Symptomatische Kopfschmerzen
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C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 93 Symptomatische Kopfschmerzen H. P. Mattlea, M. Sturzeneggera, C. Meyerb Einleitung schmerz länger an, ist dies verdächtig auf eine intrakranielle Pathologie oder eine Allgemein- Symptomatische oder sekundäre Kopfschmer- erkrankung mit Kopfschmerzen als Leitsym- zen sind im Gegensatz zu primären Kopf- ptom. schmerzen selten. Ihre Häufigkeit wird mit 10% bis 20% angegeben. Es ist daher für den Arzt Auftreten bei Anstrengung manchmal ein schwieriges Unterfangen, sym- Kopfschmerzen bei Migräne verstärken sich ty- ptomatische Kopfschmerzen als solche zu er- pischerweise bei Anstrengung oder Husten. kennen. In folgenden Situationen sollte der Arzt Fehlt die Migräneanamnese, handelt es sich um hellhörig werden und den Patienten einer ge- sogenannte anstrengungsinduzierte Kopf- eigneten Diagnostik und Therapie zuführen. schmerzen. Sie sind meist benige, können al- lerdings auch auf eine intrakranielle Pathologie hinweisen. Hinweise auf symptomatische Kopfschmerzen Erbrechen Erbrechen, vor allem im Schwall, frühmorgens und wenn mit dem Erbrechen keine relevante Schmerzcharakter und Begleitsymptome Nausea einhergeht, ist verdächtig auf eine in- anders als bei früheren Kopfschmerz- trakranielle Druckerhöhung und damit intra- oder Migräneattacken kranielle Raumforderung. Die meisten Patienten mit symptomatischen Kopfschmerzen geben spontan oder auf Befra- Epileptische Anfälle / neurologische gen an, dass die Schmerzen in bezug auf Cha- Ausfälle / neuropsychologische Verände- rakter oder Stärke ungewohnt sind oder dass rungen Begleitsymptome vorhanden sind, die sie im Epileptische Anfälle oder neurologische oder Rahmen ihrer gewohnten Spannungskopf- neuropsychologische Ausfälle bei Patienten mit schmerzen oder Migräneanfälle nicht kennen. Kopfschmerzen sind immer verdächtig auf eine Als Beispiel seien die amblyopen Attacken ge- intrakranielle Pathologie und bedürfen einer nannt, die auf einen erhöhten intrakraniellen dringenden Weiterabklärung. Dies gilt insbe- Druck hinweisen. sondere auch für Bewusstseinstrübung und den Nachweis eines Meningismus. Besondere Auslösesituation Treten Kopfschmerzen nur in bestimmten Si- Internistisches oder anderes tuationen auf oder treten sie erstmals nach nicht-neurologisches Leiden einem bestimmten Ereignis auf, ist dies ver- Hoher Blutdruck, Infektionen mit Fieber, be- dächtig auf einen symptomatischen Kopf- hinderte Nasenatmung oder purulentes Nasen- schmerz. Beispiele hierfür sind ein Trauma sekret oder nicht-infektiöse entzündliche Er- oder Kopfschmerzen, die nur im Stehen auf- krankungen wie der systemische Lupus erythe- treten und im Liegen wieder verschwinden. matodes können Kopfschmerzen als einzige Diese sogenannten orthostatischen Kopf- Manifestation oder klinisches Leitsymptom schmerzen kommen bei intrakranieller Hypo- zeigen. Bei ungewohnten Kopfschmerzen ist tension vor. daher immer eine allgemeine körperliche Un- a Neurologische Universitätsklinik tersuchung vorzunehmen. und Poliklinik, Inselspital Perakutes Auftreten 3010 Bern Ein perakut auftretender Kopfschmerz mit b Neurologische Praxis, Baden. einem für den Patienten ungewohnten Charak- Einige Erkrankungen, bei denen ter ist verdächtig auf eine Subarachnoidalblu- Korrespondenz: tung. Kopfschmerzen Leitsymptom Prof. Heinrich Mattle Neurologische Klinik sein können und Poliklinik, Inselspital Dauerschmerz CH-3010 Bern Attacken primärer Kopfschmerzen können Tabelle 1 gibt eine Übersicht der Erkrankungen manchmal 2 bis 3 Tage anhalten. Hält jedoch mit symptomatischen Kopfschmerzen. heinrich.mattle@insel.ch ein für den Patienten ungewohnter Kopf-
