Salz der Erde-Frucht der Arbeit
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
VOR ORT SENEGAL Salz der Erde – Frucht der Arbeit Als vor gut einem Jahr die Corona-Pandemie auch den Senegal erreichte, herrschte in manchen Gebieten Alarmstimmung. Denn Schwierigkeiten gab es auch ohne Virus schon genug: Der Regen blieb aus, die Ernte war schlecht. In einigen Dörfern der Region Kaolack drohte sogar der Hunger. Lockdown und Ausgangssperren ver- schärften die Not. Ist das Schlimmste jetzt vorbei? TEXT: CHRISTIAN SELBHERR FOTOS: JÖRG BÖTHLING 30 | missio 4/2021 missio 4/2021 | 31
KLEINE GESCHENKE erhalten die Freundschaft – man darf vermuten, dass dieses Sprichwort in der einen oder an- deren Form auch in Westafrika bekannt ist. Denn das französische Wort für Ge- schenk, also „cadeau“, ist in einem Land wie dem Senegal jeden Tag zu hören. Als „cadeau“ gilt ein bescheidenes Präsent zum Geburtstag ebenso, wie ein dickes Bündel Geldscheine als Begleitung bei ei- nem profitablen Geschäftsabschluss. Mit einem kleinen Geschenk also ist die Gruppe von Katholiken aus der Stadt Kaolack unterwegs, die den muslimi- schen Imam von Sokoné besuchen möchte. Es ist Ramadan, also Fastenzeit, und erst abends nach Sonnenuntergang nehmen gläubige Muslime Nahrung zu sich. Umso größer die Freude, als die Gäste einen Karton voller Datteln für das abendliche Fastenbrechen überrei- chen. Der Imam bedankt sich wortreich, und lobt die guten Beziehungen zur Christengemeinde. Vor wenigen Wochen, an Ostern, war es andersherum: Da seien Freundschaftlicher Austausch: Der Imam empfängt katholische Nachbarn. die muslimischen Nachbarn zu Besuch gewesen, hätten Fleisch und andere Ga- ben vorbeigebracht und den Christen ein frohes Osterfest gewünscht. Das Zusammenleben zwischen Chris- Wassermangel führt zu Dürre: In der Region Kaolack werden die großen Probleme der Landbevölkerung sichtbar. ten und Muslimen ist gut im Senegal, das Land in Westafrika gilt sogar als Vorzei- gebeispiel dafür, dass ein Leben in Har- festes Fundament können helfen, wenn Maßnahmen ergriffen, für eine Weile gal- monie und Frieden möglich ist. Es sei gewaltige Herausforderungen das Zu- ten Lockdown und Ausgangssperren. BISCHOF MARTIN BOUCAR TINE: ,,der Sockel, auf dem unsere Nation auf- sammenleben erschüttern. Zum Beispiel, ,,Wir Religionsgemeinschaften haben den ,,Die Leute leben von der Frucht ihrer gebaut ist“, sagt Martin Boucar Tine. Er wenn plötzlich eine weltweite Pandemie Staat unterstützt und sogar zugestimmt, Arbeit. Die Pandemie trifft sie hart.“ ist der katholische Bischof von Kaolack, daherweht, die ein Land, ein Volk, einen dass wir eine Weile keine Gottesdienste einem sehr ländlich geprägten Gebiet, Kontinent ins Taumeln bringen kann. mehr feiern konnten“, erinnert sich Bi- etwa drei Autostunden östlich der Haupt- Anfang März des vergangenen Jahres schof Tine. Wer um die Frömmigkeit afri- stadt Dakar. Ein stabiler Sockel und ein wurden auch im Senegal die bekannten kanischer Christen weiß, kann erahnen, wie tief dieser Einschnitt gewesen sein muss. Glücklicherweise entwickelten sich die Dinge bald in eine bessere Richtung. Laut offiziellen Statistiken verzeichnete der Se- negal von Beginn der Pandemie 2020 bis Mitte Mai 2021 rund 40 800 Infizierte und 1200 Todesopfer. Wenn auch jeder Einzelfall beklagenswert ist, so sind doch die Zahlen viel niedriger, als von vielen Seiten vorhergesagt worden war. Trotz- dem betont Bischof Martin Tine: ,,Die Pandemie hat die Menschen sehr hart ge- 32 | missio 4/2021 missio 4/2021 | 33
