Senioren Tages- und Nachtstätte in Ettingen - teilstationäres Angebot komplettiert Versorgungskette - Begleitevaluation 2020 bis 2021 - Interface ...
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Senioren Tages- und Nachtstätte in Ettingen – teilstationäres Angebot komplettiert Versorgungskette Begleitevaluation 2020 bis 2021
Inhalt 1. Ausgangslage und Vorgehen | 4 1.1 Zielsetzung und Fragestellungen | 4 1.2 Methodisches Vorgehen | 6 2. Politische und strukturelle 3. Erkenntnisse aus der Rahmenbedingungen | 8 ersten Betriebsphase | 18 2.1 Fünf Gemeinden bilden eine 3.1 Räume und Infrastruktur | 18 Versorgungsregion | 8 3.2 Dienstleistungen und Angebot | 18 2.2 Enge Zusammenarbeit der Stiftung 3.3 Erfahrungen und Potenzial für Blumenrain mit Trägergemeinden | 10 Verbesserungen | 20 2.3 Stiftung Acavita stellt Infrastruktur für 3.4 Schwankungen bei der Auslastung als Pflegewohngruppe und die Tages- und Herausforderung | 23 Nachtstätte zur Verfügung | 12 3.5 Synergiepotenzial bei personellen 2.4 Zwei Stiftungen – zwei Ansichten zu Ressourcen | 26 altersgerechtem Bauen | 12 Wichtigste Erkenntnisse | 29 2.5 Tages- und Nachtstätte wird der Pflegewohngruppe angegliedert | 14 2.6 Breite Angebotspalette der Stiftung Blumenrain schafft Synergien | 14 4. Nutzen der Tages- und Wichtigste Erkenntnisse | 17 Nachtstätte | 30 4.1 Tages- und Nachtstätte trägt zur Entlastung der Angehörigen bei | 30 4.2 Angehörige empfehlen Tages- und Nachtstätte weiter | 30 4.3 Ambulante Lösung bei niedrigem Pflegebedarf kostengünstiger | 32 Wichtigste Erkenntnisse | 37 Anhang | 38 2 3
Abb. 1 Eingang Senioren Tages- und Nachtstätte 1. Ausgangslage und Vorgehen Seit April 2019 betreibt die Stiftung Blumenrain in der Ge- meinde Ettingen im Kanton Basel-Landschaft eine Tages- und Nachtstätte für pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren. Das Angebot ermöglicht einmalige oder regel- mässige Kurzzeitaufenthalte, tagsüber oder in der Nacht. Dadurch sollen pflegende Angehörige entlastet und vor- zeitige Heimeintritte vermieden werden. Die Tagesstätte und insbesondere das neue Angebot der Nachtstätte der Stiftung Blumenrain ergänzen damit bestehende stationä- re und ambulante Angebote in der Region Mittleres und Solothurnisches Leimental. Aufgrund des Anspruchs auf flexible Verfügbarkeit und 1.1 Zielsetzung und Fragestellungen Die Erkenntnisse und Lehren aus dem Aufbau und dem Betrieb der Tages- und Nachtstätte in Ettingen auf eine umfangreiche zeitliche Abdeckung waren der Der vorliegende Bericht hat zum Ziel, den Planungs- werden entlang der Fragestellungen in drei Kapiteln dargelegt: Aufbau und der Betrieb der Tages- und Nachtstätte mit prozess und die erste Betriebsphase der Tages- und – Im Kapitel 2 wird dargelegt, wie die Tages- und Nachtstätte entwickelt wurde und wie das Angebot in einigen Herausforderungen konfrontiert. Nachtstätte zu dokumentieren und über die Erfahrun- der Versorgungsregion und den Strukturen der Stiftung Blumenrain eingebettet ist. gen mit dem Betrieb zu berichten. Im Fokus der Be- – Im Kapitel 3 werden die Infrastrukturen und Dienstleistungen der Tages- und Nachtstätte beschrieben Dieser Bericht zeigt, wie die Verantwortlichen der Stif- richterstattung stehen daher die folgenden drei Fragen: und über die Erfahrungen und die Erkenntnisse aus der ersten Betriebsphase berichtet. tung Blumenrain ihr Angebot «Senioren Tages- und – Welche Rahmenbedingungen auf der politischen und – Im Kapitel 4 wird aufgezeigt, welcher Nutzen die Tages- und Nachtstätte für die Gäste, deren Angehö- Nachtstätte» (nachfolgend als Tages- und Nachtstätte strukturellen Ebene waren bei der Planung der Tages- rige und die Versorgungsregion hat. bezeichnet) geplant und in Betrieb genommen haben. und Nachtstätte relevant? Welche Aspekte haben den Die Age-Stiftung hat das Projekt wegen seiner innova- Betrieb positiv oder negativ beeinflusst? tiven Kombination von Tages- und Nachtstätte und – Wie gut konnten die geplanten Konzepte in die Praxis Pflegewohnung als förderungswürdig beurteilt und un- umgesetzt werden? Welche Lehren können nach der terstützte dieses mit einem Förderbeitrag. Im Rahmen ersten Phase des Betriebs gezogen werden? dieser Förderung sollen die Erkenntnisse und Lehren – Wie ist der Nutzen der Tages- und Nachtstätte für die zum Aufbau und zur Inbetriebnahme der Tages- und Gäste und deren Angehörige zu beurteilen? Wie ist der Nachtstätte der interessierten Öffentlichkeit zugänglich Nutzen der Tages- und Nachtstätte für die Versor- gemacht werden. Die Stiftung Blumenrain und die gungsregion Betreuung, Pflege und Alter Leimental Age-Stiftung haben dazu Interface Politikstudien For- (nachfolgend Versorgungsregion genannt) einzuschät- schung Beratung in Luzern mit einer begleitenden Eva- zen? luation beauftragt. 4 5
1.2 Methodisches Vorgehen chen der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Das Team von Interface hat die Erkenntnisse zur Pla- Basel-Landschaft geführt. nung und ersten Betriebsphase der Tages- und Nacht- – Gespräche mit Mitarbeitenden: Da die Tages- und stätte gesammelt und für den vorliegenden Bericht auf- Nachtstätte auch für die Mitarbeitenden neuartig war bereitet. Dazu wurden folgende Informations- und und eine gewisse Einsatzvielfalt mit sich bringt, wur- Datenquellen genutzt: den Gespräche mit drei Mitarbeitenden, der Gruppen- – Dokumenten- und Datenanalyse: Einen ersten Zugang leiterin des Standorts Ettingen sowie der verantwort- zur Thematik gaben die verfügbaren Dokumentatio- lichen Person der Aussenstellen geführt. Dabei war nen zur Tages- und Nachtstätte. Davon ausgehend von besonderem Interesse, wie die Mitarbeitenden mit wurden insbesondere für die Analyse des Kontextes den flexiblen Arbeitseinsätzen sowie den häufig wech- weitere Dokumente beigezogen, wie beispielsweise selnden Gästen und entsprechend den wechselnden die gesetzlichen Grundlagen auf kantonaler und kom- Krankheitsbildern umgehen und wie zufrieden sie mit munaler Ebene. Darüber hinaus wurden die gesetzli- der Zusammenarbeit im Team sowie insgesamt mit chen Grundlagen des Nachbarkantons Solothurn be- ihrer Tätigkeit sind. leuchtet, weil die Tages- und Nachtstätte auch – Befragung der Angehörigen: Um einen Einblick in die Einwohnern/-innen des Solothurnischen Leimentals Wirkungsweise der Tages- und Nachtstätte zu erlan- offensteht. Des Weiteren wurden quantitative Prozess- gen und mehr über die Zufriedenheit der Gäste und daten, die von der Stiftung Blumenrain zum Betrieb deren Angehörige mit dem Angebot zu erfahren, wur- der Tages- und Nachtstätte erhoben wurden, deskrip- den sechs telefonische Gespräche mit Angehörigen tiv ausgewertet. Dabei handelt es sich um Daten aus von Gästen geführt. Aus diesen Gesprächen wurden dem betriebswirtschaftlichen Monitoring der Tages- vier Fallporträts erstellt. und Nachtstätte sowie um Informationen zur Nutzung – Gespräche mit Verantwortlichen von zuweisenden der angebotenen Dienstleistungen. Stellen: In den Gesprächen mit Verantwortlichen der – Gespräche mit Verantwortlichen der Geschäftslei- zuweisenden Stellen wurden die Zufriedenheit mit der tung: Einen bedeutenden Zugang zum Untersuchungs- Zusammenarbeit mit der Stiftung Blumenrain sowie genstand bildeten Gespräche mit den Verantwortli- die Zuweisungspraxis beleuchtet. Die Gesprächspart- chen der strategischen und operativen Ebene der ner/-innen beurteilten zudem die Leistungen der Stif- Stiftung Blumenrain. Die Gespräche wurden ein erstes tung Blumenrain und insbesondere der Pflegewohn- Mal zu Beginn der Evaluation, ein zweites Mal ein gruppe und der Tages- und Nachtstätte. Insgesamt halbes Jahr später geführt. wurden drei Gespräche mit Verantwortlichen der Spi- – Gespräche mit kantonalen und kommunalen Verant- tex Mittleres Leimental und Spitex Solothurnisches wortlichen: Zudem wurden die für den Bereich Pflege Leimental sowie einem Hausarzt geführt. und Betreuung verantwortlichen Gemeinderäte/-innen Abb. 2 der Versorgungsregion (Biel-Benken, Bottmingen, Et- Eine detaillierte Übersicht aller befragten Personen fin- Gäste der Tagesstätte spielen tingen, Oberwil und Therwil) interviewt. Zusätzlich det sich im Anhang. Gesellschaftsspiele wurde ein Gespräch mit der kantonalen Verantwortli- 6 7
