RKI-Ratgeber Haemophilus influenzae, invasive Infektion

Die Seite wird erstellt Arvid Bauer
 
WEITER LESEN
Epidemiologisches Bulletin     10 | 2021     11. März 2021                                                   3

  RKI-Ratgeber Haemophilus influenzae, invasive Infektion

  Präambel                                                   bung bei einer invasiven Infek­tion ist eine Typisie-
  Die Herausgabe dieser Reihe erfolgt durch das              rung invasiver Isolate unbedingt notwendig.
  ­Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des
   § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der
   RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u. a. Ärztinnen und         Vorkommen
   Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffent-         Hi-Erkrankungen treten weltweit auf. Vor der Ent-
   liche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu           wicklung der Hib-Konjugatimpfung Ende der acht-
   wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und        ziger Jahre stellte Hib den Hauptauslöser der bak-
   konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge        teriellen Meningitis bei Kleinkindern weltweit dar.
   werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Re-           Im Jahr 2000 – vor der weitverbreiteten Einfüh-
   ferenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie          rung der Impfung in ressourcenarmen Ländern –
   weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die         erkrankten laut einer Schätzung der Weltgesund-
   RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI           heitsorganisation (WHO) weltweit 8,13 Millionen
   (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-­       Kinder unter 5 Jahren schwer an Hib, 371.000 Kin-
   Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversio-          der starben an einer Hib-Infektion. Im Jahr 2008
   nen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.            war die Hib-Impfung weltweit in 136 Staaten einge-
   rki.de/epidbull) veröffentlicht.                          führt. Im selben Jahr wurde die Zahl der Todesfälle
                                                             bei Kindern unter 5 Jahren weltweit auf 203.000
  Erstveröffentlichung online vorab am 15.12.2020,           geschätzt. 2013 hatten 95 % der WHO-Mitgliedstaa-
  überarbeitete Fassung vom März 2021.                       ten (entsprechend 81 % der 2012 geborenen Kinder)
                                                             die Hib-Impfung in ihren Impfkalender aufgenom-
                                                             men, was in diesen Ländern zu einem Rückgang
  Erreger                                                    von bis zu 90 % der invasiven Hib-Erkrankungen
  Haemophilus influenzae (Hi), eine Spezies der Gat-         führte. In Europa wie auch in verschiedenen ande-
  tung Haemophilus aus der Familie der Pasteurella­          ren Regionen ist NTHi jetzt der häufigste invasive
  ceae, ist ein unbewegliches, gramnegatives, kokkoi-        Hi-Typ. In ungeimpften Populationen ist Hib hin-
  des Stäbchenbakterium. Die Bakterien kommen                gegen noch die Hauptursache von nicht-epidemi-
  nur beim Menschen vor und besiedeln bei einem              scher bakterieller Meningitis bei Kindern unter
  geringen Prozentsatz den Nasen-­Rachen-Raum,               12  Monaten.
  ohne dabei Symptome zu verursachen. Auch eine
  vaginale Kolonisation ist möglich. Hi-Bakterien            In Deutschland gehören invasive Hi-Erkrankungen
  können als bekapselte („typisierbar“) oder unbekap-        bei einer bundesweiten Inzidenz von bis zu
  selte Stämme („nicht typisierbar“ oder NTHi) auf-          1,0/100.000 Einwohner zu den eher seltenen mel-
  treten. Aufgrund der Kapselpoly­saccharide werden          depflichtigen Erkrankungen, auch wenn ihre Zahl
  sechs Typen unterschieden (Kapseltypen a bis f ).          seit 2007 kontinuierlich angestiegen ist. Ältere
  Eine Impfung gibt es bisher nur gegen Hi-Bakteri-          Menschen sind am häufigsten betroffen. Daneben
  en mit dem Kapseltyp b (Hib). Diese wird in                erkranken auch Säuglinge sowie Kleinkinder unter
  Deutschland seit 1990 als Standard­impfung im              5 Jahren. Die Mehrheit der Erkrankungen wird in
  Säuglings- und Kleinkindalter empfohlen. Für die           allen Altersgruppen überwiegend durch NTHi ver-
  Einschätzung der Wirksamkeit der Impfung und               ursacht. Invasive Infektionen durch Hib sind mit ca.
  möglicher Auswirkungen auf die Kapseltypenver-             10–35 Fällen pro Jahr dagegen in Deutschland eher
  teilung, sowie auch für die Bestimmung der durch-          selten.
  zuführenden Maßnahmen zum Schutz der Umge-
Epidemiologisches Bulletin     10 | 2021      11. März 2021                                                   4

