Risikomanagement in der Triage ambulanter Notfallpatienten

 
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Risikomanagement in der Triage ambulanter Notfallpatienten
Originalien
Med Klin Intensivmed Notfmed
https://doi.org/10.1007/s00063-021-00853-w
Eingegangen: 21. März 2021
                                             Risikomanagement in der Triage
Überarbeitet: 21. Mai 2021
Angenommen: 3. Juli 2021                     ambulanter Notfallpatienten
© Der/die Autor(en) 2021                     Manchester Triage System und CEReCo-blue als Instrument
Redaktion                                    zur risikoarmen Patientensteuerung in integrierten
Michael Buerke, Siegen
                                             Notfallzentren
                                             Dirk Pabst · Jonas Schibensky · David Fistera · Joachim Riße · Clemens Kill ·
                                             Carola Holzner
                                             Zentrum für Notfallmedizin, Universitätsmedizin Essen, Essen, Deutschland

                                              Zusammenfassung

                                              Hintergrund: Zur frühzeitigen Entscheidung in zukünftigen „Integrierten Notfall-
                                              zentren“, ob eine ambulante oder innerklinische Versorgung indiziert ist, wäre
                                              es hilfreich, ein System zu haben, mit dem die Identifizierung von Patienten mit
                                              ambulanter Behandlungsindikation möglich ist. In dieser Studie untersuchten wir, ob
                                              das Manchester Triage System (MTS) dafür geeignet ist, Patienten zu erkennen, die
                                              sicher der ambulanten medizinischen Versorgung zugeteilt werden können.
                                              Methode: Notaufnahmepatienten der „blauen“ MTS-Dringlichkeitsstufe wurden
                                              auf den Endpunkt „stationäre Aufnahme“ untersucht und mit der nächsthöheren
                                              MTS-Kategorie „grün“ verglichen. In einem zweiten Schritt wurde die „blaue“
                                              Dringlichkeitsstufe auf die häufigsten gemeinsamen Kriterien untersucht, die zur
                                              stationären Aufnahme führten.
                                              Ergebnisse: Nach Ausschluss von Patienten, die durch den Rettungsdienst oder nach
                                              vorherigem Arztbesuch vorstellig wurden, war die Rate der stationären Aufnahmen
                                              in der blauen Dringlichkeitsstufe signifikant niedriger als in der grünen Kategorie
                                              (10,8 % vs. 29,0 %). Die Rate konnte durch die Etablierung einer Untergruppe mit den
                                              zusätzlichen Ausschlusskriterien chronische Erkrankung und Wiedervorstellung nach
                                              vorheriger stationärer Behandlung auf 0,9 % gesenkt werden. (CEReCo-blue-Gruppe:
                                              Chronic Disorder (C), Emergency Medical Service (E), Readmission (R), Prior Medical
                                              Consultation (Co)).
                                              Schlussfolgerung: Die blaue MTS-Dringlichkeitsstufe scheint zur Selektion von
                                              Patienten mit ambulanter Behandlungsindikation nicht geeignet zu sein. Wir schlagen
                                              die Einführung einer Untergruppe, der sog. CEReCo-blue-Gruppe vor, die für die
                                              Selektion dieser Patientengruppe hilfreich sein könnte.

                                              Schlüsselwörter
                                              Ersteinschätzung · Notfallmedizin · Notfalltresen · Ambulante Patienten · Stationäre Aufnahme

                                             Weltweit werden in Notaufnahmen stei-                Arzt oder kassenärztlichen Vertretungs-
                                             gende Patientenzahlen festgestellt [2]. Da-          arzt (KV-Arzt) zugeteilt werden könnten,
                                             her scheint es notwendig, Strukturen zu              die Anzahl der Patienten in den Notauf-
                                             schaffen, die ein zu hohes Patientenauf-              nahmen reduziert werden könnte. Durch
                                             kommen verhindern und dabei weiterhin                „Gatekeeping“ an einem zentralen Tresen
                                             eine qualitativ hochwertige Patientenver-            der Notfallzentren könnte eine Überfül-
                                             sorgung gewährleisten [2]. Es wird aktuell           lung der Notaufnahmen durch Verringe-
                                             diskutiert, wie durch frühes Erkennen von            rung der Anzahl nicht dringender Fälle
                                             Patienten, die keiner weiteren stationären           reduziert werden [2, 14].
                                             Behandlung bedürfen und einer ambulan-                  Der Gesetzgeber in Deutschland strebt
QR-Code scannen & Beitrag online lesen       ten Behandlung beim niedergelassenen                 die Einführung integrierter Notfall- und