2. Politische und strukturelle Rahmenbedingungen Stiftung Blumenrain in den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn aktiv Die Stiftung Blumenrain betreibt im Auftrag der Gemeinden Biel-Benken, Ettingen und Therwil das Alters- und Pflegeheim Therwil Damit die Realisierung der Tages- und Nachtstätte in Ettingen (124 Betten) sowie die Pflegewohnung Ettingen (14 Bewohner/-innen) mit der angegliederten Tages- und Nachtstätte (12 Tages- plätze bzw. 3–6 Nachtplätze). Ausserdem betreibt sie im Leistungsauftrag das Pflegewohnheim Flühbach in der solothurnischen möglich war, mussten verschiedene politische und strukturelle Gemeinde Hofstetten-Flüh (30 Bewohner/-innen). Für die Tages- und Nachtstätte hat die Stiftung Blumenrain eine Leistungsver- einbarung mit fünf Trägergemeinden des Kantons Basel-Landschaft abgeschlossen. Ausserdem sind die Spitex-Organisationen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden; die Anbindung der Mittleres Leimental und Solothurnisches Leimental der Stiftung Blumenrain angegliedert. Diese decken die Gemeinden Therwil, Biel-Benken, Ettingen und Burg im Kanton Basel-Landschaft sowie die solothurnischen Gemeinden Bättwil, Hofstetten-Flüh, Metzerlen- Tages- und Nachtstätte an eine Pflegewohngruppe ist eine von Mariastein, Rodersdorf und Witterswil ab. vielen. Von Bedeutung ist auch die Organisation der Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft, die sich für die Themenbereiche D 2.1: Übersicht Versorgungsregion Betreuung, Pflege und Alter Leimental Alter und Pflege zu Versorgungsregionen zusammenschliessen. Weiter wird aufgezeigt, wie sich die Tages- und Nachtstätte in die Palette weiterer Angebote der Stiftung Blumenrain einfügt und wie dadurch Synergien genutzt werden konnten. 2.1 Fünf Gemeinden bilden eine Versorgungsregion entwurf den bisherigen Leistungserbringern vorgelegt und Per 1. Januar 2018 trat im Kanton Basel-Landschaft das anschliessend an zwei Informationsveranstaltungen allen in Altersbetreuungs- und Pflegegesetz (APG) in Kraft. Dieses der Region aktiven Leistungserbringern und den politi- Gesetz schreibt den Gemeinden vor, dass sie sich bezüglich schen Parteien sowie der interessierten Bevölkerung aus der Themenbereiche Alter und Pflege zu Versorgungsregio- den fünf Gemeinden präsentiert. Im Herbst 2020 wurde der nen zusammenschliessen, ein Versorgungskonzept entwi- Vertrag an den Gemeindeversammlungen gutgeheissen.1 ckeln und eine Informations- und Beratungsstelle einrich- ten müssen. Dazu hatten die Gemeinden bis Ende 2020 Die vorgesehene Informations- und Beratungsstelle wird Zeit, bis Ende 2021 müssen die Leistungsvereinbarungen im Sommer 2021 den Betrieb aufnehmen. Sie soll ambu- mit den Leistungserbringern abgeschlossen sein. lante und stationäre Angebote der Versorgungsregion ver- mitteln, Personen oder deren Angehörige in ihren jeweili- Im Juni 2017 haben die Gemeinderäte/-innen der Gemein- gen Situationen beraten und die Bevölkerung insgesamt den Biel-Benken, Bottmingen, Ettingen, Oberwil und Ther- informieren. Auf Anfrage kann sie auch den konkreten Be- wil beschlossen, die Versorgungsregion Betreuung, Pflege darf von Leistungen für Einzelpersonen abklären und bei und Alter Leimental zu bilden und die Umsetzung des Al- der Koordination unterschiedlicher Leistungen helfen.2 Auf tersbetreuungs- und Pflegegesetzes gemeinsam anzugehen. der Informations- und Beratungsstelle sollen eine Leitungs- Die Gemeinden haben zusammen eine Mission erarbeitet, person, eine Pflegefachperson und ein Sozialarbeiter/eine übergeordnete Ziele festgelegt und einen Vertrag über die Sozialarbeiterin sowie eine Person für administrative Tätig- Versorgungsregion sowie die dazugehörige Ausführungs- keiten beschäftigt sein. vereinbarung ausgearbeitet. Vor den Beschlussfassungen durch die Gemeindeversammlungen wurde der Vertrags- 1 Vgl. https://www.ettingen.ch -> Aktuelles -> Projekte -> Versorgungsregion Betreuung, Pflege und Alter (BPA) Leimental, Zugriff am 10.07.2020. Quelle: Darstellung Interface, Geometrie BFS. 2 Vgl. https://www.ettingen.ch -> Aktuelles -> Projekte -> Versorgungsregion Betreuung, Pflege und Alter (BPA) Leimental -> 5 Fra- Legende: Grau = Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft, hellgrau = Gemeinden im Kanton Solothurn, grün = Gemeinden im Kanton Basel- gen 5 Antworten, Zugriff am 10.07.2020. Landschaft in der Versorgungsregion. 8 9
Abb. 3 ent. Dass die verantwortlichen Gemeinderäte/-innen von lich Betriebskonzepte und Bewilligungen. Diese müssten Aufenthaltsraum der Biel-Benken, Ettingen und Therwil im Stiftungsrat der dann für beide Kantone zwar in ähnlicher Form, aber Tages- und Nacht- Stiftung Blumenrain vertreten sind, erleichtere die Zu- trotzdem separat erarbeitet werden. Ebenso nehmen Ver- stätte sammenarbeit. Die Gemeinden Oberwil und Bottmingen antwortliche der Geschäftsleitung der Stiftung Blumen- haben eine Steuergruppe zum Thema Alter, an deren Sit- rain auch an Anlässen im Kanton Solothurn – zusätzlich zungen die Verantwortlichen der Geschäftsleitung der zu denjenigen im Kanton Basel-Landschaft – teil. Stiftung Blumenrain regelmässig teilnehmen. Zusätzlich informiert die Stiftung Blumenrain die Gemeinderäte/-in- Während die interkantonale Zusammenarbeit im Bereich nen der fünf Trägergemeinden zweimal pro Jahr über die der stationären und der teilstationären Versorgung auf- Aktivitäten der Tages- und Nachtstätte, die Finanzen und grund von Finanzierungsfragen schwierig bleibt, konnte das Budget. Die befragten Gemeinderäte/-innen haben im Bereich der Information und Vermittlung von Dienst- sich bezüglich dem Management der Tages- und Nacht- leistungen mittels einer Anlaufstelle für Altersfragen eine stätte sehr positiv geäussert. kantonsübergreifende Kooperation aufgegleist werden (siehe Infobox). | Interkantonale Zusammenarbeit stösst an Grenzen Aufgrund der geografischen Lage einiger Gemeinden im Kanton Solothurn (z.B. Hofstetten-Flüh, Witterswil) ori- entieren sich deren Einwohner/-innen eher an den Nach- bargemeinden im Kanton Basel-Landschaft. Deshalb sol- len auch diese Einwohner/-innen die Möglichkeit haben, die Tages- und Nachtstätte in Ettingen zu nutzen. Die Stif- tung Blumenrain ist seit der Eröffnung der Tages- und Nachtstätte in Ettingen im Austausch mit dem Kanton Solothurn und versuchte, eine Mitfinanzierung der solo- thurnischen Gäste zu erwirken. Bisher blieben diese Be- mühungen jedoch