C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 94 Posttraumatische Kopfschmerzen neuropsychologischen Ausfällen einhergehen, Nach einer Commotio oder einer Contusio ce- werden neurochirurgisch drainiert. rebri kann es zu dumpf drückenden Kopf- Zerreisst bei einer Schädelverletzung eine schmerzen kommen, die im Bereich der Stirn Meningealarterie, kommt es zu einer akuten und Schläfe akzentuiert sind. Sie nehmen bei Blutung in den Epiduralraum respektive zu körperlicher Anstrengung zu und halten den einem Epiduralhämatom. Solche Patienten ganzen Tag an. Die Schwere der Schmerzen wachen nach dem Trauma nicht auf oder trü- scheint mit der Dauer der Bewusstlosigkeit ben innert Minuten oder den ersten ein bis 2 beim Trauma invers zu korrelieren. Warum Stunden nach dem Trauma wieder ein. Hier ist dem so ist, ist ungeklärt. Schmerzmittel sind eine unverzügliche Diagnostik und Hämatom- nur limitiert wirksam. Therapeutisch günstig entfernung nötig, um eine bleibende Invalidität sind die möglichst frühe Mobilisierung und ein zu vermeiden. sparsamer Einsatz von Analgetika. Eine kör- perliche Schonung kann kontraproduktiv sein. Störungen der Liquorproduktion, Halten die Schmerzen länger als 2 Wochen an, Zirkulation oder Absorption besteht die Behandlung analog zu den Span- In folgenden Situationen kann sich eine nungskopfschmerzen in der Gabe von trizykli- Störung der Liquorproduktion, Zirkulation schen Antidepressiva. oder Absorption mit dem Leitsymptom Kopf- Manchmal können einfache posttraumatische schmerzen äussern: Kopfschmerzen schwierig von solchen beim – Pseudotumor cerebri / intrakranielle Hyper- Subduralhämatom abzugrenzen sein. Ein tension; Subduralhämatom kommt durch Ruptur von – intrakranielle Hypotension; Brückenvenen zustande, aus denen es langsam – Hydrozephalus. in den Subduralraum blutet. Tage oder Wochen nach einem manchmal nur banalen, leichten Erhöhter intrakranieller Druck Trauma kommt es zu dumpfen Kopfschmerzen, Eine intrakranielle Druckerhöhung kann idio- die anfangs nur intermittierend sind, dann aber pathisch sein oder sekundär bei in einen Dauerschmerz übergehen. Gefährdet – Hydrozephalus; sind ältere Leute, solche mit Gerinnungs- – intrakranieller Raumforderung wie Neopla- störungen oder auch Alkoholiker. Ist das sie, Hämatom oder ischämischem oder Trauma anamnestisch erfassbar, liegt der Ge- traumatischem Hirnödem; danke auf ein Subduralhämatom nahe und das – Venen- und Sinusthrombose; Hämatom kann neuroradiologisch verifiziert – oder Substanzen wie Vitamin A, Tetrazy- werden. Erinnert sich der Patient an kein kline u.a. auftreten. Trauma, werden jedoch die in ihrem Charakter ungewohnten Kopfschmerzen Anlass zur neu- Leitsymptome des erhöhten intrakraniellen roradiologischen Untersuchung geben und zur Drucks sind diffuse, anfangs nur morgens und richtigen Diagnose führen. Grosse Hämatome, später den ganzen Tag anhaltende Kopf- insbesondere wenn sie mit neurologischen und schmerzen, die bald auch zu Erbrechen und Apathie führen. Charakteristisch sind ferner amblyopische Attacken, sekundendauernde Vi- susobskurationen und Verdunkelungen des Ge- Tabelle 1. sichtsfeldes. Somatische Zeichen sind Stau- Erkrankungen und Situationen, ungspapillen. Eine einseitige Mydriase oder bei denen Kopfschmerzen