Schriftlicher Teil zur künstlerischen Diplomarbeit vorgelegt von Luca Fuchs Universität für angewandte Kunst Wien Institut für Design ...

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Schriftlicher Teil zur künstlerischen Diplomarbeit vorgelegt von Luca Fuchs Universität für angewandte Kunst Wien Institut für Design ...
Isolation und Kunst
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                            Frustration und Produktion

Schriftlicher Teil zur künstlerischen Diplomarbeit vorgelegt von Luca Fuchs
Universität für angewandte Kunst Wien

Institut für Design

Studienzweig: Angewandte Fotografe und zeitbasierte Medien

1. Betreuerin: o. Univ. -Prof. Maria Ziegelböck 2.Betreuerin: Jens Preusse

Angestrebter akademischer Titel: Mag. art.

Sommersemester: 2021

Matrikelnummer: 01474128
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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
Formulierung der Fragestellung

2. Text „Die Schleicherin“
Textvorlage für den Fotofilm

3. Kunst, eindeutig?
Gedanken zum Stand politischer Kunst mit Blick auf die Oscars

4. Wahnsinnig Wohnen
Polanskis „Der Mieter“ im Vergleich mit „Die Schleicherin“

5. Der Fotofilm
Information und Irritation

6. Form Follows Restriction
Von der Einschränkung zur Methodik

7. Der vertrauensunwürdige Erzähler
Textanalyse von „Die Schleicherin“

8. Found Footage
Der „Rohrschach-Test“ im Staatsarchiv

9. Frustration als Antrieb?
Motivation und Produktion

10. Resümee
Abschluss der schriftlichen Teils zur künstlerischen Diplomarbeit

11. Leseliste Quellenverzeichnis

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1. Einleitung - Formulierung der Fragestellung

Seit 2020 hat sich mein Arbeitsalltag stark gewandelt. Während ich vorher auf einer relativ
regelmäßigen Basis agierend Jobs hatte, an Sets stand und im Austausch mit mal größeren Film-,
mal kleineren Foto-Teams Projekte umsetzte, hat sich seit Juli 2020 diesbezüglich kein einziges
Projekt mehr ergeben. Während im ersten Lockdown zunächst das Neue und Ungewohnte des
noch frischen Ausnahmezustand überwog und sogar einen gewissen Motivationsschub nach sich
zog, stellten sich im zweiten und dritten Lockdown schon bald Gefühle der Frustration ein.
Gefühle, die ich mit meiner künstlerischen Arbeit abstrahiere und visualisiere.
Hierbei habe ich mich dafür entschieden, besagte Gefühle bewusst in einen fiktionalen mal mehr,
mal weniger schnell lesbaren Rahmen einzubetten. Als theoretische Begleitung zu meiner
künstlerischen Arbeit will ich mich der Frage widmen, inwiefern der Trend hin zur künstlerischen
Eindeutigkeit einem Werk schadet und mit Blick auf meine eigene Arbeit an einem Gegenentwurf
arbeiten - einem Gegenentwurf, der sich seinen Restriktionen bewusst ist und die Einschränkung
zur Methode macht. Im Zuge dessen wird sich abzeichnen, wie viel des theoretischen
Ursprungsgedanken in der praktischen Arbeit lesbar bleibt und wie wichtig dieser Umstand für die
Arbeit selbst ist. Als künstlerische Praxis habe ich mich für ein Medium entschieden, das
gegenwärtig eher wenig Beachtung findet - den Fotofilm. Dieser fungiert als Hybrid meiner
Tätigkeit als Regisseur und Fotograf. Auf der reinen Oberfläche scheint dem Fotofilm die „Folien-
Präsentation“ (Keynote o.ä.) als solche verwandt zu sein. Bildfolgen, die Informationen vermitteln -
mal mit Text, mal mit Ton. Zwar haben in der Vergangenheit Alain Resnais, Agnès Varda und
andere das Medium auch künstlerisch genutzt, jedoch findet diese Kunstform kaum noch
Anwendung. Ein aktueller, durch Popkultur konditionierter Blick wird das dementsprechende
Verfahren hauptsächlich als zweckorientierte Präsentationsform kennen. Anders als bei den
angesprochenen Präsentationen steht bei meinem Fotofilm weniger das Vermitteln linearer
Information, als viel mehr das Streuen (teilweise) widersprüchlicher Informationen im Zentrum.
Durch diese Form der Zweckentfremdung ziele ich auf eine Grundirritation der Zuschauer. Unsere
Konditionierung auf reibungslose „25 Frames per second“, sowie die Gewohnheit Fotofilme eher
in der Präsentation von Information, als in der fiktionalen Erzählung zu finden, führt zu einem
gewissen Bruch mit der Gewohnheit. Der „Staccato“ - Takt des Mediums wird hier symbolisch zur
Schnappatmung der „Schleicherin“.

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Kurzgeschichte „Die Schleicherin“ - Textvorlage für den Fotofilm

Da auch die von mir geschriebene Kurzgeschichte „Die Schleicherin“ in weiterer Folge relevant für
meine theoretische, wie praktische Arbeit ist, habe ich mir erlaubt, sie an dieser Stelle einzufügen.