  Aktuelle Fallzahlen zu invasiven Infektionen durch          ca.  5 %. Zudem besteht ein hohes Risiko für Folge-
  Hi und weitere epidemiologische Kenngrößen fin-             schäden: bis zu 25 % entwickeln einen dauerhaften
  den Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen            Hörverlust oder andere neurologische Langzeit-
  Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch. Ein verein-             schäden.
  fachter Datenbestand der gemäß IfSG meldepflich-
  tigen Krankheitsfälle und Erregernachweise kann             Eine Epiglottitis entwickelt sich innerhalb von weni-
  mit Hilfe von SurvStat@RKI unter www.rki.de/                gen Stunden; 25–50 % der Patientinnen und Patien-
  survstat abgefragt werden.                                  ten zeigen katarrhalische Symptome, Schluckbe-
                                                              schwerden, inspiratorischen Stridor und Unruhe.
                                                              Es folgt eine rasch auftretende Schocksymptomatik
  Reservoir                                                   mit Zyanose und hohem Fieber.
  Das einzig bekannte Reservoir ist der Mensch.
                                                              Schwangere haben ein deutlich erhöhtes Risiko für
                                                              invasive NTHi-Infektionen. Die Infektion kann bei
  Infektionsweg                                               der Mutter zu Sepsis führen, dazu kann es in der
  Die Übertragung erfolgt durch das Einatmen erre-            Folge zu Schwangerschaftskomplikationen bis hin
  gerhaltiger Tröpfchen (Husten, Niesen) sowie durch          zu Frühgeburt oder Abort kommen.
  Kontakt mit infektiösen Atemwegssekreten. Wäh-
  rend der Geburt kann eine Übertragung auf das
  Neugeborene im Geburtskanal erfolgen.                       Dauer der Ansteckungsfähigkeit
                                                              Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange Hi-Bak-
                                                              terien nachweisbar sind, also eventuell auch über
  Inkubationszeit                                             das Symptomende hinaus. 24 h nach Beginn einer
  Die Inkubationszeit ist nicht genau bekannt, mögli-         wirksamen Antibiotikatherapie sind Personen nicht
  cherweise 2 bis 4 Tage.                                     mehr ansteckend. Die Gabe von Rifampicin führt
                                                              bei Hib zu einer Keimeradikation im Nasopharynx
                                                              der Betroffenen.
  Klinische Symptomatik
   Hi verursacht häufig Infektionen der Atemwege
   (Sinusitis, Bronchitis), vor allem bei Patientinnen        Diagnostik
   und Patienten mit vorbestehenden Lungenerkran-
   kungen. Auch andere Organe wie Augen (Konjunk-             1. Differenzialdiagnostik
   tivitis) oder Ohren (Otitis media) können betroffen        Eine Hi-Erkrankung kann klinisch nicht von durch
   sein. Invasive Hi-Erkrankungen zeigen sich am              andere Bakterien ausgelösten invasiven Erkrankun-
   häufigsten als Sepsis, Meningitis und Pneumonie            gen unterschieden werden. Daher sollten bei klini-
   (oft mit einer Bakteriämie des Erregers verbunden).        schem Verdacht auf eine Hi-Infektion eine schnell
   Insbesondere bei Kindern gefürchtet ist zudem die          einsetzende Diagnostik und Therapie erfolgen.
   Epiglottitis. Seltener treten im Rahmen von invasi-
   ven Erkrankungen auch septische Arthritis, Phleg-          2. Labordiagnostik
   mone, Osteomyelitis, Peritonitis, Empyem oder              Die Untersuchung auf Hi beruht grundsätzlich auf
  ­Perikarditis auf.                                          der Anzucht, Identifikation und Typisierung des
                                                              ­Erregers aus Patientenproben. An kulturunabhän-
  Eine durch Hi verursachte Meningitis beginnt häu-            gigen Methoden haben vor allem die Direktmikro-
  fig fulminant mit plötzlich einsetzendem Fieber,             skopie von Liquor und der Nachweis über Poly­
  ­E­rbrechen, Lethargie und meningealer Reizung ein-          merase-Kettenreaktion (PCR) einen Stellenwert.
   schließlich aufgetriebener Fontanellen beim Säug-           Darüber hinaus sind Antigen-Nachweise für die
   ling oder Nacken- und Rückensteifigkeit (Opistho-           ­Liquordiagnostik kommerziell erhältlich.
   tonus) bei älteren Kindern. Stupor oder Koma sind
   häufig. Die Letalität liegt in Industrieländern bei
Epidemiologisches Bulletin      10 | 2021      11. März 2021                                                  5

