Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg zwischen touristischer Nachfrage und Finanzanlagen

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Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019
https://doi.org/10.5194/gh-74-235-2019
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                    Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen:
                    Wohnen in Salzburg zwischen touristischer
                          Nachfrage und Finanzanlagen
             Andreas Van-Hametner1 , Christian Smigiel1 , Karolin Kautzschmann2 , and Christian Zeller1
                         1 Fachbereich Geographie und Geologie, Universität Salzburg, Salzburg, Österreich
           2 Institut   für Wirtschafts- und Kulturgeographie, Leibniz-Universität Hannover, Hannover, Deutschland
                          Correspondence: Andreas Van-Hametner (andreas.van-hametner@sbg.ac.at)

             Received: 27 September 2018 – Revised: 27 March 2019 – Accepted: 27 May 2019 – Published: 28 June 2019

       Kurzfassung. The housing question is a topic of increasing concern in a number of European cities. Rising
       housing costs burden many households. Since the outbreak of the global economic crisis in 2008, housing has
       increasingly come under spotlight of investors. Institutional and private actors invest in real estate not only in
       metropolitan areas but also in middle and small-sized towns. Tourism-induced demand increases the pressure on
       housing markets particularly in tourist-dominated cities. The manifestation of these processes varies on a small
       scale and is influenced by regional-local planning and politics. Based on the example of the city of Salzburg, the
       article shows that the housing question manifests itself strongly aside metropolises as well. Financial investments
       by private and institutional actors in real estate and different forms of tourism demand exacerbate the housing
       shortage. By linking the discussions about the effects of (mass-)tourism and financial investments on regional
       housing markets, this paper provides additional insights. The additional demand for (residential) space by tou-
       rism is used to increase or secure the return on investments in real estate. Financial investments in housing offer
       additional (problematic) potential for tourist use, such as short-term rentals. Owners benefit from both processes.
       Due to the prevalent power relations, planning and politics have little to counter the current challenges.

1   Einleitung: die Wohnungsfrage in Salzburg                      ne, die Stadt- und Raumplanung, welche die Diskrepanz von
                                                                   Wohnen zwischen Grundbedürfnis und Ware mitbestimmen.
Die Wohnkosten sind in vielen europäischen Städten ins Zen-           Die Zuspitzung der Probleme am Wohnungsmarkt zeigte
trum des öffentlichen Interesses geraten: Die „Wohnungsfra-        sich zuletzt seit der Subprime-Krise weltweit. Diese „Woh-
ge“ ist wieder allgegenwärtig. Starke Preissteigerungen be-        nungsfrage“ manifestiert sich jedoch in jeder Stadtregion
lasten viele Haushalte, im Besonderen aber Niedrigverdie-          auf ihre eigene spezifische Weise (Marcuse and Madden,
ner_innen. Sie sind gezwungen immer größere Anteile ih-            2016). Institutionelle und wirtschaftspolitische Rahmenbe-
res Einkommens für Wohnen aufzuwenden (Schönig et al.,             dingungen auf nationaler Ebene sind demnach zwar wich-
2017:12; Lebuhn et al., 2017). Die Wohnungsfrage stellt sich       tig und einflussnehmend. Die konkreten Ausdifferenzierun-
aber nicht nur in rein finanzieller Hinsicht, sondern ist im-      gen der Wohnungsfrage und Entwicklungen auf den Märkten
mer eine gesellschaftliche und politische Frage. In konzep-        für Eigentums- und Mietwohnungen divergieren jedoch bei
tioneller Hinsicht ist die Wohnungsfrage somit stets mit spe-      kleinräumiger Betrachtung wesentlich, weshalb es wichtig
zifischen Macht- und Kräfteverhältnissen verbunden, die es         ist, die regional–lokale Ebene genauer zu betrachten (vgl. Le-
freizulegen gilt, will man einerseits die lokale und regio-        buhn et al., 2017).
nale Bedeutung der Wohnungsfrage verstehen und anderer-               Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Beitrag auf einen
seits eine Suche nach Möglichkeiten des Gestaltens ansto-          konkreten regionalen Kontext – die Stadt Salzburg. Salzburg
ßen (vgl. Zeller et al., 2018). Dies umfasst konkret die Rolle     steht hierbei stellvertretend für eine Stadt mit angespann-
der politischen Institutionen auf nationaler und lokaler Ebe-      tem Wohnungsmarkt (Zeller et al., 2018). So weist Salzburg

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im österreichweiten Vergleich seit Jahren neben Wien und                Aufgrund der allgemeinen Bedeutungszunahme finanziel-
Innsbruck die höchsten Mieten und Immobilienpreise auf               ler Verwertungsstrategien, der Eigenheiten Salzburgs als tou-
– konkret EUR 10 kalt1 (2017) beziehungsweise EUR 4161               ristische Destination und der starken, überdurchschnittlichen
(Eigentumswohnung Neubau 2017) je Quadratmeter (WKO,                 Preissteigerungen von Wohneigentum und Mieten drängen
2002–2018). Die Dynamik ihrer Entwicklung liegt bedeu-               sich uns folgende zwei Untersuchungsfragen auf.
tend über jener der Einkommen, vor allem bei kleineren
Wohnungen (Kircher et al., 2018). Gleichzeitig steht Salz-               – Wie äußert sich die Wohnungsfrage in Salzburg unter
burg für eine, auch im europäischen Vergleich, stark touristi-             den spezifischen ökonomischen und institutionellen Be-
sche Stadt, die erheblich mit den Auswirkungen des Massen-                 dingungen?
tourismus „kämpft“ (Roland Berger, 2018).                                – Welche Rolle spielen die Ausrichtung der Stadt Salz-
   Die ökonomische Dimension der Wohnungsfrage zeigt                       burg auf den Tourismus, die zunehmend stärkere Orien-
sich ebenfalls in struktureller Hinsicht. Salzburg kann hierbei            tierung von Wohnraum als Finanzanlage und die (loka-
stellvertretend für Städte mittlerer Größe ohne globale Funk-              len) politisch-institutionellen Rahmenbedingungen für
tionen gesehen werden, die von jüngeren Prozessen der Fi-                  die Entwicklung der Wohnungssituation in Salzburg?
nanzialisierung und Responsibilisierung betroffen sind – et-
was, das bislang vorwiegend in große Metropolen wie Frank-           Diese Fragen lassen sich nicht unabhängig voneinander be-
furt, Hamburg und München beobachtet wurde. Mittlerweile             antworten, da sich Prozesse und Phänomene gegenseitig be-
aber sind in zunehmendem Ausmaß auch Mittelstädte, klei-             dingen. Darum verbinden wir in unserer Analyse die ökono-
nere Universitätsstädte und touristische Regionen interessant        mischen und institutionellen Veränderungen, wobei wir diese
für das institutionelle und private anlagesuchende Kapital           jeweils in den größeren internationalen und nationalen Kon-
(Fehlberg and Mießner, 2015; Engel & Völkers, 2013; Van-             text setzen.
Hametner and Zeller, 2018). Die sich seit mehreren Jahr-                In Abschnitt zwei legen wir dar, wie sich der stärkere Ein-
zehnten vollziehende Bedeutungszunahme finanzieller Ver-             fluss von Finanzialisierungsprozessen auf dem Wohnungs-
wertungsstrategien und Rentenerträge manifestiert sich auch          markt zeigen kann. Anschließend reißen wir im dritten Ab-
im Immobiliensektor. Wohnungen als Finanzanlage, zur Vor-            schnitt das Problem der Touristifizierung an und skizzieren
sorge, wegen niedriger Zinsen oder auch aus Mangel an alter-         dessen Auswirkungen auf Wohnungsmärkte. Der vierte Ab-
nativen risikoarmen Anlagemöglichkeiten sind zunehmend               schnitt geht der Frage nach, welche Rolle Planung und re-
von Bedeutung für Privathaushalte, aber auch für institutio-         gionale Politiken, eingefasst durch nationale institutionelle
nelle Anleger_innen.                                                 Rahmenbedingungen, auf die Wohnungsfrage nehmen. Da-
   Salzburg ist eine stark touristisch geprägte Stadt. Mehr          bei fokussieren wir uns explizit auf jene Politikfelder, die
als 3 Millionen Übernachtungen zählt die Stadt mit knapp             den bereits im zweiten und dritten Abschnitt aufgeworfenen
156 000 Einwohner_innen. Die dafür notwendige touristi-              Themen entsprechen. Im fünften Abschnitt zeigen wir, wie
sche Infrastruktur führt zur Verdrängung2 von Wohninfra-             in Salzburg der zunehmende Tourismus die Verwertung von
struktur und -bevölkerung aus dem innerstädtischen Be-               Eigentum in Form von Zins- und Rentenerträgen begünstigt.
reich (z.B. Altstadt–Mülln: knapp 15 % Bevölkerungsrück-             Im sechsten Abschnitt argumentieren wir, wie die gemeinsa-
gang von 2008 bis 2017 (Stadt Salzburg, 2013, 2018b; eigene          me Betrachtung von Finanzialisierungs- und Tourismuspro-
Berechnungen)), Phänomene wie Kurzzeitvermietungen für               zessen wesentlich zum Verständnis von Problemen auf regio-
Tourist_innen aber auch neue Wohnbauprojekte, die explizit           nalen Wohnungsmärkten beiträgt.
für Anleger_innen errichtet werden, verstärken das Problem.
   Das Beispiel Salzburg zeigt, wie spezifische wohnungs-            2    Wohnen als Finanzanlage
politische Handlungsweisen zu einer Verschärfung der Woh-
nungsfrage führen können. Verständlich werden diese Pro-             Welchen Einfluss hat die Nachfrage nach Wohnungen als Fi-
zesse nur im Rahmen der institutionellen, politischen und            nanzanlage auf die Entwicklung der Wohnkosten? Mehre-
ökonomischen Verhältnisse sowie der konkreten Ausgestal-             re Faktoren haben zur Bedeutungszunahme finanzieller An-
tung der lokalen Wohnpolitik und der mit ihr verbundenen             lagestrategien im Bereich des Wohnens geführt. Dazu zäh-
Boden- und Sozialpolitik.                                            len das stärkere Auftreten institutioneller Anleger_innen am
                                                                     Immobilienmarkt und die Ausweitung privater Anlagen in
   1 Nettomietzins exklusive Betriebs- und Heizkosten für Wohnun-    Betongold aufgrund verstärkter Unsicherheiten am Kapital-
                                                                     markt, niedriger Zinsen und dem Mangel alternativer, sta-
gen, für welche die Mietzinsobergrenzen des Mietrechtsgesetzes
nicht gelten.                                                        biler Anlagemöglichkeiten sowie der (gefühlten) individu-
   2 Zu sozialräumlichen Verdrängungsprozessen liegen bislang nur    ellen Verantwortung für die eigene Altersvorsorge (Heeg,
wenige gesicherte Erkenntnisse vor (Bichler, 2018; Schoibl, 2011).   2013). Wesentliche Rahmenbedingungen dafür sind die Li-
Andere Formen der Verdrängung, beispielsweise durch das Auftre-      beralisierung der Finanzmärkte und Deregulierung der Im-
ten von Gewerbeimmobilien oder Ähnlichem sind weder politisch        mobilienmmärkte einhergehend mit dem Rückzug der öf-
noch medial ein Thema.                                               fentlichen Hand, die Zunahme von Verschuldung sowie

Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019                                                                www.geogr-helv.net/74/235/2019/
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die Errichtung kapitalgedeckter Altersversicherungssysteme.     Zeit) aufkaufen. Ein weiterer Grund für die wachsende Nach-
Durch neue Finanzmarktinstrumente wurden Immobilienbe-          frage nach Wohneigentum liegt, in der zunehmenden Verun-
stände in standardisierte und vergleichbare Waren zur Ka-       sicherung vieler Menschen in Bezug auf ihre Altersvorsorge
pitalanlage. Diese Rahmenbedingungen erleichtern es Fi-         (ERGO, 2018) – vor allem in konservativen Wohlfahrtsstaa-
nanzakteuren am Immobilienmarkt Kapital zu platzieren.          ten (vgl. Esping-Andersen, 2013) mit traditionell ausgepräg-
Das führte zu einer deutlichen Ausweitung von Investment-       ten sozialen Sicherungssystemen wie Österreich, Deutsch-
möglichkeiten. Wie Aalbers (2016) argumentiert, konnte so       land oder auch Frankreich. Je mehr der Eindruck entsteht, die
das finanzdominierte Akkumulationsregime zunehmend sei-         umlagefinanzierte Altersversicherung reiche nicht mehr, um
ne Auswirkungen auch auf die Wohnungsmärkte entfalten.          den Lebensunterhalt im Alter zu finanzieren, desto eher se-
   Die jüngere geographische Immobilienwirtschaftsfor-          hen sich viele Menschen motiviert, ihre Altersvorsorge über
schung zeigt, dass die Immobilienmärkte großer Metropolen       Wohnungseigentum zusätzlich abzusichern (AXA Deutsch-
zunehmend durch diese Prozesse – vor allem durch interna-       land, 2016). Heeg (2013) bezeichnet diesen Prozess, mit dem
tional mobiles und liquides Anlagekapital und durch Aus-        Menschen zunehmend individuell verantwortlich für die Al-
wirkungen der Responsibilisierung – geprägt werden (Heeg,       tersvorsorge gemacht werden und sich dadurch dem Diktat
2013; Dörry, 2010; Fernandez and Aalbers, 2016; Aalbers,        der Finanzmarktlogik unterwerfen als Responsibilisierung.
2016). Aber auch kleinere Städte, vor allem regionale Uni-      Dieser geht zugleich mit einer Verlagerung privater Spargut-
versitätsstädte und sonstige sogenannte B-Lagen sind zuneh-     haben einher (Jäger, 2006) und führt dazu, dass mehr Kapital
mend betroffen (Reutter, 2012; Engel & Völkers, 2013; Fehl-     auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten ist. Hinzu kommt
berg and Mießner, 2015).                                        die Verunsicherung vieler privater Anleger_innen bei Invest-
   Die Bedeutungszunahme finanzieller Anlagestrategien mit      ments am Kapitalmarkt. Das verstärkt die Nachfrage nach so
dem Ziel kurzfristiger Profitmaximierung und Renditestei-       genannten Vorsorge- bzw. Anlagewohnungen, also Wohnun-
gerung abseits realwirtschaftlicher Produktionsprozesse wird    gen, welche Anleger_innen nicht selbst bewohnen, sondern
auch als Finanzialisierung bezeichnet. Wir verstehen Finan-     zum Zwecke der Wertanlage und Vorsorge erwerben und teil-
zialisierung als einen Prozess der Akkumulation von Geld-       weise vermieten.
kapital (also aus Geld mehr Geld machen; G–G’), das nach           Unternehmen und zunehmend auch wohlhabendere Privat-
profitablen Anlagemöglichkeiten und neuen Verwertungsfel-       personen entwickeln und errichten Vorsorge- und Anlage-
dern sucht (vgl. auch Chesnais, 2016; Belina, 2018; Ser-        wohnungen (Nothegger, 2018) als Renditeobjekte zur Miete
fati, 2011). Zahlreiche Finanzialisierungsprozesse beruhen      oder für den Verkauf. Großen Teilen der Bevölkerung fehlen
auf einer starken Bedeutungszunahme von Rentenerträgen          für den – vielfach gewünschten – Erwerb von Vorsorge- und
auf der Grundlage von Eigentumsmonopolen – also Ein-            Anlagewohnungen allerdings die finanziellen Möglichkei-
kommen ohne direkte Gegenleistung (Zeller, 2008). Ren-          ten (AXA Deutschland, 2016). Dies führt zu einer stärkeren
tenerträge sind den Zinserträgen ähnlich. Beide entstehen       Polarisierung zwischen wenigen Mehrfacheigentümer_innen
nicht aus einem produktiven Wertschöpfungsprozess, son-         und vielen eigentumslosen Mieter_innen. Die Quote von
dern entstammen einer Umverteilung von Mehrwert begrün-         Eigentümer_innen, die Selbstnutzer_innen sind, sinkt des-
det auf Eigentumstiteln. Investoren erzielen ihre Renditen in   halb seit der Finanzkrise neben vielen europäischen Ländern
Form von Zinserträgen, zu denen auch Dividenden zu zählen       auch in Österreich (von 59,2 % im Jahr 2008 auf 55 % im
sind, die Eigentümer_innen von Immobilien erzielen Ren-         Jahr 2017) (Statistik Austria, 2018). Dieses Phänomen hat
teneinkommen. Bei einer ungünstigen Verteilung der Markt-       auch eine generationelle und demographische Komponente
macht zwischen Angebot und Nachfrage nach Immobilien            (Helbrecht and Geilenkeuser, 2012). Aktuell wird diese The-
bzw. Wohnraum können die Eigentümer_innen überdies ei-          matik unter dem Terminus multiple property ownership in-
ne Monopolrente erzielen (Harvey, 1982:353, 2001). Dieser       ternational – vor allem in Ländern mit traditionell hoher Ei-
Akkumulationsprozess außerhalb des Produktionsprozesses         gentumsquote – diskutiert (vgl. Ronald and Kadi, 2017).
nimmt im Immobiliensektor eine ganz besondere Bedeutung
ein und kann durch verschiedene Prozesse zwischen Kredit-
nehmer_innen und Kreditgeber_innen, Mieter_innen und Ei-        3   Der Tourismus und die Wohnungsfrage
gentümer_innen erfolgen (Belina, 2018).
   Vor allem institutionelle Investor_innen, zunehmend aber     Neben der zusätzlichen Nachfrage nach Immobilien ge-
auch Privatpersonen, haben Wohnungen als Anlageobjek-           trieben durch Vorsorge und Anlage unterschiedlicher Ak-
te zur Vermehrung ihres Kapitals identifiziert (Heeg, 2013;     teur_innen, stehen regionale Immobilienmärkte gerade in
Scharmanski, 2006; Hesse and Preckwinkel, 2009). Bei-           Städten mit ausgeprägtem Tourismus zusätzlich unter Druck.
de Akteursgruppen treten in unterschiedlichen Formen auf        Am Beispiel Salzburg mit seiner Bedeutung als Tourismus-
den Immobilienmärkten auf. Ihnen ist gemeinsam, dass sie        und Kulturstadt zeigen wir auf, wie neben klassischen
Wohnraum in erster Linie erwerben, um ihr Kapital anzule-       Städteurlauber_innen, die unterschiedliche touristische In-
gen und zu vermehren. Ein Beispiel sind Pensions- und In-       frastrukturen nutzen, zunehmend auch über den klassischen
vestmentfonds die ganze Wohnportfolios (für eine bestimmte      Städtetourismus hinausgehende externe Nachfragen den re-