erfolglos. Die gesetzlichen Grundlagen 2.2 Enge Zusammenarbeit der Stiftung Blumenrain des Sockelbeitrags war ein wichtiges Signal gegenüber des Kantons Solothurn sehen keine Finanzierung von mit Trägergemeinden den Gemeinden und zeigte, dass die die Stiftung Blumen- ausserkantonalen teilstationären Pflegeangeboten vor, Interkantonale Zusammenarbeit bei Anlaufstelle für Alters- Die Stiftung Blumenrain hat für den Betrieb der Tages- rain bemüht war, die Effizienz unter Einhaltung der Quali- weshalb die Tarife der Tages- und Nachtstätte für die fragen und Nachtstätte – wie im Gesetz vorgesehen – mit den tät zu steigern. Die befragten Gemeinderäte/-innen erach- Gäste aus dem Kanton Solothurn eher hoch ausfallen. An- Im Auftrag von neun Gemeinden des Mittleren und Solothur- fünf Trägergemeinden (Biel-Benken, Ettingen, Therwil, ten diesen Finanzierungsmodus als sinnvoll; obwohl ders als im Kanton Basel-Landschaft werden (innerkanto- nischen Leimentals startete im Juni 2016 die «Anlaufstelle Bottmingen, Oberwil) eine Leistungsvereinbarung abge- einige Gemeinden solidarisch mitfinanzieren, das heisst nale) teilstationäre Angebote durch Beiträge des Kantons, für Altersfragen» als zweijähriges Pilotprojekt. Die Anlauf- schlossen. Der Leistungsvertrag wird per Ende 2021, mit ohne Gäste in der Tagesstätte zu haben. So werde die Fi- und nicht von den Gemeinden unterstützt. Die Gemeinden stelle ist im Wesentlichen eine virtuelle Plattform – auf der der Versorgungsregion als neue Vertragspartnerin, erneu- nanzlast auf mehrere Gemeinden verteilt. Insgesamt wür- können die Gästetage beim Kanton abrechnen. Je nach Website www.altersfragen-leimental.ch/ finden sich allgemei- ert. Darin ist neben den Zielen und konkreten Dienstleis- den die Ausgaben für die Tages- und Nachtstätte eher ei- Leistung werden 10, 20 oder 30 Franken3 entrichtet. ne Informationen zu regionalen und kantonalen Angeboten tungen auch die Finanzierung geregelt. So werden 30 Pro- nen kleinen Anteil im Gemeindebudget ausmachen, Zudem legt im Kanton Solothurn der Regierungsrat ge- und Dienstleistungen für Senioren/-innen und Senioren. Da- zent der nicht durch andere Einnahmen gedeckten Kosten zudem sei in den letzten Jahren eine gewisse Akzeptanz mäss §52 Sozialgesetz vom 31. Januar 2007 (SG; BGS mit werden die Einwohner/-innen und ihre Angehörigen bei gemäss der Einwohnerzahl der Gemeinden und 70 Pro- dafür entstanden, dass die Ausgaben im Altersbereich ge- 831.1) für anerkannte Institutionen die generellen der Suche nach geeigneten Anbietern von Hilfsangeboten zent nach Anteil der Gästetage auf die fünf Trägergemein- nerell ansteigen. Letzteres stellen auch die Verantwortli- Höchsttaxen für stationäre und teilstationäre Angebote rund ums Alter und Älterwerden unterstützt. Der Bewohner- den verteilt. Der Sockelbeitrag der Gemeinden beträgt chen der Geschäftsleitung fest: Anfänglich musste bei den im Bereich Pflege fest. Die für 2020 festgelegten dienst der Stiftung Blumenrain nimmt telefonische Anfragen aktuell rund zwei Franken pro Einwohner/-in. Des Weite- Politikern/-innen viel Überzeugungsarbeit in Bezug auf Höchsttaxen für Tages- und Nachstrukturen im Kanton im Zusammenhang mit der Anlaufstelle entgegen, obschon ren wird das Angebot durch die Gäste sowie die Kranken- ambulante Angebote wie Tagesstätten geleistet werden. Solothurn belaufen sich auf 125 Franken, diejenige der keine offensichtliche Verbindung zwischen der Stiftung und kassen finanziert (vgl. auch Kapitel 4.3). Mittlerweile seien das Verständnis und auch das Interesse Stiftung Blumenrain auf 126 (Tagesstätte) beziehungs- der Anlaufstelle besteht. Die Stiftung Blumenrain übernimmt aber vorhanden. Im Allgemeinen müsse aber aufgrund der weise 130 Franken (Nachtstätte). zusätzlich die Administration und Wartung der Website. Weil | Finanzielle und ideelle Unterstützung durch Ge- politischen Prozesse immer ausreichend Zeit für die Be- im Sommer 2021 eine neue Informations- und Beratungsstel- meinden willigung von Projekten eingeplant werden. Die Verantwortlichen der Stiftung Blumenrain beschrei- le in der Versorgungsregion Leimental eröffnet wird, werden Die Gemeinden unterstützen die Tagesstätte mit einem ben die Zusammenarbeit mit den Gemeinden im Kanton die Gemeinden des Mittleren Leimentals per Ende 2021 die Sockelbeitrag von rund zwei Franken pro Einwohner/-in |Zufriedene kommunale und kantonale Verant- Solothurn als sehr gut und berichten, dass man bestrebt Anlaufstelle nicht weiter nutzen. Inwiefern und wie lange der ‒ und zwar unabhängig davon, ob Personen aus dieser Ge- wortliche sei, auch über die Kantonsgrenzen hinweg Lösungen zu Betrieb der Anlaufstelle für die Gemeinden aus dem Solo- meinde die Tagesstätte nutzen oder nicht. Während der Sowohl die Verantwortlichen der Geschäftsleitung als finden. Trotzdem sei die Zusammenarbeit mit einem zwei- thurnischen Leimental aufrechterhalten wird, ist zurzeit noch Projektphase der Tagesstätte in Therwil betrug dieser Bei- auch die befragten Gemeinderäte/-innen empfinden die ten Kanton mit Mehraufwand verbunden. So mache der unklar. trag noch vier Franken pro Einwohner/-in. Die Halbierung Zusammenarbeit als angenehm, unkompliziert und effizi- Kanton Solothurn beispielsweise andere Auflagen bezüg- 3 Kanton Solothurn (2019): Regierungsratsbeschluss. Höchsttaxen stationäre und teilstationäre Angebote im Bereich Pflege (Alters- und Pfle- geheime), Taxen für die Jahre 2020 und 2021, Solothurn. 10 11
Abb. 4 D 2.2: Übersicht Gesamtüberbauung der Stiftung Acavita Blick aus dem Innen- hof auf die Tages- und Haus A Nachtstätte AG 4½ 4½ 2. OG 2½ 2½ 2½ 3½ 4½ 1. OG = = Mietwohnungen 2½ 2½ 2½ 3½ 4½ EG Pflegewohnung Tages- und Nachtstätte UG Pausenraum, Garderobe, WC, Aktivierung Haus B Haus C AG 4½ 4½ AG 2. OG 4½ 3½ 3½ 4½ 2. OG 1. OG 4½ 3½ 3½ 4½ 1. OG EG 4½ 2½ 2½ 2½ EG UG UG Quelle: Darstellung Interface, basierend auf Informationen der Stiftung Acavita. 2.3 Stiftung Acavita stellt Infrastruktur für Pflege- 2.4 Zwei Stiftungen – zwei Ansichten zu altersge- wohngruppe und die Tages- und Nachtstätte zur rechtem Bauen Die Verantwortlichen der Stiftung Blumenrain und die übri- konnte die Stiftung Blumenrain die Räumlichkeiten gemäss Verfügung Bei der Zusammenarbeit der beiden Stiftungen zeigten sich gen Stiftungsräte hatten unterschiedliche Vorstellungen be- ihren Wünschen und den Bedürfnissen älterer Menschen ent- Die Stiftung hat im Frühjahr 2017 eine neue Gesamtüberbau- in einigen Punkten der Umsetzung unterschiedliche Ansich- züglich Ausbaustandard und Umsetzung der Gesamtüber- sprechend ausbauen und dennoch vom hohen Ausbaustan- ung mit 25 hindernisfreien Wohnungen in Ettingen realisiert. ten. Die Leiterin Pflege und Betreuung sowie der Präsident bauung: dard der gesamten Überbauung profitieren. Zusätzlich konnte Die Überbauung umfasst acht 2½-Zimmer-Wohnungen, der Stiftung Blumenrain waren zu Beginn des Projekts im – Erstens strebte die Stiftung Acavita den Bau von Woh- die Stiftung Blumenrain einen fünfjährigen Mietvertrag ab- sechs 3½-Zimmer-Wohnungen und elf 4½-Zimmer-Woh- Stiftungsrat der Stiftung Acavita vertreten. Diese Doppelrolle nungen mit hohem Ausbaustandard an. Dies mit der schliessen. Dieser enthält eine Ausstiegsklausel über weitere nungen. Die Wohnungen sind seit März 2019 bezogen. Die führte zu Schwierigkeiten und