  Diagnostische Proben sollten grundsätzlich vor Be-           dert, jedes Isolat aus Blut oder Liquor an das NRZ
  ginn einer antibiotischen Therapie entnommen                 zu schicken, damit eine Typisierung des Erregers
  werden. Hi ist ein anspruchsvoll wachsendes Bakte-           vorgenommen werden kann. Diese Untersuchung
  rium und eine Kultur sollte daher so schnell wie             wird in Deutschland kostenlos vom NRZMHi ange-
  möglich, idealerweise innerhalb von 2 – 4 h nach             boten. Hinweise zum Probentransport finden sich
  Probenentnahme angelegt werden. Bei zweifelhaf-              auf der Internetseite des NRZMHi. Die Serotyp­
  ten Isolaten kann der PCR-Nachweis spezifischer              bestimmung erfolgt an Werktagen innerhalb von
  Hi-Gene die Diagnose sichern. Auch die massen­               24  h nach Eingang der Probe. Beim Nachweis von
  spektrometrische Identifikation (MALDI-TOF) ist              Hib erfolgt unverzüglich eine telefonische Vorab-
  mittlerweile weit fortgeschritten und kann hierzu            mitteilung an das Gesundheitsamt zur Entschei-
  Klarheit schaffen.                                           dung einer ggf. nötigen postexpositionellen Pro-
                                                               phylaxe.
  Zum molekularbiologischen Nachweis sind zahlrei-
  che realtime PCRs etabliert, welche spezifische
  Hi-Gene detektieren. Es ist jedoch zu beachten, dass         Therapie
  PCR-Formate, welche nur Gene des Kapsel-Locus                Mittel der Wahl bei invasiven Hi-Erkrankungen
  amplifizieren, z. B. bexA, prinzipiell nur bekapselte        sind Cephalosporine der Gruppe 3 zur parenteralen
  Hi detektieren, darunter den ehemals häufigsten              Therapie (z. B. Cefotaxim und Ceftriaxon). Wegen
  Serotyp b (Hib). Unbekapselte Stämme, welche der-            des Vorkommens Ampicillin-resistenter Stämme
  zeit weitaus am häufigsten invasive Infektionen ver-         sollte Ampicillin nur eingesetzt werden, wenn die
  ursachen, werden durch diese Teste nicht erfasst.            Sensibilität der Hi-Bakterien nachgewiesen wurde.
                                                               Bei Hib-Meningitis kann die Gabe von Dexametha-
  Sogenannte Schnelltests mittels Latex-Agglutina­             son vor oder zusammen mit der ersten Antibio­
  tion sind zur direkten Detektion von Hi-Antigenen            tikum-Dosis einem Hirnödem entgegenwirken.
  aus Körperflüssigkeiten, v. a. Liquor verfügbar. Für         Weiterhin wird bei einer invasiven Hib-Erkrankung
  den Nachweis von Hi bieten diese Tests jedoch u. a.          die Gabe von Rifampicin vor der Entlassung zur
  aufgrund begrenzter Sensitivität und Spezifität für          Eradikation der Besiedlung des Nasopharynx und
  die klinische Entscheidungsfindung bei einem                 zur Verhinderung einer Zweiterkrankung der Be-
  Meningitisverdacht keinen Vorteil gegenüber der              troffenen oder von Folgefällen im Umfeld empfoh-
  Direktmikroskopie von Liquor.                                len. Dies ist besonders wichtig, wenn die Patientin
                                                               oder der Patient nicht mit Cefotaxim oder Ceftriaxon
  Der Antikörpernachweis gegen Hib dient der Be-               behandelt wurde.
  stimmung der Immunitätslage vor oder nach einer
  Impfung. Zur Diagnostik einer akuten Infektion ist           Des Weiteren empfiehlt das European Centre for
  die Antikörperbestimmung nicht geeignet.                     Disease Prevention and Control (ECDC) nach inva-
                                                               siver Hib-Erkrankung bei Kindern den Hib-Anti-
  Die Typisierung von Hi-Stämmen beruht auf der                körpertiter zu bestimmen und bei unzureichender
  Untersuchung der Kapsel angezüchteter Isolate.               Immunität zu impfen. Sollte eine Antikörpertes-
  Am NRZ für Meningokokken und H. influenzae                   tung nicht möglich sein, sollte bei Kindern unter
  (NRZMHi) werden alle klinischen Isolate aus Li-              2 Jahren auch ohne Testung eine Impfung durch-
  quor und Blut mit Objektträgeragglutination und              geführt werden.
  ggf. per PCR serotypisiert. Für spezielle epidemio-
  logische Fragestellungen, z. B. zur Aufklärung ei-
  ner möglichen Krankheitsübertragung lassen sich              Infektionsschutz und Hygiene­
  Hi-Stämme mittels Multilocus-Sequenztypisierung              maßnahmen
  (MLST) oder Genomsequenzierung feintypisieren.
  Das NRZMHi überwacht zudem die Resistenzent-                 1. Präventive Maßnahmen
  wicklung bei invasiven Hi-Stämmen. Laboratorien,             Gegen Hib wird seit 1990 in Deutschland eine
  die primäre Diagnostik durchführen, sind aufgefor-           Schutzimpfung mit einem Konjugatimpfstoff im
Epidemiologisches Bulletin      10 | 2021      11. März 2021                                                    6