www.geogr-helv.net/74/235/2019/                                                           Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019
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gionalen Wohnungsmarkt unter Druck setzen und die Woh-          man et al., 2006). Gemeinsam ist diesem Prozess und dem
nungsfrage verschärfen. Hinzu kommen Kurzzeitvermietun-         zuvor genannten Tourismus, dass Menschen von außerhalb
gen, Nebenwohnsitze wohlhabender Gruppen und (teilwei-          einer Region aufgrund bestimmter Vorzüge in eine Gegend
se daraus resultierender) Leerstand. Gemein haben alle diese    kommen, zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum artikulie-
Phänomene, dass sie klassische langfristige Wohnformen in       ren, ohne diesen dauerhaft zu nutzen und so die Wohnungs-
der Stadt Salzburg verdrängen.                                  marktsituation für die lokale Bevölkerung verschärfen.
   Der Städtetourismus hat zuletzt durch rasantes Wachstum
neue Dimensionen erreicht. Ein Grund ist die Abkehr vie-
ler Menschen vom klassischen, langen Sommerurlaub hin           4   Institutionelle Rahmenbedingungen der
zu kürzeren (City-)Trips (Hennig, 1999). Tourismus ist für          Wohnungspolitik in Salzburg
viele Kommunen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor (Hopfinger,
2017; Freytag and Glatter, 2017). Traditionell wird die Wir-    Tourismusinduzierte Prozesse und Finanzialisierungsprozes-
kung des Tourismus vor allem durch die ökonomische Bril-        se können nur dort ihre volle Wirkung auf den Wohnungs-
le betrachtet, die Attraktivität einer Stadt an der Anzahl an   markt entfalten, wo ordnungpolitische Rahmenbedingungen
Übernachtungen und Konsumausgaben von Urlauber_innen            dies zulassen oder begünstigen. Deswegen setzen wir uns
gemessen. Touristischer Konsum in Einzelhandel, Gastrono-       im folgenden Abschnitt mit den wesentlichen Elementen
mie und im Beherbergungswesen schafft Wertschöpfung und         der österreichischen Wohnungspolitik anhand der zentralen
Arbeitsplätze und wird deshalb politisch unterstützt (Freytag   wohnungspolitischen Instrumente Mietrechtsgesetz (MRG),
and Popp, 2009).                                                Wohnbauförderung (WBF) und gemeinnützigem Wohnbau
   Zunehmend erfährt der Tourismus aufgrund seiner ne-          sowie ihrer konkreten Ausgestaltung in Salzburg auseinan-
gativen Begleiterscheinungen wie hohem Verkehrssaufkom-         der. Diese Ausführungen ergänzen wir mit einem Blick auf
men, der Belastung städtischer Infrastrukturen und dem          die regionale Ausgestaltung der Bodenpolitik und der aktiven
Anstieg der regionalen Lebenshaltungskosten auch Kritik         Wohnraumbereitstellung in Salzburg.
(vgl. Freytag and Glatter, 2017). Die aktuellen Diskussio-         Den Regulierungsindizes der OECD (2011; Rent-Control-
nen um overtourism bzw. zunehmenden lokalen Widerstand,         Indicator und Tenant-Landlord-Indicator) zufolge ist Öster-
der in zahlreichen Städten zu beobachten ist, zeigen so-        reichs Wohnungsmarkt stark reguliert. Der Mieterschutz ge-
wohl die politische Dimension des Themenkomplexes Tou-          staltet sich über das Mietrechtsgesetz (MRG) und flankie-
rismus und Wohnungsmarkt als auch dessen sozialräumli-          rend das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG). Beide
che Relevanz (vgl. Novy and Colomb, 2017; Seraphin et al.,      regulieren in unterschiedlichem Ausmaß die Festlegung der
2018). Dienstleistungsangebote passen sich an die Bedarfe       Mietzinshöhe und der Kündigungsfristen, gelten aber nicht
von Tourist_innen an, Lebenshaltungskosten steigen, Wohn-       für den gesamten Wohnungsbestand. Ob das MRG voll an-
raum wird für touristische Zwecke verwendet und steht in        gewendet wird, ist abhängig vom Errichtungszeitpunkt des
sinkendem Ausmaß der Bevölkerung zur Verfügung. In die-         Gebäudes und dem Vorliegen von Förderungen. Darüber hin-
sen Orten kann es nun zur bewussten Ablehnung des Tou-          aus richten sich die juristischen Möglichkeiten der Mietzins-
rismus kommen (Blickhan et al., 2014; Novy and Colomb,          vereinbarung nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
2017). Neben dem Tourismus gibt es noch weitere Treiber         Durch mehrere Anpassungen seit den 1990er Jahren wur-
sozialräumlicher Differenzierung in Städten, die als klassi-    de die Mietrechtsgesetzgebung eingeschränkt (Kunnert and
sche Tourismusdestination gelten. Dies betrifft neben Ar-       Baumgartner, 2012). Aufgrund der Bedeutung des Errich-
beitsmigrant_innen und Pendler_innen immer mehr Perso-          tungszeitpunkts für die Anwendung des MRG, geht dessen
nen, die diese Städte als zusätzlichen Wohnstandort nutzen      Relevanz als mietenregulierendes Instrument zunehmend zu-
wollen, ohne einen Hauptwohnsitz zu begründen (vgl. Dis-        rück. In der Stadt Salzburg ist die Wirkung des MRG nur ge-
kussion um amenity migration bzw. Ruhestandsmigration:          ring, da die wesentlichen Anwendungsvoraussetzungen – Er-
Gosnell and Abrams, 2011; Engfer, 2018).                        richtung vor 1945 sowie Förderung durch WBF – nur einen
   Eine Variante dieses Phänomens ist der Zuzug vor allem       kleinen Teil des Wohnungsbestands betreffen. Die klassi-
älterer wohlhabender Menschen aus unterschiedlichen Grün-       schen mehrgeschossigen Mietshäuser der Gründerzeit und
den (Lebensstil, Attraktivität und Image des Zuzugsortes,       andere Wohngebäude aus den Bauperioden bis 1945 stellen
Gesundheitsaspekten, etc.) in Regionen abseits der großen       nur knapp 17 % aller Wohnungen. Der Anteil an geförderten
Metropolen, die durch ihre besondere Attraktivität gekenn-      Wohnungen, die einer Mietpreisregulierung des WGG unter-
zeichnet sind. Für Salzburg, werden wir weiter unten argu-      liegen, ist mit 21 % am Gesamtbestand im Vergleich zu ande-
mentieren, sind diese über den Tourismus hinausgehenden         ren österreichischen Städten gering (Stadt Salzburg, 2018a;
Nachfrageprozesse – allerdings nicht nur auf ältere Personen    Amann and Lugger, 2016).
beschränkt – von großer Bedeutung. Mit diesem Migrations-          Die Wohnbauförderung ist seit über 70 Jahren hinweg das
prozess geht auch steigender Druck auf die Wohnungsmärkte       zentrale Steuerungsinstrument zur Schaffung sozialen Wohn-
einher (Ghose, 2004). Denn vielfach werden Immobilien von       baus in Österreich (Amann and Lugger, 2016:55). Seit den
den Zuziehenden nur als Zweitwohnsitz verwendet (Sted-          1990er Jahren kam es allerdings zu mehreren Schwächungen

Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019                                                          www.geogr-helv.net/74/235/2019/
Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg                                  239

des Systems. Die Wohnbauförderung ging in den Zuständig-         Land 0,4 %, Gemeinde 2,8 % der Wohnungen)(Stadt Salz-
keitsbereich der Länder über und wurde real gekürzt (Strei-      burg, 2018a). Der städtische Wohnungsbestand wurde im
melweger, 2010). Die bestehende Zweckbindung wurde auf-          Jahr 2005 ausgegliedert und wird seitdem von einer GBV
gehoben und Fördermittel können seitdem von den Ländern          betreut. Die Stadt hat allerdings das Vergaberecht für einen
auch für Budgetsanierung bis hin zu Spekulation „zweckent-       Teil der Wohnungen der GBV und ist gemeinsam mit dem
fremdet“ werden (Kunnert and Baumgartner, 2012; Streimel-        Land Eigentümer der größten GBV.
weger, 2010).                                                       Auch Bodenpolitik und Raumplanung haben einen großen
   Durch dies, sowie durch eine Stärkung der Subjekt- ge-        Einfluss auf die Ausgestaltung der Wohnungsfrage in Salz-
genüber der Objektförderung wurden die Möglichkeiten der         burg. Die Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Grundstücken
WBF soziale Wohninfrastruktur zu errichten in den letz-          ist eine wesentliche Voraussetzung für sozialen Wohnbau.
ten Jahren geschwächt (Streimelweger, 2010; Kunnert and          Salzburg ist eine grüne Stadt in der rund 58 % des Stadtge-
Baumgartner, 2012). Hinzu kommen je nach Bundesland un-          biets als Grünland gewidmet sind3 (Stadt Salzburg, 2018a).
terschiedliche Ausrichtungen der WBF. Im Bundesland Salz-        Dies liegt vor allem an einer raumplanerischen Besonder-
burg werden aktuell auch die Errichtung und der Kauf von         heit – der Grünlanddeklaration, welche einen großen Teil
Immobilien mit einmaligen nicht-rückzahlbaren Zuschüssen         des Salzburger Grünlands unter restriktiven und dauerhaf-
gefördert. Insgesamt wurden 2017 hierfür 37 % des gesamten       ten Schutz vor Verbauung und Umwidmung stellt (Dopsch
Förderbudgets verwendet (Land Salzburg, 2018). 2018 kam          and Hoffmann, 2008). Zugleich reduziert dieser Grünland-
es zu einem deutlichen Rückgang auf nur mehr 26 % (Land          schutz die Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt, insbesonde-
Salzburg, 2019). Da die Zuschüsse nicht zurückgezahlt wer-       re die Errichtung von Wohnbau, da er die Verfügbarkeit von
den müssen, schwächt dies die Refinanzierung der Wohnbau-        Bauland stark einschränkt. Die Dominanz privater Eigentü-
fördermittel. Bislang speisten die Forderungsrückzahlungen       mer und diese restriktive Raumplanung sind entscheidende
einen Teil des zukünftigen WBF-Budgets. Die Förderungen          Komponenten, weshalb weite Teile der Stadt nach wie vor
für Mietwohnbau wurden zudem auch gewerblichen Bauträ-           eine geringe Baudichte aufweisen (vgl. Spitzer et al., 2017).
gern zugänglich gemacht, bis 2013 war dies den gemein-           Preiswerter Wohnungsneubau findet in der Tat meist auf den
nützigen Wohnbauträgern vorbehalten. Diese gewerblichen          bereits intensiv genutzten Stadtteilen im Norden Salzburgs
Bauträger können aber nach 25 Jahren ohne rechtliche Ein-        statt. Im privilegierten Salzburger Süden wird Wohnungs-
schränkungen über die geförderten Projekte verfügen – freie      neubau vor allem in Form exklusiver Wohnkomplexe errich-
Miete oder Verkauf sind möglich. Günstiger Wohnraum wird         tet. Dass sich diese Dichotomie auch in den Wohnsitzprä-
damit nicht nachhaltig gesichert (Amann and Mundt, 2017).        ferenzen der Salzburger_innen widerspiegelt, konnte Weich-
   Neben der Mietenregulierung und staatlicher Wohnbauför-       hart (1988) schon vor 30 Jahren nachweisen und belegt damit
derung stellen die gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV)         die Langfristigkeit und Pfadabhängigkeit von materialisierter
die dritte Säule der österreichischen Wohnungspolitik dar. Ih-   Wohnpolitik.
re zentrale Aufgabe ist, Wohnungen zu errichten, die für klei-
ne und mittlere Einkommen erschwinglich sind (Rechnungs-
                                                                 5   Tourismus- und Finanzialisierungsinduzierte
hof, 2007). Drei Aspekte definieren das Alleinstellungsmerk-
                                                                     Phänomene am Salzburger Wohnungsmarkt
mal der gemeinnützigen Bauvereinigungen: Vermögensbin-
dung, Kostendeckung und Ertragssteuerbefreiung (Feichtin-        In diesem Abschnitt erörtern wir, wie sich die Finanziali-
ger and Schinnagl, 2017). In der Stadt Salzburg stellen die      sierungsprozesse und Prozesse des Tourismus konkret auf
gemeinnützigen Bauvereinigungen vergleichsweise geringe          den Wohnungsmarkt in Salzburg auswirken. Dabei zeigen
21,4 % des Wohnungsbestandes (siehe Abbildung 1). Die            wir auf, dass der Tourismus und die Finanzialisierung ge-
restlichen Wohnungen werden vorwiegend von privaten Per-         trennte Phänomene am Salzburger Immobilienmarkt begrün-
sonen gehalten. Allerdings sind die GBV trotzdem ein wich-       den, manche Phänomene aber dezidiert auf beide Entwick-
tiger wohnungpolitischer Akteur. Konkret stellen sie die trei-   lungen zurückgeführt werden können. Tourismus und Finan-
bende Kraft des Wohnungsneubaus in Salzburg. Knapp 50 %          zialisierung bedingen sich teilweise auch bzw. begünstigen
aller neuen Wohnungen wurden in den letzten Jahrzehnten          sich wechselseitig. In Abbildung 2 zeigen wir schematisch
von den GBV errichtet (Straßl et al., 2018). Trotz dieser        auf, welche Phänomene durch Tourismus und Finanzialisie-
strukturellen Bedeutung ist ihr Einfluss auf die Preisentwick-   rung ausgelöst oder verstärkt werden und stellen diese in den
lung beschränkt, da auch sie an die (lokalen) wohnungs-          folgenden Abschnitten konkret für Salzburg vor.
marktpolitischen Rahmenbedingungen gebunden sind (Bau-              Vor allem in der zentralen Altstadt ist die gesamte In-
landpreise, Konkurrenz zu privaten Bauträgern, baurechtli-       frastruktur auf den Tourismus ausgerichtet. Zweitwohnsit-
che Auflagen). So sind die Mieten im gemeinnützigen Seg-         ze sind ebenfalls weitgehend durch den Tourismus gepräg-
ment in Salzburg im österreichweiten Vergleich am höchsten
(Amann et al., 2014).                                                3 Vergleichbare Landeshauptstädte wie Graz und Linz (je
   Die öffentliche Hand spielt in Salzburg insgesamt nur ei-     ca. 45 %) sowie auch die Hauptstadt Wien haben einen geringeren
ne untergeordnete Rolle am Wohnungsmarkt (Bund 0,7 %,            Grünlandanteil.

www.geogr-helv.net/74/235/2019/                                                             Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019
240                        Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg

Abb. 1. Struktur des Wohnungsmarkts in Salzburg; Quelle: Stadt Salzburg (2018a).