veranlasste die Verantwortli- Absicht, insbesondere ältere Mieter/-innen, die zuvor fünf Jahre, welche eine degressive Ausstiegszahlung vor- grosse Mehrheit der Mieter/-innen ist zwischen 60 und chen der Stiftung Blumenrain zum Austritt aus dem Stif- in Einfamilienhäusern wohnten, anzuziehen. Diese sieht. Die Zusammenarbeit mit der Stiftung Acavita ver- 80 Jahre alt. Der Ausbaustandard der Wohnungen ist tungsrat. Aus Sicht der Verantwortlichen der Geschäftslei- würden aus Sicht des Präsidenten der Stiftung Acavita schaffte somit der Stiftung Blumenrain eine ideale Ausgangs- hoch. Die monatliche Miete für eine 4½-Zimmer-Woh- tung der Stiftung Blumenrain entstanden die unterschiedlichen einen hohen Ausbaustandard sowie grössere Wohnflä- lage für die Einrichtung der Pflegewohngruppe und der nung liegt zwischen 2’270 und 2’448 Franken.4 Ansichten dadurch, dass die Stiftungsmitglieder von Acavita chen bevorzugen. Die Verantwortlichen der Stiftung Tages- und Nachtstätte. einen anderen Erfahrungshintergrund mitbrachten. Blumenrain sprachen sich dagegen für kleinere, preis- Die Stiftung Blumenrain hat das gesamte Erdgeschoss sowie werte Wohnungen aus. Aus ihrer Sicht hätte dies bes- Auch beim Betrieb der Pflegewohngruppe gab es unter- das Untergeschoss des Hauses A gemietet und hat dazu einen ser zum angedachten Konzept «Wohnen mit Service- schiedliche Ansichten. Während die Verantwortlichen der Fünfjahresvertrag mit der Stiftung Acavita unterzeichnet. Im Stiftung Acavita schafft altersgerechten Wohnraum in leistungen» gepasst. Stiftung Acavita davon ausgingen, dass die Bewohner/-innen Erdgeschoss wurden die Pflegewohnung sowie die Tages- Ettingen – Zweitens hatten die beiden Stiftungen zu Beginn un- der Pflegewohngruppe beim Kochen oder Wäsche zusam- und Nachtstätte eingerichtet. Im Untergeschoss befinden sich Die im August 2010 gegründete gemeinnützige Stiftung Acavita be- terschiedliche Vorstellungen bezüglich der Anzahl der menlegen mithelfen können, war dies im Konzept der Stif- ein Pausenraum, Toiletten und Garderoben für das Personal zweckt die Förderung und Unterstützung von Betreuungsstätten zu realisierenden Pflegeplätze. Während sich die Ver- tung Blumenrain nicht vorgesehen. Dies weil erfahrungsge- sowie ein Raum für die Aktivierungs- und Bewegungsaktivi- und Wohnformen im Alter. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, in antwortlichen der Stiftung Acavita für 12 Plätze aus- mäss die meisten Bewohner/-innen körperlich und/oder täten. Ettingen altersgerechten Wohnraum an attraktiver Lage bereitzu- sprachen, bevorzugte die Stiftung Blumenrain aus geistig nicht mehr dazu in der Lage sind. Dadurch, dass die stellen. Zu diesem Zweck hat die Stiftung in Ettingen ein Grundstück betriebswirtschaftlichen Gründen die Realisierung Zubereitung der Mahlzeiten und die Reinigung zentral orga- erworben und darauf drei Gebäude mit insgesamt 26 altersgerech- von 14 Pflegeplätzen. Da die Anzahl der Plätze rele- nisiert sind, ist ein entsprechender Einbezug der Bewoh- ten Wohnungen sowie der eingegliederten Senioren Tages- und vant für die gesamte Quartierplanung ist, musste ner/-innen im Alltag kaum möglich. Schlussendlich sind Nachtstätte bauen lassen. Die Stiftung betreibt zusätzlich den Ge- diese in Absprache mit dem Kanton erfolgen. beide Stiftungen mit dem Erreichten zufrieden. Für die Zu- meinschaftsraum und das Gästezimmer der Überbauung. kunft wünschen sich die Verantwortlichen der Stiftung Aca- Die anfänglichen Diskrepanzen konnten geklärt und zur Zu- vita mehr spontane Begegnungen zwischen den Bewoh- friedenheit aller Beteiligten gelöst werden. Die Stiftung Aca- nern/-innen der Pflegewohngruppe, den Gästen der Tages- und 4 Im Vergleich dazu beträgt die durchschnittliche Monatsmiete einer 4-Zimmer-Wohnung in Ettingen gemäss Strukturerhebung des Bundes- vita überliess die weitere Gestaltung der gemieteten Räum- Nachtstätte und den Mietern/-innen im Innenhof der Ge- amtes für Statistik 1'648 Franken. lichkeiten mehrheitlich der Stiftung Blumenrain. Dadurch samtüberbauung. 12 13
D 2.3: Entstehung der Pflegewohngruppe mit Tages- und Nachtstätte D 2.4: Angebote und interne Prozesse Stiftung Blumenrain Stiftung Blumenrain Externe Alters- und Pflegeheim Therwil 124 Betten MILO Potz-Blitz AG Tagesstätte Spitex Mittleres Reinigung und Therwil Leimental Küchendienst 476 Klienten/-innen (2020) Umzug Pflegewohngruppe und Tagesstätte in Invaliden-Vereinigung Pflegewohnung Überbauung Stiftung Acavita Ettingen Pflegewohngruppe mit Tages- Kanton Basel-Landschaft Basel (IVB) und Nachtstätte Ettingen Kanton Solothurn Behinderten- und Pflegewohnung Schliessung Pflegewohnung Betagtentransportdienst Biel-Benken Biel-Benken Spitex Solothurnisches 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Leimental Erarbeitung Konzept Pflegewohngruppe Realisierung Überbauung Betrieb Pflegewohngruppe mit 166 Klienten/-innen (2020) mit Tages- und Nachtstätte Ettingen der Stiftung Acavita Tages- und Nachtstätte Ettingen Evaluation Interface Pflegewohngruppe Senioren-Tages- und Pflegewohnheim Ettingen Nachtstätte Ettingen Flühbach 14 Bewohner/-innen 12 Tagesplätze 30 Bewohner/-innen 3–6 Nachtplätze Quelle: Darstellung Interface. Quelle: Darstellung Interface. 2.5 Tages- und Nachtstätte wird der Pflegewohngruppe wohngruppe mit Tages- und Nachtstätte. Im April 2019 konnten – Weiterbildung: Es gibt eine Berufsbildungsverantwortliche des Personals. Bei Personalausfällen oder Engpässen wird angegliedert schliesslich die Räumlichkeiten bezogen und die Tages- und sowie eine verantwortliche Person für Qualitätsentwicklung das Personal auch an anderen Standorten eingesetzt. Da- Die Stiftung Blumenrain hat die teilstationäre Tages- und Nacht- Nachtstätte eröffnet werden. Zur Bekanntmachung der Tages- für alle Standorte. Entsprechend werden alle Weiterbildun- durch können die Mitarbeitenden in verschiedenen Tätig- betreuung einer bestehenden dezentralen Pflegewohngruppe, die und Nachtstätte wurde Mitte April 2019 ein Tag der offenen Tür gen für das Personal zentral koordiniert, geplant und in den keitsbereichen Erfahrungen sammeln. in einen Neubau umgesiedelt wurde, angegliedert. Vorteil der An- durchgeführt. Rund 400 Interessierte kamen, um sich die neue Räumlichkeiten des APH Therwil durchgeführt. – Aktivierung: Zwei Mal pro Woche macht eine Person aus gliederung ist, dass an 24 Stunden pro Tag und an sieben Tage die Tages- und Nachtstätte anzuschauen. – Administration und IT: Administrative Arbeiten (z.B. Buch- dem Team des APH Therwil Aktivierung- und Bewegungs- Woche ein stationäres Pflegeteam vor Ort ist. Dadurch wurde die haltung, Vertragswesen) sowie die IT werden ebenfalls zen- übungen mit den Bewohnern/-innen der Pflegewohngruppe Angebotspalette der Langzeitpflege in der Region Leimental mit 2.6 Breite Angebotspalette der Stiftung Blumenrain tral vom APH Therwil ausgeführt respektive betrieben. und den Gästen der Tages- und Nachtstätte. neuen Entlastungs- und Übergangsplätzen ergänzt. Wie aus Dar- schafft Synergien – Nachtwache: Die Pflegewohngruppe und die Tages- und stellung D 2.3 hervorgeht, hat die Stiftung Blumenrain bereits Die Stiftung Blumenrain betreibt verschiedene Angebote der sta- Die Pflegewohngruppe und insbesondere die Tages- und Nacht- Nachtstätte werden vom APH Therwil bei der Nachtwache mehrjährige