Die Schleicherin
Behutsam öffnet die Schleicherin die Türe zu der 1-Zimmer-Wohnung in der sie lebt als hätte
sie Mitbewohner. Sofort ist da der Geruch zu fetter, zu grober Lebensmittel . Wer in seiner
Küche schlafen muss, entwickelt eine neue Sichtweise auf ihren Inhalt. Wenn schon der herb-
süßliche Duft alter Zwiebelschalen in der Fantasie der Schleicherin zu faulen Augäpfeln wird,
dann lässt sich in dem verschimmelten Obstkorb auch ganz sicher eine Ursache für das
verkorkste Verhältnis zu den Eltern finden. Also schleicht die Schleicherin schleichenden
Schrittes hin zum leise surrenden Problemkasten und öffnet die Türe. Das darin abwesende
Licht, das schon vor Jahren ausgefallen ist, beleuchtet keine sich in einer Schüssel
befindende alte Suppe, keine zwei Zwiebelschalen und auch keinen Schokoladenpudding.
Die Schleicherin wartet bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben und ist entsetzt,
wie schlecht die Adaption funktioniert - war das schon immer so oder war es einfach immer
weniger dunkel? Sie greift ins Ungewisse und zuckt etwas auf, als ihr Finger in die Suppe
fährt. Wo die Suppenoberfläche endet und der Horizont beginnt, hat sich ein ledriger Film
gebildet. Eine Schokoladen-Schutzschicht wenn man so will - doch man will nicht.
Die Schleicherin nimmt die Schüssel in beide Hände, geht aus der halbe Küche ins ganze
Badezimmer und kippt den Inhalt ins Klo. Wie ein Sturzbach prasselt die Flüssigkeit ins
Klowasser und die Schleicherin hält sich ihre Ohren zu - was man selbst nicht hört, hört auch
sonst keiner. Das hat die Schleicherin schon vor Jahren begriffen. Damals hatte sie mit
heißem Wachs experimentiert und versucht, den Geräuschen endgültig den Garaus zu
machen. Spuren inzwischen kalten Wachses ließen sich immer noch im Gehörgang der
Schleicherin finden - doch es sucht ja keiner. Wie sie da so steht, die Ohren fest
umschlossen, fällt ihr Blick in den Spiegel. Direkt neben dem Badezimmerfenster leuchtet
eine Reklame und illuminiert das Zimmer, sodass die Adaption nun leichter als zuvor fällt. Im
Spiegel - die Schleicherin - wenig dickes Haare, bleiche, pickelige Haut, tiefsitzende, groß
aufgerissene Augen. In den Händen, eine stinkende Schüssel.
Als die Schleicherin ihren Blick wieder vom Spiegel abwendet beginnen die Geräusche. So
als hätte man ihrem Tun und Handeln urplötzlich die Legitimation abgesprochen, hält sie Inne
und schließt die Augen. In diesem verschlossenen Raum hinter Ihren Augen - dort, wo sie
sonst immer auf friedliche Schwärze hoffen konnte, tanzen nun Striche verschiedenster
Größe und Statur. Jedes Geräusch, das die Schleicherin vernimmt, macht dass da ein neuer
Strich ist. Jedes Knarren, jedes Knarzen stört die der Schleicherin hauseigene Dunkelkammer

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und ihren Frieden. Und so steht sie da - Zeugin ihres eigenen inneren Feuerwerks und als sie
die Augen wieder öffnet, fällt ihr Blick auf die noch zu kalte Wachskerze.

2. Kunst, eindeutig? - Gedanken zum Stand politischer Kunst mit Blick auf die Oscars

Warum sich die Mühe machen und einen konkreten Sachverhalt abstrahieren? Warum keine Fotos
aus der Quarantäne? Warum nicht direkt das bebildern, was solch eine Arbeit nach sich zieht?
Warum keine Plakat-Kunst? Einige Häuser von mir entfernt, ließe sich ein treffendes Beispiel für
genau solch einen Umgang mit der Krise finden. In einem Atelier werden von einer aus der
Schweiz stämmigen Künstlerin FFP2-Masken bestickt, bemalt, zerschnitten, mit Wattestäbchen
versehen - verumstaltet. In der letzten Zeit konnte ich immer wieder beobachten, wie die
Reaktionen auf das dazugehörige Schaufenster ausfallen. Man bleibt beim Weg zum Einkaufen
stehen, macht ein Foto, schickt es (vermutlich) in die Whatsapp-Gruppe des Vertrauens und geht
weiter. Sicher ist der Anspruch einer solchen Aktion ein anderer als der meiner Diplom-Arbeit -
dennoch lässt sich daran meines Erachtens etwas feststellen. Wenn künstlerische Produkte nur
auf der Oberfläche funktionieren, ihre Lesbarkeit quasi auf der Hand liegt, ziehen sie eine nach
einer kurzen Zeit sofort wieder abklingende Reaktion nach sich. Da ich selbst vorwiegend mit dem
Medium Film arbeite und selbiges auch als eine meiner Haupt-Inspirationsquellen verorte, richte
ich den Blick nun auf einige gegenwärtigen Prozesse der Filmlandschaft.     Sieht man sich die
aktuellen Anwärter prestigeträchtiger Filmpreise (Oscars, Golden Globes) an, so entsteht der
Eindruck, dass es einen derzeit einen überaus stark ausgeprägten Hang zum explizit „politisch-
korrekten“ gibt - „Virtue Signaling“ steht im Zentrum der Arbeiten. Der Begriff des „Virtue
Signaling“ war 2015 erstmals durch den konservativen Autoren James Bartholomew im britischen
Magazin „The Spectator“ verwendet worden. [1] Der Autor wollte damit den Hang zu einer
vielleicht schon lange präsenten Form des selbstdarstellerischen Aktivismus ausdrücken.