VOR ORT SENEGAL mert. Und bei Vertretern der Regierung, mit denen die Kirche zusammenarbeitet. Der Bürgermeister zählt dazu, und ebenso der ,,Unterpräfekt“ der zuständigen Ver- waltungseinheit, der als Regierungsbe- amter den Staat repräsentiert. Es gibt al- lerlei Dankesreden und Ansprachen. ,,Der Staat“, betont der Präfekt, ,,tut sein Bestes, um den Menschen auf dem Weg der Entwicklung zu helfen.“ Aber ange- sichts der gewaltigen Herausforderungen könne der Staat eben nicht alles alleine schaffen. Man sei dankbar für Partner wie Ob Algenzüchter, Salzstecher oder Erdnussbauern: Die Menschen hoffen auf gute Erträge. die katholische Kirche – auch in einer Re- gion wie Medina Sabakh, in der so gut wie keine Christen leben. Leider aber lässt sich nicht jedes Pro- blem sofort beheben, wie sich bei der an- schließenden Projektbesichtigung zeigt. Vielmehr tritt manchmal schon ein neues Problem auf, während das alte noch gar nicht richtig gelöst ist. Da ist also eine Gruppe von etwa zehn Frauen, die ge- Ortstermin: Erzürnte Frauen schildern dem Regierungsmann, dass ihr Brunnen versiegt ist. Wie sollen sie Cashewnüsse und andere Produkte ernten? meinsam ein großes Feld bewirtschaften. Jede kümmert sich um eine Parzelle, die troffen, bis heute.“ Er denkt dabei vor al- Geld als zu Hause – Salz etwa ist bei den Hirse – erwiesen sich als deutlich magerer Erträge verkaufen sie gemeinsam. In den lem an die Begleiterscheinungen. ,,Die Nachbarn begehrt. Es wird in der Lagu- als in den Jahren zuvor. ,,Wir kamen also Beeten wachsen Tomaten und Zwiebeln, Menschen leben von der Frucht ihrer Ar- nenlandschaft um den Fluss Saloum ge- aus einer schwierigen Regenzeit“, sagt Bi- es sah bisher alles nach einer guten Ernte beit. Wenn das nicht möglich ist, dann wonnen und sogar bis hinüber nach Mali schof Tine, ,,und dann traf uns noch die aus. Doch plötzlich wurde das Wasser wird es sehr schwer.“ Zum Beispiel sind und Burkina Faso verkauft. Doch dieser Pandemie.“ Er ist kein Mensch, der die knapp, der gemeinsam genutzte Brunnen, es die Menschen in dieser Region ge- kleine Grenzhandel war vorübergehend Dinge hinterher dramatischer darstellen vor kurzem erst mit Spenden gebaut, gibt wohnt, für ein paar Stunden oder Tage ausgesetzt, die Grenzen blieben wegen möchte, als sie wirklich waren. Deshalb nichts mehr her. ,,Sie müssen etwas tun!“, hinüber ins kleine Nachbarland Gambia Corona geschlossen. Und ausgerechnet deutet er nur an, dass in manchen Dör- schleudern einige Frauen den beiden Re- zu fahren. Dort sind manche Dinge billi- in diesem Seuchenjahr war auch noch fern der Hunger vor der Tür stand. Viel gierungsmännern zornig entgegen. Der ger – Zucker zum Beispiel. Für andere die Regenzeit schlecht ausgefallen, die lieber möchte er betonen, dass sich die Präfekt schweigt lieber erst einmal, der Waren gibt es jenseits der Grenze mehr Ernten – ob für Erdnüsse, Cashew oder Lage heute wieder gebessert hat. Nothilfe Bürgermeister versucht, die aufgebrach- in Form von Lebensmittelspenden, die ten Frauen zu besänftigen. Gibt es ein auch mit Geld aus Deutschland finanziert technisches Problem, ist vielleicht ein wurden, überbrückte die allerschlimms- Wasserrohr beschädigt? Nein, stellt sich ten Tage. Vor allem aber gelang es den Menschen vor Ort, sich selbst aus der Mi- sere zu befreien. Das soll ein Ortstermin in der kleinen Landgemeinde Medina Sabakh zeigen. Auf dem staubigen Dorfplatz der Ort- schaft Taiif hat sich wohl so gut wie das ganze Dorf versammelt. Weil Ramadan ist, gibt es kein Festessen, und auch keine festliche Musik – der Anlass ist dennoch ein freudiger. Die Dorfgemeinschaft möch- te sich bedanken bei einer Abordnung der kirchlichen Caritas, die sich um die Ent- wicklungsprojekte auf dem Land küm- 34 | missio 4/2021 missio 4/2021 | 35
Mit einfachen Mitteln das Beste möglich machen: in der Gesundheitsstation, vor der Kirche und in der Grundschule. heraus, daran liegt es nicht. Die Frauen Hilfe in Notzeiten, und ein Rüstzeug gert kurz. Dann fügt sie hinzu: ,,Ich selbst. meinschaft in Dakar, aber da hätten alle konnten die Rechnung nicht bezahlen, für künftige Krisen – das möchte die Kir- Ich gehörte zu den ersten, die von der Abstand gehalten und Masken getragen. und so wurde ihnen unerbittlich die Was- che den Menschen in diesem Teil der Welt Krankheit betroffen waren.