komplette Okulomotoriusparese ist bereits ein Leitsymptom sein können. Alarmsymptom beim erhöhten intrakraniellen Druck, weil dies eine drohende Hirnstammein- Posttraumatisch klemmung anzeigt. Weitere Alarmsymptome Bei Gefässerkrankungen sind Bewusstseinstrübung oder eine abnorme Bei intrakraniellen Leiden Körperhaltung beim Bewusstseinsgetrübten, Liquorzirkulationsstörungen die auf eine Dekortikation oder Dezerebration Infektionen hinweist. Neoplasien Die idiopathische intrakranielle Hyperten- sion, auch «Pseudotumor cerebri» genannt, intrakranielle Blutungen betrifft fast immer junge übergewichtige Toxisch Frauen. Sie klagen über Kopfschmerzen vom Systemische Infektionen Spannungstyp, die anfangs migräneartig und Metabolisch vor allem morgens auftreten, später dauernd Bei Erkrankungen der Wirbelsäule, Augen, Ohren, vorhanden und meist bifrontotemporal lokali- Nasennebenhöhlen, Temporomandibulargelenke siert sind. Auf Befragen geben viele Betroffene oder Zähne einen pulsatilen Tinnitus und episodische Seh- störungen respektive amblyopische Attacken
C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 95 an. Auch können Doppelbilder auftreten. Eine (Pachymeningitis) (Abb. 1). Die Leptomeninx anhaltende Visusminderung bis hin zur Blind- zwischen den Sulci reichert kein Kontrastmit- heit ist selten und nach Behandlung meist re- tel an. versibel. Objektiv findet sich meist, aber nicht Eine intrakranielle Hypotension kann spontan immer, ein beidseitiges Papillenödem. CT, MRI auftreten. Häufiger ist sie symptomatisch und und Liquor sind normal, der Liquordruck ist je- Ausdruck eines kryptischen Liquorlecks oder doch erhöht. tritt nach Lumbalpunktion, Spinalanästhesie, Für eine erfoglreiche Behandlung der idiopa- Schädel-Hirn-Trauma, Kraniotomie, Wirbel- thischen intrakraniellen Hypertension ist eine säulenchirurgie oder bei Durarissen, Liquor- Gewichtsabnahme unabdingbar. Weiter wer- Rhinorrhoe oder atrioventrikulären Shunts auf. den Karboanhydrasehemmer und Schleifendi- Auch ein extrazelluläres Volumendefizit oder uretika eingesetzt, Steroidstösse verabreicht Hyperosmolarität senken den intrakraniellen und wiederholt Lumbalpunktionen durchge- Druck. Zustände mit verminderter Liquorpro- führt. Lumbo- oder ventrikuloperitoneale duktion oder erhöhter Absorption als Ursachen Shunts oder Fenestration der Optikusscheide einer intrakraniellen Hypotension sind speku- stellen bei drohender Erblindung eine ultima lativ und sicher selten. ratio dar. Die Behandlung der intrakraniellen Hypoten- sion zielt auf eine Ausschaltung der Ursache, Intrakranielle Hypotension z.B. durch chirurgische Reparatur einer Li- Kopfschmerzen, die im Stehen auftreten und im quorfistel. Symptomatische Massnahmen um- Liegen verschwinden, sogenannte orthostati- fassen Bettruhe, den epiduralen Eigenblut- sche Schmerzen, charakterisieren das Syn- patch, epidurale NaCl-Infusionen, Bauchbinde, drom der intrakraniellen Hypotension. Typi- Koffein und Steroide. scherweise treten die Schmerzen in den ersten 15 Minuten nach dem Aufstehen auf und er- Anstrengungsinduzierte Kopfschmerzen fahren innert 30 Minuten nach Abliegen eine Anstrengungsinduzierte Kopfschmerzen oder Besserung. Eventuell gehen sie mit Nausea, Er- Kopfschmerzen induziert durch Husten sind brechen, Trümmel, Tinnitus, Hörminderung, meist gutartig und mit Betablockern behandel- Photophobie oder Doppelbildern einher. Objek- bar. Sie können jedoch auf eine intrakranielle tiv können dann Meningismus und Abduzens- Raumforderung, insbesondere