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(Abbildung 1: https://media.wholefoodsmarket.com/whole-foods-market-launches-first-ever-
national-brand-campaign)

Am Beispiel eines „Whole Foods“-Plakats auf dem eine ihr Kind auf den Schultern tragende
Mutter zu sehen ist, sowie die Worte „Values Matter“ führte Bartholomew den Begriff ein - einen
Begriff der anfangs aus vermehrt konservativer Sicht gegen politische Opponenten in Stellung
gebracht wurde, später jedoch auch Einzug in die liberalen Medien fand.
So viel zur Geschichte des Begriffs.

Um den Begriff an die vorhin erwähnten filmischen Preisanwärter anzuschließen, genügt ein Blick
auf die Liste der nominierten oder die damals als besonders vielversprechend prognostizierten
Filme. In der jährlich herausgegebenen „Indiewire“-Prognose mit dem diesjährigen Titel „42 Must-
See Movies Eligible for the 2021 Oscar Nominations“ zeichnet sich die Entwicklung besonders
stark ab. [2] Folgende Aufzählung soll der Untermalung dieses Sachverhalts dienen -
„Nomadland“ dokumentiert das Leben für Amazon arbeitender Arbeitsnomaden am Rande der
amerikanischen Gesellschaft; „Minari“ zeichnet den Lebensweg koreanischer Immigranten nach,
die sich mit Hoffnung auf bessere Perspektive im Süden der USA ansiedeln; „One Night In Miami“
zeigt ein fiktionales Aufeinandertreffen von Personen der afroamerikanischen Bürgerrechts-
Befreiungsbewegung (Martin Luther King, Malcolm X, Muhammad Ali); „The Trial Of The Chicago
Seven“ ist die Verfilmung eines prominenten Skandal-Prozesses in dessen Verlauf ein
dunkelhäutiger Angeklagter im Gerichtssaal geknebelt wurde; Die von den Obamas produzierte
Dokumentation „Crip Camp“ verfolgt die Geschichte des New Yorker Behinderten-Camps „Camp
Ed“; In „Never Rarely Always Sometimes“ zeigt Eliza Hittman ein 17-jähriges Mädchen, das nach
New York reist, um dort eine Abtreibung vorzunehmen - es ließen sich mit Blick auf die Liste viele
weitere Beispiele bringen. [2] Nun mag die kritische Ambition in manchem Fall edel, in anderem
fragwürdig sein - das soll hier jedoch nicht Gegenstand der Diskussion sein. Viel mehr geht es mir
um die Frage, was verloren geht, wenn Kunst zur eindeutigen Werte-Bekundung verkommt.
Statt der politisch verhandelten Thematik, steht im Zentrum meiner Betrachtung der den Filmen
zugrunde liegende Umgang mit dem Medium als Ideologiemaschine. Im folgenden werde ich
anhand einiger Beispiele meine Position erläutern, um anschließend auf zurück auf meinen in der
Diplomarbeit verwirklichten Ansatz zu sprechen zu kommen.

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3. Wahnsinnig Wohnen - Polanskis „Der Mieter“ im Vergleich mit „Die Schleicherin“

Um mich von derartiger Protestkunst eindeutig abzugrenzen, habe ich für meine Kurzgeschichten
einen kleinen, persönlichen Rahmen gewählt, indem eine Zuspitzung äußerer Verhältnisse sich
durch den Innenraum darstellt. Ein filmhistorisches Beispiel für eine ähnliche Herangehensweise
lässt sich in Roman Polanskis „Der Mieter“ finden. Hier wird der von Polanski selbst gespielte
Protagonist Trelkovsky - ein schüchterner, polnischer Angestellter mit einer neuen Lebenssituation
konfrontiert, bei welcher Außen- und Innenraum stetig kollidieren zu scheinen. Trelkovsky will sich
in einer heruntergekommenen Mietwohnung in Paris einquartieren, deren Vormieterin vor kurzer
Zeit aus dem Fenster „gefallen ist“. Zwar scheint der Vermieter an dem Bewerber Gefallen zu
finden, jedoch kann er Trelkovsky noch keine verbindliche Zusage machen, da die Vormieterin zu
diesem Moment noch im Sterben liegt.

(Abbildung 2: Film-Still aus „Der Mieter“, Regie: Roman Polanski, Paramount Home
Entertainment, 1976)

Nach dieser Auskunft besucht Trelkovsky Choule auf ihrem Sterbebett, wo er Zeuge eines lauten
Schreis wird. Schon zu diesem frühen Moment zeichnet sich ein besonders stark ausgeprägtes
Schuldgefühl bei Trelkovsky ab - es scheint, als würde er sich eine Mitschuld am Zustand der
Sterbenden geben. Als Choule schließlich stirbt und er die Wohnung beziehen darf, besucht er die
Beerdigung und verhält sich so, als würde er reuig das Geschehene wieder gut machen wollen.
Sein Reuegefühl schlägt schließlich um in eine Identifikation mit der vorherigen Mieterin. Es
scheint, als wolle Trelkovsky den Tod der Vormieterin dadurch wett machen wollen, dass er sich
ihre Identität simuliert. Während dieser Phase des Films zeigt sich die Nachbarschaft schon
irrational feindlich gegenüber dem schüchternen Polen. Der psychische Zustand des Mieters
verschlechtert sich anschließend rapide - im Wahn vermischen sich Realität und Halluzination. Es
scheint, als poche die gesamte Nachbarschaft auf den Untergang des Mieters. Es wirkt auch so,
als sei der Blick der Kamera nun kein objektiver mehr - viel mehr wirkt es so, als wäre die
Trennung zwischen gefühlter Wahrheit und äußeren Lebensumständen aufgehoben. Die
Nachbarn, die mal stundenlang in einem Gang-WC stehend den Mieter anstarren, mal vor alle

