Schriftliche Kleine Anfrage - der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 21.03.16
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BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3726 21. Wahlperiode 29.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 21.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Neubau bei Sozialwohnungen nur Tropfen auf den heißen Stein Die Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt verkündete Ende Feb- ruar, dass die Stadt im Jahr 2016 wieder 2.000 Sozialwohnungen über die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) fördern wolle. Was sie nicht erwähnte ist, dass trotz des in den letzten Jahren erhöhten Zubaus an Sozialwohnungen dieses nicht den Wegfall vorhandener Sozial- wohnungen aufwiegen wird: Gab es 1990 in Hamburg noch 265.600 Sozial- wohnungen (vergleiche Drs. 20/10649), waren es 2014 nur noch 87.000 (vergleiche Drs. 21/2905). Die staatliche Förderung von Sozialwohnungen beinhaltet Mietpreis- und Belegungsbindungen für zumeist 15 Jahre. Heute fallen jährlich mehr Woh- nungen aus der Bindung, als der Zubau kompensiert. Die Zahl nimmt trotz des von der Senatorin gepriesenen Zubaus stetig weiter ab, da dieser deut- lich geringer ausfällt als die Zahl jener Wohnungen, die aus der Mietpreis- und Belegungsbindung herausfallen. Vom Auslaufen aus der Belegungsbin- dung an sind Mietpreiserhöhungen nicht nur möglich, sondern sehr wahr- scheinlich. Zugleich steigt die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum im 1. Förderweg sowie durch die hinzukommenden Einwanderer drastisch und vergrößert die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage noch stärker. Bereits 2013 soll es laut Senatsangaben bei den vordringlich Wohnungssuchenden (Obdachlose, Bewohnern aus Frauenhäusern, aber auch als Flüchtlinge anerkannte Asylbewerber) 8.054 unversorgte Fälle (vergleiche Drs. 21/2905) gegeben haben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur Verbesserung der Wohnungsversorgung für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen hat der Senat in der 20. Legislaturperiode die Mittel für den sozialen Mietwohnungsneubau erheblich aufgestockt. Seit 2011 stehen Fördermittel für jährlich mindestens 2.000 Neubauwohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen bereit. Im Zeitraum 2011 bis 2014 wurden von der Hamburgischen Investitions- und För- derbank (IFB) insgesamt rund 8.500 Neubaumietwohnungen gefördert. Im Vergleich zum Zeitraum von 2007 bis 2010, in dem insgesamt nur rund 3.700 Mietwohnungen gefördert wurden, bedeutet dies eine Steigerung um rund 130 Prozent. Auch im Jahr 2015 konnten wieder mehr als 2.000 Mietwohnungen mit Mietpreis- und Belegungs- bindungen gefördert werden. Zusätzlich wurden im Zeitraum von 2011 bis 2015 Modernisierungen (Mod B) mit Mietpreis- und Belegungsbindungen und Ankauf von Belegungsbindungen im Bestand für insgesamt rund 3.750 Wohnungen bewilligt. Die Anstrengungen des Senats zur Steigerung des sozialen Mietwohnungsbaus sind erfolgreich.