  Säuglings- und Kleinkindalter empfohlen. Für die             (Müdigkeit, Gliederschmerzen, Unwohlsein) geach-
  Grundimmunisierung im Säuglingsalter wurden                  tet werden. Zu den speziellen Maßnahmen wie
  bis Juli 2020 ab dem Alter von 2 Monaten 3 Impf-             Post­expositionsprophylaxe und Ausschluss von Ge-
  stoffdosen im Abstand von jeweils 4 Wochen mit ei-           meinschaftseinrichtungen bei Kontaktpersonen
  ner 4.  Dosis im Alter von 11 bis 14 Monaten verab-          s.  Abschnitt „3. Umgang mit Kontaktpersonen“.
  reicht. Seit August 2020 gilt die Empfehlung der
  Ständigen Impfkommission (STIKO), eine Grund­                Gemeinschaftseinrichtungen (gemäß § 33 IfSG,
  immunisierung im Alter von 2, 4 und 11 Monaten               u. a. Kindergärten, Schulen, Heime)
  mit je 1 Impfstoffdosis durchzuführen. Es ist sinn-          Gemäß § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an
  voll, diese Impfungen mit einem Kombinations-                Hib-Meningitis erkrankt oder dessen verdächtig
  impfstoff (z. B. DTaP-IPV-Hib-HepB) durchzufüh-              sind, die Gemeinschaftseinrichtungen nicht besu-
  ren, der gleichzeitig gegen Tetanus, Diphtherie,             chen sowie keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie
  Keuchhusten, Kinderlähmung, Hib und Hepatitis B              Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärzt-
  schützt. Wird bei einem gegen Hib ungeimpften                lichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit
  Kind im Alter von 1 bis 4 Jahren die Hib-Impfung             durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Eine Wie-
  nachgeholt, reicht eine einmalige Impfung aus. Ab            derzulassung für Erkrankte ist frühestens 24 h nach
  dem Alter von 5 Jahren ist eine Hib-Impfung nur in           Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie mög-
  Ausnahmefällen, wie z. B. der funktionellen oder             lich. Siehe hierzu auch Empfehlungen für die Wie-
  anatomischen Asplenie, indiziert (siehe Empfeh-              derzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen ge-
  lungen der STIKO). Der monovalente Hib-Einzel­               mäß § 34 Infektionsschutzgesetz.
  impfstoff (Act-Hib®) wird aktuell in Deutschland
  nicht vermarktet, ist jedoch in der Regel über inter-        Gemäß § 34 Abs. 7 kann die zuständige Behörde im
  nationale Apotheken bestellbar.                              Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt für die in
                                                               § 33 IfSG genannten Einrichtungen Ausnahmen von
  Die Hib-Impfquote betrug bei den Schulanfängern              den genannten Verboten zulassen, wenn Maßnah-
  2018 auf Basis der Schuleingangsuntersuchung für             men durchgeführt werden oder wurden, mit denen
  das gesamte Bundesgebiet 91,4 %.                             eine Übertragung der aufgeführten Erkrankung ver-
                                                               hütet werden kann.
  Gegen die anderen Hi-Typen existiert derzeit keine
  Impfung.                                                     3. Umgang mit Kontaktpersonen
                                                               Bei Auftreten von Einzelerkrankungen wird für alle
  2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen                          mindestens 1 Monat alten Haushaltsmitglieder von
  Bei Verdacht auf eine invasive Hi-Erkrankung sollte          Personen mit invasiver Hib-Infektion und engem
  eine sofortige Krankenhauseinweisung erfolgen.               (face-to-face) Kontakt eine Chemoprophylaxe emp-
                                                               fohlen, wenn in diesem Haushalt ein ungeimpftes
  Patientinnen und Patienten mit invasiver Hib-­               oder unzureichend geimpftes Kind unter 5 Jahren
  Erkrankung müssen bis zu 24 h nach Beginn einer              oder eine Person mit relevanter Immundefizienz
  wirksamen Therapie isoliert werden. Danach gelten            bzw. -suppression lebt. Das Ziel hierbei ist, die wei-
  diese Personen nicht mehr als infektiös. In diesem           tere Transmission in Personengruppen mit einem
  Zeitraum sind vom betreuenden Pflegepersonal                 erhöhten Risiko für invasive Hib-Erkrankungen zu
  und von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten                verhindern. Darüber hinaus sollen bei Auftreten
  auf strikte Händehygiene und die adäquate Nut-               von Einzelerkrankungen auch ungeimpfte Kinder
  zung persönlicher Schutzausrüstung nach dem                  unter 5 Jahren eine entsprechende Chemoprophylaxe
  ­Basishygienekonzept zu achten.                              erhalten, wenn sie in einer Gemeinschaftseinrich-
                                                               tung engen Kontakt (face-to-face) zu einer an invasi-
  Kontaktpersonen und ihr Umfeld sollten über das              ver Hib-Infektion erkrankten Personen hatten. Mit-
  Infektionsrisiko und das Krankheitsbild informiert           tel der Wahl für die Prophylaxe ist Rifampicin per os
  werden; für den Zeitraum von ca. 5 Tagen soll auf            über 4 Tage (altersabhängige Dosierung beachten).
  Fieber und unspezifische Allgemeinsymptome                   Da bei Schwangeren die Gabe von Rifampicin kon-
Epidemiologisches Bulletin        10 | 2021       11. März 2021                                                     7