Erfahrung mit dem separaten Betrieb von Pflege- tionären, ambulanten und teilstationären Langzeitpflege. Der Be- stätte werden bei weiteren Tätigkeiten durch das APH Therwil im Sinne eines Pikettdienstes unterstützt. Da am Standort wohnungen in Biel-Benken und Ettingen und einer Tagestätte in trieb der Tages- und Nachtstätte durch eine Institution mit ver- unterstützt oder beziehen Dienstleistungen vom APH: Ettingen nur eine Person Nachtwache hält, kann so bei ei- Therwil gemacht. Nach der Schliessung der Pflegewohnung in schiedenen Angeboten der Langzeitpflege schafft Synergien, die – Mahlzeiten und Reparaturen: Die Abteilung Logistik und nem Vorfall in der Nacht eine Person des APH Therwil bei- Biel-Benken zeigte sich auch bei der Pflegewohnung in Ettingen nachfolgend beschrieben werden. Darstellung D 2.4 gibt eine Gebäude des APH Therwil ist für die Lieferung der im APH gezogen werden. zunehmend Sanierungsbedarf. Da die Pflegewohnung nicht nach Übersicht über die Angebote und internen Prozesse der Stiftung zubereiteten Mahlzeiten, für die Bestellung von Material, einem altersgerechten und hindernisfreien Wohnkonzept erstellt Blumenrain. Dabei dient das Alters- und Pflegeheim (APH) in für die Wartung und für Reparaturen in der Pflegewohnung Externe Leistungserbringer ergänzen die Angebote der Stiftung wurde, suchten die Verantwortlichen einen neuen Standort. Wäh- Therwil als Dreh- und Angelpunkt für viele Aufgaben: und der Tages- und Nachtstätte zuständig. Ebenso koordi- Blumenrain: rend dieser Suche entwickelte sich die Idee, den gemeinsamen – Führung: Alle Angebote der Stiftung Blumenrain werden niert sie das externe Reinigungsteam, das sowohl im APH – Die Reinigung der Tages- und Nachtstätte sowie das Rege- Betrieb einer Pflegewohnung und Tagesstätte um eine Nacht- durch den Stiftungsrat respektive durch die Geschäftsführung Therwil als auch in der Pflegewohnung und der Tages- und nerieren und Servieren der Mahlzeiten übernimmt die Firma stätte zu erweitern – davon erhoffte man sich, Synergien nutzen gesteuert. Ebenso werden Finanzen und Verwaltungsaufga- Nachtstätte für die Reinigung zuständig ist. MILO Potz-Blitz AG. zu können. ben von einer Person geleitet. Die Leiterin Pflege und Betreu- – Auskunft und Anmeldungen: Die Abteilung Administration – Der Transport der Gäste in die Tages- und Nachtstätte über- ung übernimmt die Verantwortung für alle (teil-)stationären Bewohner des APH Therwil beantwortet zudem Anfragen nimmt die Invaliden-Vereinigung Basel (IVB). Bereits 2014 begann die Geschäftsleitung der Stiftung Blumen- Pflegeangebote. Damit der Austausch gewährleistet ist, wird zum Aufenthalt in der Tages- und Nachtstätte und nimmt rain ‒ in Zusammenarbeit mit der Gruppenleitung und Bereichs- einmal pro Monat eine Sitzung mit allen Gruppenleitungen die Anmeldeformulare der Gäste entgegen. leitung der Pflege sowie dem Leiter Logistik ‒ mit der Planung durchgeführt. Zusätzlich besteht ein regelmässiger Austausch – Pflegepersonal: Die Vielfalt der Angebote innerhalb der und Konzeption des Neubaus und der Kombination von Pflege- mit der für die Aussenstellen verantwortlichen Person. Stiftung Blumenrain ermöglichen einen flexiblen Einsatz 14 15
Abb. 5 Gäste beim Zvieri Wichtigste Erkenntnisse zu politischen und strukturellen Rahmenbedingungen – Einbindung in eine grössere Betreuungsstruktur schafft Synergien: Die Einbindung der Tages- und Nachtstätte in eine grössere Betreuungsstruktur erlaubt die Nutzung von unterschiedlichsten Synergien, wie beispielsweise beim Personaleinsatz, der Reinigung, der Administration oder der Logistik. Dies führt einerseits zur Professionalisierung bei der Pflege und Betreuung, andererseits können Kosten eingespart werden. Beim isolierten Betrieb einer Tages- und Nachtstätte können entsprechende Synergien nicht genutzt werden. Es ist jedoch nicht selten, dass es bei Leistungser- bringern mit mehreren Angeboten zur internen Quersubventionierungen kommt und damit die Kos- tenwahrheit nicht gewährleistet ist. Die Stiftung Blumenrain legt darum grossen Wert auf die Kos- tentransparenz gegenüber den Trägergemeinden. – Interkommunale Versorgungsregion gibt Stabilität: Die Unterstützung durch die Trägergemein- den der Versorgungsregion ist massgeblich für den Erfolg des Projekts. Die interkommunale Zu- sammenarbeit hat eine breitere Basis für die Finanzierung sowie ein grösseres Einzugsgebiet zur Folge. Dies dürfte im Sinne der kantonalen Gesetzgebung und dem Konzept der Versorgungsregio- nen sein. Trotzdem war es wichtig, dass die Stiftung Blumenrain die Exekutive aller Gemeinden | Zeit für Betreuung wird durch Unterstützung inter- frühzeitig in die Planung der Tages- und Nachtstätte einbezogen hatte und auf die Unterstützung ner und externer Dienstleister erhöht aller Trägergemeinden zählen konnte. Aus Sicht der Projektverantwortlichen wird durch die Auslage- rung bestimmter Prozesse an das APH Therwil oder an externe – Erfolgreiche Kooperation trotz Meinungsverschiedenheiten: Die Stiftung Blumenrain nahm die Dienstleister, wie beispielsweise die MILO Potz-Blitz AG, der Chance wahr, innerhalb der neuen Gesamtüberbauung der Stiftung Acavita Räumlichkeiten für die Betrieb professionalisiert und die Mitarbeitenden können sich Pflegewohngruppe und die Tages- und Nachtstätte zu mieten. Zu Beginn des Projekts waren zwei vollständig auf die Pflege und Betreuung der Gäste konzentrie- Personen der Stiftung Blumenrain gleichzeitig auch im Stiftungsrat der Acavita vertreten. Die un- ren. Die befragten Mitarbeitenden der Tages- und Nachtstätte terschiedlichen Prioritäten in Bezug auf den Ausbaustandard und die divergierende Vorstellung empfinden die Zusammenarbeit mit der Abteilung Logistik des über die Realisierung von altersgerechtem Wohnraum führten zu Meinungsverschiedenheiten, die APH Therwil und der Bewohneradministration als grosse Entlas- unter anderem den Bauprozess verzögerten. Dennoch haben die beiden Stiftungen schliesslich eine tung. Sie müssen sich nicht um die Anmeldeformulare oder die Form der Kooperation gefunden, welche die Verwirklichung der übergeordneten Projektziele er- Essensbestellungen respektive den Einkauf kümmern. möglichte. – Personelle Strukturen und Infrastruktur ermöglichen Flexibilität: Sowohl die flexiblen Öff- nungszeiten als auch der flexible Einsatz des Personals erlaubt der Tages- und Nachtstätte, sich den Bedürfnissen der Gäste bestmöglich anzupassen. Durch diese Flexibilität konnten beispielsweise während der COVID-19-Pandemie in den Räumlichkeiten der Tages- und Nachtstätte zusätzliche Zimmer für die Pflegewohngruppe angeboten werden, um dem Bedarf der Bevölkerung trotzdem nachkommen zu können und um finanzielle Einbussen zu vermeiden. – Auslagerung der hauswirtschaftlichen Prozesse erhöht Zeit für die Pflege: Durch die Auslage- rung der hauswirtschaftlichen Prozesse wie der Reinigung und dem Zubereiten von Mahlzeiten kann sich das Pflegepersonal vollständig der Betreuung widmen. Allerdings können die Gäste auf- grund der Auslagerung solcher Prozesse nicht in hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden wer- den. Gemäss den Verantwortlichen für die Pflege wäre dies ohne erheblichen Betreuungsaufwand sowieso nicht zu leisten, weil ein Grossteil der Gäste körperlich und/oder geistig nicht dazu in der Lage ist. 16 17