“ Sie sei ziem- Wie auch immer: Heute ist mehr als ein serzufuhr abgestellt. Warum? Auch der geben. ,,Das reicht von unseren Schulen lich schwer erkrankt gewesen, berichtet Jahr vergangen, seit das Virus in die Welt Senegal gehört zu den Ländern, die die bis zu den Gesundheitsstationen“, sagt sie. ,,Ich spüre die Folgen noch immer.“ kam. Die Probleme sind nicht weniger Wasserversorgung in die Hände von Bischof Martin Boucar Tine. Indem sie Wo sie sich angesteckt hat, weiß sie nicht. geworden. Aber die Zuversicht soll über- Großunternehmen geben, die gemeinsam Gutes tun, werden Christen als Minder- Es gab eine Versammlung der Ordensge- wiegen, trotz allem. A mit dem Staat eine zuverlässige Versor- heit auch im islamischen Umfeld akzep- gung sicherstellen sollen. Allzu oft lautet tiert und hoch geachtet. MONAT DER WELTMISSION 2021 aber der Vorwurf, dass dahinter nur Pro- Doch was, wenn die Helfer selbst in fitstreben steckt, und nicht der Sinn fürs Not geraten? Dominique Clerval ist eine Nach den langen Monaten der Corona-Pandemie richtet missio München den Blick wieder verstärkt Gemeinwohl. Ist das auch hier der Ordensfrau aus Frankreich, die schon auf seine Partnerländer in Afrika, Asien und Ozeanien. Wie ist es den Menschen dort ergangen, wie Grund? Es lässt sich nicht auf Anhieb klä- lange im Senegal arbeitet. Sie leitet ein haben sie die Pandemie erlebt? Oder haben sie vielleicht mit ganz anderen Herausforderungen zu ren. So verspricht der Bürgermeister nur: Zentrum, in dem Kinder mit Behinde- kämpfen? Bei den Aktionen im Monat der Weltmission im Oktober 2021 steht besonders der Se- ,,Ich werde mich darum kümmern.“ rung betreut und unterrichtet werden. negal im Mittelpunkt. Das Land in Westafrika gilt als Vorbild für das friedliche Zusammenleben Noch eine Station steuert die Gruppe Hat es hier Fälle von Corona gegeben? von Christen und Muslimen - während Nachbarn wie Mali und Burkina Faso unter Terror und Gewalt an: Es sind einige Getreidespeicher, mit ,,Ja“, sagt Schwester Dominique und zö- leiden. Doch auch in Dakar und anderen Städten kam es im Frühjahr 2021 zu Unruhen. Außerdem Unterstützung der Kirche angelegt, die sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie enorm, trotz vergleichsweise niedriger den Menschen Hilfe in Notzeiten bieten Infektionszahlen. Wie gehen die Menschen damit um, und welchen Beitrag kann die katholische SR. DOMINIQUE CLERVAL: sollen. Hier können Bauersfamilien einen Kirche leisten, die sich im islamischen Umfeld in einer Minderheitenposition befindet? ,,Ich war ziemlich schwer Teil ihrer Ernte einlagern und so das Saat- Sofern die Pandemie bis dahin in Europa weiter abflaut und es die Umstände zulassen, werden im gut für die nächste Pflanzperiode aufbe- an Covid-19 erkrankt.“ Oktober zahlreiche Gäste aus dem Partnerland Senegal nach Deutschland kommen. Bischof Martin wahren. Und falls die Vorräte zu Hause Boucar Tine aus Kaolack gehört ebenso dazu wie Benjamin Ndiaye, Erzbischof von Dakar, und An- knapp werden, finden sie hier noch ein- dré Guèye, Bischof von Thiès. Mit Kalif Mountaga Tall ist ein hochrangiger muslimischer Vertreter mal eine Notration. Sonst besteht oft die eingeladen; dazu Louise Ndione, Marie-Noëlle Mendy und Abbé Fulgence Coly. Die Mönche aus dem Gefahr, dass alle Bauern sofort nach der Kloster Keur Moussa bringen westafrikanische Musik und Spiritualität mit nach Bayern. In den kom- Ernte gleichzeitig ihre gesamten Erträge menden Ausgaben des missio magazins werden die Gäste und ihre Arbeit vorgestellt. Schon jetzt auf den Markt bringen. Weil sie schnelles sind viele Informationen zu finden auf www.missio.com und www.weltmissionssonntag.de. Geld benötigen, und die Aufkäufer und Auskünfte erteilt außerdem Dr. Michael Krischer, m.krischer@missio.de, Tel.: 089/5162-247. Zwischenhändler sie mit vermeintlich gu- ten Preisen locken. Dann bleibt aber in Tagen der Not oft nichts mehr übrig, und die Menschen müssen selbst wieder Ge- treide zukaufen. Manche Händler nutzen dann diese Lage aus und verlangen viel Geld, die Familien stürzen in die Schul- denfalle. 36 | missio 4/2021 missio 4/2021 | 37
Sie können auch lesen