Sachdokumentation: Signatur: DS 1460
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Sachdokumentation: Signatur: DS 1460 Permalink: www.sachdokumentation.ch/bestand/ds/1460 Nutzungsbestimmungen Dieses elektronische Dokument wird vom Schweizerischen Sozialarchiv zur Verfügung gestellt. Es kann in der angebotenen Form für den Eigengebrauch reproduziert und genutzt werden (private Verwendung, inkl. Lehre und Forschung). Für das Einhalten der urheberrechtlichen Bestimmungen ist der/die Nutzer/in verantwortlich. Jede Verwendung muss mit einem Quellennachweis versehen sein. Zitierweise für graue Literatur Elektronische Broschüren und Flugschriften (DS) aus den Dossiers der Sachdokumentation des Sozialarchivs werden gemäss den üblichen Zitierrichtlinien für wissenschaftliche Literatur wenn möglich einzeln zitiert. Es ist jedoch sinnvoll, die verwendeten thematischen Dossiers ebenfalls zu zitieren. Anzugeben sind demnach die Signatur des einzelnen Dokuments sowie das zugehörige Dossier. Schweizerisches Sozialarchiv, Stadelhoferstrasse 12, CH-8001 Zürich // www.sozialarchiv.ch/ Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
Gazette du Parc sans Frontières Zürich, 25.5.2018 Zürich, das Labor Lager der Entrechteten → Seite 4 der Unterdrückung Aufzeichnungen eines Ausgeschafften Heute sind die Gefäng In den 70er, 80er und 90erJahren → Seite 6 war Heroin beliebt und die offene Dro nisse voll mit «kriminellen genszene ein Dauerschlager in den Medi Ausländern». Doch der en und an den Stammtischen. Die Zürch Von der Schlagkraft Begriff ist eine Erfindung er Drogenszene wurde jahrelang durch des zivilen die Stadt getrieben und landete 1986 im Ungehorsams der rotgrünen Stadt Platzspitz hinter dem Landesmuseum. → Seite 7 regierung. In den 90er Der Park wurde als «Needlepark» weltweit Jahren wollte sie damit berühmt. Kriminalisierte Die Behörden reagierten mit Repres das Drogenproblem sion und Gittern. Schliesslich räumte Sexarbeit lösen. Diese Taktik hat man den Park im Februar 1992, schloss → Seite 10 ihn vollständig ab und verjagte die Dro seither System. gensüchtigen in den Kreis 5. In der Schweiz ist es möglich, eine Per son ohne Aufenthaltsbewilligung bis In der Schweiz zu fünfeinhalb Jahren ins Gefängnis zu schmoren Menschen stecken. Zwar gibt es keinen Richter, der jahrelang hinter jemanden zu einer so langen Haftstrafe verurteilt, nur weil ihm der Stempel des Gittern, ohne eine Migrationsamts fehlt. Doch es gibt eine Straftat begangen Kette von Administrativhaft und Ver zu haben. urteilungen wegen diverser Vergehen, die im schlimmsten Fall zu langen Gefängnis strafen führen. So kommt es, dass in der Die Vertreibung der Szene war ein Schweiz Menschen jahrelang hinter Gitter Misserfolg. Die Junkies wurden von schmoren, ohne eine Straftat begangen zu der Polizei in regelrechten Treib haben. jagden durch das Quartier gehetzt. Die juristischen Mittel für diese Re Die Bevölkerung wurde direkt pressalien gehen auf das Konto einer Poli mit dem Elend der tik der rotgrünen Stadtregierung. Aus strategischen Gründen erschuf sie in den 90erJahren das Gespenst des «kriminel len Drogendealers». Dies, weil es damals einen Sündenbock brauchte, um die An wendung von Zwangsmassnahmen zu legitimieren. Dank derer sollte das Dro genproblem in der Stadt gelöst werden.
1 Gazette du Parc sans Frontières Die erste Platzspitzschliessung im Januar 1992. Drogensüchtigen konfrontiert. Die Stim wenig thematisiert. Das Problem waren Sicher war die Erfindung des «dealenden mung kippte und die Kritik an der Politik bisher immer die Süchtigen. Das änderte Asylbewerbers» nicht der einzige Auslös des Stadtrates wurde lauter. Er solle dafür sich im Frühling 1992. er für die Entrechtung von Papierlosen in sorgen, dass die Junkies menschenwürdig Es war der ehemalige Stadtrat und der Schweiz. Doch besonders die Zürcher behandelt würden. Sozialdemokrat Robert Neukomm, der Kantonsregierung lässt auch heute noch dem neuen Feindbild einen Namen gab. immer wieder das Ungeheuer der «krimi Zu diesem Zeitpunkt waren Drogen Während einer Pressekonferenz sprach er nellen Ausländer» aufleben, wenn sie die zwar Dauerthema in der Schweizer Politik von «Drogenbanden aus dem ehemaligen Einschränkung elementarer Grundrechte und in der Gesellschaft. Doch von jenen, Jugoslawien, aus der Türkei, dem Liba durchsetzen will. Sie weiss, dass sich mit welche die Drogen an die Süchtigen brach non». Vor allem aber verlangte er mehr dieser Argumentation ein hartes Vorgehen ten, sprach man damals wenig. Dass viele Gefängnisplätze und die «Internierung von gegen Migrant*innen vor dem Volk einfach der Dealer einen Migrationshintergrund Asylsuchenden». legitimieren lässt. hatten, war zwar bekannt, wurde aber Damit wurde in der Politik ein Richtungswechsel eingeläutet. Neukomms So auch bei der Anwendung der Ein- Worte fanden Anklang, die Schuldigen und Ausgrenzung als Repressionsinstru Drei Arten wie man in waren gefunden, der Stadtrat aus dem ment. Behörden dürfen damit Menschen Zürich ohne roten Schneider. Die Rufe der Zürcher Stadt verbieten, sich in einer bestimmten Ge Pass unschuldig im regierung nach mehr Repression als Heil gend aufzuhalten oder sie zwingen, sich mittel wurden erhört. Man eröffnete ein Knast landet so genanntes «Notgefängnis» im Bun ker unterhalb des Stadtspitals Waid. Die Die Rufe der Zürcher Strafe wegen Berichte der Gefangenen, die die Gruppe rechtswidriger Ein- augenauf damals gesammelt hatte, waren Stadtregierung nach reise und Aufenthalt: Bis zu einem Jahr erschütternd. Kurz darauf wurde das «Pro mehr Repression Gefängnis. pog» (provisorische Polizeigefängnis) in als Heilmittel wurden der Kaserne gebaut. Auch dort wurden die Vorbereitungshaft, Ausschafffungshaft, Menschenrechte mit Füssen getreten. erhört. Durchsetzungshaft: Drei Jahre nachdem der Zürcher Stadt Zusammen bis zu rat mit der «Ausländer-Karte» gepunktet 18 Monaten Gefängis. hatte, traten die «Zwangsmassnahmen im Strafen wegen Ausländerrecht» in Kraft. Mit ihnen wurde Verstoss gegen es erstmals möglich, Menschen, die sich il Ein- oder Aus grenzung: legal in der Schweiz aufhielten, über Mona Bis zu drei Jahren te und Jahre ins Gefängnis zu stecken. Gefängnis. Diese Regelungen haben heute Ein gang in den juristischen Alltag gefunden.