Drucksache 21/3726 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass durch die Entscheidung von Senat und Bürgerschaft im Jahr 2003/2004, Darlehensforderungen aus Zinsen und Tilgungen der ehemaligen WK zur Finanzierung des Haushalts zu verkaufen (Forderungsverkauf), der IFB dauerhaft Einnahmen fehlen, für die nun durch den Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg ein Ausgleich erfolgen muss. Der an die IFB zu leistende Ver- lustausgleich wird hierdurch für den Zeitraum 2016 bis 2021 mit rund 135 Millionen Euro und ab 2022 um jährlich 21 Millionen Euro vorbelastet, diese Mittel stehen nicht für die Wohnraumförderung zur Verfügung. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen – teilweise auf der Grundlage von Auskünften von SAGA GWG und der IFB – wie folgt: 1. Die städtische Gesellschaft SAGA GWG wird dieses Jahr 2.000 Sozial- wohnungen herstellen. Wie viele Wohnungen im 1. Förderweg wurden in den Jahren 2011 bis 2015 jeweils von der Stadt hergestellt? 2. Wie viele Wohnungen im 1. Förderweg wurde von privaten Investoren zwischen 2011 bis 2015 jeweils erstellt? Welchen Anteil hatten hieran Wohnungsbaugenossenschaften? 2011 2012 2013 2014 2015 Fertiggestellte geförderte Miet- wohnung im 1. Förderweg insge- samt: 1.182 607 1.330 2.020 2.105 davon SAGA GWG 156 52 512 1.015 918 Private Investoren 1026 555 818 1005 1187 davon Wohnungsbau- genossenschaften 165 144 202 285 200 Quelle: IFB; Stand März 2016 Hinweis zum Jahr 2015: Für die Erfassung der Fertigstellungen ist laut Fördersyste- matik die sogenannte mittlere Bezugsfertigkeit des gesamten Förderobjektes maßgeb- lich. Diese gilt im Weiteren als Grundlage zur Festlegung der Bindungsdauer. Bei Bauvorhaben, die mitunter über mehrere Jahre hinweg gebaut werden, wird erst nach Fertigstellung der letzten Wohnung die mittlere Bezugsfertigkeit des gesamten För- derobjektes statistisch erfasst. Daher können sich die hier genannten Zahlen erhöhen, wenn nachträglich Bauvorhaben für 2015 als fertiggestellt gemeldet werden. 3. Von welcher Anzahl an privat gebauten Sozialwohnungen geht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde für 2016 aus? Die zuständige Fachbehörde geht insoweit von gut 1.000 Fertigstellungen aus. 4. Laut Drs. 20/4588 aus dem Jahr 2012 fallen im Jahr 2016 5.805 Woh- nungen aus der Mietpreisbindung heraus. Entspricht die Prognose von vor vier Jahren dem Ist-Zustand? Wie viele Sozialwohnungen werden dieses Jahr tatsächlich aus der Bindung entfallen? 5. 2015 sollen es 8.019 gewesen sein. Wie sahen die Ist-Zahlen im ver- gangenen Jahr aus? 2016 werden Sozialbindungen für 5.393 Wohnungen planmäßig enden. Im Jahr 2015 endeten Sozialbindungen für 7.715 Wohnungen. Bei den in Drs. 20/4588 aufgeführten Wohnungen handelt es sich auch um Bestände, bei denen die Darlehen teilweise prolongiert werden konnten und damit die Bindung weiter besteht. 6. 4.220 Wohnungen, die 2015 aus der Bindung entfielen, befanden sich im Bestand der SAGA GWG. a. Wie agiert die SAGA GWG in solchen Fällen? Nutzt die SAGA GWG den vollen rechtlichen Rahmen der Mietpreiserhöhung aus? Wie und zu welchem Zeitpunkt werden die Mieter über die Erhö- hung informiert? 2
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3726 SAGA GWG prüft die Erhöhung der Nettokaltmieten auf Basis der gesetzlichen Vor- schriften. Die Festlegungen zur Mietenbildung werden sozialverträglich individuell unter Berücksichtigung von quartiersspezifischen Gegebenheiten getroffen. Dabei orientiert sich SAGA GWG grundsätzlich am Mittelwert des Mietenspiegels. Die Miete- rinnen und Mieter werden unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die Erhöhung informiert. b. In welchen Quartieren beziehungsweise Wohnungen der SAGA GWG kam es zu Mietpreiserhöhungen und in welcher Höhe? Die Wohnungen liegen in folgenden Quartieren (Stadtteilen): Altona-Altstadt, Billstedt, Dulsberg, Eimsbüttel, Finkenwerder, Groß Borstel, Harburg, Hausbruch, Hohenfelde, Horn, Hummelsbüttel, Lohbrügge, Lurup, Jenfeld, Neugra- ben-Fischbek, Neustadt, Osdorf, Ottensen, Rahlstedt, St. Pauli, Wilhelmsburg. Die weitergehend von der Fragestellerin erbetenen Daten werden bei SAGA GWG statistisch nicht erfasst. Eine manuelle Auswertung, über den Gesamtbestand von SAGA GWG hinweg, ist im Rahmen der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfü- gung stehenden Zeit nicht möglich. 