                                                                                       Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin   1
Originalien
    Tab. 1 Definition einer „gerechtfertigten stationären Aufnahme“                                    Methoden
    Eine stationäre Aufnahme eines Patienten wurde als „gerechtfertigte stationäre Aufnahme“
    definiert, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutraf                                   In diese monozentrische Studie wurden re-
    Notfallintervention:                                                                              trospektiv alleerwachsenen(Alter ≥18 Jah-
    Koronarangiographie, Endoskopie (ÖGD, Koloskopie, ERCP), Notfalloperation                         re), nichttraumatologischen, nichtneurolo-
    Relevante Diagnose in der Computertomographie (CT) mit direkter therapeutischer Konse-            gischen Patienten eingeschlossen, die zwi-
    quenz
                                                                                                      schen Januar 2019 und Dezember 2019
    Aufnahme auf eine Intensivstation (ICU) oder Intermediate Care Unit (IMC)                         in der zentralen Notaufnahme des Uni-
    Zeichen einer frischen Myokardischämie, tachykarde oder bradykarde Rhythmusstörungen              versitätsklinikums Essen vorstellig wurden.
    im EKG
                                                                                                      Patienten, die sich während des Studien-
    Veränderte Laborparameter in der „point-of-care diagnostics“ (POCD) oder im Zentrallabor          zeitraums häufiger vorstellten, wurden nur
    erhöhtes Troponin, erhöhte D-Dimere, Hämoglobin 350 mg/dl, Thrombozyten 180 U/l, Gesamt/ionisiertes Kalzium 2,6/1,35 mmol/l,      tienten wurden ausgeschlossen, wenn sie
    Bilirubin >1,1 mg/dl, erhöhtes Prokalzitonin                                                      über den Rettungsdienst aufgenommen
    Relevante Veränderungen in der Blutgasanalyse                                                     wurden oder mit der gleichen Beschwer-
    Base-Excess 4 mmol/l, pH-Veränderung jenseits der Norm, Laktat >2 mmol/l                 desymptomatik bereits vorher einen Arzt
    ÖGD Ösophagogastroduodenoskopie, ERCP endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikographie,        konsultiert hatten.
    EKG Elektrokardiogramm                                                                                Die Patienten der blauen Dringlichkeits-
                                                                                                      stufe wurden zunächst mit den Patien-
                                                                                                      ten der nächst höheren Dringlichkeitsstufe
Koordinationszentren an, die durch eine                 [14]. In einer prospektiven Studie unter-     „grün“ bezüglich einer stationären Aufnah-
Kooperation stationärer und ambulanter                  suchten Slagman et al. [12], ob das MTS       me verglichen. In einem weiteren Schritt
Dienste mit geteilter Finanzierung betrie-              dazu geeignet ist, „non-urgent“ Patienten     untersuchten wir die häufigsten gemein-
ben werden. Es sollen Instrumente imple-                mit ambulanter Behandlungsindikation zu       samen Merkmale von Patienten der blau-
mentiert werden, um Patienten zu iden-                  erkennen. Dafür wurdenPatienten der blau      en Kategorie, die stationär aufgenommen
tifizieren, die sicher an ambulante Diens-               und grünen Dringlichkeitsstufe als „non-      wurden. Des Weiteren wurden Kriterien
te verwiesen werden könnten [5]. Hier-                  urgent“ Patienten definiert, die restlichen    für eine „gerechtfertigte stationäre Auf-