Gazette du Parc sans Frontières 2 nur in einer bestimmten Gegend aufzu halten. Wer gegen die Auflage verstösst, kann zu maximal drei Jahren Gefängnis verurteilt werden. Argumentiert wird, die Ein- und Ausgrenzung sei nötig, um drogenhandelnde Asylberwerber aus dem Kreis 5 und der Drogenszene am Letten fernzuhalten. Obwohl heute die offene Drogenszene der Vergangenheit angehört und im Kreis 5 wohl mehr Porschefahrer als Drogenhändlerinnen gesehen werden. Trotzdem kommt es, dass heute immer mehr Menschen wegen Verstoss gegen die Ein- und Ausgrenzung im Gefängnis sitzen. Vor allem erlässt der Kanton heute systematisch Eingrenzungen gegen abge wiesene Asylsuchende. Diese müssen in unterirdischen Unterkünften übernachten und erhalten eine minimale Nothilfe, die zum Überleben nicht reicht. Mit der Ein grenzung dürfen sie ein bestimmtes Ge biet, zum Beispiel die Gemeinde in der sich die Notunterkunft befindet, nicht verlas sen. Damit nimmt man ihnen nicht nur das Grundrecht der Bewegungsfreiheit, son dern auch den Kontakt zu Freund*innen und die Möglichkeit, sich rechtliche Hilfe zu holen, um im Dschungel der Schweizer Ausländerrechte zu überleben (vgl. S.4). Seit Februar 2017 hat der Kanton Zürich das Unrechtsregime weiter ver schärft. Abgewiesene Flüchtlinge müs sen sich morgens und abends persönlich melden, um Nothilfe zu bekommen. Die Notunterkünfte gleichen damit noch mehr einem Straflager.
3 Gazette du Parc sans Frontières Lager der Entrechteten In den vier Nothilfe-Lagern derzeit treffen. Und ständig droht die Ge Grundrechte, wie etwa die freie Ausübung fahr des Gefängnisses, der Ausschaffung. der Religion, werden zu einer zynischen des Kantons Zürich werden Ausschaffungshaft kann auch dann verfügt Worthülse. Wie viele Moscheen gibt es wohl weggewiesene Personen werden, wenn mit dem Herkunftsland gar in Kemptthal? So tragen die Eingrenzungen systematisch unterdrückt. kein Rückübernahmeabkommen besteht. ihren Teil zum vollständigen Ausschluss So bewirken die Polizeikontrollen ein stän aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Erklärtes Ziel der Sicherheits diges Gefühl der Angst. Besonders verhee Lebens bei. Für die in Urdorf Registrierten direktion ist ihre «freiwillige» rend ist das für die Kinder, die im Nothilfe- etwa ist schon Schlieren Tabu. Es ist wie Ausreise. Hier zeigt sich das Lager Adliswil untergebracht sind. Die Wände zwischen den Zimmern sind dünn: ganze Ausmass der Gewalt Die Kinder hören, wenn ein Gspänli mitge So versteckt die einer menschenverachtenden nommen wird. Nachts liegen sie wach aus Zürcher Nothilfe- Angst, die Polizei würde sie als nächstes ab Migrationspolitik. holen. Und die Angst ist nicht unbegrün Lager sind, so det: Sie könnte es. schrankenlos ist die repressive Sie liegen unscheinbar an Ortsrändern im Die Personenkontrollen sind jedoch Kanton Zürich, die vier «Notunterkünfte», längst nicht die einzige Schikane, denen Gewalt, die in so ihr zynischer Name. Die Baracken in die Personen in den Lagern ausgesetzt ihnen und durch Glattbrugg und Adliswil, die Unterkunft sind. Viele von ihnen sind «eingegrenzt». sie zur Anwendung in Kemptthal und der Bunker in Urdorf Sie dürfen das Gebiet der Gemeinde oder konzentrieren die Unerwünschten in La des Bezirks des Lagers, dem sie zugewie kommt. gern ausserhalb der öffentlichen Wahrneh sen sind, nicht verlassen. Ansonsten dro mung. hen ihnen Gefängnisstrafen von bis zu drei So versteckt die Zürcher Nothilfe-La Jahren. Zugang zu rechtlicher Beratung ger sind, so schrankenlos ist die repressive haben sie oftmals nur, weil A ktivist*innen Gewalt, die in ihnen und durch sie zur An in die Lager fahren und damit in die Bre wendung kommt. Den dort registrierten sche springen, wo die Sicherheitsdirek Menschen wird durch den negativen Asyl tion Grundrechte aushebelt. Auch weitere entscheid das Recht abgesprochen, sich im Land aufzuhalten. Mit ihrer blossen Anwesenheit werden sie mit dem Dauerde likt «rechtswidriger Aufenthalt» belastet. Die Gründe, weshalb sie trotzdem bleiben, sind vielfältig. Erklärtes Ziel der Politik ist es dagegen, die Gründe, das Land zu verlas sen, noch gewichtiger zu machen. Tägliche Schikane, Entrechtung und Entwürdigung sollen das Leben dieser Personen in der Schweiz so unerträglich gestalten, dass sie «freiwillig» ausreisen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind der kantonalen Sicherheitsdirektion unter Mario Fehr alle Mittel recht. Wöchentlich, meist noch öfter, führen Polizist*innen in den Lagern Personenkontrollen durch – in aller Regel frühmorgens, wenn viele noch schlafen. Manchmal verhaften sie jeman den, manchmal nicht. Weil in den Lagern alle den Straftatbestand «rechtswidriger Aufenthalt» erfüllen, könnte es jede*n je Mit Tüchern versuchen die Bewohner des Bunkers ein wenig Privatspähre zu schaffen.