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Türen (mit Ausnahme der des Mieters) koten, scheinen viel mehr zu Trägern innerer Projektionen
geworden zu sein. Der Film endet mit der völligen Identifikation Trelkovskys mit der Vormieterin -
er springt ihre Garderobe imitierend aus dem Fenster und die Wohnung ist wieder frei beziehbar.
[3]

(Abbildung 3 „Die Schleicherin“, Regie: Luca Fuchs, 2021)

Zwar geht es bei meiner Kurzgeschichte „Die Schleicherin“ inhaltlich um etwas anderes - jedoch
sehe ich einige Ähnlichkeiten in der Herangehensweise. „Die Schleicherin“ umschreibt den
Zustand einer in der Dauer-Isolation lebenden einsamen Frau, die allmählich den Verstand verliert.
Wie bei Polanskis „Der Mieter“ ist meine Herangehensweise für diese Geschichte eine Erzählung
in einem kleinen Rahmen. In der fotografischen Umsetzung sollte die Trennung zwischen Außen-
und Innenraum ebenfalls aufgehoben werden. Farblich expressive, vom Realen abweichende
Räume bebildern nicht ohne eine gewisse Dramatik das Alltagsgeschehen der „Schleicherin“,
indem einfache Handgriffe der bebilderten „Schleicherin“ viel Kraft abverlangen. Wie in „Der
Mieter“ scheint es eine Verschwörung gegen die Protagonistin zu geben - jedoch wird diese
anders als im Film nicht durch konkrete außerhalb der Protagonistin liegende Personen
dargestellt, sondern liegt in der Sinneswahrnehmung der Protagonistin selbst. Gießt die
„Schleicherin“ einen Teller aus, so fürchtet sie sich vor den daraus resultierenden Geräuschen.
Körperliche Modifikation scheint in beiden Geschichten einen vermeintlichen Ausweg aus dem
Wahnsinn darzustellen. Während Trelkovsky durch die vollständige Identifikation mit der
Vormieterin (und der daraus folgenden Travestie) bestrebt, sein Schuldgefühl zu tilgen, verfolgt die

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Schleicherin einen etwas anderen Ansatz. Mittels einer Verwaxung des Gehörgangs, meint sie die
sie drangsalierenden Geräusche ausmerzen zu können. Doch handelt es sich dabei um einen
Zufall, dass beide Charaktere ihren Körper in Folge eines weitestgehend isolierten Lebensstils als
unzulänglich wahrnehmen? Dr. Markus Thiele beschreibt in seinem Text „Soziale Isolation“„(…)
Einsamkeit in der Isolation (…) [als] eine lautlose Implosionserfahrung.“ [4] Eine Spezifik des
aktuell praktizierten „Social Distancing“ besteht darin, dass jeder Mensch potenziell als „Infektor“
wahrgenommen wird - was wenn diese Logik sich nach Innen richtet und die körpereigenen
Geräusche als Bedrohung wahrgenommen werden? Ein verstörend-mahnendes Beispiel hierfür
lässt sich im Umgang der „Schleicherin“ mit sich selbst finden. Es scheint, als wäre in der
Sinneswahrnehmung ein Wille zur Selbstverletzung. Nun ist die Bereitschaft, sich selbst ein Bein
zu stellen vor allem disruptiv im Alltag des Einzelnen. Sie verhindert den Fluß ihrer alltäglichen
Handlungen und macht die „Schleicherin“ zu einer permanent Unterbrochenen.

(Abbildung 4, „Die Schleicherin“, Regie: Luca Fuchs, 2021)

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4. Der Fotofilm - Information und Irritation

Die final angestrebte Präsentationsform meiner Arbeit findet mit dem        Format „Fotofilm“ eine
Form, die voll und ganz auf Disruption baut. Während der herkömmliche Film vom fürs
menschliche Auge reibungslosen Ablauf von meist 24 bzw 25 frames per seconds profitiert und
so die Sehgewohnheit des Zuschauers an flüssige Bilder konditioniert hat, wird mein Fotofilm
diese Sehgewohnheit brechen und die Zwischenräume nutzen, um eine gewisse mentale
Verfasstheit zu visualisieren. Waren es in der Vergangenheit doch oft eher politischer Eindeutigkeit
verpflichtete Filme, so trete ich (wie Anfangs beschrieben) im Kontrast dazu an, eine hoch-
stilisierte, teils kryptische Geschichte zu erzählen.

In einem Ankündigungstext des Arsenal Kinos in Berlin zu der 2006 stattgefundenen
Veranstaltungsreihe „Fotofilm“ ist von selbigem als „Zwitterwesen“ die Rede. Der Begriff
umschreibt die Koexistenz filmischer, wie fotografischer Elemente im Fotofilm. Während dem Film
die stetige Veränderung eigen sei, stünde für die Fotografie ein Moment der „Kontemplation“ im
Zentrum. [5] Es handelt sich also um ein Medium, das an der Grenze zweier Pole agiert und somit
immer eine gewisse Doppelbödigkeit aufweist. Umso passender, dass auch in „Die Schleicherin“
viele Zwischenzustände umschrieben werden: immer alleine - dabei jedoch stets verfolgt; dem
Wahnsinn entfliehen wollend - dabei selbstdestruktiv.