für könnten existierende Triage-Systeme                 Dringlichkeitsstufen wurden als „urgent“      nahme“ definiert (. Tab. 1).
eingesetzt werden [4]. Die vier interna-                Patienten mit dringender Behandlungsin-           Die Patientendaten sowie Daten über
tional etabliertesten Triage-Systeme sind               dikation eingestuft. Die Studie zeigte eine   den klinischen Verlauf wurden aus dem
die Australasian Triage Scale (ATS, Aus-                stationäre Aufnahmerate bei den „non-ur-      klinischen Informationssystem Medico
tralien/Neuseeland), die Canadian Triage                gent“ Patienten von immerhin 29,6 % und       (Cerner, Idstein) und dem System ERPath
and Acuity Scale (CTAS, Kanada), der Emer-              konnte keinen signifikanten Unterschied        (eHealth-Tec, Berlin) abgerufen. Zur sta-
gency Severity Index (ESI, USA) und die                 in der Kurz- und Langzeitsterblichkeit zwi-   tistischen Auswertung der Daten wurde
Manchester Triage Scale (MTS, Großbritan-               schen den „non-urgent“ und den „urgent“       die SPSS-Softwareversion 26 (IBM SPSS
nien) [16, 17]. Jedes dieser Systeme verfügt            Patienten zeigen [12], sodass die Autoren     Statistics [Armonk, NY, USA]) verwendet.
über eine 5-stufige Skala, die Fälle mit dem             daraus schlossen, dass das MTS für die        Der Chi-Quadrat-Test wurde für die kate-
höchsten Schweregrad 1 bis zum niedrigs-                Selektion von Patienten, die an ambulan-      gorialen Variablen verwendet. Metrische
ten Schweregrad 5 kategorisiert [1, 7, 9,               te Behandlungseinrichtungen verwiesen         Variablen wurden als Median und Stan-
16, 17]. In Deutschland ist das MTS das                 werden könnten, ungeeignet ist. Eine ge-      dardabweichung (SD) dargestellt, wobei
häufigste System und wird seit 2004 offi-                  sonderte Untersuchung der blauen Dring-       der T-Test verwendet wurde.
ziell eingesetzt [7]. Das MTS basiert auf der           lichkeitsstufe wurde in der Studie jedoch         Das Studienprotokoll wurde vom insti-
Registrierung führender Symptome, die 52                nicht vorgenommen.                            tutionellen Ethikrat der Universität Duis-
verschiedenen Präsentationsdiagrammen                       Wir sind in unserer Studie davon ausge-   burg-Essen genehmigt und in Überein-
zugeordnet werden können. Während des                   gangen, dass die blaue Dringlichkeitsstufe    stimmung mit der Erklärung von Helsinki
weiteren Verfahrens werden die Fälle in                 des MTS oder eine weitere Untergruppe         erarbeitet. Die Studiennummer lautet 19-
Bezug auf fünf Schweregrade priorisiert,                der blau triagierten Patienten dabei hel-     9060-BO.
anhand derer die Dringlichkeit des Arzt-                fen könnte, frühzeitig Patienten zu erken-
kontakts vorgegeben wird: rot = sofortige               nen, die sicher dem ambulanten Versor-        Ergebnisse
Behandlung (0 min), orange = sehr drin-                 gungssystem zugeordnet werden könn-
gend (10 min), gelb = dringend (30 min),                ten. Ziel der vorliegenden Studie war da-     Während des Studienzeitraums vom 1. Ja-
grün = normal (90 min), blau = nicht drin-              her, das Manchester Triage System anhand      nuar bis zum 31. Dezember 2019 wurden
gend (120 min) [9, 17]. Bisher hat sich kein            der blauen Dringlichkeitsstufe auf die Zu-    12.151 Patienten in unserer Notaufnahme
System als zuverlässig gezeigt, Patienten               verlässigkeit zu untersuchen, Patienten mit   aufgenommen und nach dem Manchester
zu identifizieren, diesicher an dieambulan-              ambulanter Behandlungsindikation zu er-       TriageSystem eingeteilt. Vondiesen12.151
te Versorgung verwiesen werden können                   kennen.                                       Patienten wurden 758 (6,2 %) Patienten in