Gazette du Parc sans Frontières 4 Ort der Hoffnungslosigkeit: Eingang zum Nothilfe-Bunker in Urdorf. derholt vorgekommen, dass Polizist*innen quente Weiterführung einer menschen Personen verfolgen, die trotz Eingrenzung verachtenden Migrationspolitik des Aus mit dem Bus das Gemeindegebiet verlassen schlusses. In den Lagern in Glattbrugg, wollen. Sobald sie in Schlieren aussteigen, Adliswil, Kemptthal und Urdorf zeigt sie werden sie verhaftet. ihr wahres Gesicht. An jedem Zentimeter der Urdorfer Bunkermauer widerspiegelt Dabei ist es auch für Personen ohne sich die bröckelnde Fassade der «humani Eingrenzung kaum möglich, grössere Di tären Tradition». Jede Eingrenzung legt stanzen zurückzulegen. Sie leben von der offen, wie es um die viel beschworenen staatlichen Nothilfe: 8.50 Franken pro Tag. Zugtickets sind damit kaum bezahlbar und wenn, dann auf Kosten von Essen, Baby Die Wände zwischen nahrung, Zigaretten. Aber nicht einmal den Zimmern im dieser kleine Betrag wird bedingungslos ausbezahlt. Um das Geld zu erhalten, müs Adliswiler Nothilfe- sen die Nothilfe-Bezüger*innen zweimal Lager sind dünn: täglich jeweils innerhalb eines kurzen Zeit Die Kinder hören, fensters eine Unterschrift hinterlassen und in den Lagern übernachten. Die zynische wenn ein Gspänli Begründung: Wer nicht im Lager über mitgenommen wird. nachte, habe das Geld nicht nötig. So wer den die Personen zusätzlich zur Eingren zung noch stärker in den Lagern isoliert. «westlichen Werte» steht. Jeder Suizid, der Betrieben werden die vier Nothilfe-Lager in einem der Lager verübt wird, zeigt das von der ORS Service AG. Die gewinnorien Ausmass der verübten Gewalt. Niemand tierte Firma versucht naturgemäss, mög wird sagen können, man habe es nicht lichst viel Profit aus der an sie delegierten gewusst. Und die Radikalität, mit der das Repression zu schlagen. Zürcher Nothilfe-Regime durchgesetzt Die Unterdrückung der Menschen im wird, steckt ab, wie weit der Widerstand Zürcher Nothilfe-Regime ist die konse gehen muss. Es gibt keine Grenzen.
5 Gazette du Parc sans Frontières Vermisste Freiheit Ich trage die Gefühle des Verlustes in mir. von Gewalt ausgeschafft. Ein Körper aus Die ökonomischen Verhältnisse ge Der Verlust dieser Momente in Europa, einer Fleisch und Blut, ein freier Mensch vol hören zu den Hauptmotiven für Bewegun Welt aus Träumen von etwas, das für mich ler Mut und Energie, seine Träume zu gen rund um den Globus. Afrika ist der alles ist. Etwas, das sich Freiheit nennt. verwirklichen, haben sie vertrieben, aus ärmste Kontinent der Welt. Und selbst gewiesen! Als ich in meinem Herkunfts wenn Menschen erträgliche Lebensbe Aufzeichnungen eines Ausgeschafften. land ankam, hatte ich das Bild meines dingungen haben, so werden sie doch Quartiers vor Augen, so wie ich es vor drei Jahren verlassen hatte, um nach Eu Während meiner Zeit in Europa habe ich ropa aufzubrechen. Es hatte sich nichts In der Schweiz immer geglaubt, den perfekten Ort ge verändert. Die Frustration und Resigna werden wir in funden zu haben, um meine Freiheit als tion der Leute blieben dieselben, ausser Atheist und bisexueller Mensch zu leben. vielleicht bei jenen, die das Gesetz be den Untergrund, In meinem vom Islam durchdrungenen folgen und tun, was sie tun müssen, um in den Keller der Herkunftsland war mir diese Möglichkeit sich in der kapitalistischen Gesellschaft Festung verbannt. verwehrt, weil ich gegen das Gesetz ver zu behaupten. Doch selbst diese Leute stossen hätte. Gerade über Sexualität zu beschweren sich über Schwierigkeiten, sprechen ist ein Tabu. Und auch «Nicht sich finanziell halten zu können, weder nach besseren Bedingungen streben, ins gläubige» werden in dieser konservativen Job noch Haus noch Ehefrau zu finden. besondere nach Freiheit und Gleichheit. Gemeinschaft nicht akzeptiert. In der Doch weil sich das globale System der Un Schweiz hatte ich dagegen immer wieder Fragt Geflüchtete in eurem Umfeld, in terdrückung vor solchen Kräften schützen Momente, in denen ich all dies spüren und den Camps und Bunkern, oder wenn sie eu muss, erhalten diese Menschen nur das ausdrücken konnte. ren Weg auf der Strasse kreuzen, warum sie Allernötigste, ein Minimum zum Überle Letztlich haben sie mich in mein al nach Europa gereist sind. Viele von ihnen ben. Sie sollen ausharren und Sklaven ihrer tes Leben, in