  traindiziert ist, können sie ggf. Ceftriaxon (1  x 250 mg       fehlung einer Chemoprophylaxe für enge Kontakt-
  i. m.) erhalten. Die Prophylaxe sollte frühestmöglich,          personen mit face-to-face-Kontakt auszusprechen
  spätestens jedoch 7 Tage nach Beginn der Erkran-                (siehe „2. Maßnahmen bei Einzelerkrankungen“).
  kung des Indexfalls begonnen werden (siehe Emp-
  fehlungen der STIKO). Zusätzlich zur Chemopro-                  Wenn in einer Gemeinschaftseinrichtung für Klein-
  phylaxe sollten ungeimpfte oder unvollständig                   kinder innerhalb von etwa 2 Monaten ≥ 2 Fälle auf-
  geimpfte Kinder unter 5 Jahren gegen Hib nach-                  getreten sind und in der Einrichtung nicht oder
  geimpft werden.                                                 nicht ausreichend geimpfte Kinder betreut werden,
                                                                  wird eine Chemoprophylaxe für alle Kinder unab-
  Zudem gelten für Kontaktpersonen, in deren Wohn-                hängig von Impfstatus und Alter sowie für die Be-
  gemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkran-                treuenden derselben Gruppe empfohlen. Außer-
  kung oder ein Verdacht auf Hib-Meningitis aufge-                dem sollen bei Kindern im Alter unter 5 Jahren die
  treten ist, ebenfalls gemäß § 34 Abs. 3 IfSG die oben           noch fehlenden Impfungen der Grundimmunisie-
  genannten Vorschriften zu Besuch und Tätigkeit in               rung ergänzt werden.
  Gemeinschaftseinrichtungen. Siehe hierzu auch
  Empfehlungen für die Wiederzulassung zu Ge-                     Invasive Infektionen durch andere Hi-Typen führen
  meinschaftseinrichtungen gemäß § 34 Infektions-                 fast nie zu Sekundärfällen.
  schutzgesetz.