D 3.1: Grundriss Pflegewohngruppe und Tages- und Nachtstätte 3. Erkenntnisse aus der ersten Betriebsphase Die Stiftung Blumenrain hat bei der Planung der neuen Ta- ges- und Nachtstätte nichts dem Zufall überlassen. Vieles funktioniert wie geplant oder gar besser. Es zeigen sich aber auch einige Herausforderungen, die von den Ver- Quelle: Bühler und Partner AG. antwortlichen der Stiftung Blumenrain zu bewältigen sind. 3.1 Räume und Infrastruktur Bereiche. Die Pflegewohnung und die Tages- und Nachtstät- den Erfolg einer Tagesstätte zentral, sich beim Ein- und Aus- Während des Aufenthalts in der Tagesstätte werden neben den Die Pflegewohngruppe und die Tages- und Nachtstätte wur- te verfügen über einen eigenen Wohn- und Essbereich. Die- treten der Gäste zeitlich flexibel zu zeigen; dadurch werden Mahlzeiten, die den Tag strukturieren, verschiedene Aktivitä- den im Erdgeschoss der Gesamtüberbauung der Stiftung se Räume grenzen aneinander – die mobile Trennwand mit die Pflege der Gäste durch die Spitex zu Hause ermöglicht und ten mit den Gästen unternommen: Gesellschaftsspiele, Ge- Acavita in Ettingen eingerichtet. Insgesamt steht den beiden eingebauter Türe ermöglicht das Trennen oder Verbinden der die beruflichen Verpflichtungen der pflegenden Angehörigen dächtnistrainings, puzzeln, vorlesen, Sudokus und Kreuzwort- Angeboten eine Fläche von 744m2 zur Verfügung, wobei beiden Wohn- und Essbereiche. Aufgrund von beidseitigen berücksichtigt. Gäste haben zudem die Möglichkeit, einen Tag rätsel lösen und anderes. Bei schönem Wetter gehen die die Pflegewohngruppe 567m2 und die Tages- und Nacht- Lärmemissionen ist die Wand mehrheitlich geschlossen, die kostenlos zu «schnuppern», um die Tages- und Nachtstätte Pflegepersonen mit den Gästen spazieren. Am Montag und stätte 177m2 beansprucht. Zusätzlich gibt es einen gross- Türe wird jedoch offengelassen. Für gemeinsame Anlässe kennenzulernen und herauszufinden, ob ein Aufenthalt in Dienstag haben die Gäste der Tagesstätte zudem die Möglich- zügigen Gartensitzplatz, der von Bewohnern/-innen re- wird die Trennwand geöffnet. Die Satellitenküche, in wel- Frage kommen würde. Auch die Mitarbeitenden der Tages- keit, gemeinsam mit den Bewohnern/-innen der Pflegewohn- spektive Gästen beider Angebote genutzt werden kann, cher die angelieferten Mahlzeiten für die Pflegewohngruppe und Nachtstätte lernen dadurch den Gast kennen und können gruppe an den Aktivierungs- und Bewegungsaktivitäten teil- sowie ein Untergeschoss, wo sich der Pausenraum, die und die Tages- und Nachtstätte regeneriert werden, ist räum- gegebenenfalls intervenieren, falls die notwendige Betreuung zunehmen. Toiletten und Garderoben für das Personal und ein Raum lich in der Tages- und Nachtstätte zu verorten. Es gibt jedoch nicht im gewünschten Ausmass angeboten werden kann. für die Aktivierungs- und Bewegungsaktivitäten befinden. auch einen separaten Zugang aus der Pflegewohngruppe. Die Pflegewohnung besteht aus 14 Einzelzimmern mit je 3.2 Dienstleistungen und Angebot einer Nasszelle, einem Wohn- und Essbereich und einem Der Standort in Ettingen verfügt über eine Pflegewohnung, D 3.2: Öffnungszeiten und Tarife der Tages- und Nachtstätte Wintergarten. Die Tages- und Nachtstätte verfügt über drei die Platz für 14 Bewohner/-innen bietet, eine Tagesstätte für Aufenthaltsmöglichkeiten Eintreffzeit Fixe Aufenthaltszeit Auslaufzeit Kosten in CHF für Kosten in CHF für Zimmer, zwei Nasszellen, einen Wohn-/Essbereich und maximal 12 Gäste, eine Nachtstätte für drei bis sechs Gäste Einwohner/-innen der Einwohner/-innen einen Wintergarten. Die drei Zimmer sind jeweils mit drei sowie einen Spitex-Treffpunkt. Die Angliederung der Tages- Trägergemeinden anderer Gemeinden modernen Pflegebetten ausgestattet. Für die Nachtgäste hat und Nachtstätte an die Pflegewohnung ermöglicht die Betreu- es in jedem Zimmer neben einem Pflegebett einen Nacht- ung durch ein stationäres Pflegeteam an 24 Stunden pro Tag Tagesaufenthalt bis 8,5 Std. ab 08.30 Uhr 09.30–16.00 Uhr bis 17.00 Uhr 81.‒ 126.‒ tisch. Darstellung D 3.1 zeigt die Grundrisse der Pflege- und an sieben Tage die Woche. Halbtagesaufenthalt bis 5 Std. flexibel flexibel flexibel 55.‒ 81.‒ wohnung (hellgelb) und der Tages- und Nachtstätte (oran- ge). Die Küche und das Stationszimmer sind rot eingerahmt. Die Tagesstätte hat von Montag bis Freitag von 08.30 bis Nachtaufenthalt bis 15,5 Std. ab 17.00 Uhr 18.00–07.30 Uhr bis 08.30 Uhr 130.‒ 130.‒ 17.00 Uhr, die Nachtstätte von Montag bis Freitag von 17.00 Die Transportkosten variieren je nach Ortschaft und Transportmöglichkeit (Einzel- oder Sammeltransport). Die Kosten werden direkt durch das Trans- Da sich die Pflegewohnung und die Tages- und Nachtstätte auf bis 08.30 Uhr geöffnet (vgl. Darstellung D 3.2). Bei Bedarf portunternehmen in Rechnung gestellt. Bei rechtzeitiger Abmeldung wird eine Gebühr von 10 Franken erhoben. derselben Etage befinden, sind die Arbeitswege innerhalb des kann die Tagesstätte auch am Samstag genutzt werden. Für Gebäudes kurz. Zudem gewährleistet die zentrale Platzierung jeden Gast wird nach einer individuellen – und wenn nötig Quelle: Stiftung Blumenrain: Taxen 2020 Tages- und Nachtstätte. des Stationszimmers eine gute Gesamtübersicht über beide flexiblen – Lösung gesucht. Gemäss einer Studie5 ist es für 5 Köppel, Ruth (2015): Erfolgreiche Praktiken von Tagesstätten. Studie im Auftrag der Age-Stiftung, Rikon. 18 19
Abb. 6 Abb. 7 Blick vom Gang in Gartensitzplatz ein Gästezimmer 3.3 Erfahrungen und Potenzial für Verbesserungen | Unterschiedliche Erwartungen betreffend such empfangen. Auch der Gartensitzplatz kann nicht opti- Im Folgenden werden Erfahrungen aus der Praxis der Ta- Als weiterer Vorteil werden – obwohl ursprünglich nicht Nutzung von Wintergarten und Gartensitzplatz mal genutzt werden. Er ist nach Ansicht der Mitarbeitenden ges- und Nachtstätte geschildert. Insgesamt sind alle Be- vorgesehen – die drei Pflegebetten pro Zimmer erwähnt. Einzelne Aspekte bezüglich Umsetzung der Tages- und für an Demenz erkrankte Menschen, die möglicherweise fragten sehr zufrieden mit der ersten Betriebsphase. Nur Die Gäste seien froh, dass sie sich am Mittag in einem rich- Nachtstätte äussern ausschliesslich die vor Ort tätigen Mit- weglaufen, nicht sicher, da der Gartensitzplatz nicht um- vereinzelt wird auf Verbesserungsmöglichkeiten hingewie- tigen Bett erholen können. In anderen Tagesstätten würden arbeitenden. So fehlen aus ihrer Sicht in den Zimmern Ab- zäunt ist. sen. häufig lediglich Sofas oder Liegestühle für den Mittags- lage- oder Verstauungsmöglichkeiten für die Kleider der schlaf zur Verfügung gestellt. Insbesondere am Eröffnungs- Nachtgäste oder eine Ablagefläche im Badezimmer. | Stationszimmer mit Optimierungspotenzial | Pflegebetten für den Mittagsschlaf tag mussten die Projektverantwortlichen vermehrt auf die Einzelne befragte Mitarbeitende weisen darauf hin, dass die Insgesamt sind alle befragten Personen zufrieden mit der Praktikabilität der drei Pflegebetten hinweisen und erklä- Für Diskussionen hat auch die Nutzung des Wintergartens weitläufige Fläche der Pflegewohnung und der Tages- und baulichen Umsetzung der Räumlichkeiten in Ettingen. Die ren, dass die Tagesstätte nur für kurze (Entlastungs-)Auf- gesorgt. Durch eine kleine Schwelle beim Übergang zum Nachtstätte für die Nachtwache, die