                                                                     befriedigung betrachten, sondern als Anlageobjekt ansehen.
                                                                     Konkret zeigt sich die Finanzialisierung also zum einen bei
                                                                     der Nachfrage respektive den Nachfragemustern nach Immo-
                                                                     bilien durch Privatpersonen wie auch Unternehmen. Zum an-
                                                                     deren ist aber auch ein darauf differenziertes Angebot sowie
                                                                     eine andere Akteursstruktur bei Projektentwicklung, Bau und
                                                                     Vertrieb offenkundig (vgl. Romainville, 2017).
                                                                        Im Gegensatz zu zahlreichen deutschen Städten, wurden in
                                                                     Salzburg kaum öffentliche Wohnungsbestände an institutio-
                                                                     nelle Investor_innen veräußert. Dies liegt in Salzburg daran,
                                                                     dass hier im Gegensatz beispielsweise zu Wien kein nennens-
                                                                     werter kommunaler Wohnbau besteht, der hätte privatisiert
                                                                     werden können. Mittelgroße Portfolios in privater Hand be-
Abb. 2. Tourismus- und finanzialisierungsinduzierte Phänomene        stehen dennoch. Einerseits führte die Privatisierung der bun-
am Salzburger Wohnungsmarkt; eigene Darstellung.                     deseigenen Wohnbauträger BUWOG und BIG auch in Salz-
                                                                     burg zur Veräußerung einiger hundert Wohnungen. Anderer-
                                                                     seits realisierten in der Vergangenheit private Immobilienent-
te Realität in Salzburg. Fallen Anlageinteressen und touristi-       wickler in Salzburg Bauprojekte selbst, zwar vorwiegend für
sche Interessen in Salzburg zusammen, sind privat genutzte           den Verkauf, teilweise aber vermieteten die Bauträger die er-
Vorsorgewohnungen das Resultat. Werden diese nicht selbst            richteten Wohnungen auch.
genutzt, werden sie entweder vermietet, oder einer häufig               Der Boom großer Mietwohnhäuser als Renditeobjekte (in
lukrativeren (touristischen) Kurzzeitvermietung zugeführt.           Österreich auch als Zinshäuser bezeichnet) bringt ebenfalls
Größere Kapitalanlagemöglichkeiten, die weniger von tou-             die Nutzung von Wohnraum als finanzielle Anlageform zum
ristischen Prozessen betroffen sind, stellen Zinshäuser und          Ausdruck. Diese Renditeobjekte bieten die Möglichkeit Ka-
die Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände dar. Letz-          pital in bereits errichteten Wohnraum anzulegen und über die
teres allerdings in Salzburg nur in geringem Ausmaß.                 Mieteinnahmen Rentenerträge zu erwirtschaften. Der öster-
                                                                     reichische Markt hatte 2017 ein jährliches Transaktionsvolu-
                                                                     men von knapp EUR 1,75 Milliarden und weist eine deutli-
5.1   Manifestation der Finanzialisierung in Salzburg
                                                                     che Dynamik auf – von 2016 auf 2017 stiegen die Transaktio-
So wenig wie die zunehmend marktförmige Organisation des             nen in Österreich um 17,5 %. Salzburg verzeichnet trotz sei-
Wohnungsmarktes auf einen singulären Prozess und Begrün-             ner geringen Größe im Verhältnis zu den anderen Bundeslän-
dungszusammenhang zurückgeführt werden kann, so wenig                dern ein überproportional großes Transaktionsvolumen mit
gibt es auch nur ein daraus abgeleitetes Resultat. Wie wir           vielen kleineren Transaktionen (Hudej Zinshäuser, 2018). In-
im zweiten Abschnitt gezeigt haben, manifestiert sich „Fi-           teressant ist, dass sich durch die Transaktionen nicht nur in-
nanzialisierung“ in unterschiedlichem Ausmaß, je nach han-           dividuelle Eigentumsrechte ändern, sondern insgesamt eine
delnden Akteuren und Motivlagen. Gemein ist allen nur, dass          Änderung der Eigentumsstrukturen vollzieht. In Salzburg,
sie Wohnobjekte nicht (nur) durch die Brille der Bedürfnis-          wie auch in vielen anderen Bundesländern sind der überwie-

Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019                                                               www.geogr-helv.net/74/235/2019/
Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg                                     241

gende Teil der Verkäufer_innen Privatpersonen, hingegen die     gentum als Wertanlage bzw. Vorsorge (Sparkasse Salzburg,
Käufer_innen überwiegend Firmen. Dies unterstreicht das         2018)4 .
Interesse des institutionellen Anlagekapitals für Immobilien       Wie schon oben zu Österreich dargelegt, führen diese Pro-
(Hudej Zinshäuser, 2018).                                       zesse zu einem Rückgang der Eigentumsquote, eine kleine-
   Aber nicht nur ganze Häuser, sondern auch einzelne Woh-      re Anzahl an Personen wohnt in Ihren „eigenen“ vier Wän-
nungen werden zu Vorsorge- beziehungsweise Anlagezwe-           den. Auch im Bundesland Salzburg ist die Eigentumsquote
cken erworben. Denn die Skepsis bzgl. der staatlichen Pen-      von 2008 auf 2017 von 54,5 % auf 51,7 % gesunken (Statistik
sionsvorsorge ist auch in Salzburg groß. 75 % der Salzbur-      Austria, 2018). Die starke Nachfrage nach Anleger- und Vor-
ger erwarten, ihren Lebensstandard mit staatlicher Pensi-       sorgewohnungen führt dazu, dass dieses Segment auch im
on alleine nicht halten zu können (IMAS, 2019). Die ge-         Neubau eine immer größere Rolle einnimmt. Bereits 2015
naue Abgrenzung zwischen dem klassischen Wohnungser-            waren 10 % aller neuen Wohnprojekte in Wien reine Vor-
werb zur Eigenversorgung und dem Erwerb zu Vorsorge-            sorgeprojekte und weitere 19 % solche mit einer Mischung
beziehungsweise Anlagezwecken ist in methodischer Hin-          aus Selbstnutzung und Vorsorge (Putschlögl, 2015) und auch
sicht jedoch schwierig, da nur über die Motivation des Käu-     in Salzburg werden zunehmend mehr Eigentumswohnungen
fers/der Käuferin erkennbar. Anlagewohnungen werden ent-        explizit zur Vorsorge und Anlage erreichtet und beworben.
weder mit ausschließlicher Vermietungsabsicht, mit Vermie-      Gerade aufgrund dieser starken Nachfrage und den damit
tungsabsicht und anschließender Selbstnutzungsperspektive       einhergehenden steigenden Preisen kommt es allerdings auch
(z.B. in der Pension) oder ausschließlich als Anlage mit der    zu einem Rückgang der Renditen, in Salzburg liegen diese
Spekulation auf einen gesteigerten Wohnungswert gekauft.        nur mehr bei 1,5 % bis 2 % (Jezek, 2019).
Besonders geeignet dafür sind Wohnungen, die hohe dauer-
hafte Vermietungschancen haben und damit kontinuierliche        5.2   Tourismus und der Wohnungsmarkt in Salzburg
Mieteinnahmen garantieren. Deshalb handelt es sich häufig
um kleinere (2–3 Zimmer) Wohnungen in Ballungszentren           Salzburg ist Inbegriff einer klassischen Kulturtourismusdes-
in zentralen Stadtteilen, die entweder Neubauten oder gene-     tination und zählt mit seiner 200jährigen touristischen Ge-
ralsaniert sind.                                                schichte zu den ältesten Tourismusregionen. Bereits in den
   Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass es in Öster-     1920er Jahren des letzten Jahrhunderts gehörte deren Be-
reich zu einem Boom von Angebot und Nachfrage nach              such „zum Kanon des europäischen Bildungsbürgertums
Anlage-/Vorsorgewohnungen kommt. Regional differenzier-         und zu den Vergnügungsritualen des Industrieadels“ (Hoff-
te Daten liegen aktuell nur für Wien vor und zeigen einen       mann and Luger, 1997:33). Gemeinsam mit den Festspie-
deutlichen Nachfrageanstieg. Marktstudien (EHL, 2018),          len, bilden die barocke Altstadt, Mozart, „The Sound of Mu-
welche auf die besondere steuerliche Behandlung von Woh-        sic“ und der Christkindlmarkt ein Amalgam, das sehr vie-
nungen zur Anlage als Analysekriterium referenzieren, ge-       le Tourist_innen anzieht. 2017 verzeichnete die Stadt Salz-
hen für 2017 von 950 Wohnungen aus, die für Vorsorgezwe-        burg bei knapp 1,75 Millionen Tourist_innen erstmals über
cke bzw. Anlagezwecke angekauft wurden (ein deutlicher          drei Millionen Übernachtungen (Stadt Salzburg, 2019) so-
Anstieg von 515 im Jahr 2015). Für 2018 wird ein Anstieg        wie geschätzte neun Millionen Tagestourist_innen (Neuhold,
prognostiziert. Diese 950 entsprechen ca. 7 % aller Eigen-      2018a). Dies bedeutet eine deutliche Steigerung der Nächti-
tumswohnungskäufe in Wien 2017.                                 gungen von 8 % im Vergleich zum Vorjahr sowie sogar um
   Generell gibt es in Österreich eine starke Zunahme des       81 % seit 2001 (siehe auch Abbildung 4) (Stadt Salzburg,
Kaufs von Eigentumswohnungen. Dies ist auch in Salzburg         2019). Salzburg liegt mit 20 Übernachtungen je Einwoh-
– mit zuletzt rückläufiger Tendenz – der Fall (siehe Abb. 3).   ner_in sowohl national als auch im internationalen Vergleich
Dies zeigen wir detailliert in Abschnitt 5.3. und belegen wir   ähnlich großer touristischer Destinationen Europas (mit über
anhand einer Analyse aktueller Marktberichte der lokalen        1 Million Übernachtungen) auf Rang eins in punkto Tou-
und nationalen Immobilienbranche (Hölzl & Hubner, 2018;         risten_innendichte (Roland Berger, 2015). Die touristische
WKO, 2002–2018).                                                Infrastruktur und Nachfrage sind in Salzburg stark auf das
   Vor allem das Segment der kleinen Wohnungen, die für         historische Zentrum konzentriert. Stadtstrukturelle Transfor-
Anleger besonders interessant sind, boomt. Die stark steigen-   mationsprozesse sind vor allem im touristischen Stadtkern
den Preise im Segment der kleinen Ein- und Zwei-Raum-           wahrzunehmen. Die Attraktivität ist für Salzburg nicht nur
Wohnungen können auch als eine verstärkte Nachfrage aus         Segen, sondern auch Fluch. Die Masse an Tourist_innen und
finanziellen Anlagemotiven interpretiert werden. Diese An-      vor allem die immer kürzere Verweildauer von durchschnitt-
nahme wird durch Aussagen von Marktakteuren bestätigt               4 Die Notariatskammer (2016) ließ in einer österreichweiten Un-
(OVI, 2017). Ansonsten kann die Motivation zur Anlage und       tersuchung wesentliche Motive zum Eigentumserwerb abfragen:
Vorsorge beim Immobilienkauf nur durch Befragungen be-          Neben der Schaffung eines Eigenheims (71 %) spielen Geldanlage
legt werden: 47 % aller Wohnungseigentümer sehen ihr Ei-        (41 %), Altersvorsorge (32 %), potentielle Mieteinnahmen (24 %)
                                                                und die Vorsorge für Nachkommen (22 %) wesentliche Begründun-
                                                                gen beim Immobilienerwerb.