  Bei Kontaktpersonen, die eine Postexpositionspro-               Gesetzliche Grundlage
  phylaxe eingenommen haben, kann eine Wiederzu-                  Meldepflicht gemäß IfSG
  lassung 24 – 48 h nach Beginn der Chemoprophy­                  Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 18
  laxe erfolgen. Bei Kontaktpersonen, die keine Che-              IfSG nur der direkte Nachweis von Haemophilus
  moprophylaxe eingenommen haben, sollte das ärzt-                influenzae aus Liquor oder Blut, soweit er auf eine
  liche Urteil zur Wiederzulassung vom zuständigen                akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
  Gesundheitsamt oder der behandelnden Seite ge-
  troffen werden. Entsprechend der angenommenen                   Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spä-
  maximalen Inkubationszeit ist jedoch eine Wieder-               testens 24 h nach erlangter Kenntnis vorliegen.
  zulassung frühestens 4 Tage nach letztem Kontakt
  und bei Symptomfreiheit angezeigt.                              In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten
                                                                  Personen benannt (https://www.gesetze-im-inter-
  Da bei Erkrankungen durch andere Hi-Typen als                   net.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, wel-
  Hib Übertragungen selten sind, wird in diesen Fäl-              che Angaben die namentliche Meldung an das Ge-
  len keine Postexpositionsprophylaxe empfohlen.                  sundheitsamt enthalten darf (https://www.geset-
                                                                  ze-im-internet.de/ifsg/__9.html).
  4. Maßnahmen bei Ausbrüchen
  Ausbrüche von Hib sind eher selten und betreffen                Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
  meistens nur wenige Fälle. Übertragungen kommen                 Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrich-
  insbesondere in Familien vor sowie in Gemein-                   tungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige
  schaftseinrichtungen, in denen kleine Kinder be-                Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen
  treut werden. Ausbrüche in geschlossenen Gemein-                ▶▶ wenn in ihrer Einrichtung betreute oder be-
  schaften und in pädiatrischen und geriatrischen                      treuende Personen an invasiver Haemophilus
  Krankenhausabteilungen wurden auch beschrieben.                      influenzae-Infektion erkrankt oder dessen ver-
  Wie auch bei Hib-Einzelfällen ist es entscheidend,                   dächtig sind oder
  bei klinischem Verdacht auf eine invasive Hi-Infek-             ▶▶ wenn in den Wohngemeinschaften der in ihrer
  tion eine sofortige Krankenhauseinweisung der be-                    Einrichtung betreuten oder betreuenden Perso-
  troffenen Person zur frühen Diagnosestellung und                     nen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung an
  ggf. antibiotischer Therapie zu veranlassen sowie                    oder ein Verdacht auf invasive Haemophilus
  zur weiteren Begrenzung des Ausbruchs die Emp-                       influenzae-Infektion aufgetreten ist.
Epidemiologisches Bulletin       10 | 2021      11. März 2021                                                    8

  Übermittlung                                                  Weitergehende Mitteilungspflichten
  Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1              Keine ergänzenden Bundesland-spezifischen Verord-
  IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkran-              nungen.
  kungs- oder Todesfälle und Erregernachweise, die der
  Falldefinition gemäß § 11 Abs. 2 IfSG entsprechen.

  Die vom RKI erstellten Falldefinitionen sind auf den
  Internetseiten des RKI unter www.rki.de/falldefini-
  tionen veröffentlicht.