dieses islamische Gefängnis werden euch ökonomische Gründe nennen. Armut bleiben. Und so nimmt sich Europa zurückgeschickt, mich unter dem Einsatz Warum halten wir also an den alten Kate von Afrika und dem Mittleren Osten noch gorien fest, wenn die heutige Welt mehr immer alles, was es braucht, um weiter zu und mehr unter der kapitalistischen Gier wachsen. Fliesst ein Teil dieses Profits zu leidet und Menschen vor Armut flüchten? rück, gelangt er, wenn überhaupt, in die Hände der Korruption und so wieder zu rück nach Europa. Die Opfer dieses Missbrauchs, dieses diktatorischen Systems, das sind wir. Natürlich wünscht sich niemand ein sol ches Leben, doch die meisten fürchten sich, darüber zu sprechen und die Konse quenzen dafür zu tragen. Deshalb ist es gut, an einen Ort zu reisen, wo die Chance auf Besserung greifbar ist. Doch in Europa kommt für viele von uns Geflüchteten die Überraschung: Anstatt uns zuzuhören und uns eine Chance zu geben, werden wir in der Schweiz in den Untergrund verbannt, in den Keller der Festung. Die Autoritäten behandeln uns wie Fremde, die aus dem Nichts auftauchen. Grenzen werden ge schlossen und die Asylpolitik wird so ge staltet, dass die «Illegalen» leicht wieder entfernt werden können. Zum Glück ste hen auf der anderen Seite einige solidar ische Freund*innen, die uns das Gefühl geben, im Kampf für unsere Rechte nicht allein zu sein. Wenn ihr Trauer verspürt über die Mi grant*innen, die im Mittelmeer sterben, dann kann ich euch sagen, dass der Grund dafür die Grenzen sind, die sich um uns
Gazette du Parc sans Frontières 6 Von der schliessen und sichere Fluchtwege ver Schlagkraft des zivilen hindern. Wir Geflüchteten bewegen uns trotzdem weiter, weil wir von der Misere unseres Lebens genug haben. Ungehorsams Warum sollte ich dort bleiben? Ich will reisen, die Welt sehen. Doch in meinem Land ist das unmöglich oder zumindest schwierig, während es für einige ande re auf der Welt so leicht ist. Warum? Während Europäer*innen das Privileg des roten oder blauen Passes haben und anderen Frechheiten und jederzeit überall hinreisen können, müssen Afrikaner*innen erst einen lan gen Marathon hinter sich bringen, um dann doch kein Visum zu erhalten. Wir verlangen nicht viel. Wir wol len sein wie andere auf dieser Welt. Anfang der 90er-Jahre und*innen und Bekannten infiszierten Wir wollen die Rechte geniessen, die sich während dieser Zeit mit dem Virus, uns allen zustehen – nicht nur den wurde der Platzspitz-Park weil sie die raren Spritzen untereinander Profiteur*innen der faschistischen, als Drogenhölle welt tauschten oder die Nadeln an Streich kapitalistischen Maschinerie. Darum bekannt. Dass sich im holzschachteln schliffen. Anfangs braucht es Bewegungsfreiheit für alle. Dezember gab der Verein unabhängiger Schatten dieses Medien Ärzte bekannt, dass 200 Ärzte im Kan Menschen töten andere Menschen, spektakels auch ganz ton bei einer Selbstbezichtigungs-Ak weil sie sich in Kultur, Religion und andere Dinge entwick tion mitmachten, und dazu standen, Hautfarbe voneinander unterscheiden. dass sie den Fixern sterile Spritzen ga Menschen sperren andere Menschen in elten, ist den wenigsten ben. Wiederkehr musste das Abgabe den Untergrund, weil diese «Anderen» bekannt. Ein Aktivist verbot kurz darauf zurückziehen. keine Dokumente haben. Oder sie 1988 spitzte sich die Situation am erzählt. bringen sie gar ins Gefängnis, weil sie Platzspitz dramatisch zu. Junkies und Rebell*innen sind. Männer stellen sich Kiffer*innen organisierten sich gegen über Frauen* und Trans-Menschen und Nach jahrelanger Treibjagd auf die die zunehmende polizeiliche Repres versuchen, sie als aktive Kräfte in der Junkies entlang der Limmat duldeten sion und gründeten das „Frosch-Syndi Gesellschaft aufzuhalten. Menschen es die städtischen Behörden im Sommer kat» – unterstützt von Leuten aus den beten ein mythisches Wesen namens 1983, dass sich die Drogen-Szene hint Häusern. Das im Herbst während fast Gott an, das sie nie gesehen haben, er dem Landesmuseum im Platzspitz- einen Monat besetzte Cafe Meyer an weil sie glauben, es sei der Grund für Park niederliess. Vorausgegangen war der Limmatstrasse 28 übernahm dabei die Existenz der Welt und richte nach ein polizeiinterner Streit. Während eine wichtige Scharnierfunktion. ihrem Tod über Himmel und Hölle. sich