in der hinteren paresen vorhanden sein. Bei der Lumbalpunk- Schädelgrube, eine kraniozervikale Über- tion ist der Druck erniedrigt, oft derart, dass gangsanomalie oder seltene Pathologien wie eine «punctio sicca» resultiert und Liquor nur ein fusiformes Basilarisaneurysma hinweisen. mit einer Spritze aspiriert werden kann. Dann Zu den anstrengungsinduzierten Kopfschmer- finden sich im Liquor meist eine geringe Pleo- zen zählen auch die Kopfschmerzen beim Ge- zytose und eine Eiweisserhöhung, die zur Fehl- schlechtsverkehr (coital headache). Treten die diagnose einer intrakraniellen Infektion ver- Schmerzen während dem Orgasmus auf, muss leiten können. Im Kernspintomogramm ist besonders sorgfältig nach einer zugrundelie- manchmal eine Kaudalverlagerung des Hirn- genden Pathologie wie einem Aneurysma und stamms erkennbar. Nach Kontrastmittelgabe Subarachnoidalblutung gesucht werden. Tre- kommt es typischerweise zu einer supra- und ten die Schmerzen nach dem Orgasmus auf, infratentoriellen Anreicherung in der Dura handelt es sich meist um benigne primäre Kopf- schmerzen. Abbildung 1. Kopfschmerzen bei Gefässerkrankungen Spontan aufgetretene intrakranielle und Zirkulationsstörungen Hypotension, die sich klinisch in Kopfschmerzen sind bei Gefässkrankheiten Form orthostatischer Kopfschmer- und Zirkulationsstörungen relativ selten, kön- zen manifestierte. Auf dem T1-ge- wichteten MRI-Bild ist eine patho- nen jedoch bei Venenthrombosen, Riesenzell- gnomonische Kontrastmittelanrei- arteriitis, Dissektionen und Subarachnoi- cherung der Meningen supra- und dalblutungen Leitsymptom sein. Sie sind bei infratentoriell und insbesondere des Hirnblutungen und grossen Territorialinfark- Tentoriums erkennbar. ten ein häufiges Begleitsymptom, aber prak- tisch nie bei lakunären Hirninfarkten. Dissektionen der Hirngefässe Dissektionen betreffen Frauen und Männer vorwiegend im jungen und mittleren Erwach- senenalter. Zu 80% sind die Karotiden, zu 20% die Vertebralarterien und zu 25% mehr als ein Gefäß betroffen. Intrakranielle Dissektionen sind insgesamt sehr selten und treten dann vor
C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 96 kann das Wandhämatom als hyperintenses si- Tabelle 2. chelförmiges Signal sichtbar sein (Abb. 2). Bei Leitsymptome der Karotis- und rechtzeitiger Erkennung einer Dissektion kann Vertebralisdissektion. mittels Antikoagulation ein embolischer Hirn- infarkt meistens vermieden werden. Kopf- oder Gesichtsschmerzen ipsilateral zur Dissektion Sinus- und Venenthrombosen des Gehirns TIA oder Infarkt im Versorgungsgebiet der betrof- Zerebrale Sinus- und Venenthrombosen betref- fenen Arterie fen am häufigsten jüngere Frauen. Meistens Horner-Syndrom sind der Sinus sagittalis superior und der Sinus Pulsatiler Tinnitus, Gefässgeräusch lateralis betroffen, seltener der Sinus rectus, cavernosus und die kortikalen Venen. Die kli- nischen Zeichen sind in Tabelle 3 zusammen- gefasst. Ätiologisch sind Thrombosen bei in- allem bei Jugendlichen auf. Trauma und Vas- trakraniellen und systemischen Infektionen kulopathien wie fibromuskuläre Dysplasie oder von nichtinfektiösen Ursachen zu unterschei- Marfan-Syndrom prädisponieren zu Dissektio- den. In Frage kommen alle mit Thromboembo- nen oder lösen sie gar aus. lien assoziierten medizinischen Ursachen, bei Eine Karotisdissektion präsentiert sich mit Frauen auch gynäkologisch-obstetrische, Rau- einseitigen Hals-, Kopf- oder Orbitaschmerzen, chen, Pille und Übergewicht und bei Männern Horner-Syndrom