Essen genehmigt und in Überein- zugeordnet werden können. Während des gangen, dass die blaue Dringlichkeitsstufe stimmung mit der Erklärung von Helsinki weiteren Verfahrens werden die Fälle in des MTS oder eine weitere Untergruppe erarbeitet. Die Studiennummer lautet 19- Bezug auf fünf Schweregrade priorisiert, der blau triagierten Patienten dabei hel- 9060-BO. anhand derer die Dringlichkeit des Arzt- fen könnte, frühzeitig Patienten zu erken- kontakts vorgegeben wird: rot = sofortige nen, die sicher dem ambulanten Versor- Ergebnisse Behandlung (0 min), orange = sehr drin- gungssystem zugeordnet werden könn- gend (10 min), gelb = dringend (30 min), ten. Ziel der vorliegenden Studie war da- Während des Studienzeitraums vom 1. Ja- grün = normal (90 min), blau = nicht drin- her, das Manchester Triage System anhand nuar bis zum 31. Dezember 2019 wurden gend (120 min) [9, 17]. Bisher hat sich kein der blauen Dringlichkeitsstufe auf die Zu- 12.151 Patienten in unserer Notaufnahme System als zuverlässig gezeigt, Patienten verlässigkeit zu untersuchen, Patienten mit aufgenommen und nach dem Manchester zu identifizieren, diesicher an dieambulan- ambulanter Behandlungsindikation zu er- TriageSystem eingeteilt. Vondiesen12.151 te Versorgung verwiesen werden können kennen. Patienten wurden 758 (6,2 %) Patienten in 2 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Tab. 2 Vergleich der stationären Aufnahmen zwischen der grünen und der blauen Dringlich- In der Dringlichkeitsstufe „grün“ wa- keitsstufe des Manchester Triage Systems ren signifikant mehr männliche (47,6 % Dringlichkeitsstufe Grün Blau Gesamt p-Wert vs. 42,5 %; p = 0,023) und ältere Patienten (n = 3448) (n = 590) (n = 4038) (Median 47 Jahre vs. 42 Jahre; p < 0,001). Ambulante Behandlung; n (%) 2220 (64,4) 451 (76,4) 2671 (66,1)
Originalien 12.151 nicht-traumatologische und nicht-neurologische Paenten ≥ 18 Jahre in der ZNA 6.135 Paenten mit „blauer“ und „grüner“ Dringlichkeitsstufe Ausschlusskriterien: - Vorstellung mit Reungsdienst ( Emergency Medical Service) (1595 Pat.(26,0%)) - mit gleichen Beschwerden bereits Arzt konsulert (Prior medical Consultaon) (502 Pat.(8,2%)) 4.038 Paenten mit „blauer“ und „grüner“ Dringlichkeitsstufe 590 blaue Paenten 3448 grüne Paenten Ausschlusskriterien: - Wegen chronischer Erkrankung an Spezialambulanz angebunden (Chronic disorder) (29 Pat. (4,9%)) - Wiedervorstellung aufgrund des gleichen Problems nach 1 Woche (Readmission) (221 Pat. (37,5%)) 340 Paenten der „CEReCo-blue“ Subgruppe Abb. 1 8 Nichttraumatologische und nichtneurologische, erwachsene Patienten der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Uni- versitätsklinikums Essen im Jahr 2019 Der Anteil dieser „CEReCo-blue-Patienten“ Studie die Manchester Triage als „Tool“, mit Einweisung oder mit dem Rettungs- von allen ursprünglich in der Notaufnahme um Patienten unmittelbar dem ambu- dienst vorstellig wurden. Obwohl sich vorstelligen Patienten beträgt 2,8 %. lanten Sektor (hausärztliche Versorgung, ein signifikanter Unterschied in der Kran- ambulante KV-Praxis) zuzuweisen. Da- kenhausaufnahme zwischen grün und Diskussion bei wurden „grün“ und „blau“ triagierte blau zeigte (10,8 % vs. 29,0 %, p < 0,001), Patienten (MTS) als nicht dringlich katego- die Patienten der Kategorie grün wurden Diese Studie untersucht die Notfallpati- risiert und bezüglich der Mortalität unter- häufiger stationär aufgenommen, war die enten, die in der Manchester Triage der sucht. Hierbei