die «Uniform-Polizei» entschieden Menschen, die Polizist*innen sind, ver gegen eine Duldung der Junkies am Die gesundheitliche Situation der haften andere, «illegale» Menschen auf Platzspitz aussprach, befürworteten Menschen am Platzspitz verschlech der Strasse und in ihren Häusern. Alles die Detektiv*innen und Fahnder*innen terte sich massiv. Im Herbst erklärten im Namen des Systems, das nichts als diese Konzentration der Drogenabhän Gassenarbeiter*innen der Zürcher Sklaven schafft. Menschen arbeiten gigen an einem Ort. Am Platzspitz ver Arbeitsgemeinschaft für Jugend für Geld, denn wer kein Geld hat, hat mischten sich Händler*innen und Kon probleme zusammen mit dem Roten Schwierigkeiten zu überleben. Men sument*innen von harten und weichen Kreuz und der Spitex der umliegen schen wählen andere Menschen, die Drogen endgültig. den Stadtteile den Notstand. Über sie, die Millionen, regieren und ihre Im September 1985 verfügte der Weihnachten und Neujahr bauten sie Träume realisieren sollen, anstatt dass kantonale Gesundheitsdirektor Wieder ein grosses Zelt auf, in dem sie zusam sie sich selber regieren und ihre Träume kehr ein Spritzenabgabeverbot. Ärzt* men mit Freund*innen und Aktiv selber realisieren. innen und Apotheker*innen, welche ist*innen der Polit-Szene einen Tref Darum will ich eine Welt ohne trotzdem Spritzen an die Junkies abga fpunkt schufen und die Isolation des Grenzen, Illegalisierung und Diskrimi ben, wurden mit Berufsverbot bedroht. «Ghettos am Platzspitz» durchbrachen. nierung der Geschlechter. Eine Welt Dies zu einem Zeitpunkt als sich der Die Aktion bereitete den Boden für die voller Liebe und voller Rebellion gegen HI-Virus erstmals massiv verbreitete Gründung der «Arge Platzspitz» – ein Rassismus, Faschismus, Kapitalismus und die Aids-Hysterie einem ersten breiter Zusammenschluss von Jung und Sexismus. Höhepunkt zustrebte. Viele unserer Fre und Alt mit dem Ziel, eine grundsätzli
7 Gazette du Parc sans Frontières Die Arbeitsgemeinschaft Platzspitz kocht 1989 warme Mahlzeiten. che Änderung der städtischen Drogenpoli wurde frecher, selbstbewusster, fordernder. tik zu erreichen. Die Erkenntnis verbreitete sich, dass sich Zur Aktionspalette der Arge Platzspitz die sozialen Probleme, die sich am Platzspitz gehörte neben dem täglichen Kochen am manifestierten, innerhalb der bestehenden Rondel und Interventionen auf politischer (Un-)ordnung nicht lösen liessen. Ebene auch der zivile Ungehorsam. Am In der Arge Platzspitz traf sich ein brei Platzspitz oder in den Strassen der umlieg tes Spektrum an Personen mit ganz un enden Quartiere waren wir oft Zeug*innen terschiedlichen Vorstellungen von Wider zunehmender Polizeigewalt bei Kontrollen stand. Aber wer damals immer wieder und Verhaftungen. Es war damals möglich staunend über die unbeschwerte Radikali und üblich, stehen zu bleiben, zu interve tät und Frechheit daneben stand, das war nieren, mit den Kontrollierten zu sprechen. en wir. Denn das haben wir aus dieser Zeit Wir waren meistens alleine oder zu zweit gelernt: Wer persönlich bereit ist, sich der unterwegs, hatten kein Handy oder ande Staatsgewalt entgegenzustellen, macht den re Datenträger mit unseren Kontakten im ersten Schritt, die eigene Angst zu über Sack dabei. winden und sich ein weites Feld zu öffnen. Die Arge Platzspitz stellte ohne Rück sprache mit den städtischen Behörden eine Baubaracke als Treffpunkt neben dem Ron del auf. Nach wenigen Tagen wurde sie un ter Polizeischutz wieder abgebrochen. Dem Versuch der städtischen Behörden, missli ebige Personen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen und Plätze zu säubern, stell ten sich die Aktivist*innen immer wieder persönlich entgegen. Ziviler Ungehorsam steht oft am Anfang eines Bewusstseinsprozesses. Ein scheinbar kleiner Schritt kann jemandem die Augen öffnen. Die Bereitschaft, mit dem bestehen den Strafgesetz Bekanntschaft zu machen, ist ein wichtiger erster Schritt zum persön lichen Widerstand. So machten Angehörige von Junkies, die sich der willkürlichen Po lizeigewalt entgegenstellten, unerwartete Erfahrungen mit den selbstgerechten Ver tretern der staatlichen Gewalt. Das Auftre Die Arbeitsgemeinschaft «Weihnachten 88 am Platzspitz» stellt den Junkies über ten der Aktivist*innen der Arge Platzspitz die sogenannten «Festtage» ein wärmendes Zelt auf.