und ipsilateralen hemisphäri- der Morbus Behçet. Neuroradiologisch finden schen Symptomen (Tab. 2). Manchmal hören sich uni- oder bilaterale hämorrhagische In- die Patienten einen pulsatilen Tinnitus. Die Va- farkte. Meistens sind die Thrombosen im CT riabilität der neurologischen Ausfälle ist gross. mit Kontrastmittel oder im MRI erkennbar und Sie reicht vom asymptomatischen Karotisver- nur selten erst in der Angiographie (Abb. 3). schluss bis hin zum kompletten Mediaterrito- Diagnostische Methode der Wahl ist das MRI. rialinfarkt. Ausfälle der kaudalen Hirnnerven ipsilateral zu hemisphärischen Symptomen Hypertensive Enzephalopathie können zu gekreuzten Hirnnerven- und Extre- So bezeichnen wir zerebrale Störungen bei mitätensyndromen führen und fälschlicher- akuter krisenhafter Blutdrucksteigerung mit weise auf eine Hirnstammproblematik hindeu- oder ohne vorbestehender chronischer arteri- ten. eller Hypertonie. Klinisch stehen Kopfschmer- zen im Vordergrund, aber auch Nausea, Erbre- Vertebralisdissektionen führen zu ipsilateralen chen, Sehstörungen, Verwirrtheit und Benom- Nackenschmerzen und vertebrobasilären Insul- ten, am häufigsten einem dorsolateralen Me- dulla-oblongata-Syndrom. Die klinische Präsen- Tabelle 3. tation ist insgesamt sehr wechselhaft. Das eine Leitsymptome der zerebralen Extrem sind z.B. isolierte Hals- oder Nacken- Sinus- und Venenthrombose. schmerzen, das andere ein kompletter Hirn- stamminsult bei Basilaristhrombose. Ungewohnte Kopfschmerzen Dissektionen können mittels Ultraschall ver- Fokale oder generalisierte epileptische Anfälle mutet und im MRI bestätigt werden. Im MRI Papillenödem und andere Hirndruckzeichen Sensible und motorische Ausfälle, eventuell seitenwechselnd Abbildung 2. Karotisdissektion rechts. Das sichel- förmige Wandhämatom stellt sich auf dem MRI-Bild mit Fettsuppres- menheit, fokale oder generalisierte Anfälle und sionstechnik als hyperintense fokale neurologische Ausfällen kommen vor. Im Struktur dar. Augenfundus sind ein Retina- und Papillen- ödem sowie Vasospasmen der Arteriolen sicht- bar. Die hypertensive Enzephalopathie stellt eine Notfallsituation dar, welche eine rasche medikamentöse Blutdrucksenkung und allen- falls auch antikonvulsive Behandlung erfordert. Nicht immer muss eine arterielle Hypertonie derart dramatisch verlaufen. Falls eine Hyper- tonie überhaupt klinische Symptome macht, bestehen diese viel häufiger in Kopfschmerzen, die von Spannungskopfschmerzen nicht unter- scheidbar sind.
C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 97 Abbildung 3. – Auftreten im Rahmen einer Migräneattacke; Junge Frau mit Kopfschmerzen – andere Infarktursachen ausgeschlossen. wegen Thrombose des Sinus sagit- talis superior. Auf dem sagittalen MRI-Bild ist der Thrombus gut er- Kopfschmerzen bei Neoplasien kennbar. Er liegt unmittelbar unter- Kopfschmerzen sind bei intrakraniellen Neo- respektive innerhalb der signallosen plasien nur selten Leitsymptom. Leitsymptome Kompakta der Schädelkalotte und ist bestehen viel häufiger in epileptischen Anfällen im Vergleich zum Hirngewebe teils oder fokalen neurologischen oder neuropsy- iso- und teils hyperintens. chologischen Ausfällen. Wenn Neoplasien je- doch ein gewisses Volumen erreicht haben, gehören diffuse, oft frontalbetonte und meist über das ganze Neurokranium verteilte Kopf- schmerzen zu häufigen Begleitsymptomen. Bei neoplastischer Infiltration der Meningen durch Arteriitiden, Riesenzellarteriitis Karzinome, Sarkome oder Lymphome (neopla- Die