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242                       Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg

Abb. 3. Steigende Nachfrage nach Eigentum am Salzburger Immobilienmarkt; Quelle: Hölzl and Hubner (2018).

lich unter zwei Tagen, führt dazu, dass die Belastungsgren-        vanz für den lokalen Wohnungsmarkt auf. Seit dem letzten
zen Salzburgs erreicht werden und sich erste Formen zivilge-       Zensus 2011 gibt es hierzu allerdings keine genaueren Daten.
sellschaftlichen Protests bilden (Hoffmann and Luger, 1997;        Andere Datengrundlagen, wie etwa der dem Melderegister
Stadt Salzburg, 2019; Neuhold, 2018b).                             entnommene Anstieg der Personen mit gemeldetem Neben-
   In Salzburgs Zentrum führt die Tourismuskonzentrati-            wohnsitz in Salzburg, lassen eine Kontinuität der Dynamik
on zu einer Transformation des urbanen Lebensraums, zu             vermuten5 . Alleine zwischen 2003 und 2018 stieg die Anzahl
Verkehrsproblemen und einer verminderten Lebensqualität.           der Einwohner_innen mit Nebenwohnsitz um 26 % (vgl. Ta-
Auch das Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot passt           belle 1) (Stadt Salzburg, 2018a).
sich an. Auf der einen Seite stellen Tourist_innen mittlerwei-        Immer öfter werden Wohnungen für touristische Kurz-
le ein Drittel der Konsumnachfrage in der Innenstadt, zum          zeitvermietungen über Airbnb und andere Portale zweckent-
anderen macht gerade die hohe Touristendichte das Zentrum          fremdet. Eine aktuelle Studie zählt 700 aktive Angebote al-
für Einheimische unattraktiv (CIMA, 2015, 2016). Dies führt        leine auf dieser Plattform, die sich zudem stark auf die inner-
zu einer kontinuierlichen Abwanderung der Wohnbevölke-             städtischen Stadtviertel konzentrieren. 75 % sind ganze Woh-
rung im touristischen Zentrum (vgl. Hoffmann and Luger,            nungen oder Häuser, von denen zudem mehr als 50 % dauer-
2011). In der zentralen Altstadt ging die Wohnbevölkerung          haft dem Wohnungsmarkt entzogen sind (Hof et al., unveröf-
(Hauptwohnsitz) in den letzten 10 Jahren um knapp 15 %             fentlichter Projektbericht). Dies übertrifft bspw. die Zahlen
zurück (Stadt Salzburg, 2013; 2018b; eigene Berechnungen),         für Wien, wo mittels gleicher Methodik eruiert wurde, dass
während die Einwohnerzahl der gesamten Stadt im gleichen           „nur“ 38 % der über Airbnb angebotenden Wohnungen und
Zeitraum um knapp 3 % anstieg.                                     Häuser dauerhaft dem Wohnungsmarkt entzogen sind (Seidl
   Wohnraum wird im zunehmenden Maße durch andere                  et al., 2017). Des Weiteren dominieren kommerzielle Anbie-
Nutzungsformen genutzt, die nicht durch einen dauerhaften          ter_innen den Airbnb-Markt in der Stadt Salzburg, die meh-
Wohnsitz begründet sind – im Stadtzentrum stark, in ande-          rere Angebote haben. Konkret gehen 90 % der Einnahmen an
ren Stadtteilen in abgeschwächter Form. Dabei handelt es           Anbieter_innen, die monatlich mehr als EUR 1500 mit Airb-
sich erstens um touristische Nutzungen, zweitens um dar-           nb verdienen. Vor allem Top-Anbieter_innen mit mehr als
über hinaus gehende Formen von Zweitwohnsitzen und drit-           fünf Angeboten zeugen von dieser kommerziellen Struktur.
tens um leerstehende Wohnungen. Die zusätzliche Nachfrage          Sie repräsentieren zwar nur 5 % der Airbnb-Anbieter in Salz-
nach Wohnungen steht in unmittelbarer Konkurrenz zur ein-          burg; stehen aber für 28 % der Angebote (Hof et al., unveröf-
heimischen Bevölkerung.                                            fentlichter Projektbericht). Außerdem äußerten sowohl Ho-
   In allen drei Fällen werden diese Wohnungen nicht als           mesharer als auch kommerzielle Anbieter_innen im qualita-
Hauptwohnsitz genutzt – dies bedeutet, dass in diesen Woh-         tiven Teil der genannten Studie übereinstimmend, dass Mehr-
nungen niemand seinen Lebensmittelpunkt hat. Bereits im            einnahmen der Hauptgrund der Kurzzeitvermietung sind.
Jahr 2011 gab es in Salzburg 14 791 Wohnungen ohne Haupt-             Dieses Angebot steht in direkter Konkurrenz zu einhei-
wohnsitzmeldung, das entsprach 17,1 % aller Wohnungen              mischen Wohnungssuchenden, da es sich mehrheitlich um
und mehr als einer Verdopplung seit 1991 (Straßl et al.,           nicht speziell für touristische Zwecke gewidmete Wohnun-
2018). Im Vergleich zu anderen österreichischen Landes-            gen, sondern regulären zweckentfremdeten Wohnraum han-
hauptstädten liegt hier Salzburg, neben Innsbruck mit 18,3 %
vor Graz (15,8 %) und Linz (13,7 %). Vor allem die Dyna-              5 Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Einwohnern mit „Ne-
mik der Jahre von 2001 bis 2011 mit einer Zunahme um               benwohnsitz“, welche auf der möglichen Angabe „weiterer Wohn-
über 5000 Wohnungen ohne Hauptwohnsitz zeigt die Rele-             sitz“ auf den Meldezetteln basiert und Wohnungen ohne Haupt-
                                                                   wohnsitzangabe (Nebenwohnsitzwohnungen) (vgl. König, 2017)

Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019                                                              www.geogr-helv.net/74/235/2019/
Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg                                      243

Abb. 4. Starke Zunahme von Ankünften und Nächtigungen in der Stadt Salzburg; Quelle: Stadt Salzburg (2019).

Tabelle 1. Wohnungen und Einwohner_innen mit Haupt-/Nebenwohnsitz; Quelle: Stadt Salzburg (2018a).