Gazette du Parc sans Frontières 8 Von NoBunkers heuchlerische Strategie des Kantons spielt Prekarisierte gegeneinander aus. Das Bun desausreisezentrum, das neben dem Flug zu #prenonslaville hafen entsteht; die neuen Ausschaffungs gefängnisse, die 2022 im Kanton Genf fünf Mal mehr Plätze als 2017 fassen werden; aber auch die Tatsache, dass über 70% der Strafgefängnisinsass*innen wegen illegalen Würdige Lebensbedingun werden, wird später auch eine Asylunter Aufenthalts sitzen: das alles ist Ergebnis der kunft: das Foyer d’Appia. Das Verprügeln ultra-repressiven Politik des freisinnigen Si gen für alle: Ein Bericht mehrerer Betroffener durch Polizisten, cherheitsdirektors Pierre Maudet. über den Widerstand diffamierende Artikel in der Tagespres Auch die Schikanen in der Nothilfe hat gegen die Bunkerpolitik se sowie punktuelle interne Spannungen Maudet auf ein neues Level gehoben: Seit prägen die Bewegung seit Beginn. Im Au März 2018 müssen Nothilfebezüger*in im Kanton Genf. gust 2015 markiert dann ein kollektives nen, die in Genf ohnehin schon beim Be Burnout aller Beteiligten ein Ende dieser völkerungsamt stempeln müssen, auch intensiven Phase. Es beginnt eine lange noch beim Flughafen stempeln, um dann 2015 sind im Kanton Genf bis zu 600 und schwierige Zeit, in der die Ausschaf beim Sozialamt 10.- pro Tag abholen zu Personen in Zivilschutzanlagen, also in fungen mehrerer der aktivsten NoBun können. Bunkern, untergebracht. 117 Bunker ker-Mitglieder nicht verhindert werden Währenddessen hat das Sozialamt zu bewohner*innen schicken damals einen können und die anfängliche Euphorie Beginn dieses Jahres in einem zynischen Brief an das kantonale Sozialamt: Ein abflaut. 2016 gelingt es aber durch einen Communiqué die temporäre Schliessung Appel, der Sonne, frische Luft und Wür weiteren entschlossenen Kampf, den Ab des Bunkers angekündigt. Es freut uns, de für alle verlangt. Daraufhin starten die Unterzeichnenden, die parlamentarische links-alternative Partei Solidarités, das junge autonome Kollektiv Sans retour und verschiedene Vereine eine Kampa gne, um die Öffentlichkeit auf die Bun kerproblematik aufmerksam zu machen. Alle befinden sich gleichzeitig auch im Kampf gegen die Ausschaffung von Ayop, einem der 40 Verletzten des Brandes vom November 2014 im Foyer des Tattes, der grössten Asylunterkunft des Landes. Ein Brand, der auch einen Toten gefordert hat. Ayop wird nicht ausgeschafft und die spriessende Bewegung gewinnt an Selbst vertauen. 15. Juni, Hitzewelle, ein Tag vor Rama dan. SMS: “Foyer des Tattes, komm, Leute werden in den Bunker gebracht.” 80 Männer werden innerhalb von drei Tagen aus ihrem oftmals langjährigen Wohnort vertrieben. Sie verweigern fast allesamt den Transfer und besetzen mit ihren Unterstützer*in Mehr als zehn Mal auf der Strasse: Demonstrant*innen fordern die Schliessung nen ein Kulturzentrum. Der Kampf ist auf der Asylbunker in Genf. dem Höhepunkt, ganz Genf ist NoBunker. VoKüs, Sprachkurse, Transpimalen und ad ministrative Unterstützung organisieren riss des Foyers Frank-Thomas zu verhin wenigstens diesen Kampf (derzeit) nicht sich. Die Revolution fühlt sich fassbar an. dern. Keine Schliessungen von Foyers, so mehr führen zu müssen. Doch das Bun Nach zwei Wochen zieht man in einen Ge lange es Bunker gibt! deszentrum kommt. Die Situation in der meinschaftssaal der Stadt. Nothilfe hat sich nicht verändert. Maudet Zwei Jahre und viele Kämpfe später sind bleibt Ausschaffungsmeister. In Lausanne Trotz mehr als zehn Demos, wieder wir wieder bereit: Es entfacht sich eine neue wurden innerhalb von 18 Monaten drei holten Verhandlungen mit dem rechts breite Bewegung, die Dynamik aus dem nicht weisse Menschen von der Polizei ge extremen Regierungsrat Poggia, der Be Jahr 2015 ist wieder da: Recht auf Stadt tötet. Faschos von Résistance Helvétique setzung eines ehemaligen Heimes, das ist angesagt! #prenonslaville findet ihren organisieren sich. Wir werden uns also seit Jahren leer steht: den Kanton bringt Ursprung im politische Misskalkül des Kan nicht ausruhen! nichts zum Zittern. Nur eines der vielen tons, das studentische Wohnkollektiv Mala 30. Juni 2018: Antirassistisches Fussballturnier Häuser, die von der Bewegung als leerste gnou zu vertreiben, um stattdessen am sel gegen das Bundeszentrum in Grand-Saconnex! Mehr hende Besitze des Kantons angeprangert ben Ort Asylsuchende unterzubringen. Die Infos auf renverse.co!