im zentral angelegten befragten Angehörigen der Gäste können die räumliche Ge- enthalte ausgerichtet ist, weshalb keine Einzelzimmer zur Wintergarten ist der Zugang nicht vollständig barrierefrei. Stationszimmer platziert ist, zu wenig überschaubar ist. staltung kaum beurteilen, weil sie die Räumlichkeiten noch Verfügung gestellt werden. Zudem würden in der Nacht die Zudem wurde bemängelt, dass die Temperatur im Winter- Deshalb wurde über die Installation von Kameras disku- nie gesehen haben. Gemäss den befragten Gemeinderä- Zimmer mit maximal zwei Personen belegt. Dies ist aus garten von der Jahreszeit und der Besonnung abhängig ist tiert. Bisher haben gemäss der Leiterin Pflege und Betreu- ten/-innen war es ein grosser Vorteil, dass die Projektver- Sicht der Mitarbeitenden kein Problem – es sei bekannt, und nicht selber reguliert werden kann. Auch für den Auf- ung die Bewegungsmelder der Innenbeleuchtung jedoch antwortlichen die Räume von Beginn an nach ihren Bedürf- dass an Demenz erkrankte Menschen häufig nicht gerne al- enthaltsraum, der über grossflächige Fensterfronten ver- ausgereicht, um zu erkennen, wenn sich jemand in den nissen gestalten konnten und nicht in bestehende Räume lein sind. fügt, musste eine Lösung mit Sonnenstoren gesucht wer- Gängen bewegt. Einzelne Mitarbeitende fühlen sich im Sta- einziehen mussten. den. Aufgrund von baulichen Verzögerungen konnten die tionszimmer, welches durch ein Fenster einsehbar ist, aus- Sonnenstoren, welche dem Aufheizen entgegenwirken sol- gestellt. Eine Rückzugsmöglichkeit, um Büroarbeiten zu len, erst einige Monate nach der Betriebsaufnahme instal- erledigen, gibt es aber im Untergeschoss. liert werden. Während der COVID-19-Pandemie wurde der Wintergarten als Vis-à-vis genutzt. So konnten die Bewoh- ner/-innen der Pflegewohnung in sicheren Umständen Be- 20 21
Abb. 8 Küche | Aufbau des Angebots «Wohnen mit Service- 3.4 Schwankungen bei der Auslastung als Her- leistungen» für Mieter/-innen der Wohnüber- ausforderung bauung als Herausforderung Die Tages- und Nachtstätte zeichnet sich gemäss den Ebenfalls im Konzept vorgesehen war das Angebot Befragten durch ihre hohe Flexibilität aus. Die damit «Wohnen mit Serviceleistungen», das auf die Mieter/-in- verbundene Dynamik bei den Gästen stellt jedoch für nen der Wohnüberbauung Acavita ausgerichtet war. Die- die Mitarbeitenden eine grosse Herausforderung dar. So ses Angebot konnte bisher noch nicht umgesetzt werden. wechselt häufig die Zusammensetzung der Gäste. Aus- Die ursprüngliche Idee war, dass die Stiftung Acavita die serdem sind die individuellen Bedürfnisse nicht immer Serviceleistungen anbieten würde. Dazu wurde ein Büro im Voraus bekannt. Daher würden es die Mitarbeitenden in der Überbauung eingerichtet und eine Frau eingestellt, beispielsweise bevorzugen, wenn Nachtgäste immer zu- die über eine Pflegeausbildung der SRK verfügt. Vom erst einen Tag in der Tagesstätte verbringen, damit deren | Grössere Geräuschkulisse aufgrund Betrieb in | Standort Ettingen nicht für alle Gäste optimal vereinbarten 100-Prozent-Pensum sollten 30 Prozent für Krankheitsbild und Vorlieben bekannt sind. Küche und Pflegewohnung Trotz der schönen neuen Räumlichkeiten ist aus Sicht Reinigungs- und Umgebungsarbeiten, 70 Prozent für Obschon durch die benachbarte Pflegewohnung Syner- einzelner befragten Gemeinderäte/-innen die Umsiede- Serviceleistungen eingesetzt werden. Aufgrund zahlrei- | Charakterisierung der Gäste gien mit der Tages- und Nachtstätte geschaffen werden, lung der Tagesstätte von Therwil nach Ettingen – also cher baulicher Mängel, die es prioritär zu beheben galt, Von April 2019 bis Dezember 2020 wurden insgesamt erwähnen einzelne befragte Mitarbeitende auch einige weiter nach hinten ins Leimental – von der Bevölkerung fehlten ihr und den Verantwortlichen der Stiftung Aca- 50 Personen in der Tages- und Nachtstätte betreut. Im Herausforderungen. So könne es für die Bewohner/-in- in den Gemeinden im Vorderen Leimental (Oberwil, vita die Ressourcen, um die Serviceleistungen aufzu- Dezember 2019 wurden wöchentlich 25 verschiedene nen der Pflegewohnung störend sein, wenn sich die Bottmingen) nicht nur positiv aufgenommen worden. bauen. Ebenso schien der Bedarf an Serviceleistungen Gäste in der Tages- und Nachtstätte betreut. 92 Prozent Gäste der Tagesstätte in ihrem Wohnbereich aufhalten. Die Einwohner/-innen der Gemeinden im Vorderen Lei- der Mieter/-innen nur bedingt vorhanden zu sein. Weiter dieser Gäste wohnen in Gemeinden des Kantons Ba- Dies sei unter anderem ein Grund, weshalb die mobile mental seien eher Richtung Stadt Basel orientiert und fehlte der Mitarbeiterin das Fachwissen für die Umset- sel-Landschaft, 8 Prozent in Gemeinden des Solothurni- Trennwand überwiegend geschlossen ist. Gleichzeitig würden daher weniger gerne in eine Institution weiter zung solcher Serviceleistungen, weshalb die Mieter/-in- schen Leimentals. Knapp die Hälfte der Gäste ist über 85 würden sich aber auch die Gäste der Tagesstätte an den weg von der Stadt gehen. Die Gemeinderäte/-innen stel- nen mit Bedarf an Serviceleistungen vorerst an die Spi- Jahre alt und gut die Hälfte der Gäste zwischen 75 und Geräuschen aus der Pflegewohnung stören. Gerade beim len zudem fest, dass in diesen Gemeinden die Tages- und tex verwiesen wurden. Der Präsident der Stiftung 84 Jahre alt. Mittagessen oder am Nachmittag beim Dessert sei das Nachtstätte auch weniger bekannt ist als in Ettingen und Acavita sieht jedoch weiterhin einen Bedarf an Service- Stühlerücken von Bewohnern/-innen der Pflegewohn- den umliegenden Gemeinden. Es sei aber besonders leistungen, beispielsweise einen Mittagstisch oder Rei- Von allen Gästen (April 2019–Dezember 2020) kamen gruppe für einige Gäste zu laut. Ebenso würden die Rei- wertvoll, dass die Tages- und Nachtstätte direkt in einem nigungsarbeiten. Diesbezüglich sei man im Austausch 84 Prozent während mehrerer Monate regelmässig zu nigungsarbeiten und die Arbeiten in der Satellitenküche, Wohnquartier liege; Einwohner/-innen von Ettingen mit der Stiftung Blumenrain, die grundsätzlich die Vor- Besuch, 16 Prozent blieben nur einige Tage. Da keine die räumlich in der Pflegewohngruppe zu verorten ist, würden oft an der Tages- und Nachtstätte vorbeispa- aussetzungen dafür besitzt, ihre Dienstleistungen im detaillierten Zahlen zu allen Monaten vorliegen, werden die Ruhe in der Tagesstätte stören. Dabei gilt anzumer- zieren und nehmen diese so auch bewusster wahr. Sinne des Angebots «Wohnen mit Serviceleistungen» nachfolgend exemplarisch die Zahlen von Dezember ken, dass die Äusserungen insbesondere von Mitarbei- auszubauen. Die Stiftung Blumenrain will diesbezüglich 2019 betrachtet. Im Dezember 2019 verbrachte etwa tenden stammen, die zuvor in der alleinstehenden Tages- Die Studie von Ruth Köppel6 kam in diesem Zusam- im Jahr 2021 eine Machbarkeitsanalyse durchführen. die Hälfte der Gäste einen Tag pro Woche in der Ta- stätte in Therwil gearbeitet haben. Sie mussten sich menhang zum Schluss, dass nicht unbedingt die Lage, ges- und Nachtstätte, 40 Prozent der Gäste waren zwei zuerst an die neue – und gemäss ihrem Empfinden grös- sondern die Erreichbarkeit der Tagesstätte wichtig ist. Tage pro Woche zu Besuch und 12 Prozent der Gäste sere – Geräuschkulisse aus der benachbarten Pflege- Die Anreisezeit sollte eine Obergrenze von 35 Minuten verbrachten drei Tage pro Woche in der Tages- und wohngruppe und der Küche gewöhnen. nicht überschreiten, weil ansonsten der Transportaufwand Nachtstätte. Im Dezember 2019 gab es zudem drei re- höher ausfällt als die Entlastung der Angehörigen. gelmässige Nachtgäste, davon haben zwei auch den vor- hergehenden und den nachfolgenden Tag in der Tages- und Nachtstätte verbracht. Ein Gast kam ausschliesslich für die nächtliche Betreuung. 6 Köppel, Ruth (2015): Erfolgreiche Praktiken von Tagesstätten. Studie im Auftrag der Age-Stiftung, Rikon. 22 23