Vaskulitiden stellen eine ätiologisch und stische Meningeosis) sind Kopfschmerzen hin- morphologisch heterogene Gruppe von Krank- gegen meistens ein frühes und prominentes heiten dar, die primär (d.h. Ursache unbekannt) Symptom. oder sekundär im Rahmen von bekannten Krankheiten auftreten. Bei den meisten Vasku- Kopfschmerzen bei Meningitis, litiden ist die ZNS-Manifestation nur Teil der Enzephalitis und systemischen Krankheit, und extrazerebrale Manifestationen Infektionen stehen im Vordergrund. Diese betreffen auch Infektionen können hämatogen oder per conti- das periphere Nervensystem mit Poly- und Mo- nuitatem auf das Nervensystem übergreifen noneuropathien, die Retina oder die Cochlea. und zu Entzündungen der Hirnhäute (Meningi- Bei der isolierten und der granulomatösen An- tis), des Parenchyms (Enzephalitis) oder herd- giitis des ZNS beschränkt sich die Vaskulitis auf förmigen Eiterungen (Hirnabszess, subdurales das zentrale Nervensystem. Neurologische Leit- Empyem, Epiduralabszess) führen. symptome der Vaskulitiden sind Kopfschmer- Die klassische klinische Symptomatik der zen, kognitive Störungen und fokale neurologi- Meningitis besteht in Kopfschmerzen, Fieber sche Ausfälle infolge meist multipler kleinerer und Nackensteife (Meningismus). Die Kopf- Infarkte. Das Blutbild ist in der Regel, aber kei- schmerzen sind u.U. sehr intensiv, diffus oder neswegs immer entzündlich verändert. Antikör- evtl. beidseits okzipital betont. Rückenschmer- per, die auf ein bestimmtes Krankheitsbild oder zen, Myalgien, Photophobie, Nausea und Er- Syndrom hinweisen, können diagnostisch weg- brechen stellen weitere Symptome dar. Es kann leitend sein. Im Liquor finden sich oft Entzün- zu epileptischen Anfällen, Hirnnervenausfällen dungszeichen. Angiographisch sind gelegentlich oder auch zu Somnolenz und Koma kommen. entzündliche Gefässveränderungen sichtbar. Evtl. bestehen Papillenödeme. Bei Kindern, Im- Manchmal kann die Diagnose erst mittels munsupprimierten oder auch Älteren können Meningen- oder Hirnbiopsie gestellt werden. Meningismus und Fieber mitunter nur schwach Die Riesenzellarteriitis befällt vor allem, aber ausgeprägt sein und Kopfschmerzen oder Er- nicht ausschliesslich, ältere Leute. Ihre Ursache brechen im Vordergrund stehen. ist unbekannt. Kopfschmerzen, Müdigkeit, My- algien, gedrückte Grundstimmung, und Masse- terschmerzen beim Kauen gehören zu den Leit- Tabelle 4. Intrakranielle Infektionen. symptomen. Die Temporalarterien können druckdolent, induriert und pulslos sein. Diagno- Akute eitrige bzw. bakterielle Meningitis stisch wegleitend sind eine hohe BSR. Mittels Ul- Akute nichteitrige bzw. virale Meningitis traschall kann die verdickte Arterienwand häu- Chronische Meningitis (s.a. neoplastische fig, aber nicht immer, dargestellt werden und Meningeosis) gesichert wird die Diagnose mittels Biopsie und Tuberkulose Histologie. Therapie der Wahl sind Steroide, die anfangs hochdosiert und in geringerer Dosis Pilze monatelang gegeben werden müssen. Lues Borreliose Migräne-induzierter Hirninfarkt HIV Der migräne-induzierte Hirninfarkt ist selten. Sarkoidose Meist betrifft er das Stromgebiet der Arteria ce- SLE rebri posterior und ist folgendermassen cha- Enzephalitis rakterisiert – identische neurologische Symptome wie bei Parameningeale Entzündung früheren Migräneattacken;