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5. Form Follows Restriction - Von der Einschränkung zur Methodik

Während ich im letzten „Diplomanlauf“ noch weitestgehend daran arbeitete, den vom Lockdown
diktierten sehr eingeschränkten Rahmen eher zu kaschieren, steht jetzt genau diese
Einschränkung im Zentrum der Arbeit. Warum übertünchen, was letztlich doch als einer der
Motoren dieser Arbeit verstanden werden kann? Die im Fotofilm vertretenen Bilder entstanden
allesamt unter dem Eindruck von Ausgangssperre, Kontaktbeschränkung etc.. Auch das Arbeiten
ohne größere Produktionsteams (Hair & Make Up, Lichtassistenten etc.), sowie die Arbeit mit
extra dafür angeschafften Heim-Equipment (Nebelmaschine, Baustrahler, Fahrradlampe) fließen
als zentrale Elemente in die Bilder ein. Diesem Umstand ist es beispielsweise zu verdanken, dass
viele Bilder noch abstrakter als die - selbst schon abstrakte - Geschichte - wurden. Auch ein
Abweichen vom Text ist somit quasi schon per Dekret bestimmt.

(Abbildung 5, „Die Schleicherin“, Regie: Luca Fuchs, 2021)

Während unter normalen Produktionsbedingungen wohl ein Set-Designer an der Umsetzung
konkret geschilderter Raumverhältnisse arbeiten würde, entwickelte sich meine
Herangehensweise unter Verzicht auf eine solche (externe) Position hin zum meist schwarzen,
meist nebligen Raum. Je weniger wir an gebauten Sets darstellen können, desto mehr verlagert
sich das Narrativ auf Spiel und Mimik der Protagonistin. Viele Künstler haben sich im Laufe der
Zeit auferlegte Restriktionen zu eigen gemacht. Wohl eine der prominentesten Restriktionen im
Film ist der „One-Location-Film“. Wie der Name sagt, handelt es sich hierbei um Filme, deren

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Handlung sich strikt an einem Ort abspielt. Während die Entscheidung, einen Film nur an einem
Ort spielen zu lassen, zwar durchaus aus künstlerischen Motiven gewählt werden kann, scheinen
auch hier wohl oft äußere Umstände ausschlaggebende Faktoren zu sein. Als eine der teuersten
künstlerischen Disziplinen, liegt es auf der Hand, dass jeder Location-Wechsel eine enorme
Geldsumme kostet. Doch lassen wir den praktisch-ökonomischen Blick auf den Film für einen
Moment außer Acht und widmen uns den künstlerischen Resultaten, die eine solche
Entscheidung nach sich zieht. In Alfred Hitchcocks „Rope“ aus dem Jahre 1948 gehen die beiden
Studenten Brandon Shaw und Phillip Morgan nach Hören einer Vorlesung über den „perfekten
Mord“ der Frage nach, ob eben dieser jusristisch straffrei zu meistern sei. Nach der Tötung ihres
Komilitonen David und dem anschließenden Verstauen in einer Truhe im gemeinsamen Apartment,
laden die beiden eine Hand voll Freunde ein, um ihren Triumph auszukosten. Ihnen ist das
zunächst scheinbar straffreie Töten jedoch nicht genug - den totalen Triumph ihrer Raffinesse
sehen die beiden in der Cocktailparty, die die sie trotz des präsenten toten Körpers unter Beisein
ihrer unwissenden Freunde zelebrieren. Wie man sich denken kann, spitzt sich die Lage letztlich
zu Ungunsten der Gastgeber zu und Shaw und Morgan werden verhaftet. Der Verzicht auf andere
Locations nimmt dem Film die Notausgänge. Die Sehgewohnheiten eines breiten Publikums sind
konditioniert an „Establishing-Shots“ (Shots, die eine Szene einleiten und die Handlung
lokalisieren - bspw Außenansicht eines Gerichtsgebäudes). Die Verwendung derartiger Shots mag
oft rein praktische Gründe haben, sorgt jedoch auch für ein „Öffnen“       der Bilder. Die Wirkung
eines solchen Bildes könnte man als narrative „Atempause“ bezeichnen. Verzichtet ein
Filmemacher nun auf eben so eine Atempause und „established“ im Gegensatz dazu von Anfang
ein belastendes Indiz innerhalb der einzigen Location, so wirkt der Ausschluss externer Locations
wie eine Schlinge, die sich allmählich zuzieht.

(Abbildung 5: Set „Rope“, Regie: Alfred Hitchcock, Universal Studios Home Entertainment, 1948)

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Selbstverständlich in viel kleinerem Rahmen - jedoch formverwandt, lässt sich ähnliches auch
über die Visualisierung der „Schleicherin“ sagen. Im Gegensatz zu „Rope“ befindet sich bei „Die
Schleicherin“ kein Beweis für ein Verbrechen im Raum - stattdessen dominiert der eigene
Wahnsinn, mit dem die Protagonistin „eingesperrt“ ist. Die Abwesenheit jeglicher externer
Locations in der eigenen Bildproduktion hat in beiden Geschichten jedoch einen ähnlichen Effekt.
Der unmitelbare Raum um die Protagonistin herum wird somit zur klaustrophobischen Falle für sie
selbst - wenn auch nur in ihrer eigenen Vorstellung. Wird bei „Die Schleicherin“ Außenraum
gezeigt, so handelt es sich um „Found Footage“-Aufnahmen einer längst vergangenen Epoche -
das Außen erscheint der Protagonistin als etwas gänzlich Fernes. In der großen ästhetischen Kluft
zwischen der eigens produzierten - im Innenraum stattfinden - Bildästhetik, zur äußeren
fremdproduzierten Bildästhetik zeichnet sich eben genau dieser Bruch ab.