2      Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Tab. 2 Vergleich der stationären Aufnahmen zwischen der grünen und der blauen Dringlich-             In der Dringlichkeitsstufe „grün“ wa-
 keitsstufe des Manchester Triage Systems                                                          ren signifikant mehr männliche (47,6 %
 Dringlichkeitsstufe                Grün        Blau           Gesamt           p-Wert             vs. 42,5 %; p = 0,023) und ältere Patienten
                                    (n = 3448)  (n = 590)      (n = 4038)                          (Median 47 Jahre vs. 42 Jahre; p < 0,001).
 Ambulante Behandlung; n (%)        2220 (64,4) 451 (76,4)     2671 (66,1)
Originalien

        12.151 nicht-traumatologische und
     nicht-neurologische Paenten ≥ 18 Jahre
                    in der ZNA

              6.135 Paenten mit
    „blauer“ und „grüner“ Dringlichkeitsstufe
                                                                  Ausschlusskriterien:
                                                                  - Vorstellung mit Reungsdienst ( Emergency Medical Service) (1595 Pat.(26,0%))
                                                                  - mit gleichen Beschwerden bereits Arzt konsulert (Prior medical Consultaon)
                                                                     (502 Pat.(8,2%))
              4.038 Paenten mit
    „blauer“ und „grüner“ Dringlichkeitsstufe

    590 blaue Paenten             3448 grüne Paenten            Ausschlusskriterien:
                                                                  - Wegen chronischer Erkrankung an Spezialambulanz angebunden (Chronic disorder)
                                                                     (29 Pat. (4,9%))
                                                                  - Wiedervorstellung aufgrund des gleichen Problems nach 1 Woche (Readmission)
                                                                     (221 Pat. (37,5%))
    340 Paenten der „CEReCo-blue“ Subgruppe

Abb. 1 8 Nichttraumatologische und nichtneurologische, erwachsene Patienten der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Uni-
versitätsklinikums Essen im Jahr 2019