9 Gazette du Parc sans Frontières Sexarbeitende in Zürich: diskriminiert & kriminalisiert Die Repressalien gegen oder aber als hochqualifizierte Fachkräfte. Verschärfungen der Bedingungen für Sexar Migrant*innen aus Drittstaaten reisen in beitende in Zürich. migrantische Sexarbeitende der Regel durch Familiennachzug oder ille haben in der Stadt Zürich galisiert in die Schweiz ein. FTIQ+ aus Eu Sexarbeit ist gerade für FTIQ+ ohne seit den 90er-Jahren stetig ropa haben leichtere Einreisebedingungen geregelten Aufenthaltsstatus und Arbeits als FTIQ+ aus Drittstaaten und dürfen hier bewilligung eine Möglichkeit, an Geld zu zugenommen. arbeiten. Beschäftigung finden sie dann oft kommen, um ihre Familie zu unterstützen in feminisierten Tätigkeiten wie im Pflege oder ihren eigenen Unterhalt zu bezahlen. Gründe, weshalb Personen migrieren, sind bereich, in der Hausarbeit oder in der Sex In der Schweiz ist Sexarbeit legal, sofern divers und immer auch aus geschlechter arbeit. sich die Sexarbeiter*innen an die Prostitu spezifischer Sicht zu betrachten. Frauen- tionsgesetze halten und eine Bewilligung Trans-Inter-Queer+ -Menschen (FTIQ+)1 In den Kreisen 4 und 5 ist Sexarbeit seit beantragen. Die bekommen sie nur, wenn sind aufgrund ihres Geschlechts spezi langem Teil des Quartierbildes sowie ein sie ein Bewilligungsgespräch absolviert ell verletzlich. Diskriminierung im Her umstrittenes Politikum. So ist Sexarbeit haben. Sie müssen eine Aufenthaltsbewil kunftsland – zum Beispiel in Bezug auf immer auch an Auseinandersetzungen im ligung haben, eine Krankenversicherung Bildung und Arbeit, sexuelle Gewalt oder Bereich der Migrations- und Asylpolitik ge und so weiter. Für illegalisierte Personen Ausbeutung, starre Geschlechtsrollen oder knüpft. Der Strassenstrich am Sihlquai gab ist dies also keine Option. Trans-Inter-Queer-Feindlichkeit – können es bereits zu Zeiten der offenen Drogensze Durch die Erhöhung des bürokratischen ein entscheidender Faktor für FTIQ+ sein, ne auf dem Platzspitz. Als 1995 die Zwangs Aufwandes, um eine Bewilligung zu erhal zu migrieren. Im Ankunftsland setzen massnahmen im Ausländerrecht unter dem ten, werden Sexarbeiter*innen in die Ille sich die Diskriminierungen oft fort. Das Vorwand der ausser Kontrolle geratenen galität gedrängt. Ohne Bewilligung machen Schweizer Migrationsrecht erlaubt FTIQ+ Drogenszene in Kraft traten, hatte das auch sie* sich strafbar und können von der Poli aus Drittstaaten die Einreise nur als Ehe rechtliche Folgen für die Sexarbeiter*innen. zei verzeigt werden. Solche Massnahmen frauen, Tourist*innen, als Student*innen Es war eine von noch folgenden repressiven werden als Schutzmassnahmen verkauft Die «Dissozialen» recht, zu weiterem Abbau von Menschen rechten. Sie ist Rechtfertigung für weitere sogenannte «griffigere» Richtlinien zur ef fizienten Abschottung und Verfolgung von MigrantInnen und nicht zuletzt zum Bau Dieser Text stammt aus Abschottungspolitik basiert auf gut vorbe und Betrieb weiterer Gefängnisse. reitetem Schüren von Ängsten gegenüber In der Hetzjagd gegen alles «nicht- dem Jahr 1996. Er zeigt, wie ausländischen Menschen. Entsprechende schweizerische» in der Zeit der Letten sich zur Zeit der Einführung Zuweisungen wie: «Asylbetrüger», «Schein schliessung gehörte es zum alltäglichen der Zwangsmassnahmen asylant», «Sozialabzocker», usw. haben Bild, dass AusländerInnen an allen Ecken längst gegriffen. Bis weit ins linke Lager der Stadt gefilzt wurden. Wer schlechte rassistische Narrative ver hinein sind die Unkenrufe zu hören, die oder keine Papiere hatte, wurde auf den festigten, die bis heute Basis meinen, «man müsse jetzt endlich was tun, Posten mitgenommen. Viele kamen nach von Repression sind. um die Ausländerfeindlichkeit der Schwei kurzer Zeit wieder frei, mussten aber die zerInnen nicht noch mehr zu forcieren». oftmals demütigende und rassistische Be Milde wird darüber hinweggesehen, handlung schlucken, wollten sie sich nicht Dissozialität heisst die Zauberformel, mit wie der Polizei- und Justizapparat auf noch mehr Probleme einhandeln. der sich die Justizbehörden in neuester gerüstet wird, Grundrechte unterhöhlt Zeit hervortun, um unliebsame Auslän werden. Rassistische Übergriffe werden AusländerInnen, die in Zürich kontrol derInnen in Ausschaffungshaft zu setzen. kaum mehr wahrgenommen. Eher werden liert, durchsucht und dann meistens auf Anlehnung an völkische Begriffe wie «aso sie verschwiegen, denn unterbunden und den Posten mitgenommen werden, erhalten zial», «amoralisch», «anpassungsunwillig» bekämpft. «Ohne Ausländer keine Frem im Polizeirapport regelmässig den Vermerk kommen nicht von ungefähr. Sie sind Teil denfeindlichkeit!» Die verhängnisvolle «im Drogenmilieu kontrolliert». Da ist es einer erweiterten Kampagne und Stra Umkehrung, mit der Opfer zu TäterInnen nur noch ein kleiner Schritt bis zum festen tegie gegen alles «fremdartige» und «un gemacht werden, ist Rechtfertigung zu wei Satzbaustein der Zürcher Fremdenpolizei, schweizerische». Die Ausgrenzungs- und teren Verschärfungen im Straf- und Asyl welche papierlose Algerier, die in Ausschaf