Ein Film, der sich ganz ähnlich der Transformation von Alltäglichem hin zur imaginierten
Drohkulisse bedient, ist Roman Polanski’s „Repulsion“.

(Abbildung 5, „Repulsion“, Regie: Roman Polanski, Ascot Elite Home Entertainment GmbH, 1965)

Im Zentrum des Films steht Carol - eine junge Frau, die allmählich in ihrem Pariser Apartment
verrückt wird. Hierbei zeigen sich die seelischen Verletzungen der Protagonistin in Äußerlichkeiten
- mal als Halluzination, mal als überbordendende Reaktion auf einen einfachen Riss im Boden.
Ist es bei „Repulsion“ z.B. der Riss, die buchstäbliche Zerissenheit der Protagonistin visualisiert,
so werden bei der „Schleicherin“ bewusst entfremdete Lebensmittel zu symbolträchtigen
Elementen. In beiden Fällen erscheinen die Dinge nicht als das, was sie gemeinhin
gesellschaftlich darstellen. In beiden Fällen ist es der Blick der Protagonistin, dem die
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Betrachtung untergeordnet ist. Ein Blick, dem wir anfangs vielleicht noch Glauben schenken
können, dem wir jedoch schon bald aufgrund von Irritationen zu misstrauen beginnen. Jedoch
unterscheidet sich die „Schleicherin“ insofern von „Repulsion“, dass wir auf der Bildebene zwar
ihre verschobene Sicht der Dinge zu sehen bekommen, jedoch mittels eines ambivalenten Audio-
Erzählers gleichzeitig eine distanziertere Rolle zum Gezeigten einnehmen.

6. Der vertrauensunwürdige Erzähler - Textanalyse von „Die Schleicherin“

Diese narratologische Methode hat in verschiedensten Kunstformen eine lange Tradition. In den
Literaturwissenschaften erhielt der Begriff des unzuverlässigen Erzählers erstmals 1961 durch
Wayne C Booth Einzug. Booth stellte die Grundannahmen auf, dass ein fiktionaler Text zum einen
„(…) keinerlei Anspruch auf Referenz in der extradiegitischen Welt habe(…)“ - der Erzähler jedoch
in seiner subjektiven Logik durchaus einen Anspruch auf Richtigkeit verfolgt. [6] Der Erzähler kann
oder will (unbewusst) die Realität nicht klar sehen und kreiert sein eigenes Wertesystem - in
dessen Zentrum er selbst als richtende Instanz steht. Nun funktionieren literarische Texte meist
auf einer reinen Sprachebene, in der sich Erzähl-Positionen zwar durchaus verändern können -
jedoch in den meisten Fällen keine Gleichzeitigkeit verschiedener Erzähl-Modelle möglich ist.

(Abbildung 7,Fotofilm-Still „Die Schleicherin“, Regie: Luca Fuchs, 2021)

Im Falle von „Die Schleicherin“ handelt es sich jedoch wie oben bereits angerissen, um ein
anderes Modell. Während die Bilder der Geschichte sich am Gemütszustand der Protagonistin
orientieren und in ihrer Extreme jenen Verfolgungswahn, der ihren Alltag prägt wiedergeben,
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befindet sich auf der Tonebene ein Erzähler, den wir weder als klar objektiv verorten können, noch
als gänzliches Sprachrohr des Wahns der „Schleicherin“. Im folgenden möchte ich mittels einer
sprachlichen Untersuchung des Textes meine Feststellung verdeutlichen

(Abbildung 8 Textauszug, „Die Schleicherin“, Text von Luca Fuchs

Einerseits analysiert der Erzähler schon in der ersten Zeile des Texts das irrationale Verhalten der
Protagonistin, indem er feststellt, dass das Wohnverhalten der „Schleicherin“ nicht ihrer
Lebensrealität angemessen ist - andererseits übernimmt der Erzähler bereits im nächsten Satz
direkt ein Dogma, dass sich die „Schleicherin“ mit aller Wahrscheinlichkeit selbst auferlegt hat.

„Wer in seiner Küche schlafen muss, entwickelt eine neue Sichtweise auf ihren Inhalt.“

Aus welchem Grund sollte die „Schleicherin“ in ihrer Küche schlafen müssen? Gibt uns der
Erzähler mit dem Verweis auf eine „neue Sichtweise“ unter Umständen nicht schon einen Hinweis
auf eine mögliches Abweichen des Blicks der „Schleicherin“ von der von ihm definierten Realität?
Wir sehen dass er sich zum einen dem anzunehmenden Vokabular der „Schleicherin“ bedient, er
sie andererseits aber auch auf eine gewisse Art und Weise dekonstruiert, in dem er ihre Begriffe in
ein distanziertes Verhältnis zur Realität setzt. Dieses Spannungsverhältnis sorgt beim Betrachter
womöglich für ein Einsetzen von Reflexion über den Inhalt der Geschichte. Gleichzeitig sieht sich
der Betrachter jedoch einer Bilderflut ausgesetzt, die (zumindest stellenweise) eben jenes Narrativ
der „Schleicherin“ wiedergeben und ihn auf eine gewisse Art und Weise ausspielen gegen den
Dekonstruktivismus des Erzählers. Wir erleben also ein Wandern zwischen zwei Polen.
Im weiteren Verlauf der Kurzgeschichte, wird die Distanz zwischen Erzähler und Protagonistin
immer wieder kurz aufgehoben - jedoch scheint es sich bei diesen Aufhebungen nicht um
tatsächliche Momente der Einheit zu handeln. Wie wir am vorangehenden Textbeispiel sehen,
übernimmt der Erzähler hier rein sprachlich gefühlte Wahrheiten der Protagonistin. Festzumachen