Der Anteil dieser „CEReCo-blue-Patienten“            Studie die Manchester Triage als „Tool“,            mit Einweisung oder mit dem Rettungs-
von allen ursprünglich in der Notaufnahme            um Patienten unmittelbar dem ambu-                  dienst vorstellig wurden. Obwohl sich
vorstelligen Patienten beträgt 2,8 %.                lanten Sektor (hausärztliche Versorgung,            ein signifikanter Unterschied in der Kran-
                                                     ambulante KV-Praxis) zuzuweisen. Da-                kenhausaufnahme zwischen grün und
Diskussion                                           bei wurden „grün“ und „blau“ triagierte             blau zeigte (10,8 % vs. 29,0 %, p < 0,001),
                                                     Patienten (MTS) als nicht dringlich katego-         die Patienten der Kategorie grün wurden
Diese Studie untersucht die Notfallpati-             risiert und bezüglich der Mortalität unter-         häufiger stationär aufgenommen, war die
enten, die in der Manchester Triage der              sucht. Hierbei zeigte sich eine stationäre          Anzahl der blau triagierten und stationär
niedrigsten Prioritätengruppe „blau“ zu-             Aufnahmerate bei den „nicht dringlichen“            aufgenommenen Patienten immer noch
geordnet sind. Es gilt herauszufinden, ob             Patienten von immerhin 29,6 % und kein              zu hoch, um diese ohne Schaden für die
Patienten, die in der Triage der Kategorie           signifikanter Unterschied bezüglich der              Patienten unmittelbar der ambulanten
blau zugeteilt werden, nachdem sie sich              Kurz- und Langzeit-Mortalität zwischen              Versorgung zuzuweisen.
selbst in der Notaufnahme vorgestellt ha-            der nicht dringlichen (blau und grün) und               In Deutschland obliegt die Aufnahme-
ben, unmittelbar an einem gemeinsamen                der dringlichen (rot, orange und gelb)              entscheidung dem behandelnden Notauf-
Tresen in integrierten Notfallzentren (INZ)          kategorisierten Patientengruppe, sodass             nahmearzt und ist abhängig von Diagnos-
an die ambulante Versorgung weitergelei-             von dieser Arbeitsgruppe die Anwendung              tik, Komorbiditäten und natürlich dem Zu-
tet werden können, um die Notaufnahmen               des MTS zur Selektion von Patienten mit             stand des Patienten [10]. Wir definierten
zu entlasten und nicht unnötig Ressourcen            ambulanter Behandlungsindikation nicht              daher weiterhin strikte Aufnahmekriterien
zu binden.                                           empfohlen wurde.                                    (. Tab. 1). Auf der Suche nach einer alter-
    In einigen Ländern, eben auch in                     Ziel dieser Untersuchung war eine               nativen Möglichkeit innerhalb der MTS als
Deutschland, wird die Notfallversorgung              Gruppe zu finden, die mithilfe des MTS oh-           Tool, um Patienten nach der Triagierung
re-strukturiert, um die Akut- und Not-               ne Risiken und Schaden für den Patienten            zwischen Notaufnahme und ambulanter
fallversorgung zu optimieren [5]. Daher              zur ambulanten Versorgung weitergelei-              Weiterversorung zu selektieren, definier-
wird ein zuverlässiges Triage-System be-             tet werden kann, um die Notaufnahmen                ten wir innerhalb der blauen Kategorie ei-
nötigt, um bereits frühzeitig zwischen               zu entlasten. Wir nahmen an, dass die               ne Subgruppe. Wir untersuchten, welche
ambulanter und Krankenhauszuweisung                  Kategorie „blau“ primär diese Patienten             Charakteristika die blauen, stationär auf-
zu differenzieren [11]. Verschiedene Unter-           beinhaltet. Daher haben wir Patienten               genommenen Patienten gemeinsam auf-
suchungen belegen bereits eine niedrige              der Kategorie „blau“ zunächst mit de-               wiesen. Wir konnten zeigen, dass eine Wie-
30-Tage-Mortalität bei niedrig prioritären           nen der Kategorie „grün“ verglichen und             dervorstellung binnen einer Woche nach
Notfallpatienten [3, 13, 15]. Slagman et al.         schlossen dabei alle Patienten aus, die             Krankenhausaufenthalt wegen derselben
[12] analysierten in einer prospektiven              nach vorheriger ärztlicher Konsultation             Diagnose, eine chronische Erkrankung, we-