Gazette du Parc sans Frontières 10 und eingeführt, wirken sich aber in der Pra illegalisieren, kriminalisieren und diskri Zwar wurde die 2013 eingeführte PGVO xis oft repressiv auf die Sexarbeitenden aus, minieren. 2016 teilrevidiert. Das bedeutete Locke da diese in die Illegalität getrieben und kri Weiter zugespitzt hat sich die rechtliche rungen in der Bewilligungspflicht für Ein minalisiert werden. Situation in der Stadt Zürich 2013 mit der zelsalons und die Aufhebung des Grund Änderung der Prostitutionsgesetzverord satzverbots für sexgewerbliche Nutzungen Im Juni 2011 wurde zusätzlich ein nung (PVGO). Der Strassenstrich am Sihl in Zonen mit mindestens 50 % Wohnanteil. «Bewilligungsgespräch zur Klärung der quai wurde im Sommer 2013 aufgehoben Es fehlt aber an legalen Strichzonen. Der Selbständigkeit von Sexarbeiter*innen» und durch die Eröffnung der sogenannten Strichplatz am Sihlquai bleibt geschlossen. eingeführt. Damit einher gehen in der Sexboxen in Altstetten «ersetzt». Seither Die Sexarbeit wird mehr und mehr aus den Folge Kontrollen, Bussen und Wegwei werden Sexarbeiter*innen an der Lang Kreisen 4 und 5 in die Peripherie verdrängt sungen, die Sexarbeiter*innen zusätzlich strasse vermehrt kontrolliert. und muss der Aufwertung weichen. Die (ausländer*innen- und arbeits-)rechtliche Situation für Sexarbeiter*innen ohne ge regelten Aufenthalt bleibt auf Grund der polizeilichen Repression in Zürich schwie rig. Dadurch wird der Zugang zu nieder schwelliger Unterstützung erschwert. Die finanzielle Lage für Sexarbeitende hat sich verschlechtert. Der in den 90er-Jahren eingesetzte Trend von Repression und Verdrängung aus den aufzuwertenden Vierteln setzt sich fort. Es fehlt die Anerkennung der Sexarbeit als Teil unserer Gesellschaft. Für FTIQ+ mit illegalisiertem Status wird die Arbeit durch die Zunahme von willkürlichen, ungerecht fertigten Wegweisungen und Bussen umso mehr erschwert. 1 Auch cis-Männer können auf Grund ihrer Ge schlechterrolle Diskriminierung erfahren, sind aber in Bezug auf gesellschaftliche Herrschaftsverhältnis Sinnbild für die Verdrängung: die Sexboxen in Altstetten. se gegenüber FTIQ+-Menschen privilegiert. fungshaft sitzen, bei verschiedenen Inter und während ihres Aufenthaltes vermehrt Den JournalistInnen leider entgangen ist, polstellen folgendermassen denunziert: in der Drogenszene getroffen und kontrol dass, obwohl verschiedene Verfahrens «Ibrahim hat den Anschein gemacht, dass liert werden. Oftmals delinquieren sie, was mängel gerügt worden waren, die Gefan er seinen Lebensunterhalt mit dem Ver wiederum zu Strafuntersuchungen und genen nicht freigelassen wurden. Begrün kauf von Drogen finanziert hat». Der von entsprechenden Urteilen führt. Zwar liegt det wurde die weitere Inhaftierung damit, dieser Lüge Betroffene hat nie etwas mit gegen Herrn Ali kein solches Urteil vor, je dass die Gefangenen eine massive Ge Drogen zu tun gehabt, er ist wie so viele doch wurde auch er bereits im Drogenmili fährdung der öffentlichen Sicherheit dar andere nur ohne Papiere in Zürich kont eu kontrolliert und anschliessend der Fre stellen würden. Um Massenfreilassungen po Zug zugeführt. Es ist ein Anliegen der auszuweichen, bringen die Bundesrichter zürcher Polizeibehörden, dass sich die den ein neues Zauberwort ins Spiel: Dissozia Milde wird darüber angrenzenden Kantonen zugeteilten Asyl lität, die kleine Schwester der Asozialität. bewerber auch mehrheitlich dort aufhal Dissozial soll sein, wer: hinweggesehen, ten. Bei wiederholter Störung der öffentli • einen Ladendiebstahl begeht oder in wie Grundrechte chen Sicherheit und Ordnung steht zudem Verdacht gerät, er oder sie könnte es unterhöhlt werden. die durch die Zwangsmassnahmen statuier tun oder getan haben te Möglichkeit der Ausgrenzung offen.» • Streit mit SchweizerInnen hat Der erste Schritt, eine Person als dis • Auto in angetrunkenem Zustand fährt rolliert und verhaftet worden. Als weiteres sozial abzustempeln, ist hiermit gemacht. • eine Busse für Schwarzfahren mit den Beispiel sei hier aus einem Brief der Frem Wer in Zürich kontrolliert wird, begeht öffentlichen Verkehrsmitteln oder we denpolizei des Kantons Zug vom 10. Juli bereits eine «Störung der öffentlichen Si gen Nachtruhestörung erhalten hat. 1996 zitiert. Da heisst es unter anderem: cherheit und Ordnung.» Der zweite Streich • an Demonstrationen teilnimmt «Bereits während des hängigen Asylver folgt sogleich: In verschiedenen Presse fahrens stellt sich bei den dem Kanton Zug artikeln während der Sommerferien wird Erst einenhalb Jahre sind vergangen, zugewiesenen Asylbewerbern das Problem, darüber berichtet, dass das Bundesgericht seitdem die Zwangsmassnahmen in Kraft dass sich viele davon öfters in der Stadt die Haftbedingungen im Zürcher Aus sind, und schon ist die letzte Maske gefal Zürich angeblich bei Freunden aufhalten schaffungsgefängniss massiv gerügt hat. len. Dissozial kann alles und jedeR sein.
11 Gazette du Parc sans Frontières Finde die 8 Unterschiede 1 4 1 Spitzname des ehemaligen Polizeivorstehers Neukomm 1 6 2 «Mir mached usem Staat 1 Kreuzworträsel 7 Gurkesalat und us de Polizei...» 2 2 3 Standort des Nothilfe-Lagers 2 3 für Familien im Kanton Zürich 4 Wie hiess die Zwangs- 4 9 5 7 massnahme "Durchsetzungs- haft" früher? 5 4 5 Von welchem SP-Politiker 12 3 stammt folgendes Zitat? 6 8 «Ich mache Politik, keine 8 Parteipolitik.» 7 (Vor- und Nachname) 6 Welche Pflanze wird zur 8 10 Herstellung von Heroin 9 6 11 13 verwendet? 9 7 In welchen Zürcher Stadtkreis Lösungswort 10 verzogen sich die Junkies nach der Platzspitzräumung? 11 8 Wie hiess die grosse Zürcher Besetzung in den 90er- 12 Jahren? 10 5 9 Unterirdische Anlage, in 13 denen Geflüchtete, die Not- hilfe beziehen, hausen müssen 10 Wer hat uns verraten? Äähm
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