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ist dieser Umstand an den einzelnen Vokabeln, die direkt dem Wortschatz der „Schleicherin“ zu
entstammen scheinen. Dafür ein kurzes Beispiel:

(Abbildung 8, Textauszug, „Die Schleicherin“, Text von Luca Fuchs)

Selbstverständlich existieren die von der „Schleicherin“ gemiedenen Geräusche auch in einer
äußeren Realität und bewahren sich somit eine gewisse Autonomie gegenüber ihres Hörorgans.
Es ist anzunehmen, dass das auch der distanzierte Erzähler weiß. Doch wenn dem so ist, warum
übernimmt er den wahnhaften Leitspruch der Protagonistin („Was man selbst nicht hört, hört
sonst auch keiner“)? Beim Lesen dieser Zeilen drängt sich einem der Verdacht auf, dass die
Distanz des Erzählers mitunter eine wertende ist. So wirkt es doch in dieser Textstelle so, als
würde der Erzähler sich einen gewissen Spott über sein Erzähl-Subjekt erlauben, um uns somit
die dem Subjekt inhärente Logik als eine ganz und gar verrückte vorzuführen. Die vom Erzähler
eingenommene Perspektive setzt trotz aller gewahrter Distanz jedoch ein Maß an Kenntnis über
das Seelenleben der Protagonistin vor. Woher sonst sollte der Erzähler Bescheid wissen, über
das, was die „Schleicherin“ durch das Zuhalten ihrer Ohren vermeiden will? Angesichts dieses
Umstandes drängt sich die Frage auf, ob der Erzähler dem Subjekt möglicherweise näher steht,
als er es gerne hätte. Die Frage, die es zu stellen gäbe, wäre die Frage nach einer möglichen
Seelenverwandtschaft zwischen Erzähler und Subjekt. Will der Erzähler mittels harscher
Verurteilungen der „Schleicherin“ möglicherweise ihm unliebsame Tendenzen in sich selbst
abstrafen? Unter einer Projektion versteht man gemeinhin einen Abwehrmechanismus, welcher
unbewusst vom Subjekt vollzogen wird. Dabei werden die eigenen Affekte und Sehnsüchte (oder
im Falle der Kurzgeschichte - Selbtserkenntnisse) auf ein Gegenüber übertragen. Die verfolgte
Intention dabei besteht darin, dass Selbstbild des Subjekts zu wahren und vor Schaden zu
schützen. [7]

Letztlich bleibt es im Kontext von „Die Schleicherin“ dem Betrachter überlassen, für wie groß er
die Projektionsleistung des Erzählers einstuft, oder ob er das meiste Dargestellte für wahr
erachtet. In der Film- und Literaturgeschichte gibt es zahlreiche Beispiele für ähnliche Erzähler-
Positionen, die in den jeweiligen Fällen ganz unterschiedliche Zwecke verfolgen können.
Ein durchaus bekanntes Beispiel für einen nicht vertrauenswürdigen Erzähler lässt sich in David
Fincher’s Filmadaption des Buches „Fight Club“ finden. Anders als bei „Die Schleicherin“ besteht
hier eine Identität zwischen Erzähl-Stimme und Protagonist. Und doch handelt es sich auch hier
um eine trügerische Struktur, da die Narration aus Sicht eines schizophrenen Protagonisten
erfolgt, der selbst Imagination und Realität nicht mehr auseinanderhalten kann - das Auflösen
dieses Plots am Ende von Film und Buch zählt wohl zu einem der berühmtesten popkulturellen

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„Twists“ der 90-er Jahre. Anders als bei „Die Schleicherin“ herrscht im bei „Fight Club“ Erzählten
jedoch keine (wenn vielleicht auch nur vorgespielte) Distanz zwischen Erzähler und Protagonist.

7. Found Footage - Der „Rohrschach-Test“ im Staatsarchiv

Im Schaffensprozess meiner künstlerischen Arbeit habe ich mich schließlich dafür entschieden,
auch „Found Footage“-Aufnahmen in meinen Schnitt mit aufzunehmen. Die Auswahl der hierfür
ausgewählten Arbeiten erfolgten und erfolgen (Stand: ca. zwei Wochen vor der Diplom-Prüfung)
nach eher intuitivem Prinzip. Da ich selbst der Autor meiner „Buchvorlage“ für die künstlerische
Arbeit bin, könnte man das assoziative Durchforsten von Staatsarchiven (die urheberrechtsfreies
Material zur Verfügung stellen) durchaus als eine Art „Rohrschach-Test“ beschreiben, bei dem ein
Stadium der Abstraktion schon durchlaufen wurde. Der „Rohrschach-Test“ geht auf den
Psychiater und Weggefährten von C. G. Jung Herrmann Rohrschach zurück. Dabei wollten die zu
neuen Erkenntnissen über ihre schizophrenen Patienten gelangen, indem sie ihnen Flecken
vorsetzten, auf Basis welcher die Probanden wiederum frei assoziieren sollten. [8] Ähnlich ist
dieser Prozess insofern, dass ich beim Schauen durch besagte Archive zwar durchaus eine
konkrete Stelle in meinem Schnitt zu bebildern intendiere, dabei aber auch assoziiere. Wie bereits
erwähnt, ist der Zugriff auf primär altes Material dabei zunächst auch dem Umstand geschuldet,
dass es nunmal praktisch möglich ist, diese Aufnahmen zu nutzen, ohne rechtliche
Schwierigkeiten zu bekommen. Man könnte dieser Vorgehensweise vorwerfen, dass es doch in
diesem Falle besser wäre, die Rechte für favorisierte Clips unabhängig vom Urheberrecht zu
erfragen - jedoch fügt sich das Arbeiten mit altem Material für mich eben genau wegen dieser
Restriktion als für das Projekt richtig an.