7. Welche Auswirkungen hat die am 1. Juli 2015 in Hamburg in Kraft getre- tene Mietpreisbindung auf aus der Bindung auslaufende Sozialwohnun- gen? Welche speziell auf die im SAGA-GWG-Bestand? Die Mietpreisbremse gilt nur bei Neuvermietungen. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. und 6. a. 8. Wie war die prozentuale Erhöhung jeweils vor und nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse im privaten Sektor sowie speziell im SAGA-GWG- Bestand? Hierzu liegen der zuständigen Fachbehörde keine Daten vor. Im Übrigen siehe zu 6. b. 9. Wie viele geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung wird es nach der- zeitigen Planungen Ende 2016 in Hamburg geben (bitte nach privaten und städtischen Investoren sowie nach Bezirken aufschlüsseln)? Wie lauten die Ziele des Senats für 2020, 2025 und 2030? Ende 2016 wird es nach derzeitigen Planungen 83.818 geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung in Hamburg geben. Eine Differenzierung nach privaten und städti- schen Investoren und gleichzeitig nach Bezirken ist bei der Betrachtung der Planung nicht möglich. Im Übrigen hat sich der Senat nicht befasst. 10. Wurde der geplante Subventionsbarwert − 2015 lag er bei 171 Millionen Euro − in den vergangenen fünf Jahren jeweils vollständig ausge- schöpft? Die Subventionsbarwerte der Bewilligungsvolumina in dem jeweiligen Wohnungsbau- programm des Senates wurden im Jahr 2011 und im Jahr 2015 vollständig ausge- schöpft. In den Jahren 2012 bis 2014 wurde er ganz überwiegend ausgeschöpft. 11. In Drs. 21/1838 wird vorgerechnet, welche Auswirkungen der für das Programm „Perspektive Wohnen“ vorgesehene Subventionsbarwert in Höhe von 455 Millionen Euro auf den Haushalt der Freien und Hanse- stadt Hamburg hat. Da seit 2003 ein fester Diskontierungszinssatz in Höhe von 6,5 Prozent verwendet wird und das aktuelle Zinsniveau daher vernachlässigt werden kann: Wie wirkt sich ein Subventionsbarwert in Höhe von 1 Million Euro bei einer Mietpreisbindung von 15 Jahren über die Laufzeit grundsätzlich auf den jeweils laufenden Haushalt aus? Bei einer Bewilligung in Höhe von 1 Million Euro Subventionsbarwert im Jahre 2015 im Mietwohnungsneubauprogramm (1. Förderweg) mit 15-jähriger Bindung entstün- den geschätzt folgende jährliche Haushaltsbelastungen in Euro: 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 25.947 237.225 107.493 105.639 104.527 103.415 102.303 101.191 3
Drucksache 21/3726 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 100.079 98.967 97.855 96.743 95.631 94.519 93.411 12. Da in den nächsten Jahren zahlreiche Bindungen auslaufen, müssten auch Mittel in dem jeweils laufenden Haushalt frei werden. Wie hoch sind diese? Bitte für jedes Jahr bis 2025 einzeln auflisten. Die Wohnungsbauförderung in Hamburg erfolgt durch die IFB mittels zinsgünstiger Darlehen und Wohnungsbauzuschüssen grundsätzlich über die jeweiligen Laufzeiten der Sozialbindung. Der der IFB dadurch entstehende Aufwand wird durch den Zins- und Verlustausgleich aus dem Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg ausge- glichen. Die jährlich aktualisierte Wirtschafts- und Finanzplanung der IFB berücksich- tigt die jeweiligen Bindungslaufzeiten und führt im Ergebnis zu entsprechenden Aus- gleichsbedarfen der Bank, die Grundlage der Haushaltsveranschlagung für den Zins- und Verlustausgleich sind. Das Auslaufen von Sozialbindungen führt damit nicht unmittelbar zum Freiwerden von bereitgestellten Haushaltsmitteln. 13. Eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) gibt an, dass 46 Prozent der Haushalte in Sozialwohnungen nicht wirklich bedürftig sind. Trifft dieses auch für Hamburg zu? Empirische Daten über die Einkommensstruktur der Haushalte im Hamburger Sozial- wohnungsbestand liegen der zuständigen Fachbehörde nicht vor. 14. Das IW kritisiert, dass wer in eine Sozialwohnung zieht nur vor Bezug belegen muss, dass er über ein geringes Einkommen verfügt. Danach werde das Einkommen nicht mehr überprüft, obwohl im Laufe der Jahre der Erhalt oder Wechsel eines Arbeitsplatzes eine völlig neue Ausgangs- lage schaffen. Erfolgt auch in Hamburg nur eine einmalige Überprüfung der Einkommenshöhe? Ja. 15. Wie steht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in diesem Zusammenhang zu einer Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe? Welche Vor- beziehungsweise Nachteile hat diese? Der Verzicht auf die Erhebung der Fehlförderungsabgabe ab 1. Juli 2002 war von der Hamburgischen Bürgerschaft am 12.06.2002 beschlossen worden, um Segregations- und Abwanderungstendenzen aus den Sozialwohnungsbeständen entgegenzuwirken. Die in der Drs. 17/496 dargelegten Gründe für den Verzicht auf die Fehlbelegungsab- gabe bestehen unverändert fort. Daher ist eine Wiedereinführung nicht vorgesehen. 16. Zudem gibt es in Hamburg mehrere Freistellungen von der Mietpreis- und Belegungsbindung in der Hoffnung, so eine bessere Durchmischung der Wohnviertel zu erreichen. Bei wie viel Prozent der geförderten Woh- nungen in Hamburg lag eine solche Freistellung 2015 vor? Die in den Freistellungsgebieten freigestellten Sozialwohnungen machen einen Anteil von 19,09 Prozent an den Sozialwohnungen in Hamburg insgesamt aus. 17. Statt den Bau von Sozialwohnungen zu fördern, schlägt das IW vor, ein erhöhtes „Wohngeld anstelle des sozialen Wohnungsbaus zu setzen“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 2. Februar 2016). Vorteil sei, dass Wohngeld nur so lange gezahlt werden müsste, wie der betroffene Haushalt bedürftig wäre. Was spricht aus Sicht des Senat beziehungs- weise der zuständigen Behörde für und was gegen die Umsetzung die- ses Vorschlages? Aus wohnungspolitischer Sicht ist das Wohngeld als Subjektförderung eine wertvolle Ergänzung zur Wohnraumförderung (Objektförderung). Wohngeld ermöglicht gering- verdienenden Haushalten die Anmietung einer Wohnung im mittleren Preisniveau. Jedoch schafft das Wohngeld im Gegensatz zur Wohnraumförderung kaum Impulse für den Wohnungsneubau. Die Abschaffung des Sozialwohnungsbaus würde das Angebot an preisgünstigem Wohnraum deutlich sinken lassen und die Wohnraumver- 4
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3726 sorgung insbesondere von Haushalten mit Marktzugangsproblemen erheblich erschweren. 18. Weiter kann in Hamburg unter bestimmten Voraussetzungen in abge- grenzten Quartieren eine Erhaltungsverordnung angewendet werden. Wie kann die Anwendung der Erhaltensverordnung die flächendeckende Mietpreisbremse ergänzen? In welchen Fällen ist dieses sinnvoll, in wel- chen kontraproduktiv? Ziel des Instrumentariums der Sozialen Erhaltungsverordnung und der Umwandlungs- verordnung ist der Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonde- ren städtebaulichen Gründen in Gebieten, die unter starkem Aufwertungs- und Ver- drängungsdruck stehen. Ein individueller Schutz von Mieterinnen und Mietern ist damit nicht verbunden. Das soziale Mietrecht und die Soziale Erhaltungsverordnung verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Lediglich mittelbar kann sich aus dem städtebaulich begründeten Erhaltungsziel der Schutz bestehender Mietverhältnisse ergeben. 5
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