D 3.3: Auslastung Tages- und Nachtstätte 2019–2020 Die Tages- und Nachtstätte während der COVID-19-Pandemie 100% 200 Durch die COVID-19-Pandemie stand die Tages- und Nachtstätte vor neuen Herausforderungen. Die Verantwortlichen der Stiftung Blumenrain mussten deshalb kurz nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie in der Schweiz die Tages- und Nachtstätte im März 2020 schliessen. Die flexiblen Arbeitseinsätze der Mitarbeitenden der Stiftung Blumenrain und damit einhergehend der Personalaustausch 80% 160 zwischen den Teams der Pflegewohngruppe und der Tages- und Nachtstätte erwies sich nicht mehr als sinnvoll. So beschlossen die Projektverantwortlichen, zwei der drei Zimmer der Tages- und Nachtstätte als Pflegewohnungen zu nutzen und somit die Pflegewohn- gruppe von 14 auf 16 Bewohner/-innen zu erweitern. Diese Option war auch im Konzept vorgesehen, sollte die Tages- und Nachtstätte 60% 120 zu wenig Gäste haben. Kurz vor der Wiedereröffnung der Tages- und Nachtstätte am 29. Juni 2020 wurden die vorübergehend auf- genommenen Bewohner/-innen von der Pflegewohngruppe ins APH Therwil umplatziert. Seit der Wiedereröffnung arbeitet nur eine Person in der Tages- und Nachtstätte, bei Bedarf könnte eine weitere Person aus der Pflegewohngruppe mithelfen. 40% 80 20% 40 | Zusammenarbeit mit zuweisenden Stellen und tung Blumenrain zeigen jedoch, dass die Interessierten 0% 0 Marketing helfen, Bekanntheit des Angebots zu mehrheitlich durch den Hausarzt (30%), durch die Web- Juli September November Dezember Juli September November Dezember Februar Mai Mai April April Januar erhöhen Juni Juni August August site (20%), durch Bekannte und Angehörige oder durch März Oktober Oktober Der Erfolg der Tages- und Nachtstätte ist wesentlich da- andere Angebote der Stiftung Blumenrain (je 14%) auf von abhängig, dass Gäste zugewiesen werden. Deshalb das Angebot aufmerksam werden. Die Übrigen wurden wurden im Rahmen der Analyse auch die Zuweisungs- durch den Tag der offenen Tür, die Zeitung oder die Spi- 2019 2020 dynamik und die damit zusammenhängenden Werbeak- tex auf das Angebot aufmerksam. Durchschnittliche Auslastung pro geöffnetem Tag Anzahl Gäste pro Monat tivitäten sowie die Zusammenarbeit mit potenziell zu- weisenden Stellen beleuchtet. Die Leitungspersonen und Mitarbeitenden der Tages- und Nachtstätte tauschen sich bei Bedarf auch mit der Quelle: Darstellung Interface, basierend auf Daten der Stiftung Blumenrain. Für eine gute Auslastung ist ein umfassendes Marketing Spitex Mittleres Leimental und der Spitex Solothurni- zentral. Deshalb werden bei den Hausärzten/-innen und sches Leimental aus. Die Mitarbeiterinnen der Spitex auf den Gemeinden Flyer aufgelegt. Ebenso werden re- nutzen am Standort in Ettingen den Pausenraum. Insbe- gelmässig Inserate in den lokalen Medien (z.B. Birsig- sondere bei der Zuweisung von neuen Gästen arbeitet tal-Bote) geschaltet. Zudem empfehlen die Mitarbeiten- die Spitex mit der Tages- und Nachtstätte zusammen und | Auslastung den der beiden Spitexorganisationen Mittleres und Informationen über einen neuen Gast werden ausge- Im Jahr 2019 verzeichnete die neue Tages- und Nacht- Die Auslastung der Tages- und Nachtstätte wird bis zu Solothurnisches Leimental ihren Klienten/-innen – so- tauscht. stätte insgesamt 1’052 Tagesbesuche und 81 Übernach- ihrer Schliessung aufgrund der COVID-19-Pandemie fern ein Bedarf festgestellt wird – einen Aufenthalt. Die tungen. Die durchschnittliche Auslastung lag bei 46 Pro- von allen Befragten als gut eingeschätzt. Nach der Mitarbeitenden der Spitex haben schon einige Gäste ver- | Entstigmatisierung dank Information und Sensi- zent. Die Auslastung schwankt jedoch stark; so betrug Schliessung war die Auslastung jedoch einige Monate mittelt und erachten die Tages- und Nachtstätte als wert- bilisierung sie an gewissen Wochentagen 20, an anderen 100 Pro- sehr tief und man spürte die Unsicherheit der Angehöri- volle Ergänzung zu ihrem eigenen Angebot. Die Stiftung Blumenrain führt jährlich einen Anlass für zent. 2020 gab es während der 37 Wochen, die die Tages- gen, ihren Partner/ihre Partnerin während der Pandemie die Angehörigen durch, an dem über die gesamte Stif- und Nachtstätte geöffnet war, 745,5 Tagesbesuche und fremdbetreuen zu lassen. Alle Befragten sind zuversicht- Ab und zu werden auch Prospekte an die Sozialstellen tung sowie über die Tages- und Nachtstätte informiert 37 Nachtbesuche. Die Auslastung sank entsprechend auf lich, dass die Auslastung wieder zunehmen wird, sobald im Spital, an die Psychiatrie oder an Hausärzte/-innen in wird und Fragen der Angehörigen beantwortet werden. 34 Prozent. Gemäss Angaben der Stiftung Blumenrain mehr Normalität einkehrt. Generell unterliegt die Aus- der Region geschickt. Diesen Stellen ist gemäss eigenen Dies trägt aus Sicht der Projektverantwortlichen zur Ent- müsste die durchschnittliche Auslastung bei 10 Gästen lastung starken Schwankungen. So gibt es im Winter Aussagen das Angebot bekannt. Gemäss einem befrag- stigmatisierung des Angebotes bei. So hätten Angehö- pro Tag und damit 83 Prozent liegen, damit die Tages- mehr Gäste als im Sommer. Ausserdem kann es vorkom- ten Hausarzt ist es wenig zielführend, die Marketingak- rige noch oft Hemmungen, ihren Partner oder ihre Part- und Nachtstätte wirtschaftlich effizient wäre. Mit der men, dass mehrere Gäste gleichzeitig krankheitshalber tivitäten auf Ärzte/-innen und Kliniken zu konzentrie- nerin wegzugeben. Diesbezüglich müsse von allen vorherigen Tagesstätte in Therwil konnte dieser Wert ausfallen oder in ein Pflegeheim überwiesen werden. ren. Es handle sich beim Zielpublikum der Tages- und Akteuren noch viel Überzeugungsarbeit geleistet wer- meistens erreicht werden. Dass die Auslastung eine Her- Diese Schwankungen sind auch in Darstellung D 3.3 er- Nachtstätte vermehrt um demente Personen und ihre den. Einige Befragte vertreten dagegen die Ansicht, dass ausforderung ist, zeigt auch die Studie von Ruth Köppel: sichtlich. Angehörigen, die nur selten den Arzt aufsuchen, sofern der Generationenwechsel automatisch zur Entstigmati- So wiesen 63 Prozent der 17 untersuchten Tagesstätten sie nicht akut krank sind. Vielmehr sollten die Marketin- sierung solcher Entlastungsangebote führen wird. Aus- eine Auslastung unter 80 Prozent aus und zwei Instituti- gaktionen direkt auf die Angehörigen zielen, beispiels- serdem würden sich die Menschen erst für solche Ange- onen gar eine Auslastung unter 25 Prozent.7 weise durch Inserate in Lokalzeitungen. Daten der Stif- bote interessieren, wenn sie auch wirklich Bedarf haben. 7 Köppel, Ruth (2015): Erfolgreiche Praktiken von Tagesstätten. Studie im Auftrag der Age-Stiftung, Rikon. 24 25
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