C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 98 Enzephalitiden werden meist durch Viren ver- seitig. Die Beweglichkeit der oberen Halswir- ursacht und präsentieren sich gleich wie die belsäule ist meist eingeschränkt oder schmerz- Meningitiden mit Fieber, Kopfschmerzen und haft. Erkrankungen der Augen sind in der Regel Meningismus. Hinzu kommen praktisch immer aufgrund lokaler Befunde von primären Kopf- eine Bewusstseinsverminderung und Persön- schmerzen abgrenzbar, und das Gleiche gilt lichkeitsveränderung sowie fokale Störungen auch für schmerzhafte Erkrankungen der wie Aphasie, Ataxie, Hemiparese, Hirnnerven- Ohren, der Zähne und der Temporomandibu- ausfälle, Gesichtsfelddefekte, generalisierte largelenke. oder fokale Anfälle und Stauungspapillen. Ein Hirnabszess entspricht einem insgesamt seltenen fokalen eitrigen Prozess im Hirnpa- Tabelle 5. Symptome und Befunde bei renchym. Kopfschmerzen treten als Manifesta- Entzündungen der Nasennebenhöhlen. tion einer intrakraniellen Druckerhöhung auf, seltener wenn allgemeine Infektionserschei- Kopfschmerzen über Sinus, hinter Augen, Stirn, nungen den Hirnabszess begleiten. In der Regel Zähnen, evtl. ausstrahlend und verstärkt beim sind auch fokale neurologische Störungen Bücken nachweisbar. Behinderte Nasenatmung, Purulentes Nasensekret Abnorme Transillumination, NNH-Röntgen, CT, MRI Diagnostisch entscheidend sind der Liquorbe- Behandlung der Sinusitis bessert Kopfschmerzen fund und das Schädel-MRI. Eine Pleozytose von mehreren Hundert oder Tausend Zellen weist auf eine bakterielle Infektion hin, eine Pleozy- tose von wenigen vorwiegend mononukleären Medikamenten- und toxisch induzierte Zellen bis wenigen Hundert Zellen auf eine vi- Kopfschmerzen rale Infektion. Sind wenige bis wenige Hundert Viele feste, flüssige und gasförmige Substanzen Zellen kombiniert mit einer Eiweisserhöhung können Kopfschmerzen induzieren, z.B. Koh- und einer tiefen Glukose, besteht Verdacht auf lenmonoxid oder Alkohol. Oft stellen Medika- eine chronische Meningitis. Veränderungen mente die Ursache von Kopfschmerzen dar, des Hirnparenchyms oder entzündliche Verän- oder besonders oft verstärken Medikamente derungen der Hirnhäute sind im MRI darstell- vorbestehende primäre Kopfschmerzen und bar, in der Regel aber erst nach Kontrastmit- führen zu einer toxisch induzierten Chronifi- telgabe, und können in bezug auf die Ätiologie zierung. Als Beispiele seien Nitrate, Protonen- einer intrakraniellen Entzündung oder Infek- pumpenblocker, Dipyridamol oder Immunsup- tion diagnostisch wegleitend werden. Beim pressiva wie Ciclosporin genannt. Besonders Hirnabszess leitet die Bildgebung auf die rich- bei älteren Patienten mit Kopfschmerzen sollte tige Fährte. Der Liquor kann normal sein. Ta- immer an die Möglichkeit einer Medikamen- belle 4 gibt eine Übersicht der intrakraniellen tennebenwirkung gedacht werden. Infektionen. Die Behandlung intrakranieller Infektionen rich- Kopfschmerzen bei Stoffwechsel- tet sich nach ihrer Ursache. Sie besteht in der störungen und Allgemeinerkrankungen zielgerichteten Gabe von Antibiotika, Virostatika Diffuse Schmerzen, die einem Schmerz vom oder auch neurochirurgischen Eingriffen. Spannungstyp ähnlich sind, charakterisieren Eine parameningeale Entzündung, z.B. eine Kopfschmerzen bei metabolischen Störungen. Nasennebenhöhlenentzündung, kann sich eben- Sie kommen vor bei Niereninsuffizienz, Leber- falls mit Kopfschmerzen als Leitsymptom prä- erkrankungen, Hypo- und Hyperthyreose und sentieren. vielen weiteren Erkrankungen mit systemi- schen Auswirkungen. Kopfschmerzen sind Kopfschmerzen bei Erkrankungen auch Begleitsymptom oder gar Leitsymptom der