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8. Frustration als Antrieb? - Motivation und Produktion

Wie eingangs schon beschrieben, war es meine ursprüngliche Intention aus meist negativen
Gefühlen, die aus dem Ausbleiben von Arbeitsalltag, Freiheitsrechten etc. resultierten, eine Arbeit
zu schaffen, die sich allzu einfachen Rückschlüssen verwehrt. Doch wieviel Lockdown steckt in
dem Film und ist es wichtig, den Ursprung einer Arbeit rückverfolgen zu können? Nun könnte
man argumentieren, dass die „gewählten“ Produktionsbedingungen (in diesem Fall - die
auferlegten Restriktionen) allein schon genug Querverweis auf den gesellschaftlichen Kontext
darstellen - jedoch ist es mir wichtig, auch in Text, Bild und Ton eine Ästhetik zu finden, die der
zugrunde liegenden Inspiration entspricht. Aus diesem Grund besteht die Geräuschkulisse, die die
Kurzgeschichte zum Film macht aus Archiv-Tönen, die so etwas wie einen „Klangteppich der
Isolation“ bilden. Essenziell für die Arbeit ist hierbei das „sich selbst hören“. Eine Erfahrung, die
viele menschen während Social Distancing und Home Office wohl vermehrt „ungestört“ machen
konnten. Hierbei bildet der Atem ein zentrales Moment der Tongestaltung. Im Film wird das Atmen
- an sich eine lebenserhaltende, daher gemeinhin positiv besetzte Körperfunktion - zu einem
klaustrophobisch anmutenden Hintergrundrauschen. Aus diesem Grund hat der beauftragte
Sound-Designer Jean Phillip Oliver Viol die Atem-Geräusch zur Konstante im Ton gemacht.
Hierfür dient ein File, in welchem ich selbst die Geschichte flüsternd wiedergebe - die im
Hintergrund während des Films zu hörenden Atem-Geräusche entstammen alle diesem File.
Ursprüngliche Luftpausen während dem schnellen Geflüster werden so zum tragenden Element
der Tongestaltung. Eine ähnliche Zweckentfremdung tritt bei dem Gehen der „Schleicherin“ zu
Tage - mal hören wir zu schnelle, mal zu langsame Geräusche. Wie wenn die Protagonistin der
Geschichte ihre Einsamkeit durch das Ausleben verschiedenster Gehstile zu kompensieren
versuchen würde, erklingen die verschieden lauten Schritte auf dem Holzparkett. Doch auch die
Haushaltsgegenstände, die den Zweck verfolgten, das moderne Leben reibungsloser zu
gestalten, entwickeln sich im Sound-Design des Films zu einer Art Drohkulisse. Da ist der
elektrisch surrende Kühlschrank und als klimaktische Spitze der reißende Bach der Klospülung. In
genau dieser Umdeutung von Alltäglichem liegt der Schlüssel zur Lockdown-Verbindung. So
entsteht der Schrecken des Immergleichen - die Basis für den Wahnsinn der „Schleicherin“.
Auf fotografischer Ebene zeigt sich ein Wechselspiel zwischen hochästhetisierten Momenten der
(Selbst-)Stilisierung und harten Einschnitten. Mithilfe artifiziell geschaffener Lichtverhältnisse wird
das Szenario immer wieder vom Bereich des Alltäglichen getrennt. Die Dinge, die nicht als das
auftreten, was sie im herkömmlichen Gebrauch darstellen, werden gehüllt in Lichtstimmungen, die
es so meist im alltäglichen Setting nicht anzutreffen gibt.

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9. Resümee - Abschluss des schriftlichen Teils zur künstlerischen Diplomarbeit

Resümierend hoffe ich, dass es mir gelungen ist mit meiner Arbeit ein atmosphärisch dichtes
Werk zu schaffen, in dem sich einerseits viele Eindrücke der vergangenen Lockdowns
wiederfinden lassen, andererseits jedoch auch neue ästhetische Gefilde erschlossen werden
konnten. Trotz all der Tristesse meines Fotofilms hoffe ich, dass sich aus der Transformation
frustrierter Gefühle hin zu einer produktiven ästhetischen Erfahrung ein gewisser Optimismus
ableiten lässt.

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10. Quellen

[1] https://www.spectator.co.uk/article/easy-virtue abgerufen am 09.06.2021

[2]https://www.indiewire.com/gallery/best-movies-eligible-2021-oscars/ abgerufen am 09.06.2021

[3] https://www.moviepilot.de/movies/der-mieter-2 abgerufen am 09.06.2021

[4] https://psychologie-kulturkritik.de/soziale-isolation/ abgerufen am 02.06.2021

[5]https://www.arsenal-berlin.de/de/kino-arsenal/programmarchiv/einzelansicht/article/688/2804/
archive/2006/november.html aberufen am 02.06.2021

[6]http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/begriffe-und-termini/epik/1581-
unzuverlaessig abgerufen am 09.06.2021

[7] https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/projektion/11907 abgerufen am 09.06.2021

[8]https://www.internationalrorschachsociety.com/the-isr/the-rorschach-test/ abgerufen am 08.
06.2021

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