                       Index = 1991; 2002 massive Bereinigung des       1991   2001        2011       2018
                       Melderegisters; ∗ Entwicklung mit Index 2003
                       Wohnungen mit Hauptwohnsitz                      100     108          117      –
                       Wohnungen ohne Hauptwohnsitz                     100     134          208      –
                       Einwohner_innen mit Hauptwohnsitz                100     101          105      110
                       Einwohner_innen mit Nebenwohnsitz                100     107    71 (121∗ )     75 (126∗ )

delt und Wohnungen ohne, aber auch mit Hauptwohnsitz be-              cher, auch in den höheren Altersgruppen (Stadt Salzburg,
trifft. 55 % der Anbieter_innen bieten zudem mehrere Unter-           2018a).
künfte an. Die genannte Studie zeigt, dass die Mehrzahl hier-            Dies ist ein deutliches Indiz, dass es sich bei der Ent-
bei professionelle Beherbergungsunternehmer_innen sind. In            wicklung der Nebenwohnsitze nicht nur um ein Phänomen
der Statistik erscheinen diese Wohnungen dann zumeist ohne            der Ausbildungs- und Arbeitsmigration handelt. Die Neben-
Hauptwohnsitz.                                                        wohnsitzfälle verteilen sich nicht nur ungleich auf unter-
   Immer mehr Menschen leben darüber hinaus nur zeitwei-              schiedliche Altersgruppen, sondern sind auch ungleichmä-
lig in Salzburg, weil sie hier studieren und arbeiten oder            ßig über die Stadt verteilt. In der zentralen Altstadt sind
aber auch, weil Salzburg aufgrund seiner Attraktivität für sie        Nebenwohnsitze doppelt so häufig, wie in der restlichen
einen weiteren Wohnsitz wert ist (vgl. Weichhart, 1988). An-          Stadt. Ähnlich verhält es sich auch im direkt angrenzen-
fang 2019 hatten 21.344 Einwohner_innen der Stadt Salz-               den Bereich (Mönchsberg/Inneres Nonntal/Leopoldskron).
burg nur einen Nebenwohnsitz in der Stadt Salzburg. Die               Spitzenreiter ist das gründerzeitlich geprägte Andräviertel,
Gesamtzahl der Nebenwohnsitze stieg seit 2003 kontinuier-             in dem auf 10 Hauptwohnsitze fast 4 Nebenwohnsitze ent-
lich, gleichzeitig änderte sich deren strukturelle Zusammen-          fallen. Unterdurchschnittliche Nebenwohnsitzdichten finden
setzung. Während die Anzahl der österreichischen Staatsan-            sich dafür im ländlichen Zählbezirk Hellbrunn sowie den
gehörigen mit Nebenwohnsitz von 2007 auf 2019 von 14.871              großen Wohnbezirken außerhalb der touristischen Hotspots
auf 13.593 leicht abnahm, stieg die Anzahl der Nebenwohn-             wie Maxglan, Liefering, Sam oder Taxham. Dies ist aller-
sitze anderer Staatsangehörigkeiten deutlich: von 2838 im             dings kein neues Phänomen. Schon in den frühen 1990er Jah-
Jahr 2007 auf 7751 im Jahr 2019. Mit Blick auf die Demo-              ren wurden Bedenken laut, die Altstadt könne zur „Sommer-
graphie, lässt sich außerdem eine stark überdurchschnittli-           oder Kulturresidenz“ für wohlhabende Ausländer verkom-
che Entwicklung bei den Altersklassen zwischen 50–59 und              men (vgl. Schorn, 1992). Gerade bei den genannten Stadt-
70–79 Jahren feststellen. In diesen Altersklassen verdoppelte         vierteln handelt es sich um jene mit den höchsten Mieten so-
sich die Anzahl der Nebenwohnsitze von 2007–2017, auch                wie Eigentumspreisen, was ebenfalls gegen die Evidenz von
bei den 60–69-Jährigen gab es eine Steigerung um 39 % –               Studierenden und Pendler_innen spricht. Naheliegender ist
während die Gesamtzahl im gleichen Zeitraum nur um 21 %               deshalb, wie auch oftmals medial kolportiert (vgl. Die Pres-
stieg (vgl. Tabelle 2). Im Gegensatz dazu entwickelten sich           se, 2016), dass es sich um Wohnsitze wohlhabender Auslän-
die Hauptwohnsitze in allen Altersgruppen deutlich schwä-             der_innen, vorwiegend aus EU-Ländern aber auch um Öster-
                                                                      reicher_innen aus anderen Bundesländern handelt, die auf-

www.geogr-helv.net/74/235/2019/                                                                     Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019
244                        Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg

Tabelle 2. Entwicklung der Neben- und Hauptwohnsitze nach Altersgruppen, Entwicklung 2007–2017; Index 2007 = 100/Quelle: Stadt
Salzburg (2018a).
                               P
            Altersgruppe              0–9   10–19    20–29     30–39      40–49   50–59   60–69    70–79    80 <
            Nebenwohnsitze
            relativ         121       78       92      103      121        127      201    139       205     113
            absolut       +3796      −70     −113     +221     +652       +620    +1432   +444      +546     +64
            Hauptwohnsitze
            relativ          102      99      101      109       94         90      108     96       146     102
            absolut        +3497    −172      +74    +1714    −1323      −2476    +1657   −765     +4657    +131

grund der Vorzüge der Stadt einen Zweitwohnsitz begründe-        he Immobilienpreise auf, die auch stärker touristisch geprägt
ten. In Salzburg sind allerdings nur knapp 600 Zweitwohn-        sind (Hölzl & Hubner, 2018). Das heißt die touristischen Ver-
sitze gemeldet (Straßl and Riedler, 2015).                       wertungsmöglichkeiten in Verbindung mit der relativen Ver-
   Neben der kurzfristigen touristischen Nutzung sowie der       knappung des Wohnraums tragen dazu bei, dass die Verwer-
Verwendung als Nebenwohnsitz spielt auch unterschiedlich         tung von Immobilieneigentum bedeutender wird.
motivierter Leerstand von Wohnungen eine Rolle zur Erklä-           Die Mieten stiegen von 2007 auf 2017 nur um knapp 15 %
rung der vielen Wohnungen ohne Hauptwohnsitz. Straßl und         von EUR 8,7 auf EUR 10 Kaltmiete. Der niedrigere Anstieg
Riedler (2015) kommen zum Schluss, dass neben den zeitli-        der Mieten im Gegensatz zu den Eigentumsimmobilien ist
chen Mindernutzungen wie kurzzeitvermieteter Wohnungen           darauf zurückzuführen, dass für Mieten stärkere regulatori-
und räumlichen Mindernutzungen (z.B. ältere Personen in zu       sche Vorschriften bestehen (siehe Abschnitt 4) und Touris-
großen Wohnungen) ein Bestand von ungefähr 3500 Woh-             mus und Finanzanlagen stärker den Eigentumsimmobilien-
nungen mobilisierbarer Leerstand ist. Sie werden nicht ge-       markt betreffen. Vereinzelt können auch Mieter_innen über
nutzt, weil die Eigentümer_innen eine Vermietung scheuen         Angebote an Vermittlungsplattformen wie Airbnb von tou-
oder aus finanziellen Gründen nicht für notwendig erachten.      ristischer Nachfrage profitieren. Vornehmlich ist Airbnb aber
                                                                 nicht Plattform für Privatanbieter, sondern in bedeutendem
                                                                 Maße Vertriebskanal kommerzieller Anbieter von Ferien-
5.3   Teures Pflaster Salzburg                                   oder Geschäftsunterkünften (Hof et al., unveröffentlichter
Unterschiedliche Formen der touristischen Nutzung von            Projektbericht; Kadi et al., 2018). Das schnelle Wachstum
Wohraum, die wachsende Anzahl von Zweitwohnungen, und            von Airbnb-Angeboten bringt die Bedeutungszunahme fi-
die Nachfrage nach Immobilien zur Anlage setzen den Woh-         nanzieller Verwertungsstrategien besonders zum Ausdruck.
nungsmarkt in Salzburg unter Druck. Neben anderen Fakto-         Mit ihren Investitionen in Immobilien beabsichtigen sie Ge-
ren ließen sie die Nachfrage nach Immobilien bzw. Wohn-          winne aus der Vermietung von Wohnungen zu erzielen.
raum in Salzburg ansteigen. Im Jahr 2016 kletterte die An-          Von den Preissteigerungen ebenso betroffen ist der Markt
zahl an Immobilienverkäufen im Großraum Salzburg auf das         für Baugrundstücke. Sowohl unterschiedliche Bauträger-
Allzeithoch von 3102. Das war ein Plus von 12,6 % gegen-         formen als auch Privatpersonen fragen Grundstücke für
über dem Vorjahr und ein Anstieg um 75 % seit 2009. Auch         Wohnbau stark nach. Das Grundstücksangebot ist aller-
das Umsatzvolumen der Immobilien stieg von 456 Millionen         dings begrenzt. Die durchschnittlichen Quadratmeterpreise
im Jahr 2009 auf 1,21 Milliarden im Jahr 2016. Wohnimmo-         für Bauland im Großraum Salzburg haben sich von 2007
bilien (Neubauwohnungen, Bestandswohnungen und Häu-              (EUR 482) bis 2017 (EUR 871) deutlich gesteigert. Das
ser) nahmen hier mit 62,5 % einen großen Teil ein. 2017 er-      Preisniveau im Hochpreissegment (3. Quartil) liegt 2017
folgte dann ein leichter Rückgang (Hölzl & Hubner, 2018).        mit durchschnittlich EUR 974 nochmals darüber. Gerade im
   Die jahrelange Zunahme der Nachfrage nach Wohnraum            Vergleich mit anderen österreichischen Städten wie Linz
trägt zur Steigerung der Immobilienpreise bei (siehe Ta-         (EUR 319) oder Graz (EUR 237) weist Salzburg mit Inns-
belle 3). Die etablierten Eigentümer_innen können dies ei-       bruck (EUR 799) eine relative Alleinstellung auf (WKO,
nerseits als Wertsteigerung verbuchen und andererseits nun       2002–2018; Hölzl & Hubner, 2018).
durch steigende Mieten höhere Rentenerträge erzielen. Die
Preise für Neubauwohnungen stiegen von 2007 bis 2017             6     Fazit
von durchschnittlich EUR 3478 pro m2 um knapp 20 % auf
EUR 4161 pro m2 . Bestandswohnungen verteuerten sich im          Zwei zentrale Entwicklungen haben die Nachfrage nach
selben Zeitraum sogar um 40 % (WKO, 2002–2018). Die              Wohnraum in den letzten Jahren global gesteigert: Im Zuge
Preise unterscheiden sich je nach ihrem Mikrostandort am         der durch zahlreiche institutionelle Veränderungen bewirkten
Stadtgebiet. Vor allem jene Stadtteile weisen besonders ho-      Bedeutungszunahme des konzentrierten Anlagekapitals er-

Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019                                                           www.geogr-helv.net/74/235/2019/
Andreas Van-Hametner et al.: Die Wohnungsfrage abseits der Metropolen: Wohnen in Salzburg                                                                                 245

Tabelle 3. Teures Pflaster – Kennzahlen des Wohnungsmarktes Salzburg; (WKO, 2002–2018; ÖVI, 2018)

                                                Graz                    Innsbruck                     Linz                     Salzburg                     Wien∗
                                            2007       2017            2007      2017             2007       2017            2007      2017           2007       2017
    Immobilienmarkt                         3017       3307            1538      1204             1115       1341            1405      1175             –            –
    (Anzahl der Käufe von                 (2010)                     (2010)                     (2010)                     (2010)
    Wohnimmobilien)
    Kaltmiete                                 6,8        8,2             8,5      11,3              7,1        8,3             8,7        10            –           9,8
    (in Euro pro Quadratmeter)
    Neubauwohnungen                         2405       2922            2680      3800             2312       2735            3478      4161             –        3886
    (in Euro pro Quadratmeter)
    Bestandswohnungen                       1420       1708            1924      2841             1469       1710            1945      2728             –        2723
    (in Euro pro Quadratmeter)
    Baugrundstücke                           193        237             490        799             252        319             482        871            –         600
    (in Euro pro Quadratmeter)
  ∗ Die Transaktions- und Preisdaten für 2007 liegen den Autoren nur auf Bezirksebene vor, da Wien aus mehreren Bezirken besteht, stehen keine Angaben für die
  Gesamtstadt zur Verfügung.

langten Immobilien vor allem in den Metropolregionen ver-                                und öffentlichem Wohnbau in Salzburg gibt den privaten Ka-
stärkt die Rolle einer Kapitalsenke. Zuletzt gerieten zuneh-                             pitalinteressen viel Raum.
mend auch kleine und mittelgroße Städte ins Interessenfeld                                  In Salzburg kommt hinzu, dass die Wohnungsfrage mit
des anlagesuchenden Kapitals. Hinzu kommt, dass auch Pri-                                Wohnungsnot und hohen Preisen seit jeher besteht. Die Poli-
vatpersonen aufgrund verstärkter Unsicherheiten am Kapital-                              tik hat dieses Problem nie ernsthaft und persistent angegan-
markt, niedriger Zinsen und dem Mangel alternativer, stabi-                              gen (Weichhart, 1988). Die Stadtpolitik fordert und fördert
ler Anlagemöglichkeiten sowie der (gefühlten) individuellen                              den quantitativen Tourismus und widersetzt sich der Nach-
Verantwortung für die eigene Altersvorsorge verstärkt Wohn-                              frage nach Wohnraum zu Anlagezwecken nicht wirksam.
eigentum zur Anlage und Vorsorge erwerben. Diese Tendenz                                    Resultat ist eine Stadt, die massive Preissteigerungen bei
zur Anlage in Wohnraum manifestiert sich regional differen-                              Miet-, noch stärker bei Eigentumswohnungen aufweist. Die-
ziert.                                                                                   se führen dazu, dass große Teile der Bevölkerung einen
    In ausgeprägten Touristenstädten wie Salzburg kommt mit                              wachsenden Anteil ihres Einkommens für das Wohnen aus-
der starken Zunahme des Städtetourismus noch eine zweite                                 geben müssen.
Entwicklung hinzu, welche den Wohnungsmarkt unter Druck                                     Bislang behandelt die Literatur der Wohnungsmarktfo-
setzt. Salzburg ist Beispiel für eine Stadt in der overtourism                           schung entweder den Konnex von Finanzialisierungsprozes-
und seine negativen Auswirkungen für die Einwohner Rea-                                  sen und dem Wohnungsmarkt (zumeist von großen Metropo-
lität sind. Der Tourismus in Salzburg fördert Prozesse, die                              len) oder den negativen Auswirkungen von Tourismus auf
in ihrer Summe Wohnraum zweckentfremden und reduzie-                                     Wohnungsmärkte. Eine gemeinsame und verschränkte Be-
ren. Beiden Entwicklungen immanent ist es Wohnraum aus-                                  trachtung dieser beiden Prozesse ist bislang eine Lücke in der
schließlich als Ware zu sehen und damit die Diskrepanz zum                               aktuellen Stadt- und Wohnungsmarktforschung. Gerade die
Wohnen als Grundbedürfnis zu verschärfen.                                                Verknüpfung der Diskussionen um Finanzanlagen und Tou-
    Tourismusinduzierte Prozesse und Finanzialisierungspro-                              rismus vermittelt unserer Ansicht nach wichtige zusätzliche
zesse können nur dort ihre volle Wirkung auf den Wohnungs-                               Erkenntnisse. Beides zusammen macht die regionale Woh-
markt entfalten, wo ordnungpolitische Rahmenbedingungen                                  nungsfrage und die Preisentwicklung in Städten mit ausge-
dies zulassen oder begünstigen. Ihre Wirksamkeit wird durch                              sprägter Nachfrage von außerhalb wie in Tourismus- oder
lokale Prozesse mitbeeinflusst. Die zentralen ordnungspo-                                Universitätsstädten erst greifbar und verständlich. Salzburg
litischen Instrumente der österreichischen Wohnungspolitik                               steht hierbei als Paradebeispiel dafür.
sind in Salzburg verhältnismäßig schwach. Die Instrumen-                                    Für Salzburg zeigen wir stellvertretend auf, dass Touris-
te des Mieterschutzes entfalten in Salzburg nur bedingt ihre                             mus und Finanzialisierung getrennte Phänomene auf Woh-
Wirkung. Dies lässt Investitionen in den Wohnungsmarkt at-                               nungsmärkten begründen, manche Phänomene aber dezidiert
traktiver werden. Die Veränderungen der Wohnbauförderung                                 auf beide Entwicklungen zurückgeführt werden können.
verhindern, dass diese einen starken Kontrapunkt zur Markt-                                 (Massen-)Tourismus und Finanzialisierung bedingen sich
dynamik darstellt. Der geringe Anteil von gemeinnützigem                                 teilweise auch bzw. begünstigen sich wechselseitig.

www.geogr-helv.net/74/235/2019/                                                                                              Geogr. Helv., 74, 235–248, 2019
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