Wirbelsäule, Augen, Ohren, pathogenetisch ungeklärter und uneinheitli- Nasennebenhöhlen, Temporomandibular- cher Syndrome wie dem Fibromyalgiesyn- gelenke und Zähne drom, dem «Chronic Fatigue Syndrome» oder Bei Kopfschmerzen ist immer an eine Erkran- bei Depressionen. kung der Augen, Ohren, des Viszerokraniums oder auch der oberen Wirbelsäule zu denken. Praktisches Vorgehen bei Verdacht Zu den häufigsten gehören die Nasenneben- auf symptomatische Kopfschmerzen höhlenentzündungen. Ihre wichtigsten Charak- Ergeben Anamnese oder somatische Befunde teristika sind in Tabelle 5 zusammengefasst. Hinweise auf Kopfschmerzen als Symptom Erkrankungen der oberen Halswirbelsäule einer Krankheit, muss eine gezielte Diagnostik können zu Schmerzen führen, die von chroni- im Hinblick auf eine spezifische Therapie er- schen Schmerzen vom Spannungstyp nicht un- folgen. Meistens besteht der erste diagnosti- terscheidbar sind. Dieser Schmerz ist im Ge- sche Schritt in einer neuroradiologischen Wei- gensatz zu Spannungskopfschmerzen aber ein- terabklärung mittels MRI oder ausnahmsweise
C U R R I C U LU M Schweiz Med Forum Nr. 5 30. Januar 2002 99 CT. Zum Nachweis einer Meningitis oder Enze- zu suchen und serologische Untersuchungen phalitis und auch einer Subarachnoidalblutung durchzuführen. sind in der Regel eine Lumbalpunktion und Li- Für die Diagnostik besteht meistens ausrei- quoruntersuchung erforderlich. Für Gefässer- chend Zeit. In gewissen Situationen wie in Ta- krankungen werden zerebrovaskuläre Ultra- belle 6 aufgeführt, eilen jedoch Diagnostik und schalluntersuchungen als Suchtests eingesetzt. Therapie und Kopfschmerz ist in diesen Situa- Zum Ausschluss einer systemischen Erkran- tionen ein dringlicher Notfall. kung sind entzündliche Veränderungen im Blut Quintessenz Tabelle 6. Kopfschmerz wird zum Notfall Sind Schmerzcharakter und Begleitsymptome anders als bei früheren Kopf- bei folgenden Symptomen. schmerz- oder Migräneattacken, bei perakutem Auftreten, Dauerschmer- zen, Auftreten bei Anstrengung oder anderen besonderen Umständen, epi- Hohes Fieber leptischen Anfällen, neurologischen Ausfällen oder neuropsychologischen Meningismus Veränderungen ist ein symptomatischer Kopfschmerz anzunehmen. Epileptische Anfälle Die Anamnese ist das wichtigste Instrument, um symptomatische von Erbrechen primären Kopfschmerzen abzugrenzen. Bei der Anamnese sind die Leit- Bewusstseinstrübung, Verwirrtheit symptome der in Tabelle 1 aufgeführten Kopfschmerzursachen detailliert Mydriase zu erfragen. Atmungsstörungen Mittels Bildgebung, Liquor- und auch Serumuntersuchungen lässt sich die Dezerebrations- / Dekortikationshaltung richtige Ätiologie meistens finden und oft auch gezielt behandeln. Hohes Fieber, Meningismus, Erbrechen, Verwirrtheit oder Bewusstseins- trübung, insbesondere wenn mit Mydriase, Dezerebrations- oder Dekorti- kationshaltung oder Atmungsstörungen verbunden, sind Alarmsymptome bei Patienten mit Kopfschmerzen. In dieser Situation sind Kopfschmerzen ein dringlicher Notfall. Literatur – Diener HC. Kopf- und Gesichts- – Mumenthaler M, Mattle H. Neu- – (Editors) 2nd Edit. The Headaches. schmerzen. Diagnose und Behand- rologie, 10. Auflage. Stuttgart: Philadelphia: Lippincott Williams & lung in der Praxis. Stuttgart: Georg Georg Thieme Verlag; 1997. Wilkins; 2000. Thieme Verlag; 1997. – Olesen S, Tfelt-Hansen P, Welch – Silberstein SD, Lipton RB, Goadsby K.M.A. PJ. Headache in clinical practice. Oxford: Isis Medical Media; 1998.
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