zeigte sich eine stationäre Anzahl der blau triagierten und stationär niedrigsten Prioritätengruppe „blau“ zu- Aufnahmerate bei den „nicht dringlichen“ aufgenommenen Patienten immer noch geordnet sind. Es gilt herauszufinden, ob Patienten von immerhin 29,6 % und kein zu hoch, um diese ohne Schaden für die Patienten, die in der Triage der Kategorie signifikanter Unterschied bezüglich der Patienten unmittelbar der ambulanten blau zugeteilt werden, nachdem sie sich Kurz- und Langzeit-Mortalität zwischen Versorgung zuzuweisen. selbst in der Notaufnahme vorgestellt ha- der nicht dringlichen (blau und grün) und In Deutschland obliegt die Aufnahme- ben, unmittelbar an einem gemeinsamen der dringlichen (rot, orange und gelb) entscheidung dem behandelnden Notauf- Tresen in integrierten Notfallzentren (INZ) kategorisierten Patientengruppe, sodass nahmearzt und ist abhängig von Diagnos- an die ambulante Versorgung weitergelei- von dieser Arbeitsgruppe die Anwendung tik, Komorbiditäten und natürlich dem Zu- tet werden können, um die Notaufnahmen des MTS zur Selektion von Patienten mit stand des Patienten [10]. Wir definierten zu entlasten und nicht unnötig Ressourcen ambulanter Behandlungsindikation nicht daher weiterhin strikte Aufnahmekriterien zu binden. empfohlen wurde. (. Tab. 1). Auf der Suche nach einer alter- In einigen Ländern, eben auch in Ziel dieser Untersuchung war eine nativen Möglichkeit innerhalb der MTS als Deutschland, wird die Notfallversorgung Gruppe zu finden, die mithilfe des MTS oh- Tool, um Patienten nach der Triagierung re-strukturiert, um die Akut- und Not- ne Risiken und Schaden für den Patienten zwischen Notaufnahme und ambulanter fallversorgung zu optimieren [5]. Daher zur ambulanten Versorgung weitergelei- Weiterversorung zu selektieren, definier- wird ein zuverlässiges Triage-System be- tet werden kann, um die Notaufnahmen ten wir innerhalb der blauen Kategorie ei- nötigt, um bereits frühzeitig zwischen zu entlasten. Wir nahmen an, dass die ne Subgruppe. Wir untersuchten, welche ambulanter und Krankenhauszuweisung Kategorie „blau“ primär diese Patienten Charakteristika die blauen, stationär auf- zu differenzieren [11]. Verschiedene Unter- beinhaltet. Daher haben wir Patienten genommenen Patienten gemeinsam auf- suchungen belegen bereits eine niedrige der Kategorie „blau“ zunächst mit de- wiesen. Wir konnten zeigen, dass eine Wie- 30-Tage-Mortalität bei niedrig prioritären nen der Kategorie „grün“ verglichen und dervorstellung binnen einer Woche nach Notfallpatienten [3, 13, 15]. Slagman et al. schlossen dabei alle Patienten aus, die Krankenhausaufenthalt wegen derselben [12] analysierten in einer prospektiven nach vorheriger ärztlicher Konsultation Diagnose, eine chronische Erkrankung, we- 4 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Tab. 4 Verlauf stationär aufgenommener Patienten aus der „CEReCo-blue-Gruppe“ Patient 1 Aktuelle Anamnese 75-jährige Patientin mit progredienten Sturzneigung bei bekannter Alzheimer-Demenz, Zustand nach pertrochan- tärer Femurfraktur und operativer Versorgung mit anschließender stationärer Rehabilitation 10 Wochen zuvor Vorerkrankungen Arterielle Hypertonie, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, eine monoklonale Gammopathie vom Typ IgG, eine Hyperlipoproteinämie, Mammakarzinom (unter antiöstrogener Therapie) Untersuchungsbefund Temperatur 37,5 °C, Blutdruck 112/66 mm Hg, Herzfrequenz 100/min, Sauerstoffsättigung unter Raumluft 95 %. Körperliche Untersuchung ohne wesentliche Auffälligkeiten, Operationswunde reizlos Elektrokardiogramm Normofrequenter Sinusrhythmus mit bekanntem Linksschenkelblock ohne akute Ischämiezeichen oder höhergradi- ge Herzrhythmusstörungen Laborchemische Auffällig- D-Dimere 3,6 mg/l (Norm