   Beratung und Spezialdiagnostik                               Beratung zur Spezialdiagnostik
   Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle            Nationales Referenzzentrum für Meningokokken
   medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder               und Haemophilus influenzae
   Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüg-            Institut für Hygiene und Mikrobiologie
   lich an Ärztinnen und Ärzte oder Kliniken in Ihrer           Josef-Schneider-Straße 2 / E1
   Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für           97080 Würzburg
   Infektionskrankheiten besteht.                               Ansprechpartner:   Prof. Dr. Ulrich Vogel,
   Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -präven­            				               Dr. Thien-Tri Lam
   tion, kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesund-         Tel.: 		           0931 31- 46737
   heitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).                    Fax: 		            0931 31- 46445
                                                                E-Mail: 		         ttlam@hygiene.uni-wuerzburg.de
   Ausführliche Informationen zu Haemophilus                    Homepage:          www.nrzmhi.de
   influenzae, Impfungen und viele weitere Links finden
   Sie unter Weitere Informationen.
                                                                Weitere Informationen
   Informationen zu Tropenreisen sind bei Tropen­-
                                                                RKI: Haemophilus influenzae (www.rki.de/hib)
   ins­tituten und anderen entsprechenden reise-
   medizinischen Beratungsstellen erhältlich                    RKI: Haemophilus influenzae – Impfung
   (www.rki.de/reise).
                                                                RKI: FAQ zu IfSG und Meldewesen
                                                                Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Impfstoffe gegen
   Beratung zur Epidemiologie                                   Haemophilus influenzae
   Robert Koch-Institut                                         https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/
   Abteilung für Infektionsepidemiologie                        hib-haemophilus-influenzae-typ-b/hib-node.html
   Fachgebiet 33 – Impfprävention
                                                                NRZ für Meningokokken und H. influenzae:
   Seestraße 10, 13353 Berlin
                                                                Daten des NRZMHi zu Haemophilus influenzae
   Ansprechpartner:   Dr. Viktoria Schönfeld                    http://www.meningococcus.uni-wuerzburg.de/start-
   Tel.: 		           030 18754-3357                            seite/berichte/berichte-h-influenzae/
   Fax: 		            030 18754-3533
   E-Mail: 		         Ratgeber@rki.de
Epidemiologisches Bulletin         10 | 2021         11. März 2021                                                    9

  Literatur                                                          Autorinnen und Autoren
  1   American Academy of Pediatrics: Red Book: 2015                 Robert Koch-Institut
      Report of the Committee on Infectious Diseases,
                                                                     Korrespondenz
      30th ed. 2015; 368-376
                                                                     Hinweise zur Reihe „RKI-Ratgeber“ richten Sie bitte
  2 Center for Disease Control and Prevention (CDC):                 an das Robert Koch-Institut, Abteilung für
      Epidemiology and Prevention of Vaccine-                        Infektions­epidemiologie (Ratgeber@rki.de) oder
      Preventable Diseases, 13th ed. 2015; 119-134                   an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins
                                                                     (EpiBull@rki.de).
  3 Center for Disease Control and Prevention (CDC):
      Prevention and control of Haemophilus influenza
      type b disease: recommendations of the Advisory                Vorgeschlagene Zitierweise
      Committee on Immunization Practices (ACIP).                    Robert Koch-Institut: RKI-Ratgeber Haemophilus
      MMWR, Recommendations and Reports 2014;                        influenzae, invasive Infektion
      63:1-14
                                                                     Epid Bull 2021;10:3 -9 | DOI 10.25646/7878
  4 European Centre for Disease Prevention and
      Control (ECDC): Haemophilus influenzae, Annual
      epidemiological report for 2017. 2019

  5 European Centre for Disease Prevention and
      Control (ECDC): Factsheet about Invasive Haemo-
      philus influenzae disease (https://ecdc.europa.eu/
      en/invasive-haemophilus-influenzae-disease/facts)

  6 Public Health England (PHE), Department of
      Health and Social Care, and National Health
      Service (NHS) England: Revised recommendations
      for the prevention of secondary Haemophilus
      influenzae type b (Hib) disease 2013

  7 Rieck T, Feig M, Wichmann O, Siedler A: Impfquo-
      ten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland –
      aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance.
      Epid Bull 2020;32/33:9–27

  8 Robert Koch Institut (RKI): Invasive Haemophilus –
      influenzae – Infektionen in Deutschland. Epid Bull
      2011; 14:105-108 (https://www.rki.de/DE/Content/
      Infekt/EpidBull/Archiv/2011/Ausgaben/14_11.
      pdf?__blob=publicationFile)

  9 Whittaker R, Economopoulou A, Dias JG, et al.:
      Epidemiology of Invasive Haemophilus influenzae
      Disease, Europe, 2007–2014. Emerging Infectious
      Diseases 2017; 23:396-404

  10 World Health Organization (WHO): Haemophilus
      influenzae type b (Hib) Vaccination Position
      Paper-September 2013. Weekly epidemiological
      record 2013; 39:413-426
Sie können auch lesen