4   Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Tab. 4 Verlauf stationär aufgenommener Patienten aus der „CEReCo-blue-Gruppe“
 Patient 1
 Aktuelle Anamnese              75-jährige Patientin mit progredienten Sturzneigung bei bekannter Alzheimer-Demenz, Zustand nach pertrochan-
                                tärer Femurfraktur und operativer Versorgung mit anschließender stationärer Rehabilitation 10 Wochen zuvor
 Vorerkrankungen                Arterielle Hypertonie, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, eine monoklonale Gammopathie vom Typ
                                IgG, eine Hyperlipoproteinämie, Mammakarzinom (unter antiöstrogener Therapie)
 Untersuchungsbefund            Temperatur 37,5 °C, Blutdruck 112/66 mm Hg, Herzfrequenz 100/min, Sauerstoffsättigung unter Raumluft 95 %.
                                Körperliche Untersuchung ohne wesentliche Auffälligkeiten, Operationswunde reizlos
 Elektrokardiogramm             Normofrequenter Sinusrhythmus mit bekanntem Linksschenkelblock ohne akute Ischämiezeichen oder höhergradi-
                                ge Herzrhythmusstörungen
 Laborchemische Auffällig-      D-Dimere 3,6 mg/l (Norm
Originalien
traf das Ausschlusskriterium chronische Er-          zumindest vorerst ambulante Behandlung         könnte. Da validierte Ersteinschätzungs-
krankung auf 4,9 % der blau triagierten              mit einer oralen antibiotischen Therapie       systeme in den Notaufnahmen bereits
Patienten zu.                                        bei beiden Patienten möglich gewesen,          angewendet werden, halten die Autoren
    Rettungsdienstzuweisung (Emergency               ohne diese Patienten zu gefährden. Bei         dieser Studie es für naheliegend, ein in
Medical Service): Da der Rettungsdienst              Patientin 3 war eine innerklinische Notfall-   Deutschland bereits etabliertes System für
primär für die Zuweisung von akut er-                versorgung zweifelsfrei indiziert, und diese   den Tresen der Notaufnahmen zu verwen-
krankten Patienten zuständig ist, wurden             Patientin wäre klar gefährdet gewesen,         den. Am häufigsten wird in Deutschland
diese Patienten ausgeschlossen. Von den              wenn sie einer ambulanten Weiterbe-            das Manchester Triage System verwendet,
blau triagierten Patienten wurden 16,5 %             handlung zugeteilt worden wäre. Es wäre        sodass die Anwendung einer Modifikation
mit dem Rettungsdienst in unsere Notauf-             vielleicht zu diskutieren, ob eine Anwen-      dieses Systems mit dem Ziel, Patienten
nahme gebracht.                                      dung der CEReCo-blue-Gruppe dadurch            in der Notaufnahme einer ambulanten
    Wiedervorstellung: Patienten, die sich           ergänzt werden müsste, dass man bei            Versorgungsebene zuteilen zu können,
binnen einer Woche erneut nach Kranken-              weiblichen Patienten mit abdominellen          einleuchtend erscheint und unserer Mei-
hausentlassung wegen derselben Proble-               Beschwerden im gebärfähigen Alter einen        nung nach die bessere Alternative zum
matik vorstellten, wurden ebenfalls aus-             βHCG-Test im Urin durchführen lässt, be-       nichtvalidierten SmED-System darstellt.
geschlossen, in der Annahme, dass die                vor man diese Patienten der ambulanten         Ob sich der Anteil der CEReCo-blue-Grup-
stationäre Behandlung somit nicht aus-               Weiterversorgung zuteilt.                      pe in anderen Notaufnahmen ähnlich
reichend gewesen und wieder notwendig                    Die aktuellen nationalen Diskussionen      darstellt, wäre zu untersuchen. Aktuell
ist. Daher wurden Patienten, die sich mit            über die grundsätzlichen Möglichkeiten         wäre die Entlastung der Notaufnahmen
Komplikationen nach Interventionen, wie              und Grenzen von Triage-Systemen zur            durch die CEReCo-blue-Gruppe relativ
Herzkatheteruntersuchungen, endoskopi-               Patientensteuerung zwischen ambulanter         gering (2,8 % am Gesamtaufkommen der
schen Eingriffen oder Operationen vorstell-           kassenärztlicher und in der Notaufnahme        Notfallpatienten). Die Ergebnisse dieser
ten, ebenfalls ausgeschlossen. Hierdurch             durchgeführter Notfallversorgung bele-         Studie beruhen auf Untersuchungen von
wurden in unserer Studie 37,5 % der blau             gen den Wert von Untersuchungen wie            Patienten mit primär nichttraumatologi-
triagierten Patienten ausgeschlossen.                dieser Studie. Wir konnten mit einfach         schen und primär nichtneurologischen