Originalien traf das Ausschlusskriterium chronische Er- zumindest vorerst ambulante Behandlung könnte. Da validierte Ersteinschätzungs- krankung auf 4,9 % der blau triagierten mit einer oralen antibiotischen Therapie systeme in den Notaufnahmen bereits Patienten zu. bei beiden Patienten möglich gewesen, angewendet werden, halten die Autoren Rettungsdienstzuweisung (Emergency ohne diese Patienten zu gefährden. Bei dieser Studie es für naheliegend, ein in Medical Service): Da der Rettungsdienst Patientin 3 war eine innerklinische Notfall- Deutschland bereits etabliertes System für primär für die Zuweisung von akut er- versorgung zweifelsfrei indiziert, und diese den Tresen der Notaufnahmen zu verwen- krankten Patienten zuständig ist, wurden Patientin wäre klar gefährdet gewesen, den. Am häufigsten wird in Deutschland diese Patienten ausgeschlossen. Von den wenn sie einer ambulanten Weiterbe- das Manchester Triage System verwendet, blau triagierten Patienten wurden 16,5 % handlung zugeteilt worden wäre. Es wäre sodass die Anwendung einer Modifikation mit dem Rettungsdienst in unsere Notauf- vielleicht zu diskutieren, ob eine Anwen- dieses Systems mit dem Ziel, Patienten nahme gebracht. dung der CEReCo-blue-Gruppe dadurch in der Notaufnahme einer ambulanten Wiedervorstellung: Patienten, die sich ergänzt werden müsste, dass man bei Versorgungsebene zuteilen zu können, binnen einer Woche erneut nach Kranken- weiblichen Patienten mit abdominellen einleuchtend erscheint und unserer Mei- hausentlassung wegen derselben Proble- Beschwerden im gebärfähigen Alter einen nung nach die bessere Alternative zum matik vorstellten, wurden ebenfalls aus- βHCG-Test im Urin durchführen lässt, be- nichtvalidierten SmED-System darstellt. geschlossen, in der Annahme, dass die vor man diese Patienten der ambulanten Ob sich der Anteil der CEReCo-blue-Grup- stationäre Behandlung somit nicht aus- Weiterversorgung zuteilt. pe in anderen Notaufnahmen ähnlich reichend gewesen und wieder notwendig Die aktuellen nationalen Diskussionen darstellt, wäre zu untersuchen. Aktuell ist. Daher wurden Patienten, die sich mit über die grundsätzlichen Möglichkeiten wäre die Entlastung der Notaufnahmen Komplikationen nach Interventionen, wie und Grenzen von Triage-Systemen zur durch die CEReCo-blue-Gruppe relativ Herzkatheteruntersuchungen, endoskopi- Patientensteuerung zwischen ambulanter gering (2,8 % am Gesamtaufkommen der schen Eingriffen oder Operationen vorstell- kassenärztlicher und in der Notaufnahme Notfallpatienten). Die Ergebnisse dieser ten, ebenfalls ausgeschlossen. Hierdurch durchgeführter Notfallversorgung bele- Studie beruhen auf Untersuchungen von wurden in unserer Studie 37,5 % der blau gen den Wert von Untersuchungen wie Patienten mit primär nichttraumatologi- triagierten Patienten ausgeschlossen. dieser Studie. Wir konnten mit einfach schen und primär nichtneurologischen Facharzteinweisung oder nach vorheri- definierten Kriterien und Einführen der Beschwerden. Ergänzende Studien mit ger ärztlicher Konsultation: Patienten, die CEReCo-blue-Gruppe ein vielversprechen- traumatologischen und neurologischen bereits wegen derselben Beschwerden des Tool aufzeigen, welches