    Facharzteinweisung oder nach vorheri-            definierten Kriterien und Einführen der         Beschwerden. Ergänzende Studien mit
ger ärztlicher Konsultation: Patienten, die          CEReCo-blue-Gruppe ein vielversprechen-        traumatologischen und neurologischen
bereits wegen derselben Beschwerden                  des Tool aufzeigen, welches in dieser          Patienten sind daher sinnvoll. Nach Mei-
Arztkontakt hatten oder bestenfalls fach-            Studie eine mit 0,9 % niedrige Fehlerquo-      nung der Autoren ist es gut vorstellbar,
ärztlich eingewiesen wurden, schlossen               te zeigt. Allerdings schloss diese CEReCo-     dass sich die Anzahl der Patienten einer
wir dahingehend aus, dass somit entweder             blue-Gruppe in der Notaufnahme unseres         äquivalenten Patientensubgruppe von
die ambulante Therapie nicht ausreichend             Uniklinikums lediglich einen Anteil von        Patienten mit primär traumatologischen
oder die stationäre Aufnahme bereits aus             2,8 % aller Patienten ein, wohingegen die      und primär neurologischen Beschwerden
ärztlicher Sicht notwendig war. Aufgrund             ganz überwiegende Mehrzahl mit mehr            deutlich erhöht und somit zu einer we-
dieses Ausschlusskriteriums wurden in                als 97 % tatsächlich Leistungsmerkmale         sentlichen Entlastung der Notaufnahmen
dieser Studie 8,2 % der blau triagierten             der Notaufnahme erforderten. Nach un-          beitragen könnte. Außerdem zeigt unsere
Patienten nicht der CEReCo-blue-Gruppe               serem Wissen ist dieses die erste Studie,      Untersuchung auf, dass eine Entlastung
zugeteilt.                                           die schrittweise ein Patientenkollektiv        der Notaufnahmen durch Schärfung der
    Schätzungen gehen von einer Aufnah-              des Manchester Triage Systems selektiert,      Triagekriterien innerhalb eines etablierten
mequote von 13–16 % bei grün und blau                um Patienten, ohne sie zu gefährden,           Systems möglich ist und deshalb auf dem
triagierten Patienten aus [3, 6, 13, 15].            der ambulanten Versorgungsebene zu-            Boden eines solchen Systems aufbauen
Slagman et al. [12] konnten eine Aufnah-             zuteilen. Derzeit ist kein wissenschaftlich    sollte. Der sehr hohe Anteil an nicht risi-
merate von 29,6 % zeigen. Unsere Aufnah-             validiertes Ersteinschätzungssystem be-        koarm in kassenärztlichen Strukturen zu
mequote lag vor Definition der Kriterien              kannt, dass diese Aufgabe erfüllt. Im          versorgenden Notfallpatienten in unserer
bei 26,4 %. Allerdings konnten wir nach              Jahr 2017 wurde entschieden, ein Er-           Untersuchung weist darauf hin, dass eine
Definition der „CEReCo-blue-Gruppe“ eine              steinschätzungsverfahren in Deutschland        räumliche oder organisatorische Tren-
deutliche Reduktion der „gerechtfertigten            (Strukturierte medizinische Ersteinschät-      nung von ambulanter und stationärer
stationären Aufnahmen“ zeigen. Nur 3 Pa-             zung, SmED) auf Grundlage des Swiss            Notfall- und Akutversorgung in vonein-
tienten (0,9 %) wurden innerhalb dieser              Medical Assessment Systems (SMASS)             ander getrennte Systeme nicht sinnvoll
Gruppe stationär aufgenommen.                        zu entwickeln [8]. Dieses nichtvalidierte      erscheint.
    Die drei Patienten, die in der CEReCo-           System soll zur flächendeckenden telefo-
blue-Gruppe die Kriterien für eine gerecht-          nischen Ersteinschätzung implementiert         Studienlimitierung
fertigte stationäre Aufnahme erfüllten,              werden, und es wird diskutiert, ob es mit
sind in . Tab. 4 zusammengefasst. Auch               entsprechenden Modifikationen auch die          Diese Studie ist retrospektiv und somit soll-
wenn Patient 1 und 2 gerechtfertigt sta-             Ersteinschätzung an einem gemeinsamen          ten einige Einschränkungen in Betracht
tionär aufgenommen wurden, wäre eine                 Tresen in den Notaufnahmen unterstützen        gezogen werden. Diese Studie beinhal-

6   Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Abstract

tet nichttraumatologische Notfallpatien-                      Risk management in the triage of emergency room patients to
ten. Außerdem wurden Patienten
Originalien
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8     Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
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