in dieser Patienten sind daher sinnvoll. Nach Mei- Arztkontakt hatten oder bestenfalls fach- Studie eine mit 0,9 % niedrige Fehlerquo- nung der Autoren ist es gut vorstellbar, ärztlich eingewiesen wurden, schlossen te zeigt. Allerdings schloss diese CEReCo- dass sich die Anzahl der Patienten einer wir dahingehend aus, dass somit entweder blue-Gruppe in der Notaufnahme unseres äquivalenten Patientensubgruppe von die ambulante Therapie nicht ausreichend Uniklinikums lediglich einen Anteil von Patienten mit primär traumatologischen oder die stationäre Aufnahme bereits aus 2,8 % aller Patienten ein, wohingegen die und primär neurologischen Beschwerden ärztlicher Sicht notwendig war. Aufgrund ganz überwiegende Mehrzahl mit mehr deutlich erhöht und somit zu einer we- dieses Ausschlusskriteriums wurden in als 97 % tatsächlich Leistungsmerkmale sentlichen Entlastung der Notaufnahmen dieser Studie 8,2 % der blau triagierten der Notaufnahme erforderten. Nach un- beitragen könnte. Außerdem zeigt unsere Patienten nicht der CEReCo-blue-Gruppe serem Wissen ist dieses die erste Studie, Untersuchung auf, dass eine Entlastung zugeteilt. die schrittweise ein Patientenkollektiv der Notaufnahmen durch Schärfung der Schätzungen gehen von einer Aufnah- des Manchester Triage Systems selektiert, Triagekriterien innerhalb eines etablierten mequote von 13–16 % bei grün und blau um Patienten, ohne sie zu gefährden, Systems möglich ist und deshalb auf dem triagierten Patienten aus [3, 6, 13, 15]. der ambulanten Versorgungsebene zu- Boden eines solchen Systems aufbauen Slagman et al. [12] konnten eine Aufnah- zuteilen. Derzeit ist kein wissenschaftlich sollte. Der sehr hohe Anteil an nicht risi- merate von 29,6 % zeigen. Unsere Aufnah- validiertes Ersteinschätzungssystem be- koarm in kassenärztlichen Strukturen zu mequote lag vor Definition der Kriterien kannt, dass diese Aufgabe erfüllt. Im versorgenden Notfallpatienten in unserer bei 26,4 %. Allerdings konnten wir nach Jahr 2017 wurde entschieden, ein Er- Untersuchung weist darauf hin, dass eine Definition der „CEReCo-blue-Gruppe“ eine steinschätzungsverfahren in Deutschland räumliche oder organisatorische Tren- deutliche Reduktion der „gerechtfertigten (Strukturierte medizinische Ersteinschät- nung von ambulanter und stationärer stationären Aufnahmen“ zeigen. Nur 3 Pa- zung, SmED) auf Grundlage des Swiss Notfall- und Akutversorgung in vonein- tienten (0,9 %) wurden innerhalb dieser Medical Assessment Systems (SMASS) ander getrennte Systeme nicht sinnvoll Gruppe stationär aufgenommen. zu entwickeln [8]. Dieses nichtvalidierte erscheint. Die drei Patienten, die in der CEReCo- System soll zur flächendeckenden telefo- blue-Gruppe die Kriterien für eine gerecht- nischen Ersteinschätzung implementiert Studienlimitierung fertigte stationäre Aufnahme erfüllten, werden, und es wird diskutiert, ob es mit sind in . Tab. 4 zusammengefasst. Auch entsprechenden Modifikationen auch die Diese Studie ist retrospektiv und somit soll- wenn Patient 1 und 2 gerechtfertigt sta- Ersteinschätzung an einem gemeinsamen ten einige Einschränkungen in Betracht tionär aufgenommen wurden, wäre eine Tresen in den Notaufnahmen unterstützen gezogen werden. Diese Studie beinhal- 6 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Abstract tet nichttraumatologische Notfallpatien- Risk management in the triage of emergency room patients to ten. Außerdem wurden Patienten
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